11. Vorbereitung auf die Meditation
Nachdem Sie die ganzen Informationen aus Teil I gelesen und verarbeitet haben, sind Sie nun bereit für die Transformation. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie Sie sich auf das Meditieren vorbereiten können. Im nächsten Kapitel steigen wir dann in das eigentliche Meditieren ein. Alle Teilnehmer, von denen in diesem Buch berichtet wurde und die an sich Veränderungen vorgenommen haben, mussten zunächst einmal nach innen gehen und ihren Seinszustand verändern. Betrachten Sie also die Meditationspraxis als eine Möglichkeit, täglich das Placebo »einzunehmen«, aber eben nicht in Form einer Pille, sondern durch die Innenschau. Mit der Zeit wird das Meditieren für Sie dann so etwas wie der Glaube an eine bestimmte Medizin.
Zeitpunkt der Meditation
Zwei Tageszeiten sind der Meditation besonders förderlich: spätabends, direkt vor dem Schlafengehen, oder morgens, direkt nach dem Aufstehen. Beim Einschlafen durchlaufen Sie nämlich ganz natürlich das gesamte Spektrum der Gehirnwellenzustände: vom wachen Beta-Zustand über den langsameren Alpha-Zustand, wenn Sie die Augen schließen, und über den noch langsameren Theta-Zustand, wenn Sie schon halb schlafen, bis schließlich zum Delta-Zustand im Tiefschlaf. Beim Aufwachen am Morgen geschieht das Gleiche in umgekehrter Reihenfolge: von Delta über Theta und Alpha bis hoch in den Beta-Zustand, in dem Sie ganz wach und bewusst sind.
Daher fällt es kurz vor dem Schlafengehen oder kurz nach dem Aufwachen leichter, in den Alpha- oder Theta-Zustand zu schlüpfen; wir sind dann besser auf einen veränderten Bewusstseinszustand eingestellt, weil wir gerade von dort herkommen bzw. gerade darauf zusteuern. Man könnte auch sagen, zu diesen beiden Zeiten steht die Tür zum Unterbewusstsein offen.
Ich persönlich meditiere lieber am Morgen, aber beides ist okay. Machen Sie es, wie es für Sie am besten funktioniert, und bleiben Sie dann dabei. Wenn Sie jeden Tag meditieren, wird das zu einer guten Gewohnheit, und Sie werden sich jeden Tag darauf freuen.
Ort der Meditation
Es ist vor allem wichtig, einen Ort zu finden, an dem Sie nicht abgelenkt werden. Es geht ja darum, gewissermaßen den Stecker rauszuziehen, der Sie mit der äußeren, physischen Welt verbindet. Deshalb sollten Sie sich einen Ort aussuchen, an dem Sie alleine sein können und nicht gestört werden (weder von Menschen noch von Haustieren) – ein Platz, an den Sie jeden Tag zurückkehren können und den Sie regelmäßig als heiligen Platz zum Meditieren nutzen.
Das Bett empfehle ich nicht zum Meditieren, denn es wird mit »Schlafen« assoziiert (deshalb empfehle ich auch nicht, im Liegen oder in einem Ruhesessel zu meditieren). Setzen Sie sich entweder auf einen Stuhl oder auf den Boden auf einen Platz, wo Sie bis zu einer Stunde sitzen können, in einem Raum mit angenehmer Temperatur und ohne Luftzug.
Sofern Sie lieber zu Musik meditieren, hören Sie am besten sanfte, entspannende, Trance-induzierende Instrumentalmusik oder Chants ohne Worte (ein bisschen Musik kann nützlich sein, um Hintergrundgeräusche zu überdecken, falls Ihr Meditationsplatz nicht ganz ruhig gelegen ist). Lassen Sie auf keinen Fall Musik laufen, die in Ihnen Assoziationen und Erinnerungen an etwas Vergangenes weckt oder Sie irgendwie ablenkt. Schalten Sie auch eventuell im Raum befindliche Geräte wie den Computer und das Telefon aus. Und versuchen Sie, Kaffee- oder Essensdüfte auszusperren. Vielleicht möchten Sie sogar einen geeigneten Geräuschschutz in die Ohren stecken oder sich die Augen verbinden, um den Effekt des sensorischen Entzugs noch zu verstärken, denn die Vorbereitung zielt darauf ab, äußere Reize weitestgehend zu eliminieren.
Tragen Sie bequeme, lockere Kleidung und legen Sie Ihre Uhr, Ihren Schmuck und gegebenenfalls die Brille ab, wenn diese Sie irritieren könnten. Trinken Sie vor dem Hinsetzen einen Schluck Wasser und stellen Sie sich ein Glas Wasser für alle Fälle griffbereit in die Nähe. Gehen Sie vor dem Meditieren auf die Toilette und kümmern Sie sich um alles andere, was Sie sonst beim Meditieren ablenken könnte.
