Erster Abflug

Nun war es an der Zeit, wir stiegen in den wartenden Hubschrauber ein. Es war ein Sikorsky CH-53G (Camouflage).

Wir setzten uns mit der Ausrüstung nebeneinander und schalteten den Bordfunk ein. Mike saß neben mir, drehte sich zu mir um und sah mir ins Gesicht. Dann sagte er auf einmal: „Hey Chris ist dein erster Einsatz, hast du Angst?“

Ich überlegte kurz um ihm eine passende Antwort zu geben, denn alle anderen hatten über Funk mit gehört. Mit einem Grinsen im Gesicht erwiderte ich dann: „Angst hat man nur dann, wenn der Tod ungewiss ist. Ruhig ist man, wenn der Tod auf einen wartet“. Die Antwort hat wohl niemand erwartet, denn die anderen fingen an zu lachen. Und dann ging es auch schon los. Im Hubschrauber unterdrückten das auf Heulen der Turbinen und das Pochen der Rotorblätter jeden weiteren unliebsamen Gedanken. Der Hubschrauber schwebte jetzt, dann ein leichter Ruck und die Maschine nahm ihren Kurs auf in Richtung ihres Bestimmungsortes.

Die Flugzeit war nicht lang bei einer Fluggeschwindigkeit von ca. 290 km/h. In der Zwischenzeit überprüften wir unsere Funkverbindung. Erläuterten noch mal die allgemeine Strategie, tauschten unsere Gedanken aus und gingen ein Dutzend taktischer Überlegungen durch.

Wir waren jetzt bereit.

Auf dem Flug wurde der Heli von einer Turbulenz ergriffen das es uns nur so durchschüttelte. Trotz allem war es ein irres Gefühl wenn man so tief und schnell flog.

Sobald wir gelandet sind würden wir in einen LKW umsteigen müssen und mit diesem bis zum geplanten Zielpunkt fahren.

Es regnete in Strömen, als wir aus dem Hubschrauber hinaus sprangen, welcher auf dem Flughafen Landepunkt gelandet war. Dann ging die Fahrt los. Es war genau 4 Uhr und 11 Minuten, 23 Minuten vor Sonnenaufgang und 17 Minuten, ehe sich der erste blau-schwarze Tagesschimmer am Horizont verbreiten würde.

Planmäßig kamen wir am Ziel an, wo wir den kleinen Lkw stehen lassen würden. Von nun an ging es zu Fuß weiter bis wir am Zielobjekt angekommen sind. Wir hatten nun nicht mehr weit bis zu dem Haus wo die zwei Zielpersonen gefangen gehalten wurden. Das Zielgebäude war leicht zu identifizieren - zumindest wenn man unserer Karte vertrauen konnte. Als wir nah genug waren, rückten unsere beiden Späher Tom und Miguel vor, um die Lage zu checken.

In der Zwischenzeit überprüften wir noch einmal unsere Ausrüstung und zogen uns zum Schluss eine schwarze Sturmhaube übers Gesicht, damit uns niemand sehen konnte.

Am schwarzbraunen Himmel brach nun das erste Frühlicht langsam durch. Dies war die Gelegenheit auf die wir gewartet haben. Jetzt, da wir dem Tod wieder ins Antlitz schauen würden, sammelte jeder seine Gedanken und tat seinen vorgesehenen Job. Die drei Scharfschützen (Igor, Tom und Aiman) werden uns von ihrer Position aus nötigenfalls den Weg ebnen, das heißt jede mögliche Bedrohung ausschalten.

Die Tarnkleidung gab uns einen guten Sichtschutz gegen neugierige Blicke, um nicht sofort erkannt zu werden. Unser taktischer Plan sah es vor, so lange wie möglich vom Gegner unentdeckt zu bleiben.

Hierzu war es nötig, sich an den Gegner heranzuschleichen um ihn dann kampfunfähig zu machen. Bevorzugtes ausschalten des Gegners war die Liquidierung durch die schallgedämpfte Glock oder durch ein Messer.

Über Funk verständigten wir uns ob jemand einen der Geiselnehmer sah und wo er sich eventuell aufhielt. Sobald ein Geiselnehmer zu einer Bedrohung wurde und wir vier Nahkämpfer (Miguel, Mike, Mathis und ich) nicht selbst frühzeitig und nah genug an ihn heran kamen um ihn auszuschalten, wurde er in der Regel durch einen gezielten Schuss von einem unserer Scharfschützen eliminiert.

Die Scharfschützengewehre waren mit Schalldämpfern und einem Restlichtverstärker ausgestattet und jedes noch so kleine Ziel wurde dadurch sofort erkannt und ausgeschaltet.

