Hanfpapier, wie es für die Erstauflage dieses Buchs eigens hergestellt wurde, konnte sich bislang nur als Fein- und Briefpapier durchsetzen, nicht aber als Buchdruckpapier.
Hanfpapier hätte die vorliegende Neuauflage über die Maßen verteuert, deshalb wurde für sie Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft verwendet.
Für dieses Buch mußte kein Baum gefällt werden. Es ist, neben einem Anteil Altpapier, aus einer Pflanze hergestellt, die um ein Vielfaches schneller wächst als Bäume: Cannabis sativa – Hanf. Fast zwei Jahrtausende wurde Hanf als Papierrohstoff verwendet, erst die industrielle Revolution ersetzte ihn durch einen neuen, scheinbar kostenlosen Rohstoff: Wald. Zusammen mit dem Holz hielt auch die Chemie Einzug ins Papier, denn ohne chemische Leimung ließ sich aus Holz kein Papier machen. Was dieser Fortschritt mit sich brachte, wurde erst Jahrzehnte später deutlich: Die Säuren im Holzpapier reagierten ätzend, und die daraus hergestellten Bücher zerfielen. Betroffen von diesem Büchersterben in den Bibliotheken sind nur die ab etwa 1850 aus Holz hergestellten Werke. Die Gutenberg-Bibel aus dem 15. Jahrhundert und sogar noch sehr viel ältere Bücher blättern sich dagegen wie am ersten Tag – sie wurden auf einem Papier gedruckt, dessen Rohstoff auf natürliche Weise zusammenhält und keiner chemischen Behandlung bedarf: Papier aus Hanf. Im zweiten vorchristlichen Jahrhundert war in China die Papierherstellung aus Hanffasern erfunden worden, und China ist heute das einzige Land, das noch in nennenswerten Mengen »baumfreies« Hanfpapier herstellt. Der Rest der Welt stillt seinen Papierhunger mit der Kettensäge. Über 90 Prozent des Papiers wird weltweit aus Holz gewonnen, weniger als 15 Prozent werden recycelt, der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch liegt in Deutschland bei etwa 230 Kilogramm. Dafür werden nicht nur Urwälder in Skandinavien und Nordamerika, sondern zunehmend auch tropische Regenwälder angegangen. Ein einziges Hektar Hanf aber bringt auf Dauer die mindestens 5fache Menge Papier wie ein gleich großer Wald – Papier von höherer Qualität und mit weniger Chemie. Das einzige »Umweltpapier«, das diesen Namen wirklich verdient, denn es schont nicht nur die Gewässer und die Böden, sondern darüber hinaus auch die Wälder, die Lungen unseres Planeten.
Papier ist nur eines von vielen Produkten, das uns Cannabis liefern kann. Hanf zählt zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschheit, und keine andere Nutzpflanze hat in der Geschichte eine universellere Verwendung gefunden: Die Fasern des Hanfs lieferten Seile und Segel, Jacken, Hosen und Textilien aller Art, von feinster Leinenwäsche bis zur unverwüstlichen Jeans; die fett- und eiweißreichen Samen dienten als Grundnahrungsmittel und ihr Öl als Brennstoff für Lampen sowie als Rohstoff für Farben und Lacke; und die Blätter und Blüten des Hanfs lieferten eine Medizin, die Cannabis bei allen Völkern der Welt zu einem der wichtigsten Heilkräuter machte. Hanf war von alters her das universale Überlebensmittel der Zivilisation, der ertragreichste und am schnellsten nachwachsende Rohstoff der gemäßigten Klimazonen. Wie diese »Milch der Götter« zum Paria der Nutzpflanzen wurde, davon berichtet dieses Buch.
