Die Legende von der Potenz des Propheten

Fast alle totalitären Ideologien haben klare Rollenvorstellungen. Der Mann arbeitet und kämpft für sein Land; die Frau ist ihm treu ergeben, kümmert sich um den Haushalt und die Kinder, denen sie die Liebe zum Vaterland als wichtige Botschaft einimpft. Sexualität dient im Wesentlichen der Fortpflanzung, dem Erhalt der Rasse etwa im Nationalsozialismus, worin ein wichtiger Dienst am Vaterland gesehen wird.

Die Beziehung des Islam zur Sexualität ist widersprüchlich. Denkt man an die islamische Welt im Mittelalter, so kommen einem Bilder über halbnackte Frauen im Harem, erotische Tänze von Liebesdienerinnen und Eunuchen in den Sinn. Denkt man an die islamische Welt heute, hat man verschleierte Frauen vor Augen, die zunehmend aus dem öffentlichen Raum verschwinden, oder sexuell frustrierte junge Menschen, die die moralischen Ansprüche ihrer Religion nicht erfüllen können.

Liest man die frühen islamischen Texte, kann man sich nicht entscheiden, ob es sich beim Islam um eine übersexualisierte, körperbetonte oder eine asketische, körperfeindliche Religion handelt. Fakt ist, es geht immer um Sexualität aus der Sicht des Mannes. Es gibt reichlich religiöse Ratschläge, die bis ins kleinste Detail gehen, wie ein Mann zu höchster Lust gelangen kann.

Die merkwürdige Beziehung des Islam zu Frauen und Sexualität beginnt schon beim Propheten, dessen Mutter starb, als er noch ein Kind war. Die erste Frau, die er um 595 heiratete, war 15 Jahre älter als er. Die Witwe Khadidscha machte Mohamed zum Teilhaber ihres Handelsgeschäfts und war seine wichtigste Mentorin. Solange sie lebte, heiratete er keine andere Frau. Als Khadidscha 619 im Alter von sechzig Jahren starb, ging Mohamed die Ehe mit mehreren Frauen ein. Neben Sauda bint Zama heiratet er die neunjährige Aischa, Tochter seines besten Freundes Abu Bakr. Abu Bakr wurde nach Mohameds Tod erster Kalif der Muslime. Dazu kam Hafsa, die Tochter seines Freundes Omar, der zweiter Kalif wurde. Eine arabische Jüdin und eine Koptin aus Ägypten ehelichte er wohl eher aus strategischen Gründen. Insgesamt heiratete Mohamed nach Khadidschas Tod elf Frauen. Die meisten von ihnen ehelichte er, als er bereits über 55 war, also in einem Alter, in dem seine Potenz ein wenig nachgelassen haben dürfte. Die Ehen blieben übrigens allesamt kinderlos.

Für das Bild eines potenten, sexsüchtigen Mohamed sind frühe islamische Kommentatoren verantwortlich, die behaupteten, der Prophet habe »die Kraft von dreißig Männern« besessen. Eine Übertreibung, die bezeichnend ist für die gesamte Biographie von Mohamed und für die Aussagen, die ihm zugeschrieben werden. Und die nicht von ungefähr kommt. Vor allem in der Zeit, in der sich der Islam durch Eroberungskriege rasch ausbreitete, wurde in der islamischen Literatur der potente Mann mit dem fähigen Kämpfer gleichgesetzt. Der Überlieferung zufolge ließ Mohamed nach dem Sieg gegen den jüdischen Stamm der Quraiza alle Männer des Stammes köpfen und nahm Frauen und Kinder als Gefangene. Einer seiner Soldaten bat den Propheten um die Erlaubnis, eine der Gefangenen als Sexsklavin zu nehmen. Er hatte sich eine schöne Frau namens Safiyya ausgesucht. Doch als ein Gefährte Mohameds dem Propheten mitteilte, dass es sich bei Safiyya um die Tochter des Stammesführers handelte, beschloss Mohamed, Safiyya gehöre ihm. Am gleichen Tag, als er ihren Vater, ihren Ehemann sowie ihre Brüder hatte köpfen lassen, vergewaltigte er Safiyya. Sex als Mittel des Dschihad. Denn nicht nur die Männer des Stammes sollten vernichtet werden, auch die Gebärmütter ihrer Frauen sollten erobert werden. Dabei geht es nicht nur um den »Genuss« des muslimischen Eroberers oder um eine weitere Erniedrigung der Feinde, sondern um die Fortpflanzung des Islam im wahrsten Sinne des Wortes. Die Vergewaltigung wird mythisch überhöht und legitimiert – auch der Feind trägt nun dazu bei, die Gefolgschaft zu vergrößern. Mohamed heiratete Safiyya später zwar, aber das Muster blieb hängen.