Setzen Sie sich – auf einem Stuhl oder im Schneidersitz auf dem Boden – gerade und mit aufgerichteter Wirbelsäule hin. Der Körper sollte entspannt sein, doch der Geist muss fokussiert bleiben, die Entspannung sollte also nicht so weit gehen, dass Sie einschlafen. Falls Ihr Kopf beim Meditieren anfängt wegzunicken, brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen: Es zeigt an, dass Sie in einen langsameren Gehirnwellenzustand eintreten. Mit ein bisschen Übung wird Ihr Körper entsprechend konditioniert, und Sie nicken nicht mehr weg.
Schließen Sie zunächst die Augen und atmen Sie ein paarmal langsam und tief ein. Schon bald sinken Sie von einem Beta- in einen Alpha-Zustand, in dem Sie ruhiger werden, aber immer noch fokussiert sind und in dem die Frontal- bzw. Stirnlappen aktiviert werden, die, wie Sie inzwischen wissen, in den Schaltkreisen, die im Gehirn Zeit und Raum verarbeiten, die »Lautstärke« herunterdrehen und Raum und Zeit verschwinden lassen. Anfangs fällt es Ihnen vielleicht schwer, in den nächstniedrigeren Gehirnwellenzustand, den Theta-Zustand, zu gehen, doch mit ein bisschen Übung schaffen Sie es, Ihre Gehirnwellen noch weiter zu verlangsamen. Im Theta-Zustand, wenn der Körper schläft, aber der Geist wach ist, ist es einfacher, die automatischen Programmierungen des Körpers »umzuschreiben«.
Dauer der Meditation
Meistens dauert die Meditation ungefähr 45 Minuten, aber lassen Sie sich im Vorfeld möglichst viel Zeit, um Ihrem Geist Ruhe zu gönnen. Falls Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig sein müssen, stellen Sie sich einen Wecker, der zehn Minuten vor Ablauf der Meditation ein Signal gibt, damit Sie genug Zeit haben, die Meditation zu Ende zu führen und die Sitzung nicht abrupt abbrechen zu müssen. Lassen Sie sich von der Zeit nicht ablenken. Denken Sie daran: So, wie Sie sich sensorischen Eindrücken entziehen, nehmen Sie auch Zeit nicht mehr bewusst wahr; wenn Sie also ständig überlegen, wie spät es ist, läuft das dem Sinn und Zweck komplett zuwider. Falls Sie ein bisschen mehr Zeit benötigen, um ungestört meditieren zu können, können Sie vielleicht ein bisschen früher aufstehen oder ein paar Minuten später zu Bett gehen.
Den Willen beherrschen
Ich möchte Sie vor einem Stolperstein warnen, über den Meditationsanfänger ziemlich häufig stolpern. Sobald Sie in Ihrem Leben etwas verändern, signalisiert Ihr Körper, der ja Ihr Geist ist, dem Gehirn, wieder die Kontrolle zu übernehmen. Und schon hören Sie vielleicht negative Stimmen im Kopf, die zum Beispiel sagen: »Warum fängst du nicht morgen an? Du bist echt wie deine Mutter! Was stimmt denn nicht mit dir? Du wirst dich nie ändern. Das fühlt sich nicht richtig an.« Auf diese Weise will der Körper Sie vom Steuer verdrängen, um selbst wieder der Geist sein zu können. Unbewusst haben Sie ihn womöglich darauf konditioniert, ungeduldig, frustriert, unglücklich, pessimistisch oder ein Opfer zu sein, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Sobald Sie auf diese Stimme reagieren, als ob sie die Wahrheit spräche, taucht Ihr Bewusstsein wieder in die automatische Programmierung ab, und sie denken, handeln und fühlen wie früher, während Sie gleichzeitig Veränderung in Ihrem Leben erwarten. Solange Sie Gefühle und Emotionen als Wandlungsbarometer hernehmen, werden Sie sich immer einreden, es gäbe keine andere Möglichkeit. Befreien Sie dagegen den Körper aus den Ketten dieser Emotionen, können Sie sich in den gegenwärtigen Moment hinein entspannen (darüber mehr im Laufe des Kapitels) und setzen Energie aus dem Körper frei – gehen vom Teilchen zur Welle –, die Ihnen für die Schaffung einer neuen Bestimmung zur Verfügung steht. Um an diesen Punkt zu kommen und Ihren Körper eine neue Seinsweise zu lehren, müssen Sie ihn zurechtweisen und ihm zeigen, wer hier das Sagen hat.
