Kapitel 6

Unbestreitbare Teleologie

Der Plan der Evolution

 

Die Naturgesetze sind nicht nur zugunsten
des Lebens, sondern auch zugunsten von Geist
eingestellt. Geist ist auf fundamentale Weise in
den Naturgesetzen inbegriffen.
1

Paul Davies, Das fünfte Wunder

 

 

Nachdem wir gesehen haben, dass es in der Physik nichts gibt, was gegen ein Leben nach dem Tod spricht, wenden wir uns nun der Frage zu, ob dasselbe auch für die Biologie gilt. Und ich will sogar noch weiter gehen: Für unsere Untersuchung über das Leben nach dem Tod wäre es wichtig, wenn wir in der Natur eine Art von Plan entdecken könnten. Das Prinzip der Feinabstimmung könnte in der Physik für einen solchen Plan sprechen, aber jetzt suchen wir nach einem Entwurf in der Biologie, einer Blaupause für die Entwicklung des Lebens und idealerweise für das menschliche Leben. Dabei geht es uns nicht nur um irgendein Konzept, sondern um ein Konzept, das uns eine Fortentwicklung vom Vergänglichen zum Unvergänglichen zeigt. Ein Plan, nach dem sich so etwas wie leblose Materie zu so etwas wie Bewusstsein oder Geist entwickelt, wäre eine feine Sache. Noch haben wir die Eigenschaften von Bewusstsein und Geist nicht genauer untersucht, aber an dieser Stelle genügt es zu sagen, dass sie sich von denen des Körpers unterscheiden. Wenn man das bezweifelt, dann braucht man sich bloß einmal zu fragen, wie viel der Geist wiegt. Was sind die Dimensionen – Länge, Breite und Höhe – eines Bewusstseins? Es gibt keine Antworten auf diese Fragen; und das sagt uns, dass Bewusstsein und Geist andere Eigenschaften haben als ein Körper. Möglicherweise sorgen diese Eigenschaften dafür, dass Bewusstsein und Geist den Tod des Körpers überleben.

Die Idee eines Plans nennt man »Teleologie«. Wir sprechen hier von natürlicher Teleologie, einem Plan, der »auf ein Ziel hinstrebend« (griechisch téleios) in die Natur eingebaut ist. Historisch wenden sich zwei Gruppen gegen eine natürliche Teleologie: Kreationisten und Atheisten. Für viele Kreationisten, welche die Evolution als gottloses System ablehnen, ist es sinnlos, nach einem Plan in der Natur zu suchen, weil ein solcher Plan ofensichtlich Gottes Plan sein müsste, so wie es die Bibel offenbart. Und da Gott allmächtig ist und keinen Plan benötigt, können wir auch direkt nach einer göttlichen Hand im Universum suchen. Während manche Gläubige der natürlichen Teleologie lauwarm gegenüberstehen, ist diese Idee den Atheisten jedoch zutiefst verhasst. Und man muss sagen, dass die meisten Biologen auf ihrer Seite sind. Seit Darwin hat die Teleologie in der konventionellen Biologie eigentlich keinen Platz mehr.

Die konventionelle Biologie geht davon aus, dass wir rein materielle Geschöpfe sind, die ihre Existenz, wie alle Lebewesen, der Evolution verdanken. Und da die Evolution durch Zufall und natürliche Selektion angetrieben wird, steht die Frage der Teleologie nicht auf der Agenda – der Mensch ist rein zufällig in dieser Welt aufgetaucht. Der Biologe Jacques Monod schreibt in seinem Buch Zufall und Notwendigkeit, dass »der Zufall allein die Quelle jeder Innovation und der gesamten Schöpfung in der Biosphäre ist«. In Wonderful Life argumentiert der Paläontologe Stephen Jay Gould, wenn wir »das Band des Lebens zu seinem Ursprung« zurückspulen könnten »und das Band dann vom selben Startpunkt aus wieder abspielen würden, dann würde die Wiederholung die Erde … mit völlig anderen Geschöpfen bevölkern … Dass Menschen hier existieren, ist reine Glückssache«. Angesichts der Tatsache, dass unser Leben das materielle Produkt eines Zufallsprozesses ist, weiß der Biologe William Provine, was wir am Schluss dieses Prozesses zu erwarten haben: »Wenn wir sterben, dann sterben wir, und das ist unser Ende.«2

Interessanterweise glaubte Darwin zwar nicht an Gott, aber an die Teleologie. Als der Biologe Asa Gray Darwin im Jahr 1863 dazu gratulierte, dass er das Muster der natürlichen Entwicklung dargestellt hatte, das »beachtliche Beiträge zur Teleologie« widerspiegele, antwortete Darwin: »Was Sie über die Teleologie sagen, freut mich besonders, und ich glaube nicht, dass irgendjemand sonst diesen Aspekt wahrgenommen hat.« Gleichzeitig erklärte ein enthusiastischer Karl Marx, Darwin habe »der Teleologie einen Todesstoß versetzt«. Einige Verfechter des Darwinismus, darunter Thomas Huxley, stimmten ihm zu. Der ofensichtliche Widerspruch kann aufgelöst werden, wenn wir zwischen einem übernatürlichen oder göttlichen Plan unterscheiden, den Darwin ablehnte, und einem in die Natur eingebauten Muster, das Darwin bereitwillig anerkannte. In der Abstammung des Menschen schrieb Darwin, der harte Kampf der Natur sei verantwortlich dafür, dass »niedere Tiere« ausgesondert und »höhere Tiere« hervorgebracht würden. Darwin war der Meinung, man könne diese Aufwärtsentwicklung auch auf menschliche Gruppen anwenden. »In irgendeiner künftigen Zeit, welche nach Jahrhunderten gemessen nicht einmal sehr entfernt ist, werden die zivilisierten Rassen der Menschheit beinahe mit Bestimmtheit auf der ganzen Erde die wilden Rassen ausgerottet und ersetzt haben.«3 Das mag nach einem scheußlichen Plan klingen, aber es ist zweifellos ein Plan. Vielleicht billigen wir Darwins Teleologie nicht, aber sie ist mühelos als solche zu erkennen.

