Von Abraham bis Sayyid Qutb – die Wurzeln des Faschismus in der islamischen Geschichte
Jedes Jahr feiern Muslime weltweit das Opferfest. Mit ihm wird an die Geschichte Abrahams und seines Sohnes erinnert, die sowohl in der Bibel als auch im Koran erzählt wird.
Der Stammvater von Juden, Christen und Muslimen sah im Traum, wie er seinen Sohn für Gott opfert. Laut koranischer Erzählung wacht Abraham am nächsten Morgen auf, holt sofort ein Messer und eilt zu seinem Sohn, um ihm von seinem Traum zu erzählen: »Mein Sohn! Ich sah im Traum, dass ich dich schlachte. Nun schau, was meinst du dazu? Er sagte: Vater! Tu, was dir befohlen wird! Du wirst, so Gott will, finden, dass ich standhaft bin.« Im Koran heißt es weiter: »Als sich beide [Gottes Willen] ergeben hatten und Abraham seinen Sohn mit der Stirn zum Boden hingelegt hatte, rief Gott ihm zu: O Abraham! Bereits hast du das Traumgesicht bestätigt! Gewiss, solcherart vergelten WIR es den Rechtschaffenen. Gewiss, dies war die offenkundige Prüfung. Und WIR lösten ihn mit einem großen Schlachtopfer aus. Und WIR bewahrten seine Geschichte unter den Nachkommen. Friede sei auf Erden! So belohnen WIR den Rechtschaffenen. Er ist [einer] von unseren gläubigen Dienern.« Gott hält Abraham am Ende zwar davon ab, seinen Sohn zu opfern, lobt ihn aber als rechtschaffen und würdigt die Entschlossenheit des Mannes, die grausame Tat auch zu vollenden. Statt des Kindes nimmt Gott schließlich ein Tieropfer an.
In dieser Geschichte finden sich mehrere Aspekte, die aufhorchen lassen: Abraham ist bereit, die Befehle Gottes, seines »Führers«, auszuführen, ohne den Sinn oder moralischen Gehalt dieses Befehls in Frage zu stellen. Er ist sogar bereit, den eigenen Sohn zu opfern. Zwei zentrale Aspekte des Faschismus: bedingungsloser Gehorsam und Opferbereitschaft bis zum Äußersten. Mit seinem Handeln – beziehungsweise der Bereitschaft dazu – steht Abraham aber auch für den Kerngedanken des Islam. Der Begriff islam leitet sich von dem arabischen Verb aslama ab, was »sich hingeben« oder »sich unterwerfen« bedeutet.
Eine weitere Überschneidung ergibt sich aus der Tatsache, dass Abraham seinen Sohn in die Entscheidung mit einbezieht, obwohl sein Sohn als Kind weder von Gott noch von Opferung etwas versteht. Dies ist auch eine Taktik, die Faschisten anwenden: den Massen die Illusion zu geben, als würden sie eine Entscheidung treffen, die längst gefallen ist. Eine perfide Suggestion, die Goebbels in seiner Sportpalastrede zur Perfektion brachte. Das aufgeputschte Volk brüllte »ja« auf die Frage: »Wollt ihr den totalen Krieg?« Als der nicht gewonnen werden konnte, lag es am Volk, das es aufgrund seines mangelnden Einsatzes nicht anders verdient hatte, als unterzugehen.
Der Faschismus ist in gewisser Weise mit dem Monotheismus verwandt. Religionen, die vielen Göttern huldigen, sind in der Regel toleranter und flexibler als die drei monotheistischen Religionen. Denn bei den Polytheisten werden die Aufgaben auf mehrere Götter verteilt: Der eine ist für den Tod, der andere für das Leben, einer für die Fruchtbarkeit, wieder ein anderer für die Zerstörung zuständig usw. Und so ergänzen sich diese Götter nicht nur, sie sind auch voneinander abhängig. Der Gläubige hat die Wahl, sich je nach Anliegen an den einen oder anderen Gott zu wenden. Der abrahamitische Gott jedoch ist eifersüchtig und duldet keine Götter neben sich. Die Idee, dass es nur einen Gott gibt, der uns geschaffen hat, der alles bestimmt, was mit uns geschieht, der uns vierundzwanzig Stunden am Tag beobachtet, der unsere Gedanken und Träume kennt, der unser Leben mit Geboten und Verboten kontrolliert und uns bei Verfehlungen mit Höllenqualen bestraft – diese Idee ist der Ursprung der religiösen Diktatur, die wiederum Vorbild für alle anderen Diktaturen ist. In jeder Diktatur gibt es jemanden, der Zugang zur absoluten Wahrheit hat, der den Menschen den Weg dorthin weist und von ihnen als Gegenleistung verlangt, ihre Individualität und ihren gesunden Menschenverstand aufzugeben und ihm als Inhaber dieser absoluten Wahrheit bedingungslos zu folgen. Die Erlangung des Heils ist nur durch die Beschreitung dieses einen Wegs möglich. Alle anderen Wege führen in die Irre und ins Verderben.