Ich habe eine Ranch mit 18 Pferden, und die Beherrschung des Willens für die fokussierte Meditation erinnert mich an den Ritt auf meinem Lieblingshengst, nachdem ich ihn eine Zeitlang nicht geritten habe. Wenn ich in den Sattel steige, bin ich dem Hengst völlig egal. Er riecht die Stuten am anderen Ende des Geländes, und das ist es, was ihn interessiert, als wollte er mir sagen: »Wo warst du denn die letzten 18 Monate? Ich habe mir ein paar schlechte Gewohnheiten zugelegt, während du weg warst, dort drüben stehen die Mädels, und es interessiert mich nicht die Bohne, was du machen willst, deshalb werde ich dich abwerfen. Ich habe hier das Sagen.«
Er regt sich auf, ist reizbar und herrisch, und er versucht mich in die Ecke zu drängen. Aber ich widme mich ihm mit voller Aufmerksamkeit. Wenn er den Kopf zu den Stuten dreht, übernehme ich die Kontrolle über ihn.
Wenn ich bemerke, wie er sich meiner Führung entzieht, nehme ich langsam, aber fest die Zügel in die Hand, ziehe daran und warte einfach ab. Und schon bald hört er auf, lässt ein lautes Schnauben ertönen, und ich streichle ihn an der Flanke und sage zu ihm: »So ist’s gut.« Wir machen zwei Schritte; er dreht leicht den Kopf, ich hindere ihn daran – und warte. Noch einmal schnaubt er, und hat er erst einmal kapiert, dass ich die »Zügel in der Hand habe«, gehen wir wieder vorwärts. Das mache ich so lange, bis er sich mir schließlich überlässt.
Dieses sanfte, aber beständige Zurückkehren zum Fokus ist genau das Gleiche, was Sie beim Meditieren mit dem Körper machen. Stellen Sie sich Ihren Körper als das Tier vor, das von Ihrem Bewusstsein gezähmt wird. Sobald Ihnen bewusst wird, dass Ihre Aufmerksamkeit abgeschweift ist, und Sie sie wieder zurückbringen, rekonditionieren Sie Ihren Körper auf einen neuen Geist. Sie beherrschen und meistern sich selbst und Ihre Vergangenheit.
Stellen Sie sich vor, Sie wachen morgens auf und müssen alle möglichen Leute anrufen, ein paar Dinge erledigen, 35 SMS und jede Menge E-Mails beantworten. Wenn Sie jeden Morgen als Erstes an all das denken, was zu erledigen ist, befindet sich Ihr Körper bereits in der Zukunft. Sobald Sie sich zum Meditieren hinsetzen, will Ihr Geist vielleicht von Natur aus in diese Richtung wandern. Würden Sie das zulassen, wären Ihr Gehirn und Ihr Körper wieder in derselben alten vorhersehbaren Zukunft, weil Sie ein Ergebnis vorwegnähmen, welches auf denselben alten Erfahrungen von gestern gründet.
Sobald Sie bemerken, wie Ihr Geist in diese Richtung gehen will, können Sie einfach die Zügel anziehen und Ihren Körper in den gegenwärtigen Moment zurückholen – so, wie ich das mache, wenn ich meinen Hengst reite. Und falls Sie einen Augenblick später denken: »Ja schon, aber … du musst dies machen, du hast das vergessen und musst unbedingt das erledigen, was du gestern nicht mehr geschafft hast«, bringen Sie Ihren Geist einfach in den gegenwärtigen Moment zurück. Und sollte das wieder passieren und Sie frustriert, ungeduldig, beunruhigt etc. werden, denken Sie einfach daran: Egal, welche Emotion Sie erleben, Sie erleben Sie lediglich als Teil der Vergangenheit. Sie werden sich ihrer bewusst, nehmen sie wahr. »Oh, mein Körper-Geist will zurück in die Vergangenheit. Also gut. Dann wollen wir uns mal hinsetzen und uns wieder in die Gegenwart hinein entspannen.«
So wie Ihr Geist, versucht vielleicht auch Ihr Körper, Sie abzulenken – Ihnen wird übel, Sie haben Schmerzen, diese eine Stelle am Rücken juckt –, doch wenn das passiert, denken Sie daran: Das ist nur der Körper, der versucht, der Geist zu sein. Indem Sie ihn beherrschen, wachsen Sie über Ihren Körper hinaus. Wenn Sie das in der Meditation schaffen, dann sind Sie jedes Mal, wenn Sie in Ihr normales Leben zurückkehren, präsenter, aufmerksamer und bewusster – und weniger unbewusst.