Wie können wir wissen, ob Darwin recht hatte und die Natur nach einem bestimmten Plan vorgeht? Eine Möglichkeit besteht natürlich darin, nach einem Planer zu suchen. Doch in diesem Fall hat der Planer beschlossen, unsichtbar zu sein. Sogar religiös gläubige Menschen müssen zur Kenntnis nehmen, dass nur der Plan selbst Rückschlüsse auf den Planer zulässt. Dagegen ist nichts einzuwenden. Es ist so, als würde man aus der Handlung von Macbeth auf die Existenz Shakespeares schließen. Aber Shakespeare existiert ofensichtlich außerhalb des Schauspiels. Wenn es allein um die Handlung geht, dann brauchen wir nicht auf Shakespeare zurückzugreifen, um festzustellen, dass Macbeth eine hat; der Ablauf der Ereignisse im Schauspiel spricht für sich. Ähnliches gilt für das Leben auf der Erde: Wenn es dafür einen Plan gibt, lässt er sich finden, ohne dass wir dafür einen göttlichen Architekten postulieren müssen. Wir brauchen nur die Blaupause zu finden. Also müssen wir uns die Evolution des Lebens auf dem Planeten sehr genau ansehen, um festzustellen, ob sie Hinweise auf ein konsistentes Muster oder eine Blaupause enthält.

Um meine Argumente für die evolutionäre Teleologie nachzuvollziehen, stellen Sie sich vor, wir seien Kriminalbeamte, die herauszufinden versuchen, ob der Tote auf der Straße einem Verbrechen aus Leidenschaft oder einem geplanten Mord zum Opfer gefallen ist. Die Beweislage zeigt deutlich, dass wahllos geschossen wurde, nachdem der Täter und sein Opfer sich zufällig begegnet waren. Gleichwohl gibt es drei Möglichkeiten, die Ereignisse als geplanten Mord zu interpretieren. Erstens könnten wir nachweisen, dass die gesamte Situation sich niemals so entwickelt haben könnte, wenn es nicht einige Vorbedingungen gäbe, die auf einen Plan schließen lassen. So wäre es zum Beispiel sicher von Bedeutung, wenn der Täter am Tag zuvor mit dem Flugzeug von Las Vegas gekommen wäre. Anderenfalls hätte sich das alles nicht ereignen können. Zweitens wollen wir annehmen, wir hätten festgestellt, dass der Verdächtige vor seiner Ankunft am Schauplatz in einem Waffenladen war und dort eine Waffe gekauft hat. Unser Verdacht, dass er einen Plan hatte, würde dadurch gestützt. Drittens wollen wir davon ausgehen, der Ablauf der Ereignisse hätte gezeigt, dass die entscheidende Begegnung zwar ein Zufall gewesen sein könnte, die Situation insgesamt aber so war, dass der Verdächtige und sein Opfer mit größter Wahrscheinlichkeit aufeinandertreffen mussten. Inzwischen spricht sehr viel für einen Plan, und das völlig unabhängig davon, ob wir die Identität des Verdächtigen kennen oder nicht. Wir wollten zeigen, dass es einen Plan gab; und die Indizien sprechen klar dafür.

Wenden wir uns nun der Evolution zu. Ich möchte den ihr zugrunde liegenden Plan auf drei getrennten Wegen deutlich machen. Erstens werde ich zeigen, dass die Evolution selbst bestimmte natürliche Bedingungen auf der Erde voraussetzt. Das würde dem Flug von Las Vegas aus unserer vorherigen Analogie entsprechen. Zweitens erfordert der evolutionäre Prozess als solcher seine eigene Schusswaffe, was in diesem Fall die vermehrungsfähigen Zellen sind. Diese Zellen sind selbst keine Produkte der Evolution, aber ohne sie würden die vielfältigen Formen des Lebens auf der Erde nicht existieren. Und schließlich gibt es ein ofensichtliches und unbestreitbares Muster in der Evolution selbst, welches das gesamte Zufallsargument als Lüge entlarvt. Wie die scheinbar zufällige Begegnung zwischen dem Täter und seinem Opfer eigentlich sehr wahrscheinlich war, haben die scheinbar zufälligen Ergebnisse der Evolution eine eingebaute Ausrichtung, wenn nicht gar Zwangsläufigkeit. Ich will zeigen, dass diese drei Ergebnisse insgesamt ausreichen, um nicht nur zu beweisen, dass es einen Plan gibt, sondern auch die Art des Plans und seine Bedeutung für die Aussichten auf ein Leben nach dem Tod darzustellen.