Jeder von uns setzte absolutes Vertrauen in die drei Scharfschützen. So war die Sorge eventuell frühzeitig entdeckt zu werden nebensächlich. Überhaupt nicht entdeckt zu werden, darauf kam es an. Dieser Vorteil ist entscheidend wie eine solche Rettungsaktion ausgehen kann. Zu viert gingen wir hintereinander los, zogen unsere schallgedämpften Faustfeuerwaffen (Glock 19) aus den Oberschenkelhalftern heraus, entsicherten sie und drückten den Abzug fast bis zum Anschlag vorsichtig zurück, sodass sich nicht unvorsichtigerweise ein Schuss löst. Wir waren sehr geräuschlos und kamen im dichten Unterholz gut voran.

Meter um Meter pirschten wir uns weiter an und auf einmal befanden wir uns fast unerwartet schnell, in der Nähe des Hauses.

Trotzdem immer auf der Hut, dass einer der Geiselnehmer aus dem Haus heraus oder gar hinterm Haus hervor kommen könnte. Ich sah auf das Leuchtzifferblatt meiner Armbanduhr und erkannte, dass wir unseren Zeitplan einhalten mussten.

Die Zeit wurde langsam knapp. Wir mussten uns beeilen.

Die Mission war zwar nicht gefährdet doch unerwartete Ereignisse konnten jederzeit passieren und die Aktion erschweren.

Gerade als wir aus der Deckung heraustraten und zum Haus wollten, veränderte sich die Situation schlagartig zu unseren Ungunsten. Igor, der die Nachhut bildete und unsere Rücken frei hielt und für den Rückzug verantwortlich war, gab über Funk Alarm, dass ein Fahrzeug die Straße herauf kam in Richtung unseres Zielobjektes. Schnurstracks bewegten wir uns leise rückwärts zurück in die Deckung aus der wir gekommen waren. Im Schutze des Dickichts warteten wir ab, was wohl nun geschehen mag. Wir hörten auch schon den Motor des herankommenden Fahrzeuges. Wir vier hielten inne, um zu lauschen, um die neue Situation zu analysieren.

Mein Gehirn ratterte vor Gedankengängen. So früh am Morgen, wer könnte das sein und warum kommt er überhaupt?

Sind wir etwa aufgeflogen?

Kommt nun für die Geiselnehmer Verstärkung?

Werden die Geiseln vielleicht zur Sicherheit woanders hingebracht?

So vieles konnte der Grund sein und wir hatten keine Ahnung, weshalb sich die Situation so unerwartet verändert hat.

Zur Sicherheit warteten wir in unserer Deckung erst einmal ab, um zu sehen was nun genau passieren wird.

Währenddessen schaltete sich Tom mit dem Satellitentelefon zur Kommandozentrale durch. Er schilderte kurz und detailliert die die derzeitige Situation und fragte ob es neue Erkenntnisse gäbe. Die Kommandozentrale erwiderte, dass sich der Status nicht verändert hätte. Wir sollten wie geplant vorgehen und nötigenfalls den Neuankömmling genauso ausschalten wie alle anderen.

Entscheiden nach eigenem Ermessen, aber möglichst schnell.

Tom gab uns über Funk die Infos der Kommandozentrale.

Ok, es gab nichts Neues. Also gut, jederzeit könnten wir mit einem Angriff starten. Immer wieder hatten wir im Trainingslager solche veränderten Situationen geprobt.

Es ging jetzt nur noch darum den geeigneten Zeitpunkt unseres Angriffs festzulegen und alle Beteiligten auszuschalten.

Nun konnten auch wir die Scheinwerfer des Fahrzeugs an einigen Bäumen und durch einige Bäume erkennen.

Im Haus trat jemand zum geöffneten Fenster und sah heraus.

In seinem Gesicht war Erstaunen und Ratlosigkeit zu erkennen. Als sich die Scheinwerfer näherten wurde das ganze Gelände hell erleuchtet. Vorsichtshalber presste jeder von uns seinen Körper zu Boden. Es bestand nur eine geringe Gefahr dass wir entdeckt werden. Das Auto hielt mit quietschenden Reifen direkt vor dem Haus. Dann stieg auch schon jemand auf der Fahrerseite aus. Gleich darauf öffnete sich die Haustür und ein Mann mittleren Alters trat heraus und begrüßte den Autofahrer. Der Mann der aus dem Haus kam, war sichtlich nicht erfreut ihn zusehen.

Über Funk berieten wir unsere weitere Vorgehensweise.