Früher oder später wird Ihr Körper sich in der Meditation Ihrem Geist ergeben, ohne sich von abwandernden Gedanken entführen zu lassen, so wie mein Hengst sich mir unterwirft und meinen Befehlen gehorcht. Sind Pferd und Reiter eins, und arbeiten Geist und Körper zusammen, dann ist das das großartigste Gefühl überhaupt! Dann sind Sie in einem neuen Seinszustand, der Ihnen unglaublich viel Kraft und Macht verleiht.
In einen veränderten Bewusstseinszustand gelangen
Im nächsten Kapitel führe ich Sie durch eine Meditation. Sie beginnt mit einer Technik, die von den Buddhisten »Offene Weite« (openfocus) genannt wird und sehr nützlich ist, um in den von uns angestrebten veränderten Bewusstseinszustand zu gelangen, denn im Alltagsleben befinden wir uns im Überlebensmodus und baden in Stresshormonen, und da ist unser Fokus natürlich sehr eng. Wir achten nur auf Dinge, Menschen und Probleme (richten den Fokus auf das Teilchen bzw. die Materie, nicht auf die Welle bzw. Energie), und wir definieren die Realität über unsere Sinne. Diese Art der Aufmerksamkeit können wir als objektfokussiert bezeichnen.1
Solange unsere ganze Aufmerksamkeit auf die Außenwelt gerichtet ist, die uns in diesem Zustand als realer erscheint als die Innenwelt, bleibt das Gehirn mehr oder weniger in einem höherfrequenten Beta-Zustand – von allen Gehirnwellenmustern der reaktivste, instabilste und volatilste. Wir befinden uns in Alarmbereitschaft, nicht in einem Zustand, in dem wir etwas kreieren, tagträumen, Probleme lösen, Neues lernen oder heilen – und ganz bestimmt ist er der Meditation nicht förderlich. Die elektrische Aktivität im Gehirn steigt an, aufgrund der Kampf-oder-Flucht-Reaktion erhöht sich auch die Herzfrequenz, und die Atmung wird schneller. Der Körper kann, wenn überhaupt, kaum Ressourcen in das Wachstum und in eine optimale Gesundheit stecken, denn er ist ständig in der Defensive, indem er versucht, uns zu schützen und uns einfach zu helfen, den Tag irgendwie zu überleben.
Unter diesen alles andere als günstigen Umständen neigt das Gehirn dazu, sich abzuschotten, das heißt, einige Gehirnareale arbeiten auf eigene Faust anstatt zusammen, manche sogar gegeneinander – als würde man auf die Bremse treten und gleichzeitig Gas geben. Es ist in sich gespalten und uneins.
Aber nicht nur die Kommunikation zwischen den einzelnen Teilen des Gehirns ist schlecht. Das Gehirn kommuniziert auch mit dem Rest des Körpers nicht mehr effizient und geordnet. Da das Gehirn und das zentrale Nervensystem alle anderen Körpersysteme steuern und koordinieren – sie sorgen dafür, dass das Herz schlägt und die Lunge atmet, die Nahrung verdaut und Abfallstoffe ausgeschieden werden; sie kontrollieren den Stoffwechsel, regulieren das Immunsystem, halten den Hormonspiegel in Balance und unzählige weitere Funktionen am Laufen –, geraten wir ins Ungleichgewicht. Das Gehirn schickt sehr ungeordnete Botschaften und »zerstückelte« Signale über das Rückenmark in den Körper. Die Körpersysteme empfangen keine klaren Anweisungen.
Stellen Sie sich beispielsweise die Reaktion des Immunsystems vor: »Keine Ahnung, wie ich aus diesen Signalen ein weißes Blutkörperchen machen soll!« Oder das Verdauungssystem: »Soll ich jetzt zuerst im Magen Säure absondern oder im Dünndarm?« Gleichzeitig lamentiert das Herzkreislaufsystem: »Ist das Herz jetzt im Rhythmus oder aus dem Rhythmus? Das Signal, das ich empfange, ist ziemlich aus dem Takt. Droht da tatsächlich Gefahr?«
Diese Unklarheit stört die Homöostase bzw. die Aufrechterhaltung des Gleichgewichtszustandes, was, wie leicht nachzuvollziehen ist, zu Krankheiten führen kann wie Herzrhythmusstörungen oder Bluthochdruck (also einem gestörten Herzkreislaufsystem), Verdauungsproblemen und Sodbrennen (gestörtes Verdauungssystem) sowie einer hohen Anfälligkeit für Erkältungen, Allergien, Krebs, Rheuma und anderen Erkrankungen (gestörtes Immunsystem) – um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Diesen Zustand – sozusagen ein »Gehirnwellensalat« mit statischen Störungen – habe ich im letzten Kapitel als Inkohärenz bezeichnet. Die Gehirnwellen bzw. die vom Gehirn an den Körper gesandten Signale weisen keine Ordnung auf und sind nicht im Rhythmus – es herrscht einfach nur eine heillose Kakophonie.