Im vorigen Kapitel haben wir gesehen, wie fein abgestimmt das Universum für das Leben im Allgemeinen ist. Nun wollen wir uns ansehen, wie fein abgestimmt die Erde für das menschliche Leben im Besonderen ist. Dies ist das anthropische Prinzip, wie es sich nicht in der Physik, sondern in der Chemie und Biologie zeigt. Der Biologe Lawrence Henderson hat Anfang des 20. Jahrhunderts in seinem Klassiker The Fitness of the Environment dafür plädiert. Hendersons Argument wurde weiter gestützt durch neue Daten aus wissenschaftlichen Untersuchungen des Astronomen Stuart Ross Taylor und des Biochemikers Michael Denton. Ich kann ihre Belege hier nur kurz zusammenfassen. Aber sogar das sollte genügen, um zu zeigen, dass wir zwar die Erde nicht mehr als physikalisches Zentrum des Universums sehen dürfen, aber durchaus das Recht haben, sie als biologisches Zentrum zu betrachten.

Wir Menschen brauchen für unser Überleben Umweltbedingungen, deren Rahmen sehr viel enger ist als bei anderen Lebensformen. Wissenschaftler haben Bakterien und Mikroorganismen gefunden, die unter extremen Voraussetzungen in kochend heißen Geysiren und eisigen Gletschern überleben können. Aber unsere Spezies braucht ein gemäßigteres Klima. Menschen können beispielsweise nur bei Temperaturen überleben, die zwischen minus 45 und plus 50 Grad Celsius liegen. In den meisten Gebieten der Erde bewegt sich die Temperatur während der längsten Zeit des Jahres in diesem Bereich. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Entfernung zwischen Sonne und Erde ungefähr acht Lichtminuten beträgt. Wäre die Erde weiter von der Sonne entfernt, würden wir erfrieren. Der Mars ist weiter von der Sonne entfernt, und dort fallen die Temperaturen auf bis zu minus 130 Grad Celsius. Aber wir wollen der Sonne auch nicht sehr viel näher sein, denn sonst würden wir schmoren. Die Venus ist der Sonne etwa um ein Drittel näher als die Erde, und dort steigen die Oberflächentemperaturen auf über 400 Grad Celsius. Unabhängig von der Entfernung wäre die ultraviolette Strahlung der Sonne für uns tödlich, wenn uns nicht die Ozonschicht in der höheren Atmosphäre vor diesen Strahlen schützte. Gleichzeitig lässt die Ozonschicht das Sonnenlicht durch, das auf der Erde Wärme spendet und für die Photosynthese benötigt wird.

Der Mond scheint im Gegensatz dazu hauptsächlich für unsere Stimmungen und romantischen Gefühle verantwortlich zu sein. Aber in Wirklichkeit erfüllt auch er eine Vielzahl praktischer Funktionen. Wir alle wissen, dass die Gravitationskraft des Mondes weitgehend für die Gezeiten verantwortlich ist, aber nur wenigen ist bekannt, dass der Mond die Achse der Erdrotation konstant bei einer Neigung von 23 Grad hält. Ohne diesen Kippwinkel gäbe es auf der Erde keine Jahreszeiten. Und schlimmer noch: Heftige Klimaschwankungen würden die Nahrungsmittelproduktion gefährden und das menschliche Leben sehr viel schwieriger machen. Der Planet Jupiter scheint auf den ersten Blick für unsere Existenz irrelevant zu sein, bis wir entdecken, dass seine gewaltige Größe und enorme Gravitationskraft über Jahrmillionen dazu gedient haben, unzählige Kometen und Meteoriten anzuziehen und abzufangen, die anderenfalls mit der Erde hätten kollidieren und alle Spuren des Lebens auslöschen können. »Würde Jupiter nicht existieren oder kleiner sein«, schreibt Stuart Taylor, »würde die Erde mit Kometen bombardiert … Es ist unwahrscheinlich, dass unsere Spezies oder das Leben selbst solche Katastrophen überstehen könnte.«4 Danke, Jupiter!

Den meisten Menschen ist klar, dass Geschöpfe wie wir nicht ohne Wasser überleben können. Tatsächlich besteht unser Körper sogar überwiegend aus Wasser. In seinem Buch Nature’s Destiny zeigt Michael Denton, dass die Eigenschaften des Wassers für die menschliche Existenz genau richtig sind. Wie die meisten anderen Substanzen zieht sich Wasser zusammen, wenn es abkühlt. Aber kurz bevor es gefriert, zieht es sich nicht weiter zusammen, sondern beginnt sich auszudehnen, bis es zu Eis wird. Die meisten festen Stoffe dehnen sich aus, wenn man sie erhitzt, aber Eis dehnt sich aus, wenn es gefriert. Dieses Verhalten des Wassers ist seltsam, zumindest im Vergleich zu anderen natürlichen Substanzen, aber wenn Wasser diese Eigenschaften nicht hätte, dann würde Meere und Seen vollständig und dauerhaft einfrieren. Wenn das Wasser im Winter zu Eis gefriert, dann würde dieses Eis auf den Grund des Sees oder Meeres sinken, und dieser Prozess würde sich so lange fortsetzen, bis das gesamte Wasser zu Eis geworden wäre. Sobald der Vorgang abgeschlossen wäre, wäre er im Prinzip unumkehrbar, denn nicht einmal die größte Sommerhitze könnte bis in die Tiefen eines gefrorenen Ozeans vordringen. Zum Glück müssen wir uns darüber keine Sorgen machen. Dank der ungewöhnlichen Eigenschaften des Wassers können wir stattdessen beobachten, dass Eis auf der Oberfläche des Meeres treibt und nicht in größere Tiefen absinkt.