Da die Zeit drängte, entschieden wir uns dazu, schnellst möglichst einzugreifen. Die neue Situation erforderte ein sofortiges Handeln. Wir konnten nicht darauf warten, ob der Neuankömmling gleich wieder verschwinden würde. Die Männer verschwanden diskutierend im Haus. Unser Plan sah es vor, dass Miguel und Mike am Fenster Stellung beziehen würden. Leise pirschten sich die beiden ans Haus heran.

Mathis würde mit mir zusammen zur Haustür vordringen und dort in Stellung gehen.

Sobald Mike zwei Blendgranaten durchs Fenster geworfen hat, wollten wir zwei ins Haus stürmen, direkt zum Raum wo sich die Geiselnehmer aufhalten.

Dort könnten wir sie mit Waffengewalt ausschalten. Die Blendgranaten sollten sie orientierungslos machen, sodass unser Zugriff die nötige Ablenkung erhielt. Das Startzeichen für Mathis und mich um durch die Haustür zu stürmen, wären die Detonationen der Blendgranaten. Miguel und Mike würden uns vom Fenster aus schützen und Hilfe leisten. Eine Blendgranate oder Schockgranate, auch Flashbang, ist eine Granate, die mit einem lauten Knall (ca. 170–180 dB) und sehr hellem Licht (6–8 Millionen Candela) explodiert. Personen, die sich in der Nähe des Explosionsbereiches aufhalten, werden dabei kurzzeitig orientierungslos, da Seh- und Hörwahrnehmung stark beeinträchtigt werden. In der Regel entstehen bei der Explosion keine Splitter, was Blendgranaten auch einsetzbar macht, wenn sich Zivilpersonen in der Nähe der Explosion aufhalten (z. B. bei Geiselnahmen).

Knall und Blitz der Explosion hinterlassen in der Regel keine bleibenden Schäden. Die Zündmischung basiert meist auf Magnesium- und Perchlorat Basis. Oftmals kommt auch eine Kombination von Lärm- und Blendgranate zum Einsatz, was zur vollkommenen Verwirrung von Personen führt, die der extremen Belastung unerwartet ausgesetzt werden. Diese Art Granate wird vor allem von Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs bei der Erstürmung eines Raums oder Gebäudes eingesetzt. Und nun kamen sie bei uns zum Einsatz.

Als Miguel am Fenster mit Mike angekommen war, holte er eine digitale Teleskopkamera heraus und bewegte die Kameralinse langsam übers Fensterbrett in die Ecke.

Nun konnte er über einen kleinen Bildschirm in den Raum hineinsehen. Über Zeichensprache teilte er uns mit das er vier Geiselnehmer sehen konnte und das sie bewaffnet sind.

Sie sahen aus wie Geschäftsleute, doch der Schein trügte.

Entführung ist schon immer ein lukratives Geschäftsfeld gewesen, nicht erst seit heute.

Nur sehen die Entführer von heute nicht mehr aus wie billige Verbrecher. Die vier diskutierten aufgeregt, irgendetwas hat sie wohl sehr aufgeregt. Wir wussten nicht worum es ging.

Währenddessen konnte Tom von seiner Position aus mit seinem Zielfernrohr in das Zimmer mit dem geöffneten Fenster teilweise reinsehen. Doch so manches blieb, aufgrund der eingeschränkten Sichtweise im Verborgenen. Wir machten uns bereit um nach den Detonationen ins Haus zu stürmen, als Miguel uns auch schon wieder ein Zeichen gab.

Abbruch, Abbruch. Etwas unvorhergesehenes passierte gerade. Sofort fiel mir ein Satz ein, den ich während meiner Ausbildung immer und immer wieder zu hören bekam. „Ihr müsst immer auf alles nur Erdenkliche vorbereitet sein, selbst auf das unmögliche“.

Wie es aussah war unser Plan gescheitert. Sofort schlichen wir rückwärts zurück und pressten unsere Körper im Schatten des Hauses an die Hauswand. Miguel hatte gesehen dass der Neuankömmling sich von den anderen drei auf einmal sehr freundschaftlich verabschiedete und Anstalten machte wieder zu fahren. Es sah so aus als ob sie ihre Differenzen beseitigen konnten. Dann ging der Kerl los. Miguel beobachtete die drei anderen Kerle im Zimmer weiter über sein Gerät.

Sie diskutierten wieder. Der Kerl war nun auf dem Weg zur Haustür. Wenn er erst einmal draußen war würde er bestimmt einen von uns entdecken, wir hatten nicht genug Zeit gehabt, um uns vom Haus zu entfernen und in Deckung zu gelangen.

