Tomatensorten zu empfehlen ist schwierig, denn wie schon zu Beginn des Buches angesprochen, gibt es über 10.000 verschiedene Sorten. Dennoch möchte Ihnen ein paar davon vorstellen, welche durch besondere Merkmale auffallen. Der Größte Nutzen der Tomatenzucht ist nicht eine reiche Ernte, sondern das Entdecken der Vielfalt, die Erkenntnis, dass wir trotz überladener Supermärkte tagtäglich nur einen sehr eingeschränkten Blick auf das Ganze erhaschen und wie weit der mögliche Horizont noch entfernt liegt. Erst dann ist die Tomatenzucht auch rentabel. Wenn Sie einfach nur normale Tomaten für den täglichen Verbrauch haben wollen, ist es sicherlich günstiger diese einfach zu kaufen. Berechnen Sie nur einmal die vielen Stunden, welche Sie alleine für das Gießen und die Pflege benötigen werden. Während dieser Zeit Überstunden zu machen wäre aus einer ökonomischen Perspektive heraus deutlich sinnvoller. Wenn Sie dazu noch die Kosten für Saatgut, fertige Pflanzen, Gartenequipment, Wasser, Dünger und Gewächshaus mit einrechnen, wird dies noch weiter ad Absurdum getrieben.
Auch der Trend zur Selbstversorgung während der letzten Jahre ist immer durch mögliche Krisen und Zukunftsängste beflügelt worden und zielt meiner Meinung nach in eine vollkommen falsche Richtung. Unsere Landwirtschaft in Europa ist so gut entwickelt, dass es derartige Krisen bei uns nie wieder geben wird. Im Gegenteil, wir haben mittlerweile ein sehr starkes Überangebot an Nahrungsmitteln. Die Landwirte produzieren so viel, dass diese selbst nur noch wenig verdienen. Es ist weder rentabel noch ökologisch sinnvoll, wenn sich jeder selbst versorgen würde. Kleingärtner verbrauchen im Verhältnis zu der von Ihnen bewirtschafteten Fläche x mal so viel Wasser, Dünger und auch Pflanzenschutzmittel, als es Bauern, bezogen auf die ihnen zur Verfügung stehenden Fläche, tun. Auch gesundheitliche Aspekte sind weitgehend zu vernachlässigen, da die im deutschsprachigen Raum gültigen Gesetze mit die strengsten der ganzen Welt sind. Absolut gesehen betreffen Nahrungsmittelskandale, welche von den Medien aufgebauscht werden nicht einmal einen Promillebereich der Gesamtbevölkerung. Diskussionen um Pflanzenschutzmittel werden nicht mehr faktenbezogen sondern rein ideologisch geführt, wie es beispielsweise die Debatte um Round Up bzw. Glyphosat zeigt. Allein dadurch, dass ein Stoff in einem anderen Produkt nachgewiesen wurde, wird er als schädlich behandelt und dies obwohl die Grenzwerte in sämtlichen Produkten mehr als eingehalten werden und darüber hinaus kein wissenschaftlicher Beweis zu einem möglichen Schaden dadurch erbracht wurde. Nahezu jeder Stoff ist nachweisbar, wenn er eben auch verwendet wurde und die Messgeräte nur fein genug kalibriert sind. Dies allein lässt jedoch keinerlei Aussage über dessen mögliche Schadenswirkung zu. Die Dosis macht das Gift. Wir haben in Europa die qualitativ besten Nahrungsmittel der Welt zur Verfügung und durch eine kontinuierliche und sinnvolle Verbesserung der Produktionsmethoden werden diese eher noch besser.
Warum also noch selbst anbauen? Meiner Meinung nach kann die Antwort darauf nur Vielfalt lauten. Während sich die Entwicklung hin zu immer mehr Effizienz und Produktivität verlagert – was bei einer deutlich wachsenden Weltbevölkerung auch seine Berechtigung haben muss – geht viel von der Vielfalt verloren, welche sich über Millionen von Jahren entwickelt hat. Doch gerade diese kann uns bereichern, wenn wir es zulassen. Neues zu entdecken verleiht dem Leben die Würze, welche es so notwendig braucht. Es zeigt wie schön unsere Welt und die Natur sein kann und wie viel es noch gibt was wir nicht kennen oder wissen. Es verändert unsere Perspektive, unseren Horizont und hilft uns zu uns selbst zu finden. Das Gärtnern ist ein Mikrokosmos des Lebens. Es zeigt uns jedes Jahr im Schnelldurchlauf die Vergänglichkeit des eigenen Seins. Memento Mori – bedenke, dass du sterblich bist. Alles ist vergänglich. Es zeigt Eindrucksvoll die Grenzen des eigenen Einflusses und lehrt uns, ein Stück weit die Kontrolle, nach der wir sonst immer streben, ein kleines bisschen aufzugeben. So kann es Jahre geben, in denen Sie alles perfekt machen und trotzdem schlechte Erträge einfahren werden. Mal ist es zu kalt, mal zu heiß und ein anderes Mal rafft Ihnen eine Krankheit die halbe Ernte dahin. Natürlich können Sie korrigierend eingreifen und Dinge dadurch besser oder schlechter machen, doch das endgültige Resultat wird nicht nur von Ihnen beeinflusst. Fast wie im Leben also. Einen wichtigen Unterschied gibt es aber doch. Ein Gartenjahr beginnt immer wieder aufs Neue – das Leben gibt es nur einmal. Genießen Sie es und entdecken Sie die göttliche Vielfalt der Natur.
Die im Folgenden beschriebenen Sorten können Ihnen also nur einen kleinen Einblick in diese Welt geben und sollen deshalb auch keine Empfehlung sein. Vielmehr sollen Sie dazu animiert werden, selbst aktiv zu werden, sich mit anderen Züchtern zu vernetzen und so immer mehr Sorten kennen zu lernen. Hier also ein paar meiner häufiger angebauten Sorten.