Wasser hat noch eine zweite Eigenschaft, die wir hier bedenken sollten; es hat die höchste spezifische Wärme aller Flüssigkeiten außer Ammonium. Das bedeutet, dass man viel Hitze zuführen muss, um die Temperatur des Wassers zu erhöhen. Hätte Wasser eine niedrigere spezifische Wärme, dann könnten die Weltmeere die Temperaturen an Land im Winter und im Sommer nicht so effektiv abmildern. Außerdem würde die Wassertemperatur in unserem Körper bei Anstrengung dramatisch steigen. Stellen Sie sich vor, was passiert, wenn Ihre Körpertemperatur nur um wenige Grad ansteigt: Sie haben dann Fieber. Ohne den mäßigenden Einfluss des Wassers könnte unsere Körpertemperatur um zehn bis fünfzehn Grad ansteigen, und das würde uns umbringen. Denton gibt einen Überblick über die verschiedenen Eigenschaften des Wassers – seine latente Hitze, seine Liquidität, seine Viskosität, seine Wärmeleitfähigkeit und so fort – und zeigt, dass sie alle wunderbar an die Bedürfnisse der Lebenserhaltung angepasst sind. Er schreibt, dass »Wasser in einzigartiger und idealer Weise als flüssiges Medium für das Leben auf der Erde geeignet ist, und das gilt nicht nur für eine oder mehrere, sondern für jede einzelne seiner bekannten physikalischen und chemischen Eigenschaften«.5 Ohne diese Eigenschaften wären wir Menschen ganz gewiss nicht da.

Wir haben uns hier nur auf wenige Bedingungen konzentriert, nämlich die Entfernung der Sonne von der Erde, die Gravitationskraft des Mondes, die Ozonschicht in der Atmosphäre und die verschiedenen Eigenschaften des Wassers. Wir könnten viele andere ergänzen, beispielsweise den Sauerstoffgehalt der Atmosphäre, die Stärke des magnetischen Erdfeldes, die Existenz der Plattentektonik, die kritische Rolle von Kohlenstoffverbindungen und dergleichen mehr. Während einige dieser Bedingungen sich im Laufe der Zeit geändert haben, hat sich keine im Sinne der darwinistischen Evolution verhalten. Im Gegenteil, die allgemeine Stabilität der meisten dieser Gegebenheiten war absolut notwendig, um die darwinistische Evolution zu ermöglichen. Im Gegensatz zu den vollmundigen Behauptungen der Atheisten kann die Evolution also nicht die letztgültige Erklärung für das Leben liefern, weil sie selbst bestimmte Umweltbedingungen und bestimmte Substanzen mit spezifischen Eigenschaften voraussetzt. Nach einem kurzen Überblick über diese äußeren Gegebenheiten wollen wir uns nun die Hauptvoraussetzung der Evolution vornehmen: die lebendige Zelle.

Die Zelle, so schreibt der Biologe Franklin Harold in The Way of the Cell, ist wie eine Fabrik. »Sogar die einfachste Zelle ist eine überaus komplexe Mischung, die Tausende verschiedener Moleküle enthält.« Zellen zeigen »ein Ausmaß an Regelmäßigkeit und Komplexität«, das jedes nichtlebendige Objekt in der Natur »um viele Größenordnungen übertrifft«. Die molekulare Maschinerie der Zelle arbeitet auf so ausgeklügelte Weise, dass man dahinter eine Einheit von Funktion oder Zweck vermuten muss. »Die uns bekannten Zellbestandteile sind so sorgfältig integriert, dass man sich kaum vorstellen kann, wie irgendeine Funktion ohne die anderen hätte entstehen können.« Ganz von allein »verarbeiten Zellen Nahrung, entziehen ihr Energie, stellen Vorprodukte her, setzen Bestandteile zusammen, erkennen genetische Anweisungen, führen sie aus und koordinieren alle diese hektischen Aktivitäten«.6

Aber die Zelle funktioniert nicht nur als eine Art Produktionsanlage, sondern auch als ein Softwareprogramm von unübertroffener Komplexität. Die Informationen in einer einzelnen Zelle sind so umfangreich wie der Inhalt mehrerer Enzyklopädien, und die Verarbeitungsfähigkeit der Zelle gleicht der eines Supercomputers. All das vollzieht sich in einer infinitesimalen Struktur, die tausendfach winziger ist als ein Staubkörnchen. Ebenso bemerkenswert ist, dass die Zelle sich selbst kopieren kann. Wie Biologen gern sagen: Der Traum jeder Zelle ist, zwei Zellen zu werden. Die größten Leistungen der menschlichen Zivilisation reichen nicht an die Kreativität und den technischen Erfindungsreichtum einer lebendigen Zelle heran. Die menschliche Technologie ist nicht in der Lage, einen einfachen Hammer zu konstruieren, der aus eigener Kraft arbeiten und neue kleine Hämmer erzeugen kann, ganz zu schweigen von lebenden Geschöpfen wie einer Biene oder einer Stubenfliege. Aber in der Natur vermehren sich Bienen, Stubenfliegen und zahllose andere Geschöpfe autonom und mit außerordentlicher Fruchtbarkeit.