Ich versteckte mich neben der Tür hinter einem kleinen Vorsprung. Mike und Miguel duckten sich nur, es gab keine wirkliche Deckung für sie. Immerhin Mathis schaffte es bis zur Hausecke. Nun war akuter Handlungsbedarf gefragt. Natürlich könnte einer der Scharfschützen den Kerl liquidieren, sobald dieser heraus kam.

Doch sein Körper würde beim Zusammenbrechen unnötige Geräusche machen und die anderen wären gewarnt, dann könnte es zu einem ungewollten Kampf um das Haus kommen. Der Kampf in einem Haus ist bei weitem besser als wenn wir erst das Haus erstürmen müssten. Es wäre für alle Beteiligten das Beste er würde niemanden bemerken und er könnte mit dem Fahrzeug wegfahren. Die im Haus würden das Geräusch hören welches das wegfahrende Fahrzeug macht. Niemand würde Verdacht schöpfen das irgendetwas nicht stimmte. Ich wusste, dass ein Mensch im Dämmerlicht aus dem Augenwinkel schärfer etwas wahrnimmt, als wenn er gerade aussieht.

Hinzu kommt, dass der menschliche Geist die Fähigkeit hat, Gefahren die das eigene Leben oder die persönliche Integrität bedrohen, innerhalb kürzester Zeit wahrzunehmen. Noch ehe wir zu denken begannen, reagierten unsere Gehirne und dann der Körper mit ganz bestimmten Überlebensmechanismen – zum Beispiel mit dem Versuch zu kämpfen.

Mein Herz begann stärker zu klopfen. Adrenalin wurde durch meinen Körper gepumpt und tat seine Wirkung. Um ruhiger zu werden, atmete ich tief durch. Jeden Moment war es soweit.

Ich wusste genau, dass hier nichts schief gehen darf, sonst sind wir vielleicht alle tot. Dann kam er auch schon aus dem Haus und wollte zum Auto gehen. Auf jede Sekunde kam es nun an. Es gab keinen anderen Ausweg mehr. Ich presste mich noch mehr gegen die Hauswand und spannte meine Muskeln für den entscheidenden Augenblick an. Mit dem Rücken zu mir gewandt, ging er vor mir in Richtung Auto.

Er machte kaum zwei Schritte, als er auch schon Miguel und Mike erblickte. Nun Griff er mit seiner rechten Hand hinter seinen Rücken, wo er einen Revolver unterm Hemd trug.

Noch bevor er eine Warnung an die im Haus befindlichen Geiselnehmer aussprechen konnte und die Waffe in Anschlag bekam, reagierte ich rechtzeitig.

Ich hatte zwar gehofft, dass ihm nichts auffällt, da er schnurstracks zum Auto geht aber dem war nicht so.

Einen kurzen Augenblick überlegte ich wie ich ihn am besten lautlos ausschalten sollte. Ich hatte zwei Möglichkeiten.

Zum einen könnte ich ihn mein Stilett zwischen die vierte und fünfte Rippe in die Lunge stechen, sobald ich es zurückck zog würde die Lunge sofort kollabieren und er wäre sogleich tot.

Oder ein Schnitt beim Hals. Ich entschied mich für die zweite Variante.

Weil ich glaubte, dass sie effektiver ist in Hinblick darauf das er niemanden warnen kann. So wie wir es immer wieder bei der Ausbildung geübt hatten, sprang ich aus meiner Deckung hervor. Sofort umklammerte meine linke Hand seinen Mund, so dass kein Laut seine Lippen mehr verlassen konnte und er die anderen im Haus hätte warnen können. Ich spürte nicht einmal dass sich gleichzeitig meine rechte Hand bewegte.

Es war fast so als gehöre sie gar nicht zu mir. Die Klinge meines Stiletts schnappte aus seiner Halterung unterhalb meines Ärmel, gehalten von der am Griff des Messers befestigten dünnen, leichten Sprungfeder direkt in meine Hand. Dann stach ich auch schon mit dem Messer zu. Es ging rasend schnell von statten. Man kann sagen, dass es schon vorbei war bevor es begonnen hat.

Ohne lange nachzudenken, waren meine Bewegungen automatisiert genug, um den Gegner auszuschalten. Das Verfahren besteht darin, dass das Messer von der Seite nach vorne eindringt. Ein schneller Schnitt nach außen durchtrennt Halsvene, Karotis, Luft- und Speiseröhre und führt auf der Stelle zum Tod. Er gab kaum einen Laut von sich, obwohl sein Körper noch leicht zuckte. In diesem Augenblick ist es unbedingt erforderlich jede Art von Emotionen auszuschalten.

Während der Mann sich hilflos wandte, spürte ich seinen Körper gegen den eigenen erbeben.

