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Wie gewonnen, so zerronnen

Als bildhafter Vergleich für den Weg vom vorübergehenden zum dauerhaften Erwachen spreche ich gern von einer Rakete. Man braucht gewaltige Antriebskräfte und ebenso viel Vertrauen, um eine Rakete vom Boden wegzubekommen und dann auf Fluchtgeschwindigkeit zu bringen, damit sie nicht nur die Atmosphäre, sondern schließlich das Gravitationsfeld der Erde hinter sich lassen kann, um in den Weltraum vorzudringen.

Wenn der Treibstoff ausreicht, um die Rakete in eine ausreichende Entfernung von der Erde zu befördern, wird sie sich schließlich aus deren Anziehungskraft lösen, und wenn die Rakete das Gravitationsfeld hinter sich lässt, kann die Erde sie nicht wieder zu sich herunterziehen.

In diesem Vergleich soll die Erde für das Ich-Gebilde stehen, für das, was ich »Traumzustand« nenne. Der Traumzustand verfügt über Anziehungskraft und ist dadurch in der Lage, Bewusstsein an sich zu binden. Und das ist die Schwerkraft, mit der wir es eigentlich auf der ganzen Länge des spirituellen Weges zu tun haben. Im Erwachen brechen wir aus dieser Schwerkraft aus. Anfangs verlassen wir vielleicht einfach den Traumzustand, wir erwachen vom Ich-Traum der Trennung und Vereinzelung. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass auch das Bewusstsein bereits der Anziehungskraft des Traumzustands entkommen wäre. Und solange wir nicht gänzlich über dieses Gravitationsfeld hinausgegangen sind, werden wir wieder in die Ich-Erfahrung zurückgezogen und erleben Trennung.

Ich fasse das gern in die Worte »Wie gewonnen, so zerronnen«. Die Leute berichten von ganz erstaunlichen Erkenntnissen und Offenbarungen, aber dann am nächsten Tag oder nächste Woche, nächsten Monat, nächstes Jahr kommt es ihnen so vor, als hätten sie das wieder verloren. Das ist wie eine Rakete, die sich ein paar Kilometer in die Luft erhoben hat, der dann aber der Treibstoff ausgeht, so dass die Erde sie zurückzieht.

Mit dem Bild der Rakete möchte ich den Prozess des Erwachens verdeutlichen. Der Augenblick des Erwachens selbst – eben noch Traum, jetzt Wirklichkeit – ist kein Prozess, sondern etwas Spontanes, Augenblickliches. Aber die Auflösung des Egos braucht ihre Zeit, und das ist der Prozess, der nach dem Augenblick des Erwachens einsetzt und bei dem es darum geht, der Schwerkraft des Traumzustands zu entkommen.