Wie sind wir also an die Zellen gekommen? Das ist eine andere Art, nach dem Beginn des Lebens zu fragen. Darwin hat nicht einmal den Versuch unternommen, diese Frage zu beantworten. Ihm war klar, dass es nicht möglich ist, die integrierte Funktionalität der Zelle mit Hilfe der Evolution oder der natürlichen Selektion zu erklären. Die Evolution selbst basiert darauf, dass es Zellen mit der Fähigkeit zum Stoffwechsel und zur Vermehrung gibt: ohne Reproduktion keine natürliche Selektion. Das Grundmuster des Lebens war eindeutig voll ausgebildet, als das Leben auf dieser Erde vor rund vier Milliarden Jahren begann. In seinem Buch Why Darwin Matters gibt Michael Shermer zu, dass die Evolution keine Theorie über den Ursprung des Lebens ist, sondern darüber, »wie aus Arten andere Arten wurden«.7

Richard Dawkins vermittelt den Eindruck, dass die Wissenschaft kurz vor der Lösung des Problems steht. »Wir wissen immer noch nicht genau, wie die natürliche Auslese auf der Erde angefangen hat.«8 Womit er natürlich keineswegs meint, dass er es nicht »genau« weiß, sondern dass er keine Ahnung hat. Es sind zwar viele Theorien vorgeschlagen worden, aber keine davon scheint bisher auch nur halbwegs überzeugend. Der folgende Vorschlag stammt beispielsweise von Dawkins’ Verbündetem, dem britischen Chemiker Peter Atkins: »Moleküle haben die Reproduktion nicht angestrebt: Sie sind darüber gestolpert. Der Zuwachs an Komplexität erreichte einen Punkt, an dem ein Molekül so strukturiert war, dass die Abfolge von Reaktionen, die es durchlaufen konnte …, zufällig zur Bildung eines Nachfolgers führte. Dieses Molekül hatte dann natürlich dieselbe Fähigkeit zur Reproduktion.«9 Ja, natürlich. Ich frage mich, warum ich daran nicht vorher gedacht habe.

Wie Dawkins ist Atkins ein extremer Atheist, und ich will nicht unterstellen, dass alle wissenschaftlichen Berichte dem hier zitierten gleichen. Dennoch sind die qualifizierteren nicht wesentlich besser, weil praktisch jeder Vorschlag eine zufällige Kombination von chemischen Stoffen voraussetzen muss, die zusammentreffen, um Zellen zu bilden. Aber die ältesten Fossilien zeigen, dass das Leben auf der Erde vor etwa dreieinhalb Milliarden Jahren begann, kurz nachdem unser Planet selbst Gestalt angenommen hatte und fast unverzüglich nachdem die planetare Hydrosphäre ausreichend abgekühlt war, um Leben zuzulassen. Also bleibt nicht viel Zeit für zufällige chemische Mischungen, um ein so unwahrscheinliches Ergebnis wie komplexe, DNA-codierte, lebende Zellen hervorzubringen. Das entspräche in etwa der Annahme, dass Sandkörner am Strand zufällig ein fünfstöckiges Gebäude bilden, komplett mit Säulen und Fluren, oder dass verschiedene Metallstücke sich zufällig zu einem funktionierenden Auto zusammensetzen. Der Biologe Francis Crick schreibt in Das Leben selbst: »Ein aufrichtiger Mensch, ausgestattet mit dem uns heute zur Verfügung stehenden Wissen, könnte nur feststellen, dass der Ursprung des Lebens uns im Augenblick fast wie ein Wunder erscheint angesichts der zahlreichen Bedingungen, die hätten erfüllt sein müssen, um es entstehen zu lassen.«10

Crick selbst geht davon aus, intelligente Außerirdische von einem anderen Planeten oder aus einer anderen Galaxie hätten das Leben auf die Erde bringen können. Dawkins hat diese Möglichkeit seinerseits in einem Interview erwähnt, das in Ben Steins Film »Expelled« gezeigt wird. Die These klingt etwas verrückt, aber das Problem liegt nicht darin, dass sich Derartiges nicht hätte ereignen können. Meteoriten und andere außerirdische Objekte sind über Milliarden von Jahren auf der Erde eingeschlagen, und einer von ihnen hätte irgendeine Lebensform mitbringen können. Aber auch wenn so etwas passiert wäre und Außerirdische von Alpha Centauri tatsächlich das Leben auf die Erde gebracht hätten, dann wäre damit zwar das Problem des Lebens auf der Erde gelöst, nicht jedoch das Problem des Lebens selbst. Denn wie sind die intelligenten Außerirdischen auf Alpha Centauri gekommen? Wurde das Leben dort auch importiert? Von wo? Von einer anderen Galaxie?

