Ich erinnere mich noch genau an den Tag zurück als wäre es gestern gewesen, als ich meinen ersten richtigen Job als Bodyguard bekam. Nun ist es endlich soweit, ich bekomme meinen ersten Job. All mein Training und die vielen Monate meiner Ausbildungen, ebnen mir den Weg, den ich gewillt bin zu gehen. Die Agentur teilt mich einer Familie zu, einem Ehepaar mit zwei Kindern, welche noch einen weiteren Bodyguard benötigten.
Ankunft bei der neuen Arbeit. Vor der Agentur wartete bereits ein Taxi auf mich. Ich verstaute meine Sachen im Kofferraum, stieg ein und teilte dem Fahrer die Adresse mit. Ich hatte nun acht Wochen Training mit dem Team hinter mir. Es waren acht gute Wochen. Sie waren anstrengend aber auch lustig.
Ich habe ein gutes Gefühl, wenn ich daran denke mit den Jungs den ersten Einsatz durchzuführen. Doch nun geht es erst einmal zu meiner zukünftigen alltäglichen Arbeit als Bodyguard.
Jede Menge Gedanken schwirrten durch meinen Kopf, Fragen auf die ich keine Antwort weiß. Werde ich diesen Job gut machen? Schaffe ich es im richtigen Moment richtig zu reagieren? Wieder einmal eine Herausforderung mit einem ungewissen Ausgang. Und genau bei diesem Gedanken fang ich an zu lächeln. Ich spüre und fühle dass mir solche Sachen gefallen. Das Leben hat einen Sinn. Ist dies meine Bestimmung?
Um mich nun etwas abzulenken, schaue ich aus dem Fenster des Taxis und versuche der Umgebung etwas Schönes abzugewinnen. Auf den Straßen herrscht ein reges Treiben.
Viel Verkehr und Lärm, sowie Staus zeigen das rigorose Leben in dieser Stadt.
Der Taxifahrer fuhr weiter nach Norden, bis der Straßenverkehr schließlich immer weniger wurde und wir in einer besseren Gegend waren. Die Fahrt dauerte nun schon gute neunzig Minuten. Bald bog er in eine Nebenstraße ab.
Mir bot sich nun der Anblick einer wohlhabenden Wohngegend mit imposanten Villen, die auf sanften Hügeln zu stehen schienen. Viele der nun folgenden Grundstücke wurden mit hohen Mauern und Zäunen umrundet.
Immer wieder sah ich NATO Stacheldraht und Videokameras welche das Areal vor unliebsamen Eindringlingen schützen sollen. Manche Einfahrten waren elektronisch gesichert. Vor anderen Einfahrten wiederum standen schwer bewaffnete Wachposten in einem kleinen Häuschen und kontrollierten jeden herannahenden Besucher der das Grundstück betreten wollte.
Nach einigen weiteren Objekten war ich am Ziel angekommen.
Vor einer elektronisch gesicherten Auffahrt hielt der Taxifahrer an. Ich musste mich ausweisen und konnte dann passieren.
Das Gelände wurde von einer Mauer mit Zaunelementen umrundet. Überall waren Videokameras und Infrarotsensoren angebracht. Das Tor ging auf und das Taxi konnte über eine serpentinenförmig gewundene Auffahrt hinauf zum Haus fahren. Viele Bäume verbargen das Haus vor neugierigen Blicken von der Straße. Es war ein herrschaftliches Haus im typischen portugiesischen Style.
Als ich ausstieg wurde ich von zwei Männern, Peres und Steve, welche zuvor aus dem Haus gekommen waren, in Empfang genommen. Wir stellten uns einander vor und Peres kam auch gleich zur Sache.
Wir sollten zu Rodriguez kommen, er sei der Einsatzleiter.
Ich bezahlte das Taxi und folgte ihnen ins Gebäude.
Rodriguez war ein netter Typ und begrüßte mich sehr herzlich.
Unser Gespräch begann entspannt.
Dann zeigte er mir mein Zimmer und machte anschließend einen Rundgang mit mir durchs Gebäude und übers Gelände.
Währenddessen erklärte er mir meinen Aufgabenbereich.
Ich wusste, dass ich in den nächsten Tagen wie ein Suchender durch alle Zimmer im Gebäude gehen und das Gelände durchforsten würde um mir jeden Winkel und jede Ecke die es gibt einzuprägen. Es gibt fünf Sicherheitskräfte, drei Bodyguards für die Familie und zwei Sicherheitsbeamte der Securitas die das Gebäude und das Gelände rund um die Uhr überwachen würden. Zum Personal im Haus zählten auch noch eine Köchin und eine Haushälterin.
Die drei Bodyguards sollten abwechselnd immer zu zweit den Hausherren überall hin begleiten und der Dritte sollte die Kinder und deren Ehefrau beschützen. Hierzu gehörte es die Kinder morgens in die Privatschule zu fahren und zu gegebener Zeit wieder abzuholen, sowie die Ehefrau bei ihren Einkäufen, zum Friseur und zum Nagelstudio zu begleiten.