Bei der Meditationstechnik der »Offenen Weite« dagegen schließen wir die Augen, ziehen unsere Aufmerksamkeit von der Außenwelt und ihren ganzen Fallstricken zurück und achten stattdessen mit unserem weiten Fokus auf den Raum um uns herum (also auf die Welle und nicht das Teilchen).
Das funktioniert, weil beim Erspüren dieses Raumes unsere Achtsamkeit auf nichts Materielles gerichtet ist und wir nicht denken. Unsere Gehirnwellenmuster wechseln in den ruhigeren und kreativen Alpha- (und schließlich auch in den Theta-)Zustand, in dem unsere Innenwelt realer wird als die Außenwelt und wir die erwünschten Änderungen in Gang setzen können.
Wie wissenschaftliche Untersuchungen belegen, erhöht sich bei richtigem Einsatz der Technik der »Offenen Weite« der Grad der Organisation und Synchronisation im Gehirn; die einzelnen »Abteilungen« arbeiten also geordneter zusammen und verbinden sich. In diesem Zustand der Kohärenz sendet das Gehirn über das gesamte Nervensystem kohärentere Signale in den Körper, und alles bewegt sich rhythmischer und arbeitet besser zusammen.
Statt einer Kakophonie spielen Gehirn und Körper jetzt eine wunderbare Symphonie. Wir fühlen mehr Ganzheit, sind integrierter und ausgeglichener. Bei den meisten der Workshop-Teilnehmer, von denen wir Gehirn-Scans machten, waren im Gehirn derartige konsistente Veränderungen zu erkennen. Wir wissen also, dass diese Technik funktioniert.
Der ideale Punkt des gegenwärtigen Moments
Nach der Technik der »Offenen Weite« praktizieren wir in der Meditation das Finden des gegenwärtigen Moments. Präsentsein gewährt uns Zugang zu den Potenzialen der Quantenebene, auf die wir vorher nicht zugreifen konnten. Im Quantenfeld existieren die subatomaren Partikel wie bereits gesagt gleichzeitig in einem unbegrenzten Feld der Möglichkeiten. Das ginge nicht, wenn das Quantenuniversum nur eine Zeitlinie hätte. Es muss über unendlich viele Zeitlinien verfügen, die gleichzeitig all diese Möglichkeiten sozusagen aufeinanderstapeln.
Jede Erfahrung in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – von allem und jedem, ob das nun der winzigste Mikroorganismus oder die am höchsten entwickelte Kultur im Universum ist – existiert im Feld der unbegrenzten Informationen, dem Quantenfeld. Ich sagte, das Quantenfeld habe keine Zeit, aber in Wahrheit hat es alle Zeit gleichzeitig – es hat nur keine lineare Zeit, wie sie unserer Zeitvorstellung entspricht.
Gemäß dem Quantenmodell der Realität existieren alle Möglichkeiten im gegenwärtigen Moment. Doch wer jeden Morgen aufwacht und immer wieder das Gleiche macht – die gleichen Entscheidungen trifft, die zu den gleichen Verhaltensweisen führen, welche wiederum die gleichen Erfahrungen mit den gleichen emotionalen Resultaten nach sich ziehen –, der ist für diese anderen Möglichkeiten nicht offen und gelangt zu nichts Neuem.
Abb. 11.1. Jeder Punkt auf der Zeitlinie steht für die immer gleichen Gedanken, Entscheidungen, Erfahrungen und Emotionen der letzten Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre. So wird die Vergangenheit zur Zukunft. Eine Gewohnheit sind Gedanken, Handlungen und Gefühle, die man sich durch regelmäßiges Wiederholen zulegt – also wenn der Körper zum Geist wird. Der Körper ist dann auf Basis unseres vergangenen Seinszustands bereits auf die gleiche vorhersehbare Zukunft programmiert. Und wenn wir Emotionen verinnerlichen und erinnern, die unsere Verbindung zur Vergangenheit aufrechterhalten, und diese Gefühle unsere Gedanken steuern, dann ist der Körper süchtig nach Vergangenem, und wir sind nur äußerst selten im gegenwärtigen Moment.
