Vorwort

Als ich Adyashanti im Herbst 2004 kennenlernte, fiel mir als Erstes die frische und originelle Art auf, in der er sich über das spirituelle Erwachen äußerte. Er hielt seine Zen-Herkunft in Ehren, betonte aber zugleich auch, dass wir die Verwirklichung nicht von bestimmten Lehrern oder Methoden abhängig machen dürfen. Wichtiger sei es, unsere unmittelbare eigene Erfahrung zu betrachten und die Landschaft unseres eigenen Lebens furchtlos zu erkunden.

Darüber hinaus bezeichnete er es als ein Märchen, dass es nur wenige Auserwählte bis zum spirituellen Erwachen bringen, nämlich Leute, die Jahrzehnte meditierend in Höhlen verbringen oder besondere Gewänder tragen. Dieses Märchen von der Seltenheit des Erwachens, fuhr er fort, kann sich bei unserer eigenen Entdeckungsreise als sehr hinderlich erweisen, weil es uns eingibt, an Grenzen zu glauben, die nicht real vorhanden sind.

Rückblickend scheint mir heute, dass Adya, wie er von Freunden und Schülern genannt wird, als einer sprach, der auf dem Kamm einer Welle reitet – und ich glaube, wir alle werden noch erleben, wie sich diese Welle zu brechen beginnt. Adya spricht es im ersten Kapitel an: Mehr und mehr Menschen jeglicher Herkunft und religiösen Ausrichtung berichten heute vom spirituellen Erwachen als dem größten und wichtigsten Umbruch ihres Lebens. Gerade in den letzten Jahren verändert sich die kollektive Wahrnehmung dessen, was möglich ist, besonders deutlich. Das spirituelle Erwachen – eine unerschütterliche Gewissheit, dass wir die Ganzheit und Einheit des Lebens sind – ist nicht mehr einer Elite von spirituell hoch entwickelten Wesen vorbehalten, sondern auf einmal uns allen zugänglich.

Als Verlegerin, die sich seit über zwanzig Jahren die Verbreitung spiritueller Lehren auf die Fahnen schreibt, nehme ich diese neue Welle des Interesses am spirituellen Erwachen mit Begeisterung, manchmal aber auch mit einer gewissen Besorgnis wahr, da gerade dieses Thema mit so vielen Unklarheiten, Missverständnissen und entstellenden Darstellungen behaftet ist. Es beginnt damit, dass man den Begriff »Erwachen« ganz unterschiedlich auffassen kann. Manchmal frage ich mich, ob die Leute nur sehen, was da zu gewinnen ist, oder auch – und das könnte noch wichtiger sein – was da verlorengeht. Dann ist es auch so, dass immer mehr Menschen in dieser Zeit der einsetzenden Popularisierung des Erwachens aus der Perspektive des Egos über ihre spirituellen Erfahrungen sprechen und durchblicken lassen, dass sie jetzt besser dran und »erleuchteter« sind als andere. Vor allem aber macht mir zu schaffen, dass so viele Menschen alles an »niederen Regungen« – wie Zorn, Depression oder Familienprobleme – leugnen, was nicht zu ihrer Vorstellung von einem Erwachten passt.

Als ich vor einiger Zeit einmal mit Adya telefonierte, erwähnte ich diese Bedenken und erzählte von meinen vielen Begegnungen mit Leuten, die das Erwachen offenbar falsch verstehen und sich eher von ihrer realen Erfahrung distanzieren, wie sie sich Augenblick für Augenblick abspielt. Adya erwiderte, genau zu diesem Thema der Fehleinschätzungen, Fallgruben und verblendeten Vorstellungen nach einem ersten Erweckungserlebnis spreche er sehr häufig. Ich griff augenblicklich und begeistert zu und fragte ihn, ob er nicht eine Reihe von Vorträgen zu diesem Thema halten wolle, die ich dann in meinem Verlag Sounds True als Buch und Hörbuch veröffentlichen würde. Er stimmte zu, und das Ergebnis halten Sie jetzt in Händen.

Es gibt, wie Adya im ersten Kapitel aufzeigt, nicht sehr viel, worauf Menschen nach einem ersten Erweckungserlebnis zurückgreifen können, um sich ein Bild von Dynamik und Verlauf dieses Geschehens zu machen. Ich wünsche diesem Buch, dass es im doppelten Sinn – Aufschluss gebend und als Katalysator – ein Führer zum größten aller Abenteuer wird.

 

Tami Simon

Verlag Sounds True

Boulder, Colorado