Meist eine fade Angelegenheit und genau aus dem Grund, dass der Schlendrian nicht überhandnimmt, gab es aus Sicherheitsgründen diesen regelmäßigen Personenwechsel.
Im Laufe des Tages würde ich der Familie vorgestellt und am Abend dem Hausherren.
Ich hatte Glück denn sie kamen aus Deutschland, somit gab es für mich keine Verständigungsprobleme. Obwohl alle vier sehr nett und höflich waren, galt es professionelle Distanz zu wahren. Man durfte sich mit seiner Zielperson nicht emotional binden.
Die Tage vergingen und es geschah glücklicherweise nichts Aufregendes. Obwohl der tägliche Ablauf aus reiner Routinearbeit bestand, waren wir immer vorsichtig und angespannt. Es galt immer und überall unsere Zielperson(en) zu beschützen. Und dies war nicht immer einfach.
Die möglichen Entführer sind nicht nur kriminelle Kleingruppen sondern auch Organisationen die sich auf Entführungen spezialisiert haben.
Aber auch korrupte Polizisten die ihr Gehalt aufbessern wollten. Man konnte niemandem wirklich vertrauen. In einem Land wo Entführungen zur Tagesordnung gehören bleibt niemand wirklich lange verschont.
Und somit kam der Tag an dem ich mir mein Geld verdienen musste. Es war ein Tag wie jeder andere und unsere Sicherheitsvorkehrungen waren wie immer dieselben.
Nichts wies auf eine mögliche Entführung hin. Wir waren in einem etwas nobleren Viertel von São Paulo, als das Schicksal seinen Lauf nahm. Unsere Zielperson hatte eine Besprechung in einem Restaurant. Nahe des im Nobelviertel Pinheiros. Nach dem Essen machte ich mich als erster auf den Weg um das Restaurant zu verlassen und um mich davon zu überzeugen, dass außerhalb auf dem Weg zum Auto keine unmittelbare Gefahr vorhanden ist. Alles sah wie immer aus, nichts Außergewöhnliches fiel mir auf und doch war ich angespannt.
Ich war noch nicht allzu lange in diesem Job und somit wollte ich auch keine Fehler machen, die der Zielperson oder den Kollegen zum Verhängnis werden könnten. Es galt äußerste Aufmerksamkeit bei jedem Schritt und jeder Entscheidung die ich traf. Über mein Headset gab ich Rodriguez Bescheid, dass er nun mit der Zielperson nach draußen kommen kann.
Mit der Restauranttür im Rücken wartete ich darauf dass die Zielperson mit Rodriguez heraus kam.
Einige Sekunden später trat Rodriguez gefolgt von der Zielperson heraus. Er nickte mir zu als Zeichen dafür dass ich nun als Vorhut zum Auto gehen solle. Keine zehn Schritte zum Auto hin, die Zielperson zwischen mir und Rodriguez, welcher die Nachhut bildete.
Plötzlich sah ich eine Person überraschend auf mich zukommen.
In Bruchteilen von Sekunden erfasste ich die neue Situation.
Woher diese Person auf einmal kam ist mir ein Rätsel.
Mein Bauchgefühl teilte mir sofort Gefahr mit. Hinzu kam, dass er seine rechte Hand hinter dem Rücken verborgen hielt. Mir war sofort klar, dass dort eine Waffe versteckt sein würde. Alles ging auf einmal so schnell und ich musste eine Entscheidung treffen. Adrenalin pumpte auf Hochtouren durch meinen Körper. Meine rechte Hand zog sofort meine Glock Pistole aus dem Schulterhalfter und einen Moment später hatte ich sie im Anschlag und legte auf den Typen an.
Ich machte mir absolut keine Gedanken dazu ob er mich treffen könnte. Immerhin hatte ich unter meinem Anzug eine ballistische Unterziehweste an, die mir einen guten Schutz (SK1) gegen Faustfeuerwaffen bot. Nun brachte auch er seine Waffe zum Vorschein. Ich schrie dass er die Waffe fallen lassen soll, doch er kam dem nicht nach. Somit blieb mir nichts anderes übrig als ihm in seine rechte Schulter zu schießen.
Mein Zeigefinger umschloss den Abzug und die Kugel verlies den Lauf. Der Knall meiner Waffe erfolgte augenblicklich und dann fiel er auch schon zu Boden und verlor die Waffe.
Rodriguez schützte mit seinem Körper sofort unsere Zielperson nach allen Richtungen ab so gut es ging.
Ein Geschrei auf der Straße entstand und dabei konnte ich beobachten, dass der Angreifer wieder zur Waffe greifen wollte. Ich warnte ihn nach der Waffe zu greifen doch seine Bewegungen gaben den Vorsatz seines Denken und Handels preis. Kurz entschlossen legte ich nochmals auf den Angreifer an. Ich musste unbedingt den Hirnstamm treffen, die Medulla obligate um sämtliche Gehirnfunktionen auszuschalten bevor sein Gehirn ein Signal zum Abdrücken der Waffe an seinen Abzugsfinger geben konnte.
