Letzter Auftrag

Das Telefon klingelte am Montag um 8:00 Uhr in der Früh, doch ich war schon seit einer Stunde wach. Die letzte Nacht war etwas unruhig gewesen und deshalb fühlte ich mich noch etwas schläfrig. Ich nahm das Handy zur Hand und nahm das Gespräch mit einem Tastendruck an. Als ich die Stimme von Goldmann in meinem Ohr hörte, war ich sofort hell wach und sprang zugleich mit einem Satz aus dem Bett.

Die Schläfrigkeit war wie weggeblasen und ich hörte angestrengt zu. „Chris sind sie bereit, sie werden in zwei Stunden abgelöst und dann in die Agentur zur Einsatzbesprechung gebracht“. Kaum hatte er den Satz ausgesprochen hatte er auch schon wieder aufgelegt. Er war wie immer kurz angebunden. Ich blieb noch etwas liegen und sah mich im Zimmer um. Trotz der gemütlichen Einrichtung hatte es die sterile Atmosphäre eines Hotelzimmers.

Doch mir war das gleichgültig, wie der Raum aussah. Ich hielt mich ja nicht viel darin auf. Für mich war es nur ein Ort zum Schlafen und zum Umziehen. Ok, dachte ich und ging erst einmal duschen, genau das brauchte ich jetzt. Als ich dann mit meiner morgen Toilette fertig war, zog ich meinen schwarzen Overall an. Dann packte ich mein Spielzeug aus, überprüfte die Funktionalität und legte alles in eine Segeltuchtasche. Ich schaute auf meine Armbanduhr und sah dass es nun bald soweit war. Jetzt wohlweislich zog ich zum Schluss meine kugelsichere Weste über. Dies beruhte aus Erfahrung, denn sobald man hier in diesem Land das Gelände verlässt, besteht immer die Gefahr eines Überfalls. Als ich fertig angezogen war ging ich erst einmal zu meinem Kollegen hinaus vor die Villa. Ein Rasensprenger verteilte wedelnd sein Wasser wie leichten Regen auf grünem Gras. Ich teilte Ihnen mit das in fünf Minuten meine Ablösung kommt.

Sofort witzelte Peres mein Kollege herum: „Na, mal wieder in geheimer Mission unterwegs?“ .Wir wechselten dann noch einige Worte, als auch schon das Taxi aufs Grundstück gefahren kam.

Mit einem Augenzwinkern verabschiedete ich mich und drehte mich dem heranfahrenden Taxi zu. Das Taxi fuhr vor die Villa am Haupteingang und Steve, meine Ablösung stieg aus dem Wagen aus. Er sprang immer für mich ein, wenn die Agentur einen besonderen Job für mich hatte. Ich reichte ihm die Hand, betrieb etwas Smalltalk mit ihm und stieg in das wartende Taxi ein. Nun also fuhr ich direkt zur Agentur und war schon gespannt was das taktische Analyseteam wohl wieder für einen neuen Auftrag hatte.

Nach etwa 30 Minuten traf ich in der Agentur ein. Wie immer standen zwei bewaffnete Sicherheitskräfte mit kugelsicheren Westen vor dem Gebäude. Mittlerweile kannten sie mich und ließen mich mit einem Wink ins Gebäude eintreten. Ein weiterer Sicherheitsmann saß hinter einem Empfangstresen und nickte mir zu. Mir war bekannt, dass er immer eine Hand am Abzug einer Maschinenpistole hatte sobald eine Person den Empfang betrat.

Mit dem Fahrstuhl fuhr ich in den dritten Stock. Auf dem Flur sah ich Aiman und Igor miteinander lachen. Sie hatten wohl auf mich gewartet. Sie nickten mir zu und gingen mit mir in den Konferenzraum. Die Tür vom Konferenzraum stand einen Spalt weit offen als wir gemeinsam auf sie zugingen. Ich betrat mit ihnen den Konferenzraum und sah alle anderen anwesenden.

Müller, Ford und McNeal vom taktischen Analyseteam saßen vor ihren Computern an ihren Arbeitstischen. Sie blickten nur kurz auf und nickten uns zu. Miguel, Mike, Mathis sowie Tom standen am Einsatzbesprechungstisch herum und diskutierten mit Mister X. Wir begrüßten uns kurz aber herzlich. Goldmann stand am Fenster und studierte einige Fotos.

Von Unruhe getrieben kam er dann zum Tisch und schlug eine vor ihm liegende Mappe auf. Auf dem Tisch waren die Gegenstände wie immer mit einer militärischen Präzision angeordnet. Notizblöcke, Bleistifte, Landkarten und Fotos sowie Aktenunterlagen waren ausgebreitet.

Goldmanns Stimme war wie üblich von ruhiger und kalter Gelassenheit und doch sah man in seinen Augen etwas anderes. Er war sichtlich ziemlich nervös. Bloß warum?

Nun das sollten wir gleich erfahren. Es dauerte nicht mehr lange und er klärte uns auf: „Meine Herren, dieser Auftrag Bedarf höchster Priorität und ihre komplette Aufmerksamkeit.

Es geht um drei Kinder, zwei Jungs und ein Mädchen.

Sie waren mit ihren Eltern auf der Urlaubsrückreise von Kolumbien nach Brasilien als die drei Kinder entführt wurden.

Hier die Fotos der Kinder“. Er legte mehrere Fotos auf den Tisch.

Jeder konnte von uns die Gesichter der drei Kinder erkennen.

Es waren fröhliche Gesichter und sie waren noch sehr jung (7 - 11Jahre).