Der Kreis in Abbildung 11.1 steht für Sie selbst im gegenwärtigen Moment und in einer bestimmten Zeitlinie. Die Linie links davon repräsentiert Sie in der Vergangenheit, die Linie rechts in Ihrer Zukunft. Stellen Sie sich nun vor, Sie wachen jeden Tag auf, gehen ins Bad, putzen sich die Zähne, führen den Hund Gassi, trinken Ihren Kaffee oder Tee, nehmen das gleiche Frühstück zu sich, ziehen sich an wie immer, fahren auf der wohlbekannten Strecke zur Arbeit und so weiter. All diese Geschehnisse werden von einem Punkt auf der Zeitlinie Ihrer unmittelbaren Zukunft dargestellt.
Ihr Tag läuft also beispielsweise seit zehn Jahren immer gleich ab. Ihr Körper ist gewohnheitsmäßig darauf programmiert, in der Zukunft zu sein, deren Basis die Vergangenheit ist, denn indem Sie emotional all diese Geschehnisse auf Ihrer Zeitlinie vorwegnehmen, lassen Sie Ihren Körper (als unbewussten Geist) glauben, er sei in derselben vorhersagbaren Realität. Dieselbe Emotion sendet die gleichen Signale an dieselben Gene, und jetzt befinden Sie sich in dieser vorhersehbaren zukünftigen Zeitlinie. Sie könnten genauso gut die Zeitlinie aus Ihrer Vergangenheit einfach in Ihre Zukunft setzen, denn in diesem Szenario ist Ihre Vergangenheit Ihre Zukunft. Sie sind wie die Klavierspieler, die alleine durch das wiederholte Denken an die gleichen Fingerabläufe die entsprechenden Abläufe im Gehirn vernetzten, und die Leute, die ihre Fingerübungen rein mental praktizierten; Sie üben mental das immer wieder gleiche Szenario von gestern, stellen Ihr Gehirn entsprechend ein und konditionieren so Ihren Körper auf diese immer gleiche Zukunft.
Da Körper und Gehirn bereits in einer auf der Vergangenheit gründenden, bekannten Zukunft leben, können wir niemals in den gegenwärtigen Moment finden. Werfen Sie jetzt einmal einen Blick auf all diese Punkte auf Ihrer Zeitlinie, die für die Entscheidungen, Gewohnheiten, Handlungen und Erfahrungen stehen, die immer wieder die gleichen Emotionen erzeugen, um Ihnen das Gefühl Ihres (gewohnten) Ichs in Erinnerung zu rufen. Da gibt es keinen Platz für etwas Neues oder Unbekanntes, etwas Ungewöhnliches oder Wundersames in Ihrem Leben, denn diese Punkte sind eng miteinander verknüpft. Alles andere wäre zu unbequem und würde Ihre Routine stören. Eine Person, die unbewusst die Zukunft auf Grundlage ihrer Vergangenheit vorwegnimmt, würde etwas Neues im Leben ganz schön aus der Bahn werfen und aus der Fassung bringen!
Hier noch eine Warnung: Wenn Sie mit dem Meditieren anfangen und diese Praxis als weiteren Ablauf auf Ihre Zeitlinie setzen, besteht die Gefahr, dass Sie einfach einen weiteren Punkt auf Ihrer To-do-Liste »abarbeiten«. Auf diese Weise werden Sie den gegenwärtigen Moment bestimmt nicht finden. Um Ihr Ziel zu erreichen, nämlich Heilung und dauerhafte Veränderungen, müssen Sie voll und ganz im gegenwärtigen Moment sein und nicht überlegen, was als Nächstes auf Ihrer vorhersehbaren Zeitlinie kommt, denn wohin Sie Ihre Aufmerksamkeit lenken, da geht auch Ihre Energie hin. Solange Sie also den Dingen, Menschen, Orten oder Ereignissen in Ihrer Außenwelt auch nur das kleinste bisschen Aufmerksamkeit schenken, bestätigen Sie diese Realität. Und wenn Sie sich obsessiv mit der Zeit beschäftigen – also entweder an die Vergangenheit (das Bekannte) oder die auf dieser Vergangenheit basierende (und damit auch bekannte) Zukunft denken –, verpassen Sie den gegenwärtigen Moment, in dem alle Möglichkeiten existieren. Indem Sie sich als der Quantenbeobachter auf das Bekannte fokussieren, können Sie nur noch mehr von genau diesem Bekannten bekommen, und alle Möglichkeiten im Quantenfeld stürzen in dieselben Informationsmuster, nämlich Ihr Leben.
Um Zugang zum unbegrenzten Potenzial dessen zu erhalten, was im Quantenfeld auf Sie wartet, müssen Sie das Bekannte (Ihren Körper, Ihr Gesicht, Ihr Geschlecht, Ihre Rasse, Ihren Beruf und auch das, was Sie heute Ihrem Plan nach tun müssen) vergessen, damit Sie eine Weile im Unbekannten verweilen können – ein körperloser Niemand, ein Nichts im zeitlosen Nirgendwo. Sie müssen zu reinem Bewusstsein werden (nichts außer einem Gedanken oder einer bewussten Wahrnehmung, dass Sie in einer Leere voller Potenziale sind), damit Ihr Gehirn sich neu einstellen kann.
