Kapitel 1

Faschismus und Islamismus – ein ungleiches Paar?

Der Faschismus ist eine Art »politische Religion«. Seine Anhänger glauben, im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein. Ganz oben in der Hierarchie steht der charismatische unfehlbare Führer, der mit einem heiligen Auftrag ausgestattet ist, um die Nation zu einen und die Feinde zu besiegen. Die faschistische Ideologie vergiftet ihre Anhänger mit Ressentiments und Hass, teilt die Welt in Freund und Feind ein und droht Gegnern mit Vergeltung. Sie richtet sich gegen die Moderne, die Aufklärung, den Marxismus und die Juden und glorifiziert Militarismus und Opferbereitschaft bis in den Tod.

All diese Eigenschaften treffen auch auf den modernen Islamismus zu, der zeitgleich mit dem Faschismus in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden ist. Sowohl der Faschismus als auch der Islamismus sind aus einem Gefühl der Niederlage und Erniedrigung hevorgegangen. Beide Strömungen eint das Ziel, ein Imperium zu errichten – die Weltherrschaft als quasi verbrieftes Recht –, dem die totale Vernichtung seiner Feinde vorausgeht. Die eine Bewegung glaubt an die Überlegenheit der arischen Rasse, die andere ist überzeugt von der moralischen Überlegenheit der Muslime gegenüber dem ungläubigen Rest der Menschheit.

Als Benito Mussolini in Italien seine faschistische Bewegung gründete, träumte er davon, an die glorreichen Tage des Römischen Reiches anzuknüpfen. Diese nostalgische Sehnsucht teilte auch Hassan Al-Banna, als er die Muslimbruderschaft wenige Jahre nach Mussolinis Aufstieg gründete. Er beschwor ebenfalls die große Vergangenheit. Der tunesisch-französische Schriftsteller Abdel-Wahhab Meddeb sieht ein zentrales Problem der islamischen Welt darin, dass die Muslime sich nicht damit abfinden können, nicht mehr – wie noch im Mittelalter – die führende Macht in der Welt zu sein. Die Diskrepanz zwischen einer stolzen Vergangenheit und der bitteren Realität der Gegenwart sieht er als eine der Hauptquellen für Ressentiments gegen den Westen. Eine Dauerkränkung der islamischen Welt sozusagen, entstanden aus dem subjektiven Gefühl, von der Welt und der Geschichte ungerecht behandelt worden zu sein. Diese Kränkung, gepaart mit einer Überhöhung der Vergangenheit, ist ein wichtiger Motor des islamischen Faschismus.