Keine Gefühlsregung war in unseren Gesichtern zu sehen, während wir eine Aufnahme nach der anderen aufmerksam betrachteten. „All unsere neuesten nachrichtendienstlichen Berichte deuten darauf hin, dass es sich bei den Entführern um eine nicht allzu große Guerilla-Kämpfer-Einheit der FARC, ca. 6 bis 8 Mann stark handelt.

Die FARC finanzieren sich hauptsächlich aus Lösegeldzahlungen und dem Drogenhandel. Sie sind die größte Guerilla Gruppe in Kolumbien mit weitreichenden Beziehungen bis hin in die Politik. Seit der Zerschlagung der beiden großen Drogenkartelle Ende der 1990er Jahre hat die FARC-EP ihre Aktivitäten im Zusammenhang mit der Kokainproduktion in den von ihren Kämpfern kontrollierten Zonen des Landes verstärkt. Früher boten sie lediglich Hilfs- und Schutzleistungen für die Drogenproduzenten an.

Heute hat die FARC-EP nach Regierungsaussagen selbst damit begonnen, unter Eigenregie Koka in einigen Teilen Kolumbiens anzubauen und eigene Labore für die Weiterverwertung zu betreiben. Paramilitärische Gruppen haben sich auf Entführung spezialisiert. Nun wissen Sie wer ihr Gegner ist.

Bewahren sie sich Fragen und Bemerkungen für nachher auf.“ Damit reichte er weitere Fotos an uns weiter. Auf den Fotos waren bewaffnete Männer in Kampfuniform zu sehen.

Goldmann fuhr in seiner Ausführung fort: „Obwohl operative Erkenntnisse dieser Art schwer zu beschaffen sind ist es dem Informationsteam von Mister X gelungen. Den Informationen zufolge ist uns mittlerweile bekannt wo sich die Entführer mit den Geiseln aufhalten“. Mister X hatte anscheinend einen sehr mächtigen Apparat zur Verfügung, der es ihm erlaubte uns hervorragende Informationen zukommen zu lassen, dachte ich mir. „Die Lösegeldsumme ist waghalsig hoch“ fuhr Goldmann seinen Bericht fort. „Des Weiteren sind die Kinder von einer Person die gute Beziehungen nach oben pflegt. Unser Auftraggeber nimmt deshalb zuerst uns in Anspruch bevor er es in Erwägung zieht zu bezahlen. Es liegt auch daran das bis dato noch nichts an die Öffentlichkeit gekommen ist.

Also stehen wir unter Zeitdruck. Wir haben einen schwierigeren Job zu erledigen“.

Wenn Goldmann seine Reden und Berichte hielt hatte man immer das Gefühl wir wären alle ein Team. Er betonte das Wort wir so gerne und das machte seine Ansage immer etwas unglaubwürdig. Aber es war nicht nur die Betonung des Wortes, wir wussten mittlerweile aus Erfahrung, dass Goldmann ein Schweinehund war und wenn er es für nötig hielt ging er auch über Leichen. Nun wir taten dies zwar auch, aber nicht mit den Leuten mit denen wir zusammen arbeiteten.

„Zum Abschluss noch folgendes“ sprach Goldmann weiter.

„Seit auf der Hut wenn ihr zuschlagt, diese FARC Typen kauen gerne Kokablätter.

Dies lässt sie noch in den frühen Morgenstunden hellwach sein und sie sind dann noch dazu schmerzunempfindlich.

Also spielt nicht rum mit Ihnen und versucht sie anders auszuschalten als sonst immer. Merkt euch, wir haben kein Interesse an Gefangenen, oder Informationen, es sei denn sie nutzen der erfolgreichen Durchführung der Evakuierungsmission. Gewalt wird gezielt eingesetzt, unter gar keinen Umständen darf es zu Kollateralopfern kommen.

Vermeidet jeglichen Kontakt zu Polizei, Militär oder anderen paramilitärischen Gruppierungen. Mit diesen Worten endete seine Rede und er drehte sich zum Geier um. „David sie übernehmen jetzt“ damit endete Goldmanns theatralisches Gerede. Der Geier ging mit uns die wichtigsten Punkte der bevorstehenden Operation durch. Danach folgten personenbezogene Instruktionen. Jeder hatte nun seinen kleinen persönlichen Auftrag erhalten. Und trotzdem war uns allen auch klar, dass diese Gespräche zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts endgültig festlegen konnten. Laut unseren Erfahrungen sah die Lage vor Ort immer etwas anders aus, als auf der Landkarte in der Operationsabteilung. Wir konnten keine abschließende Entscheidung über unser Vorgehen treffen, ehe wir nicht das Zielgebiet aus der Nähe sahen.

Kurz gesagt, wir lebten in einem seltsamen Zwischenstadium, das vielen Operationen voraus ging. Wir hatten alle relevanten Informationen für den kommenden Einsatz erhalten.

Die Planungsphase der Operation lag nun hinter uns und in Anbetracht der Informationen, waren wir gut vorbereitet.

Unterdessen wir unsere Ausrüstung checkten, wurde alles für den Flug vorbereitet. Wie immer waren wir sieben Mann, wie immer gleich bekleidet und sahen in unserer Einsatzkleidung ausgesprochen gefährlich aus.

Da unser Ziel im Dschungel war, galt es nun noch prophylaktisch die Malariatablette zu schlucken. Als ich meine geschluckt hatte wurde mir entsetzlich schlecht.

Vielleicht hätte ich es als eine Art Vorwarnung betrachten sollen. Unsere Gesichter waren hart und die Augen spähten wachsam umher. Jeder spürte was nun auf ihn zukommen würde. Von nun an warteten wir nur noch darauf, dass es endlich losging. Wir hatten unsere persönlichen Vorbereitungen abgeschlossen. Zeit verging und wir machten uns fertig für den Flug, denn nun ging es los.