Und wenn der Körper Sie ablenken will, Sie ihn aber – wie beschrieben – unter Kontrolle behalten und immer wieder in den gegenwärtigen Moment bringen, bis er sich fügt, dann existiert diese in die Zukunft führende Zeitlinie nicht mehr, denn der Körper lebt nicht mehr in diesem vorherbestimmten und vorhersehbaren Schicksal. Sie haben sich davon abgetrennt bzw. Ihre Energieschaltkreise »ausgestöpselt«.
Ähnlich ist es, wenn der Körper auf Emotionen konditioniert und nach Emotionen süchtig ist, die Sie verinnerlicht haben bzw. erinnern und die Ihre Verbindung zur Vergangenheit aufrechterhalten. Indem Sie den Körper jedes Mal, wenn Sie wütend oder frustriert sind, in den gegenwärtigen Moment zurückholen, gibt er sich diesem schließlich hin, und diese Zeitlinie in die Vergangenheit löst sich. Dann haben Sie auch diese Verbindung gekappt. Und da nun sowohl die Vergangenheits- als auch die Zukunftslinie gekappt sind, verschwindet auch Ihre vorhersehbare genetische Bestimmung.
Abb. 11.2. Wenn Sie den idealen Punkt des gegenwärtigen Moments finden und sich selbst als die alte Persönlichkeit vergessen, haben Sie Zugang zu anderen Möglichkeiten, die bereits im Quantenfeld existieren, denn Sie sind nicht mehr an den alten Körper-Geist, die alte Identifizierung mit dem Umfeld und die alten vorhersehbaren Zeitlinien gebunden. Im gegenwärtigen Moment existieren die alte vertraute Vergangenheit und Zukunft buchstäblich nicht mehr. Sie werden zu reinem Bewusstsein – nur einem Gedanken. In diesem Moment können Sie Ihren Körper und Ihr äußeres Umfeld verändern und eine neue Zeitlinie erschaffen.
In diesem Moment gibt es keine Vergangenheit mehr, die die Zukunft steuert, und auch keine vorhersehbare Zukunft, die auf der Vergangenheit aufbaut. Sie sind ganz und gar im Moment und haben Zugang zu all diesen Potenzialen und Möglichkeiten. Und je mehr Zeit Sie durch das Loslassen dieser Zeitlinien und Verweilen in diesen Möglichkeiten des Unbekannten verbringen, desto mehr Energie setzen Sie aus dem Körper frei, mit der Sie etwas Neues kreieren können.
Abbildung 11.2 (siehe Seite 345) zeigt, wie die Vergangenheit und Zukunft nicht mehr existieren, wenn Gehirn und Körper vollkommen präsent sind. So existiert die vorhersehbare Realität des Bekannten nicht mehr, und Sie verweilen im unbekannten Reich der Möglichkeiten.
In der im nächsten Kapitel beschriebenen Meditation werden Sie angeleitet, eine Weile in diesem potenten Unbekannten, in der Schwärze des Möglichen zu verweilen und Ihre Energie auf die undefinierte Weite der Potenziale des gegenwärtigen Moments auszurichten. Seien Sie sich dabei bewusst: Auch wenn es vielleicht wie Nichts aussieht, so ist es doch nicht einfach nur leere Schwärze; es ist das vor Energie und Möglichkeiten nur so strotzende Quantenfeld.
Bei der Untersuchung unserer fortgeschrittenen Teilnehmer, die in der Lage waren, zu reinem Bewusstsein zu werden – einem Gedanken, der von dieser bekannten Realität getrennt ist –, beobachteten wir allergrößte Fortschritte in ihrer Fähigkeit, ihr Gehirn, ihren Körper und ihr Leben zu verändern. Da es beim Placebo darum geht, den Körper alleine durch Gedanken zu verändern, besteht ein sehr wichtiger Schritt darin, zu einem Gedanken zu werden – zu nichts anderem als einem Gedanken.
Ohne Augen sehen
An dieser Stelle möchte ich eines meiner Lieblingsbeispiele erzählen und aufzeigen, was passieren kann, wenn wir uns in der Meditation auf das Unbekannte fokussieren. Vor nicht allzu langer Zeit leitete ich im Rahmen eines Workshops in Sydney in Australien eine Meditation und bat die Teilnehmer, ein Niemand und Nichts ohne Körper im zeitlosen Nirgendwo zu sein – reines Bewusstsein zu werden, im Unbekannten zu verweilen (so, wie Sie das im nächsten Kapitel tun werden).