Wie er sich im verzweifelten Kampf ums Überleben gegen meinen drängte, seinen heißen Atem in meiner Handinnenfläche, während ich mit dem Messer in seinem Hals eindrang. Im Todeskampf entleerte so mancher seinen Darm, die Blase oder gar beides und blutet vielleicht auf dich ein.

Was man später erst bemerkte. Langsam lies ich ihn zu Boden gleiten. Mathis packte schnell mit an und wir legten ihn leise an die Hauswand. Im Kampf trifft man Entscheidungen und danach muss man mit diesen leben.

Nun sahen wir uns um, ob jemand etwas bemerkt hatte.

Während der Aktion bekamen wir von den Scharfschützen Rückendeckung. Nichts Auffälliges war zu vernehmen und über Funk hörten wir auch nichts, also schnell weiter. Mike gab die ganze Zeit über Miguel Rückendeckung, der weiterhin die Geiselnehmer beobachtet hat.

Uns war klar, dass wenn sie nicht bald das Auto wegfahren hören, sie dies misstrauisch machen würde. Wir hatten nicht mehr viel Zeit. Über Funk entschieden wir in Absprache mit den Scharfschützen, jetzt sofort ein zweites Mal los zu schlagen. Miguel teilte uns mit, das auf dem Bildschirm immer noch zusehen sei, was er schon in der Nacht beobachtet hatte. Niemand hielt eine Waffe von Ihnen in der Hand. Eine Automatik lag auf dem Tisch. Eine Pumpgun lag auf einer Kommode und ein AK47 lehnte an der Wand. Zwei von ihnen trugen hinterm Rücken im Hosenbund eine Automatik.

Sie führten eine Unterhaltung, die sehr bald in einen Streit ausartete. Es wurde immer wilder und somit hatten sie keine Augen für ihre Umwelt. Damit hatte sich die Möglichkeit ergeben, auf die wir gewartet haben.

Wir wussten zwar nicht, wo sich die Geiseln befanden, aber die Gelegenheit, um nun zuzuschlagen war mehr als günstig.

Hinzu kam, dass wir unter enormem Zeitdruck standen.

Zu viele unvorhersehbare Ereignisse sind schon passiert und unser Zeitplan könnte somit ins Wanken geraten. Man musste kein Einstein sein, um zu wissen, dass Zeit relativ ist.

Von nun an brauchten wir uns nicht mehr mit Worten verständigen. Wir hatten solche Situationen immer wieder geübt und wussten genau, was wir zu tun hatten. Wir würden bei der Vordertür rein marschieren und schon vorher wissen, was wir machen würden. Wir brauchten keine Sekunde, um die Situation zu überblicken.

Keine Sekunde, um Angst zu bekommen, nachzudenken, es sich noch einmal zu überlegen, in Stellung zu gehen oder auch nur den Entführern zu drohen. Wir werden einfach nur einen Schritt auf sie zu machen und sie eliminieren. Lieber sie als wir. Mathis schlich sich nun ins Haus, nachdem er leise die Haustür geöffnet hatte. Hoffentlich merkte niemand etwas, war doch das Fenster geöffnet und ein eventueller Luftzug könnte unser Vorgehen verraten. Während ich Mathis Deckung gab, schlich ich hinter ihm her.

Im Hausflur angekommen, ich stützte die Ellenbogen auf die Knie, zielte geradeaus und wartete in dieser Stellung wie der Jäger in der Deckung auf das Wild, indem ich mich zu Geduld, zu Umsicht und Wachsamkeit ermahnte. Ich hoffte wieder einmal, dass ich das Richtige tat. Ich sah keine Alternative.

Ein falscher Schritt könnte verheerende Folgen haben.

Im Hausflur war eine Lampe an der Decke angebracht. Sie leuchtete hell genug um alles genau in Augenschein zu nehmen. Zentimeter um Zentimeter schlichen wir weiter auf den Raum zu in welchem die Geiselnehmer redeten.

Beide hielten wir eine Automatik mit Schalldämpfer in der Hand und den Finger am Abzug. Immer darauf bedacht nur kein Geräusch zu machen. Die Tür des Raumes war nach innen hin offen.

Jede Sekunde mussten wir damit rechnen, dass einer der Geiselnehmer aus dem Raum kommt und uns entdeckt.

Insgeheim hoffte ich, dass niemand heraus kommen würde.

Miguel sollte die Blendgranate ins Zimmer werfen um die Entführer damit abzulenken. Danach könnten Mathis und ich in den Raum vordringen und die Geiselnehmer ausschalten.