Allen wissenschaftlichen Hypothesen, die den Ursprung des Lebens erklären wollen, ist gemeinsam, dass sie auf Wunder und übernatürliche Erklärungen verzichten. Einmal mehr hat das nichts damit zu tun, dass es in der Wissenschaft zu viele Atheisten gäbe. Das Zögern, die Rolle des Übernatürlichen zuzugeben, ist bei einem Teil der Biologen wie auch bei einem Teil der Physiker eher eine Folge des Modus Operandi der Naturwissenschaft. Wir religiös Gläubigen müssen das einfach akzeptieren, und ich empfinde es auch nicht als Problem. Die Suche nach natürlichen Erklärungen ist per se keine Ablehnung Gottes, sondern lediglich ein Versuch, zu zeigen, welche natürlichen Prozesse ein natürliches Phänomen verursachen. Dieser Ansatz sagt nichts über Gott und klammert Gott nur aus, wenn wir das zulassen. Aus diesem Grund schließe ich mich bereitwillig den Wissenschaftlern und sogar den Atheisten an, die sagen, dass das Leben wahrscheinlich einen natürlichen Ursprung hat, den die Wissenschaft eines Tages vielleicht aufdecken wird.

Wir sollten uns aber darüber klar sein, was diese Position nach sich zieht. Die natürliche Erklärung des Lebens setzt voraus, dass Atome und Moleküle auf irgendeine Weise Zellen bilden und dass diese Zellen ihrerseits sich zu Ameisen, Elefanten und Menschen zusammensetzen. Wenn das ohne Wunder oder übernatürliche Eingriffe geschieht, dann muss die Fähigkeit, solche Ergebnisse zu erzielen, in die Materie selbst eingebaut sein. Manche Wissenschaftler bezeichnen diese Eigenschaft als »emergent«, aber das ist nur ein anderer Ausdruck dafür, dass materielle Substanzen sich auf eine Weise verbinden können, die neue Eigenschaften entstehen lässt, von denen in den Ausgangsstoffen nichts zu beobachten war. In seinem Buch Reinventing the Sacred spricht Stuart Kauffman von »einem emergenten Universum unablässiger Kreativität«, das den physikalischen Gesetzen folgt, aber Ergebnisse hervorbringt, die nicht ersichtlich oder vorhersagbar waren.11

Kauffman würde zugeben, dass wir in diesem Fall nicht nur über Wasserstofund Sauerstoff sprechen, die sich zu Wasser verbinden, sondern auch über Kohlenstoff, Wasserstoff und andere Elemente, welche sich zu Lebewesen verbinden, die atmen, sich bewegen und sich fortpflanzen. Mit anderen Worten: Materie muss nicht nur das Potenzial haben, neue Eigenschaften hervorzubringen, sie muss auch das verborgene Potenzial zur Lebendigkeit haben. Unter günstigen Bedingungen muss Materie fähig sein, sich in extrem unterschiedlichen Formen zu manifestieren: Ameisen, die sich mit Hilfe der Sonne als Kompass auf ihrem Heimweg über unmarkiertes Gelände orientieren; Vögel, die im Winter sämtliche Nahrungsvorräte wiederfinden, welche sie im Herbst gesammelt haben; Fledermäuse, die in der Dunkelheit navigieren und Beute orten können, indem sie ein Art akustischer Signale nutzen, die man als »Echolokation« bezeichnet. Die Evolution kann uns zeigen, warum diese Eigenschaften ausgewählt wurden, aber sie kann uns nicht erklären, wie die Materie ursprünglich in den Besitz solcher Fähigkeiten kam.

Es scheint unglaublich, dass bloße Atome und Moleküle solche Ergebnisse ohne Unterstützung von außen erzielen können, aber die naturalistische Erklärung führt zu genau diesem Ergebnis. Die moderne Naturwissenschaft hat gezeigt, wie die Natur als ein Netzwerk intelligenter Systeme funktioniert. Naiv von außen betrachtet, wirkt Materie täuschend inaktiv und beschränkt, doch unter der Oberfläche befindet sich ein einleuchtendes Drehbuch, das in der Sprache der Mathematik geschrieben ist. Mathematik funktioniert auf eine Weise, die durch physikalische und natürliche Gesetze beschrieben werden kann. Diese Gesetze wurden durch keinen Gesetzgeber erlassen, und soweit wir wissen, wird kein einziges von irgendeinem materiellen Objekt gebrochen. Irgendwie spielen Quarks und Elektronen ihre Rolle nach vorgegebenen Regeln. Irgendwie beherrschen diese kunstvoll strukturierten und universell einheitlichen Regeln die vielfältigen Funktionen der Natur. Was wir hier haben, ist, mit anderen Worten, eine sehr ausgeklügelte architektonische und informationelle Blaupause, die in das Wesen der Materie eingeprägt ist. Der Physiker Paul Davies bezeichnet sie als »kosmischen Code«.12