Mir war klar, dass er mich aus den Weg räumen wollte um meine Zielperson zu entführen. Und falls er kein guter Schütze ist könnte eine an mir vorbei fliegende Kugel sogar meine Zielperson oder den Kollegen gefährden. Ich setzte ihn mit zwei gezielten Schüssen in den Kopf endgültig außer Gefecht.
Ein Ruck fährt durch seinen Körper. Seine Finger erstarren, die Waffe fällt ihm aus der Hand und sein Körper bricht zusammen. Dann schaute ich in jede Richtung und suchte nach weiteren möglichen Entführern. Ich konnte aber nur ein Fahrzeug feststellen welches sich auffällig schnell entfernte.
Mein Gefühl sagte mir, dass die Gefahr nun vorbei sei.
Es dauerte nicht lange und die Polizei traf am Tatort ein.
Nachdem alles aufgenommen war konnte Rodriguez mit unserer Zielperson nach Hause fahren und ich musste mit der Polizei zur Wache.
Es wurde mir mitgeteilt, dass ich den Notwehrparagraphen nicht in Anspruch nehmen könnte und somit würde es zu einer Anzeige kommen. Auf der Wache sollte ich noch einmal verhört werden. Für solche Fälle galt es immer den Mund zu halten und nach einem Anwalt zu verlangen. Gesagt getan und ich bereitete mich auf eine Nacht in der Zelle vor.
Im Nachhinein gesagt ist es immer unterschiedlich wie man bei solch einem Überfall reagieren soll. Wenn die Polizei schnell vor Ort ist kann es schon passieren, dass man mit der Zielperson zur Wache muss. Oder die Angelegenheit ist eindeutig, was es in meinem Fall ja nicht war. Bestenfalls kann man mit der Zielperson einfach abhauen und erstattet selbst Strafanzeige.
Die Nacht verging und am Morgen wartete Marson, der Anwalt der Securitas, im Büro des Leiters vom Polizeirevier.
Marson teilte mir sogleich mit, dass mein Vorgehen einige Schwierigkeiten einbringen würde. Es kommt zu einer Anzeige und später zu einer Anklage wegen unangemessenen Verhaltens.
Ich hatte den Fehler gemacht und den Angreifer beim zweiten Schuss getötet. Ich hätte ihn nur ein weiteres Mal anschießen dürfen. Der Anwalt sagte mir, dass ich diesen Blödsinn lassen soll. Es gäbe nur unnötig Ärger und kostet der Firma Geld.
Wir fuhren zu einer Besprechung in die Agentur. Auf dem Weg dorthin wurde mir schnell klar was ich falsch gemacht hatte.
Ich bereitete mich schon auf einen gehörigen Anschiss vor, mal sehen wer mir alles die Leviten lesen wird.
Im Büro waren der Leiter der ansässigen Securitas in São Paulo Enrice Gonzales und als Zuhörer vorerst Goldmann.
Gonzales kam auch gleich zur Sache. „Sind sie sich dessen eigentlich bewusst, welchen Scheiß sie da gebaut haben?
Und erzählen sie mir nicht sie wollten den Kerl nicht gleich erschießen. Sie haben völlig falsch reagiert und die Zielperson in Gefahr gebracht, so wie ihren Kollegen. Wenn sie nochmals so etwas fabrizieren, werde ich persönlich dafür sorgen, dass sie niemals mehr einen Job als Personenschützer bekommen.
Sie hätten den Kerl mit dem ersten Schuss gleich töten müssen, dann wäre die Angelegenheit als normale Notwehr durchgegangen“. Und als Gonzales mit seiner Predigt fertig war, bekam ich auch noch von Goldmann eine rüber gezogen.
„Chris, hören sie mir genau zu was ich ihnen zu sagen habe.
Die Arbeit die wir verrichten ist nicht Gotteswerk. Wir tun Sachen die er nicht machen will. Es gibt kein Kapitel und keinen Vers in der Bibel damit sie besser schlafen können.
Wir sind sicher nicht moralisch vertretbar, aber wir sind notwendig, absolut ja. Also kommen sie von ihrem hohen Ross herunter, sonst wird es eines Tages die Falschen erwischen“.
Wow, das war mir von nun an eine Lehre der besonderen Art. Der Job war mir aus allerlei Gründen wichtig. Zum einen war es ja genau das was ich machen wollte, zum anderen verdiente ich mir damit mein Geld.
Des Weiteren war der Job die benötigte Tarnung für die Evakuierungsmissionen. Es galt für mich keinen Fehler mehr zu machen.
Der Anwalt kannte die richtigen Leute und wusste das Problem für mich zu bereinigen. Später bekam ich eine Geldstrafe in Höhe von umgerechnet ca. 1000 Euro. Ein Menschenleben ist dort einfach nichts wert.