Das einzig gefährliche ist die Situation in der wir unterm Türstock oder in der Tür stehen. Der Türstock ein einziger tödlicher Trichter. Der der zuerst durch die Tür marschiert, bekommt die ganze Scheiße mit voller Wucht zu spüren, doch wir wollten das nicht sein, die es abbekommen würden.

Auf einmal schrie einer der Kerle etwas im Raum.

Ich verstand zwar nicht was er sagte und worum es ging, aber aus seinem Ton konnte ich heraushören, dass etwas nicht nach unserem Plan verlief. Die Ereignisse überschlugen sich. Wir beide konnten nichts von dem was im Raum vor uns ablief sehen und wussten somit auch nicht was dort vor sich ging. Aber aus der Erfahrung heraus, hatte ich die leichte Befürchtung und fühlte instinktiv das es nun etwas schwieriger werden würde.

Von Miguels Beobachtungen her, war mir klar wie stark die Bewaffnung der Entführer war und was sie zur Verfügung hatten. Sofort stellten wir uns darauf ein, dass es zu einem Schusswechsel kommen muss. Endlich gab Miguel das Zeichen und wollte die Blendgranate ins Zimmer werfen.

Und noch bevor die Detonationen und Blendung erfolgten, fing das AK47 mit seinem Stakkato auf das Fenster an zu schießen. Zusätzlich folgten die Geräusche einer Pistole.

Sofort nachdem die Granate explodierte sprangen wir beide, die Waffen im Anschlag unter den Türstock und suchten uns jeder ein geeignetes Ziel. Der beißend blaue Rauch war in meinen Augen spürbar.

Der Kerl mit der Kalaschnikow feuerte und feuerte bis die letzte Patrone verschossen war und der Verschluss offen blieb.

Die Geiselnehmer hatten alle auf das Fenster geschossen und sich nicht um den Eingang gekümmert. Abgelenkt von den Auswirkungen der Blendgranate standen die Geiselnehmer irritiert im Raum. Zwei der Geiselnehmer hatten auf das Fenster geschossen. Der dritte stand in einer Ecke und machte Anstalten, mit der Pistole im Anschlag den Raum zu verlassen. In dem Augenblick als wir im Raumeingang standen, nahm er uns auch schon wahr und drückte sofort den Abzug seiner Pistole durch.

Noch etwas benommen von der Blendgranate, konnte er nicht so gut zielen und erwischte Mathis nur mit einem Streifschuss am linken Oberarm. Der zweite Geiselnehmer drehte sich nun auch zu uns um und sah mich mit Wut verzerrtem Gesicht an.

Er blickte direkt herüber zu mir und öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen.

Doch er brachte kein Wort mehr hervor. In Bruchteilen einer Sekunde drang meine Kugel durch seinen geöffneten Mund und trat aus seinem Hinterkopf wieder aus.

Er sackte auf der Stelle zusammen.

Mathis zögerte keine Sekunde und schoss sofort auf den zweiten.

Ich sah, wie er von den neun Millimeter Hohlspitzgeschossen aus den mit Schalldämpfer versehenen Pistolen, von Mathis getroffen zusammen brach. Bevor ihre Körper auch nur den Boden berühren konnten, waren sie schon tot.

Die Hohlspitzgeschosse taten ihre Wirkung.

Tom hatte nach dem die Blendgranate hoch gegangen war, sofort den wie wild auf das Fenster schießenden Geiselnehmer mit seinem AK47 aufs Korn genommen.

Der Schütze wurde durch einen Fangschuss in den Kopf ausgeschaltet und das AK47 verstummte augenblicklich.

Miguel und Mike blieben, solange der Schütze mit der Kalaschnikow auf das Fenster feuerte in Deckung. Keiner von beiden hatte große Lust von den schweren Geschossen getroffen zu werden.

Sie konnten sich darauf verlassen das wir den Rest erledigten.

Sie selbst sicherten aus ihrer Stellung heraus die Umgebung ab. Der Raum war gefüllt mit Pulverrauch. Er roch stark nach Schwefel. Keiner der Geiselnehmer war mehr am Leben.

Das Feuergefecht hatte sich zu unseren Gunsten entwickelt.

Die Einstellung der Führung habe gelautet, potenzielle Bedrohungen müssen ausgeschaltet werden, nun das waren sie dann wohl. Sofort sicherten wir den Raum und Flur ab.

Miguel und Mike betraten unter aller Vorsicht das Haus und kamen zu uns in den Raum, wo die drei Leichen waren.

Niemand sagte ein Wort von uns. Es wird von uns erwartet, dass wir die Gefahren kennen und bestimmte Risiken eingehen. Ich durchsuchte sehr schnell Leiche um Leiche nach einem Hinweis wo sich die Geiseln befinden könnten.