Davies stellt die Frage: Wer hat diesen Code ersonnen? Das ist die Frage nach dem intelligenten Design, ein Thema endloser Kontroversen. Aber ich will mich hier auf eine andere Frage konzentrieren: Was offenbart dieser Code? Oder präziser: Lassen sich in dem Code ein fundamentales Muster und die Art und Weise entdecken, wie es sich in der Natur manifestiert? Natürlich lässt es sich entdecken, und das Muster befindet sich direkt vor unseren Augen. Wir erkennen es nicht nur in den Wegen, die zur Evolution führen, sondern auch in den Wegen, welche die Evolution selbst genommen hat. Aber die meisten Biologen sind blind dafür, aus dem einfachen Grund, weil sie im Prinzip die Teleologie ablehnen. Diese Ablehnung reicht bis in Darwins Zeit zurück und hat sich historisch aus Darwins eigener Absage an eine göttliche Teleologie entwickelt. Doch wie wir gesehen haben, war Darwin durchaus ein Verfechter der natürlichen Teleologie. Vielleicht hat die Idee der Teleologie als solche in der Biologie deshalb einen derart schlechten Ruf, weil der Sozialdarwinismus eine so unerfreuliche Wendung nahm, die schließlich zu Zwangssterilisationen führte und in mancher Hinsicht den Nationalsozialismus förderte.

Der Plan, um den es hier geht, hat jedoch nichts mit dem Sozialdarwinismus zu tun und unterscheidet sich klar von der göttlichen Teleologie. Bedenken Sie diese Passage aus dem Buch A Many-Colored Glass des Physikers Freeman Dyson: »Bevor die komplizierten Muster des Lebens mit Bäumen, Schmetterlingen, Vögeln und Menschen sich auf unserem Planeten ausbreiteten, war die Oberfläche der Erde eine langweilige, unstrukturierte Landschaft aus Felsen und Sand. Und bevor die großen, geordneten Strukturen der Galaxien und Sterne existierten, war das Universum eine ziemlich eintönige und ungeordnete Ansammlung von Atomen. Wir sehen … dass das Universum mit zunehmendem Alter deutlich geordneter und lebendiger wird.«13

Dies ist eine wissenschaftliche Beschreibung und keine theologische Spekulation. Folglich kann der einzig gültige Einwand dagegen die wissenschaftliche Behauptung sein, dass der augenscheinliche Fortschritt irreführend ist. Und genau das sagen einige der führenden Biologen: Die Evolution basiert auf Zufällen und nicht auf irgendeiner Art von Teleologie. Vertreten wird diese Position zum Beispiel von Stephen Jay Gould und John Maynard Smith. In dem Buch Full House hebt Gould hervor, dass Bakterien die frühesten Lebensformen waren. »Jetzt haben wir Eichen, Gottesanbeterinnen, Nilpferde und Menschen.« Trotzdem sind die Bakterien im Überlebenskampf nicht ausgerottet worden, sondern zahlreicher als alle anderen Arten zusammen. Etwas ironisch merkt Gould an, dass wir in einem »Zeitalter der Bakterien« leben, was sich in der globalen »Vorherrschaft von Bakterien« zeigt. Gould räumt ein, dass man eine kontinuierliche Abstammungslinie von einem Geschöpf zum nächsten erkennen kann, aber das, so argumentiert er, begründe keinen irgendwie gearteten »Fortschritt«. Immerhin seien »die Wirbellosen nicht ausgestorben oder hätten ihre Weiterentwicklung eingestellt, nachdem die Fische aufgetaucht waren«. Und ganz ähnlich seien »Fische nicht ausgestorben oder hätten ihre Weiterentwicklung eingestellt, weil irgendeine Abstammungslinie es geschafft habe, sich auf dem Land anzusiedeln«. Säugetiere kamen erst nach den Reptilien, aber Reptilien gibt es immer noch. Auf dieser Basis argumentiert Gould, es sei die pure Arroganz, wenn der Mensch sich an die Spitze des Evolutionsprozesses setze. In Wirklichkeit seien wir, genau wie alle anderen Lebensformen, Produkte einer Reihe glücklicher Zufälle.14

Bis etwa zur Jahrtausendwende gehörte Goulds Position zum konventionellen Wissen in der Biologie, aber jetzt wird sie von einigen führenden Biologen in Frage gestellt. Zwei herausragende Namen sind hier zu nennen: Christian de Duve, der für seine Untersuchungen von Zellen mit dem Nobelpreis geehrt wurde, und Simon Conway Morris, der ein führender Experte für die Fossilien des Burgess-Schiefer ist. Duve und Morris halten das ganze Gerede über Zufälle und Eventualitäten für übertrieben. Vielmehr sei die Evolution bei verschiedenen Arten einem vorhersagbaren Weg gefolgt. Augen, so behaupten sie, hätten sich in getrennten evolutionären Linien bei verschiedenen Gelegenheiten entwickelt. Säugetiere mit Plazenta und solche mit Beutel sind nicht eng verwandt, und doch haben sie sich mit ähnlichen Strukturen und Formen entwickelt. Morris schreibt, dass »jede Gruppe eigenständig auf dieselbe evolutionäre Lösung zugesteuert ist«.15