Frauen als Kriegsbeute zu nehmen, war keineswegs eine Erfindung Mohameds. In der modernen Welt gilt diese Praxis längst als ein Kriegsverbrechen. Nur militante Islamisten betrachten diesen sexuellen Dschihad nach wie vor als »gute islamische Tradition«, etwa wenn sie christliche Dörfer im Irak oder in Syrien überfallen. Eine ungläubige Frau zu vergewaltigen und dabei vielleicht sogar zu schwängern gilt als Kampf für die Sache Gottes.

 

Mohameds eigene Aussagen zu Frauen sind sehr ambivalent. Vieles mag zurückzuführen sein auf die Spannungen zwischen seiner jungen Frau Aischa und dem Rest seiner Ehefrauen, die mit ihm und Aischa im gleichen Haus wohnten. So soll er einmal zu seinen Gefährten gesagt haben: »Heiratet die Jungfrauen, denn ihre Gebärmütter sind fähiger, ihre Lippen sind süßer und sie sind einfacher zufriedenzustellen.« Aischa war wohlgemerkt die einzige unter seinen ganzen Frauen, die noch Jungfrau war, als er sie heiratete. An einer anderen Stelle sagt er laut Überlieferung: »Ich habe den Gläubigen keinen unheilvolleren Unruheherd hinterlassen als die Frauen.« Der gleiche Mohamed mahnt allerdings an anderer Stelle: »Ich ermahne euch, seid lieb zu euren Frauen.« Er führte das Erbrecht für Frauen ein, die bis dahin keinerlei Anspruch auf ein Erbe hatten und wie ein Möbelstück an die Familie des Mannes gefallen waren; er betonte, Frauen dürften eigenen Besitz haben und Geschäften nachgehen. Er sagte, Mann und Frau seien vor Gott gleich. Und doch gibt es eine Reihe anderer Aussagen, in denen Frauen geradezu dämonisiert werden: »Ich habe in die Hölle geblickt und festgestellt, dass die Mehrheit ihrer Bewohner Frauen sind.«

 

Die strenge Haltung und Skepsis Mohameds gegenüber Frauen und die übertriebenen Berichte über seine Potenz könnten an seiner Eifersucht und seiner Unsicherheit liegen. So wird von einem Zwischenfall berichtet, in dem Aischa der Untreue beschuldigt wurde. Der Prophet war bereits ein alter Mann, Aischa noch eine Teenagerin. Mohamed nahm sie mit auf einen seiner Feldzüge. Auf dem Weg zurück war sie plötzlich verschwunden. Am nächsten Morgen wurde sie im Kamelzelt eines anderen Mannes gefunden. Noch bevor der siegreiche Prophet Medina erreichte, war diese Geschichte in der Stadt Gesprächsthema Nummer eins. Mohamed war sehr gekränkt und weinte tagelang. Sein Cousin Ali empfahl ihm, seine untreue Frau zu verstoßen. Das hätte aber nicht nur den Ruf Aischas, sondern auch das männliche Ego des Propheten weiter angekratzt. Was also tun? Zum Glück kam der Himmel zu Hilfe: Der Koran berichtet, dass Mohamed offenbart wurde, Ungläubige hätten die Geschichte erfunden, um den Propheten zu beleidigen.

Die leidige Geschichte wiederholte sich allerdings. Mohameds Frauen beschuldigten eine der ihren, mit einem ägyptischen Sklaven Sex gehabt zu haben. Mohamed ordnete daraufhin den Tod des Sklaven an. Doch kurz vor der Vollstreckung der Strafe soll der Henker (ebenfalls sein Cousin Ali) festgestellt haben, dass der Sklave kastriert war.

Danach fing Mohamed an, seine Frauen genauer zu beobachten, und führte strengere Regeln für ihre Bekleidung und Kommunikation ein. Berichte über seinen starken Sexualtrieb sollten dann den Verdacht verstummen lassen, der Prophet könne seine Frauen sexuell nicht befriedigen.

Seine eigenen Frauen ließ er voll verschleiern und erlaubte ihnen nur dann, mit einem Mann zu reden, wenn sich eine Wand zwischen ihnen und ihrem Gegenüber befand. Eines Tages kam Mohamed nach Hause und stellte fest, dass sich zwei seiner Frauen mit einem blinden Mann unterhielten. Er wurde wütend und fragte, warum sie sich nicht hinter der Wand versteckten, wie er das angeordnet hatte. Eine der Frauen sagte: »Der Mann ist doch blind.« Mohamed erwiderte gereizt: »Aber ihr seid nicht blind.«

Vor allem solche Überlieferungen werden bis heute von Traditionalisten bemüht. Da die Frauen des Propheten als Vorbilder für alle muslimischen Frauen gelten, rechtfertigen konservative Muslime die Geschlechterapartheid als »ein Leben nach der Lehre des Propheten«.