Geschlechterapartheid und Jungfräulichkeitsfetischismus

Die islamische Sexualmoral und die Skepsis gegenüber Frauen sind im Kern aus dem Judentum übernommen worden: Verbot des außerehelichen Geschlechtsverkehrs und die Steinigung von Ehebrecherinnen zählen dazu. Doch der Islam steigerte den Jungfräulichkeitskult und prägte ein Frauenbild, das im 21. Jahrhundert noch immer gilt.

Die außereheliche Sexualität wird im Islam kriminalisiert, um die Blutlinie der Familie zu bewahren, denn wenn die Frau mehrere sexuelle Beziehungen gleichzeitig hat, weiß sie danach nicht, wer der Vater ihres Kindes ist. Der Vater ist aber nicht nur Oberhaupt und Versorger der Familie, sondern vererbt die Religion auch an seine Kinder. Anders ist es im Judentum, wo die Mutter die Religion der Kinder bestimmt. Deshalb wird die Frau in den islamischen Gesellschaften isoliert und überwacht. Der Schleier ist nicht nur Zeichen des Misstrauens, das die Frau der Außenwelt gegenüber an den Tag zu legen hat, sondern auch Zeichen des Misstrauens des Mannes gegenüber seiner Frau.

Die Geschlechterapartheid und der Jungfräulichkeitsfetischismus haben allerdings jenseits der Bewahrung der Stammesblutlinie noch andere Gründe, wie Thomas Maul in seinem Buch »Sex, Djihad und Despotie« feststellt.

Maul untersuchte das Strafgesetzbuch der islamischen Republik Iran und stellte fest, dass die Jungfräulichkeit einer Frau wertvoller ist als ihr Leben. Im Islam gibt es die Regelung der diyya, des Blutgeldes. Bei Mord und bei schwerer Körperverletzung zahlt ein Täter eine Entschädigung an den Verletzten oder die Familie des Toten. So wie einer Frau im Erbfall nur die Hälfte des Anteils eines Mannes zusteht, macht auch das Blutgeld einer verstorbenen Frau nur die Hälfte der diyya eines Mannes aus. Interessant wird die Rechnung, wenn es um Körperverletzung geht. Im Artikel 297 des iranischen Strafgesetzbuchs wird das Blutgeld eines getöteten Mannes mit dem Wert von hundert Kamelen beziffert. Genauso viel sind auch die Hoden eines Mannes wert – wobei für den linken Hoden der Wert von 66,6 Kamelen veranschlagt wird, während der rechte nur 33,3 Kamele wert ist. Der Preisunterschied lässt sich damit erklären, dass die Scharia dem linken Hoden die Zeugung von Jungen, dem rechten hingegen die Zeugung von Mädchen zuschreibt. Summa summarum ist der linke Hoden des Mannes teurer als das Leben einer Frau, für das es nur fünfzig Kamele gibt. Wird eine Frau gewaltsam entjungfert, so liegt das Blutgeld für ihr Hymen laut Artikel 441 höher als das Blutgeld für ihr Leben. Denn hier kommt zu den fünfzig Kamelen noch das übliche Brautgeld, das sie im Falle einer Eheschließung hätte bekommen können.

Im Iran wird eine Frau zum Tod durch Steinigung verurteilt, wenn sie mit einem Mann schläft, den sie liebt, mit dem sie aber nicht verheiratet ist. Würde sie ihren Körper jede Woche einem anderen Mann anbieten, hätte zuvor aber einen religiösen Kurzzeitehevertrag geschlossen, würde sie als gottesfürchtige Schiitin gelten. Denn diese Praxis erfolgt durch einen religiösen Ehevertrag. Der Mann kann täglich durch einen derartigen Vertrag Sex mit unterschiedlichen Frauen haben, ohne die Grenzen des Islam zu verlassen.

Im Islam geht es nicht um die Liebe zwischen Mann und Frau. Die Ehe ist ein vertraglich geregeltes Modell, in dem Mann und Frau bestimmte Rechte und Pflichten haben, die der Staat bestimmt und überwacht. Sinn und Zweck einer Ehe ist einzig die Fortpflanzung des Islam. Alles, was jenseits der staatlichen Kontrolle geschieht oder sich ihr entzieht, gilt als Gefahr und wird hart bestraft. Säureattacken auf unverschleierte Frauen, Genitalverstümmelung bis hin zu Ehrenmorden und Steinigungen sind weitere Formen von Frauenfeindlichkeit in muslimisch geprägten Gesellschaften. Es sind Ausdrucksformen der Angst vor der weiblichen Emotion und Unabhängigkeit. Eine Angst, die zur Tugend deklariert wird. Genau wie die Ur-Angst des Faschismus, dass die Feinde der Nation sie von außen angreifen, während die Abtrünnigen das Land von innen verraten.

Stellt man sich den Realitäten in der islamischen Welt, so sieht man viel Elend und Doppelmoral im Umgang mit der Sexualität. Nirgendwo gibt es so viele Operationen zur Rekonstruktion des Hymen wie im islamischen Raum. Jeder kennt diese Tatsache, aber keiner will sie anerkennen. In den Ländern, wo die Tabuisierung der Sexualität am strengsten ist, wie in Afghanistan, im Iran und in Ägypten, erreicht die sexuelle Belästigung von Frauen auf offener Straße inzwischen unerträgliche Dimensionen. Islamisten werben junge Männer für den Dschihad in Syrien damit an, dass dort der Sex-Dschihad erlaubt sei. Junge Musliminnen aus allen Ecken der islamischen Welt, vor allem aus Nordafrika, bieten sich in Syrien den Dschihadisten an. Sunnitische Gelehrte unterstützen den Sex-Dschihad und berufen sich auf den Propheten, der seinen Soldaten während eines langes Krieges erlaubt hat, »Genussehen« mit anderen Frauen zu schließen, um ihre sexuelle Lust zu entladen. Hier wird das Verbot der außerehelichen Sexualität im Islam außer Kraft gesetzt, denn es geht um ein noch höheres Prinzip: den Dschihad. Es geht darum, den Kämpfer zu motivieren und seine Paradiesphantasien zu beflügeln.