Bei Leiche eins und zwei musste ich feststellen, dass dies nichts Interessantes zu Tage brachte. In geduckter Haltung ging ich zur dritten Leiche rüber und durchsuchte auch ihn.

In seiner Hosentasche fand ich nun einige Schlüssel. Ich nahm sie an mich und hoffte sie hätten eine besondere Bedeutung.

Zurück in den Flur und weiter auf der Suche nach den Geiseln.

Auf der rechten Seite war eine weitere Tür.

Wir gingen darauf zu und lauschten angestrengt ob sich jemand in dem dahinterliegenden Raum befand. Einige Geräusche waren zu hören. Es war nicht erkenntlich ob es noch weitere Geiselnehmer sind oder die Geiseln selbst.

Wir wollten vorsichtshalber die Teleskopkamera einsetzen doch es gab keinen ausreichenden Türspalt am Boden um nach innen zu sehen. Geschützt vom Mauerwerk streckte ich meine Hand nach der Türklinke aus und drückte sie langsam und sachte herunter. Leider ging die Tür nicht auf. Sie war verschlossen. Ich holte die Schlüssel hervor, welche ich zuvor der dritten Leiche entwendet hatte. Es waren drei Schlüssel mit einem Anhänger. Von den dreien hoffte ich, dass einer passte.

Ich schaute sie mir etwas genauer an. Einer davon war eindeutig zu klein für das Türschloss. Blieben nur noch Nummer zwei oder drei. Meine Augen vielen auf den dritten Schlüssel und eine innere Stimme sagte mir, dass es der Richtige sei. Ich probierte Nummer Drei aus. Ohne auch nur das geringste Geräusch zu verursachen schob ich ihn in das Schloss. Soweit so gut immerhin ging er rein.

Der Moment war nahe und ich hielt den Atem an. Dann drehte ich ihn vorsichtig und langsam herum, immer darauf bedacht kein Geräusch zu machen. Der Schlüssel ließ sich weiter und weiter drehen und das Türschloss öffnete sich.

Auf mein Zeichen drückte ich die Klinke herunter und stieß die Tür weit auf. Mike und Mathis sicherten weiterhin den Hausflur ab.

Miguel gab mir sofort Deckung, aber zum Glück gab es keine Gegenwehr. Mit einem raschen Blick ins Zimmer konnten wir die Situation schnell erfassen. Der Raum war nicht sehr hell.

Das einzige Fenster war mit Brettern vernagelt und lies nur wenig Licht eindringen. Der Boden des Raumes war völlig verschmutzt, von den Wänden bröckelte der Putz. Es hätte mich nicht gewundert, wenn es hier Ratten gäbe, schoss es mir blitzartig durch den Kopf.

Es war unerträglich heiß und stank nach allen möglichen Gerüchen.

In den wenigen Lichtstrahlen, die mittlerweile durch die mit Brettern vernagelten Fenster drangen, tanzte der Staub welcher in der Luft lag. An jeder Wand, rechts und links von uns stand jeweils ein Bett. Mehr gab es nicht.

An den Metallrahmen der Betten gefesselt, lagen die beiden Geiseln auf den Betten und sahen uns mit ängstlichen Gesichtern an. Miguel ging auf einen zu und sprach ihn auf Portugiesisch an. „Wie lautet ihr Name?“. Dieser sah ihn nur weiter mit Angst verzerrtem Gesicht an. Dann sprach er auch den zweiten an. „Wir sind hier um sie nach Hause zu bringen.

Geht es Ihnen gut soweit? Können sie laufen?“ Auf einmal erhellte sich sein Gesicht, Hoffnung und Freude war in ihm zu sehen und die Augen strahlten. Der zweite gab immer noch keine Antwort von sich. Miguel sprach ihn abermals an. Doch dieser hatte immer noch die Augen halbgeschlossen und schien mit seinen Gedanken unendlich fern zu sein.

Über Funk gab ich Aiman nun Bescheid: „Beide Zielpersonen gefunden Abtransport einleiten“.

Wir kümmerten uns so gut es ging um die Geiseln.

Befreiten sie von ihren Fesseln und untersuchten sie oberflächlich nach möglichen Verletzungen. Dann bekamen beide eine Beruhigungsspritze verpasst um sie zu beruhigen und eine weitere um sie zu stärken. Uns sollte diese Vorgehensweise ermöglichen die beiden leichter von hier fort zubringen. Während wir uns um die Befreiten kümmerten und den Abzug vorbereiteten, fing Mike an den Streifschuss von Mathis zu verarzten.