Ich betrachtete die meditierende Gruppe, und mir fiel eine Frau namens Sophia auf. Sie saß in der dritten Reihe und meditierte wie alle anderen mit geschlossenen Augen. Plötzlich sah ich, wie sich ihre Energie veränderte. Aus einer Eingebung heraus winkte ich ihr zu, und mit immer noch geschlossenen Augen winkte Sophia mir zurück! Ich gab zweien meiner Trainer, die sich am anderen Ende des Raums befanden, ein Zeichen, zu mir zu kommen, und wies auf Sophia, und wieder winkte sie mir zu, ohne die Augen aufzumachen.
»Was ist da los?«, fragten mich die Trainer.
»Sie sieht ohne Augen«, sagte ich. Wie ich ja schon erklärt habe: Wenn wir uns auf das Unbekannte fokussieren, erhalten wir auch das Unbekannte. Nach dieser Veranstaltung in Sydney gab es eine Woche darauf noch einen Workshop für Fortgeschrittene in Melbourne, und Sophia nahm auch an diesem Workshop teil.
»Ich habe dich und die Trainer gesehen«, erzählte sie mir und beschrieb in allen Einzelheiten, was sie mit geschlossenen Augen gesehen hatte. Nach dem Workshop bewarb sich Sophia als Schulungsleiterin für Unternehmen, und ich nahm sie aufgrund ihrer Fähigkeiten in die Ausbildung auf. Ein paar Monate später nahm sie dann an einem Training teil.
Ich lasse bei diesen Ausbildungen die neuen Trainer am Ende eines jeden Tages die Augen schließen und rekapituliere eine halbe Stunde lang, was am jeweiligen Tag durchgenommen worden ist, um die neuen Schaltkreise in ihrem Langzeitgedächtnis zu reaktivieren. Sophia saß dabei mit geschlossenen Augen da, doch plötzlich öffnete sie die Augen, schüttelte den Kopf, machte die Augen wieder zu, drehte sich herum und schaute nach hinten, drehte sich wieder nach vorn und schaute mich mit einem erstaunten Ausdruck im Gesicht direkt an. Das machte sie ein paarmal. Ich gab ihr ein Zeichen, sie solle in der Meditation bleiben, und wir sprachen anschließend darüber.
Wie sie mir sagte, konnte sie während des Meditierens mit geschlossenen Augen nicht nur das sehen, was vor ihr passierte, sondern hatte einen Rundumblick – sie sah gleichzeitig, was vor ihr, hinter ihr und um sie herum war. Sophia war ihr Leben lang daran gewöhnt, mit offenen Augen zu sehen, deshalb öffnete und schloss sie die Augen reflexhaft, um mit offenen Augen zu sehen, was sie mit geschlossenen Augen schon sah.
Bei diesem Training war Dr. Fannin anwesend, und wir machten ein paar Gehirn-Scans von den Trainern, um planen zu können, welche Gehirnwellenmuster wir bei unseren Teilnehmern in unserem ersten »Advanced«-Workshop in Arizona messen würden. Als Sophia an der Reihe war, erzählte ich Dr. Fannin nichts über sie. Er schloss sie also an das EEG an; wir saßen etwa zwei Meter von ihr entfernt und betrachteten ihren Hirnscan auf dem Monitor. Sophia saß mit dem Rücken zu uns. Plötzlich leuchtete auf dem Bildschirm die Rückseite von Sophias Gehirn, der visuelle Kortex, auf.
»Schau nur«, flüsterte mir Dr. Fannin zu, »sie visualisiert!«
»Nein«, sagte ich leise und schüttelte den Kopf. »Sie visualisiert nicht.«
»Was soll das heißen?«, fragte er mich lautlos mit den Lippen.
»Sie sieht«, antwortete ich leise.
»Was meinst du damit?«, fragte er noch einmal ganz verwirrt. Ich winkte ihr zu. Und Sophia, die immer noch mit dem Rücken zu mir saß, hob die Hand über den Kopf, drehte sie herum und winkte zurück.
Es war unglaublich. Dort auf dem Scan hatten wir den Beweis: Sophia konnte ohne Augen sehen. Ihr visueller Kortex verarbeitete Informationen, als ob sie sehen würde, aber das Sehen fand im Gehirn statt und nicht mit den Augen.
Wie ich schon gesagt habe: Wenn Sie sich auf das Unbekannte fokussieren, erhalten Sie auch das Unbekannte. Sind Sie bereit, das jetzt selbst auszuprobieren?
***