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Eine Hochzeit

Zum Abschluss möchte ich euch eine Geschichte erzählen. Es scheint Augenblicke im Leben zu geben, die alles, was wir erkannt haben, auf den Punkt bringen. Das ist für mich diese Hochzeit und ein Moment, der für mich diese ganze spirituelle Reise umfasst.

Es war eine Hochzeitsfeier mit vielen Gästen, sie fand in einer Turnhalle statt. Der zeremonielle Teil war vorbei, und alle hatten sich zum Essen an die Tische gesetzt. Dann aßen wir und plauderten und hatten unsere Freude an der ganzen Feier. Ich erinnere mich, dass es eine sehr schöne und herzliche Atmosphäre war.

Ich bin ein ausgesprochen schneller Esser und war schon bald wieder unterwegs zum Buffet. Während ich mir allerlei Leckereien auf den Teller lud, drehte ich mich einmal um und sah diese Turnhalle voller Menschen. Ich habe Hochzeiten schon immer als großartige Momentaufnahmen unseres Menschseins empfunden. Da waren Braut und Bräutigam, und sie amüsierten sich königlich. Kinder rannten herum und spielten, Eltern waren bemüht, sie irgendwie zur Räson zu bringen. Ich sah auch alte Menschen, ich sah alles, was dieses Menschsein ausmacht.

Plötzlich schoss es mir durch den Sinn, dass ich das Leben nie wieder so sehen würde, wie es die meisten anderen Menschen sehen. Es war, als würde etwas in mir in diesem Augenblick die Conditio humana, den Bereich des Menschseins, gänzlich hinter sich lassen. Die herkömmliche Sicht der Dinge war für mich unwiederbringlich dahin. Eine leichte Wehmut verband sich mit diesem Gedanken. Etwas in mir dachte: »Es ist nicht alles schmerzlich, es ist nicht alles schlecht. Es gibt wunderbare Augenblicke, diese Hochzeit zum Beispiel mit all den Menschen und ihrem Umgang miteinander.« Aber zugleich sah ich eben auch, dass ich die Welt anders wahrnahm als die meisten anderen. Und ich wusste, dass ich sie nie wieder so wahrnehmen würde. Es gab kein Zurück.

Selbst wenn ich mich bemühen würde, die Dinge wieder so zu sehen wie einst, es würde nicht gehen. Ich war über eine Brücke gegangen, und sie war hinter mir eingestürzt. Aber jetzt war da dieses Zögern, dieser Augenblick der Wehmut, und ich schloss die Augen und ließ ihn geschehen. Als ich sie wieder aufschlug, war die Wehmut weg.

Dann stand ich da mit dem beladenen Teller in der Hand mitten in dieser Hochzeit und wusste: Das hier ist es, auch wenn ich nichts mehr so sehe wie die meisten anderen hier. Das hier ist das Leben, und wie absolut wunderbar, wie schön es ist! Da war jetzt nur noch der Schritt zurück in diese Welt zu tun, und so trat ich mit dem Teller in der Hand in das Bild zurück, das ich eben noch vor mir gehabt hatte, und ich tat, was alle taten, ich aß, ich plauderte.

Es war ein Augenblick des Spürens, wie es ist, die Menschenwelt mit ihrer Trennungs-Perspektive zu verlassen und zugleich erneut in diese Welt einzutreten und sich ins Gewühl zu stürzen: zu sehen, dass dieses Leben, wie es ist, eine staunenswerte Manifestation der wahren Wirklichkeit ist.

Von da an ist mir das Leben, wie es sich gerade abspielt, immer ein wenig magisch, ein wenig erstaunlich vorgekommen. Sogar an den verrückten Stellen, wo Menschen einander Unvorstellbares antun, schwingt ein Gefühl mit, als hätte alles doch seine Richtigkeit. Tatsächlich ist das hier, mit allem Drum und Dran, das Gelobte Land, wenn wir nur die Augen öffnen würden, wenn wir es nur sähen.