Er schaute sich den Oberarm an und sagte: „Ist ja nur ein Kratzer“ und grinste dabei von einem Ohr zum anderen.

Holte aber dann doch die Notfall Tasche hervor.

Ein Streifschuss tut zuerst nicht wirklich weh. Der Schock steckt einen noch in den Gliedern und dazu noch das körpereigene Adrenalin im Blut. Eine gute Kombination um vorerst damit fertig zu werden.

Doch der Schmerz würde kommen.

Mike nahm eine kleine Packung aus seiner Taschen heraus und riss sie auf. Es war ein Pulver enthalten das sogleich auf die Wunde verstreut werden konnte. Sofort brodelte es regelrecht auf der Wunde und verschloss diese. Ein hoch wirksames Hämostyptikum, welches das Blut in der offenen Wunde gerinnen lässt. Geschickt legte er einen Notverband an und zu guter Letzt verabreichte er ihm auch noch eine Morphium Injektion. Das müsste fürs erste reichen, später konnte er sich ausführlicher verarzten lassen.

Für solche Fälle hatte die Firma ihre eigenen Ärzte. Es war nicht unbedingt notwendig in ein Hospital zu gehen wenn man eine Verletzung hatte. Zumal es garantiert unliebsame Fragen hageln würde.

Die Zeit verging und es dauerte nicht lange, da hörten wir auch schon den herannahenden LKW den Aiman vors Haus fuhr. Wir sahen zu, dass wir raus kamen und dann nichts wie weg von hier. Das Kugel Intermezzo war garantiert weit und breit zuhören gewesen. Um unnötigen Ärger vorsichtshalber aus dem Weg zu gehen, wollten wir auf keinen Fall der Polizei begegnen. Unsere Aktionen wurden nicht gerne gesehen und unsere Waffen waren auch ziemlich illegal, denn wir hatten keine Waffenscheine dafür. Miguel stützte die eine Zielperson und ich die andere. Mathis machte den Anfang, danach kamen wir hintereinander mit den Zielpersonen heraus. Wir stiegen direkt hinten auf die Ladefläche. Den Abschluss machte Mike, der neben Aiman vorne auf dem Beifahrersitz Platz nahm.

Aiman fuhr nur wenige Meter, als aus dem Dickicht Tom und Igor heraus traten. Sie kletterten zu uns auf die Ladefläche und machten die Plane zu. Wir saßen dicht gedrängt nebeneinander. Verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit fuhren wir zum Flughafen zurück.

Dort angekommen wurden die beiden Befreiten von einem Ärzteteam in Empfang genommen und untersucht. Ich sah in ihren Augen wie glücklich und froh sie waren wieder in Freiheit zu sein. Eine solche Geiselhaft hinterlässt immer seelische Spuren. Die Nachbetreuung der Geiseln und Angehörigen wurde nur durch speziell für diese Aufgabe ausgebildetes Personal durchgeführt, meist Psychologen die die Versicherungsagentur bezahlte. Ich hoffte, dass die beiden eine starke Persönlichkeit haben, die hoffentlich widerstandsfähig genug sei, ein derartig tiefgreifendes Trauma zu überwinden. Eine Geiselhaft kann unter Umständen zu einer Persönlichkeitsveränderung infolge extremer Belastungen führen.

Wir selbst stiegen in das wartende Flugzeug ein.

Eine Frachtmaschine vom Typ Provider. Als die Maschine die Abhebegeschwindigkeit erreichte, fühlte sie sich plötzlich leicht an. Das rumpeln der Räder hörte auf, die Maschine legte sich zur Seite und stieg in den weiten blauen Himmel Brasiliens auf. Noch im Steigflug wurde Kurs auf São Paulo genommen.

Der Job war erledigt und wir sind heil dabei weggekommen.

Zurück blickend auf die befreiten Personen kann ich nur eins sagen: „Exitus Acta Probat - das Ergebnis rechtfertigt die Tat“.

Nun ging es noch in die Zentrale zur aktuellen Lagebesprechung.

Dort angekommen konnten wir uns erst einmal duschen und bekamen neue, schwarze Kampfoveralls. Frisch geduscht ging es dann zur Einsatzleitung um die wichtigsten Informationen zu übermitteln. Ich war nun todmüde und wollte nur noch schlafen, wusste ich doch dass es um 8.00 Uhr zur Nachbesprechung wieder in die Zentrale ging. Doch daraus wurde nichts. Nach der kurzen Besprechung schleppten mich die Jungs in eine Bar um dort mit mir meine sogenannte Feuertaufe zu begießen.

Immerhin war ich der Neue im Team. Es wurde noch ein feucht fröhlicher Abend (Nacht).