Duve und Morris leugnen nicht den Zufallsfaktor, aber sie erklären beharrlich, der Zufall selbst folge einer weitgehend vorgezeichneten Bahn. Paradoxerweise führen zufällige Mutationen und verschiedenartige Umweltbedingungen trotzdem zu evolutionärer Konvergenz. Um zu verstehen, wie das geschehen kann, stellen Sie sich vor, Sie würden mehrmals eine Münze werfen. Jeder Wurf bringt ein Zufallsergebnis hervor – Kopf oder Zahl –, aber bei einer großen Zahl von Würfen kann man mit großer Wahrscheinlichkeit vorhersagen, wie das prozentuale Verhältnis von Kopf und Zahl am Ende aussehen wird. Oder denken Sie an Wasser, das von einem Berggipfel fließt – es kann sich viele Wege suchen, aber sie weisen alle in eine Richtung: abwärts. So betrachten auch Duve und Morris die Evolution als Ergebnis unterschiedlicher Wege, die zu konvergenten Lösungen führen. Daraus folgt ganz klar: Wenn wir das Band der Evolution zurückspulen könnten, dann würden wir feststellen, dass beim nächsten Durchlauf ein ganz ähnliches Muster auftritt.

In Aus Staub geboren und Jenseits des Zufalls verdeutlichen Duve und Morris ihren Standpunkt mit einer Vielzahl von Beispielen. Für unsere Zwecke reicht die Feststellung aus, dass die Evolution einen ofensichtlichen Plan erkennen lässt. Obwohl es immer noch Bakterien gibt, kann man kaum bestreiten, dass die Evolution im Verlauf der historischen Entwicklung mit all ihren Brüchen und gewaltsamen Umwälzungen einen Fortschritt von einfacheren zu komplizierteren Lebewesen erkennen lässt. Morris schreibt: »Was wir im geologischen Zeitablauf sehen, ist die Entstehung komplexerer Welten.«16 In Duves Buch findet sich ein Diagramm vom Baum des Lebens, der Eubakterien und Archaebakterien an der Wurzel hat, dann simple Eukaryoten, gefolgt von komplexen mehrzelligen Organismen, danach Pilze und Pflanzen, anschließend Fische, dann Reptilien, dann Säugetiere und schließlich Menschen. Erstaunlicherweise spricht Duve von einem »Pfeil der Evolution«, der diesen Fortschritt praktisch unvermeidlich macht. Duve betrachtet die biologische Geschichte als Fortschritt durch aufeinanderfolgende Zeitalter, vom »Zeitalter der Chemie« zum »Zeitalter der Information«, zum »Zeitalter der Einzeller«, zum »Zeitalter mehrzelliger Organismen« und schließlich zum »Zeitalter des Verstandes«.17

Das Zeitalter des Verstandes: eine faszinierende Vorstellung. Sie offenbart, dass die Evolution über das Anwachsen der Komplexität hinausgegangen ist. Sie hat den Katalysator für eine neue Ordnung des Seins in der Welt bereitgestellt. Durch den menschlichen Verstand hat der kosmische Code endlich einen Mechanismus hervorgebracht, mit dessen Hilfe er selbst aufgespürt werden kann. Das ist gewiss eine Tatsache von fundamentaler Bedeutung. Durch die Anwendung des Codes hat die Materie nicht nur das Leben erzeugt, sondern auch Bewusstsein und Erkenntnis hervorgebracht. Mit anderen Worten: Durch eine Art historischer Zwangsläufigkeit hat die Evolution eine besondere Lebensform hervorgebracht, die nun die Evolution entdecken kann. Das Universum hat nicht nur das Überleben sichergestellt, sondern auch dafür gesorgt, dass es selbst verstanden wird. Die Natur hat einen Plan entfaltet, mit dem sie sich selbst zu erkennen gibt. Der Fortschritt der Evolution auf der Erde zeigt eine unmissverständliche Entwicklung vom Materiellen zum Geistigen.

Der Geist ist das Thema unserer Untersuchung in den nächsten beiden Kapiteln. Hier geht es darum, eine unbestreitbare Teleologie zu zeigen, die eine faszinierende Aussicht eröffnet. Die Teleologie ist der Fortschritt, dessen Grundrichtung nicht dem Zufall unterliegt, sondern gezielt vom Einfachen zum Komplexen und vom Materiellen zum Geistigen verläuft. Der Geist mag zwar aus dem Materiellen hervorgegangen sein, ist selbst jedoch eindeutig immateriell. Folglich hat er Eigenschaften – wie Gedanken und Ideen –, die sich von denen materieller Objekte unterscheiden. Ein ganz besonderer Unterschied: Materielle Dinge wie Körper sind vergänglich, immaterielle wie Ideen sind das nicht. Indem sie zeigt, dass vergängliche Materie die Fähigkeit in sich trägt, unvergängliche Ideen hervorzubringen, gibt die Natur einen starken Hinweis auf einzigartige Geschöpfe wie uns, welche die Gesetze und Muster der Natur lesen können. Wie die Natur sind wir zum Teil materiell und vergänglich, zum Teil immateriell und unvergänglich. Und es ist möglich, dass unsere individuelle Bestimmung der Bestimmung der Natur folgt und sich von einer Existenzweise zur anderen bewegt. Wie die Natur könnten auch wir in unserem Inneren einen eingebauten Entwicklungsverlauf haben, der uns von materieller Substanz zu immateriellen Ideen, von vergänglicher Materie zu unvergänglichem Geist führt. Früher oder später wird unser Körper endgültig zusammenbrechen, aber es ist möglich und im Drehbuch der Natur angelegt, dass ein Teil von uns den körperlichen Tod überdauert.