Das Schicksal, von der industriellen Revolution überrollt worden zu sein, teilt der Hanf mit vielen anderen pflanzlichen Rohstoffen, einzig aber ist seine Rolle, als Nutzpflanze international verbannt und geächtet zu sein. Wie in der Bundesrepublik ist in den meisten westlichen Ländern der Hanfanbau gesetzlich verboten, mit der Begründung, daß aus seinen Blättern und Blüten »Rauschgift« gewonnen werden könne. Daß das Kraut und das Harz des Hanfs – Marihuana und Haschisch – eine berauschende Wirkung haben, war von Anbeginn der menschlichen Hanfnutzung bekannt; Cannabis ist die wohl älteste Droge überhaupt. Ihre Einstufung als gefährliches Rauschgift indessen ist ein Produkt der Neuzeit; genauer: jener Anti-hanfkampagne, mit der in den 30er Jahren in den USA der universalen Nutzpflanze Hanf das Etikett »Marihuana – Mörder der Jugend« angeheftet wurde. Jack Herer dokumentiert, nach jahrzehntelangen Recherchen, in diesem Buch erstmals den industriepolitischen Hintergrund des Hanfverbots. Neue Verarbeitungstechniken und Maschinen machten den fast schon vergessenen Hanf in den 20er Jahren plötzlich wieder interessant: als Rohstoff für Papier, für Kunststoffe aller Art und für die Gewinnung von Bioenergie. Doch als der geniale Tüftler Henry Ford 1941 sein »Auto, das vom Acker wuchs« präsentierte – die Karosserie bestand aus Hanfkunststoff, betankt wurde es mit Hanfdiesel –, war es bereits zu spät: 1937 hatte eine Seilschaft von Industriellen den »Marijuana Tax Act« durchgesetzt und mit diesem Steuergesetz den Hanfanbau schlagartig zum Erliegen gebracht. Drahtzieher der Hanfprohibition waren der Ölmagnat und Bankier Mellon, der Holzpapierfabrikant und Medienzar Hearst sowie der Chemieriese und General Motors-Besitzer Du Pont, der die Additive für Benzin, die Sulfite für Holzpapier und Kunststoffe auf petrochemischer Basis herstellte. Ausführendes Organ der Hanfprohibition war das neugegründete Federal Bureau of Narcotics (FBN), das Mellon mit seinem Schwiegerneffen Harry Anslinger besetzte. Fords Hanf-Mobil ging genausowenig in Serie wie die erfolgreichen Experimente des US-Agrarministeriums, den hölzernen Abfall des Hanfs als Papierrohstoff zu verwenden. Was aber in Serie ging, waren fantastische Horrorstories über das »Mörderkraut« -statt von Hanf und seinem vielfältigen Nutzen, war nur noch von »Marihuana« als fürchterlichem Rauschgift die Rede, obwohl zur Fasergewinnung angebauter Hanf nur verschwindend geringe Mengen rauschwirksamer Stoffe enthält. Das simple Hanfkraut, das wenige Jahrzehnte zuvor wegen seiner entspannenden, krampflösenden Wirkung noch zu den am häufigsten verordneten Arzneien gezählt hatte, avancierte gleichsam über Nacht zur gefährlichsten Droge überhaupt.
Von dieser Horrorpropaganda hat sich der Hanf bis heute nicht erholt – in den USA und Westeuropa ist er als Nutzpflanze seitdem ausgestorben. In den 60er Jahren sorgten die USA dafür, daß die Ächtung der Cannabispflanze in die UNO-Vereinbarungen übernommen wurde, und so geschah es, daß auch bei der jüngsten Wiederentdeckung nachwachsender Rohstoffe im Zuge der ökologischen Krise der Hanf einfach vergessen wurde. Der Bioenergiespender Nummer eins blieb als »Rauschgift« außen vor, die nützlichste Pflanze des Planeten für Forschung und Wissenschaft eine »flora non grata«. Wir sind sicher, daß mit der Veröffentlichung dieses Buchs ein Wendepunkt markiert ist. Nicht nur weil es, auf Hanfpapier gedruckt, einen handfesten Beweis für seine Behauptungen gleich mitliefert, sondern weil die hier erstmals versammelten Fakten zur Geschichte des Hanfs und seines Potentials für eine ökologische Zukunft die Wiederentdeckung von Cannabis unvermeidlich machen. Das nächste Jahrtausend wird grün sein, oder es wird überhaupt nicht sein – jedenfalls nicht mehr von Menschen bevölkert. Eine organische, den Kreisläufen der Biosphäre angepaßte Energie- und Rohstoffwirtschaft aber kann auf eine Pflanze, die in 100 Tagen vier Meter hoch wächst und auf derart universelle Weise genutzt werden kann, nicht verzichten. Für jede Tonne Papier, die künftig wieder aus Hanf hergestellt wird, können 12 ehrwürdige Bäume stehen bleiben; jede Jeans, die wie die erste Levi’s wieder aus Hanfleinen geschneidert wird, ist nicht nur viel haltbarer, sie trägt auch direkt zur Entgiftung des Planeten bei: 50 Prozent aller Pestizide, die in den USA zum Einsatz kommen, werden allein für Baumwolle verwendet. Hanf hingegen ist von Natur aus schädlingsresistent, vor Unkraut schützt er sich selbst; sein Anbau verbessert die Böden, statt sie zu vergiften, und seine Fasern kommen giftfrei auf die Haut.
Ohne die grüne Kraft des Hanfs wird eine erdverträgliche Ökonomie des nächsten Jahrtausends nicht zu haben sein, genausowenig wie ein Ende der globalen Vernichtung der Wälder. Insofern haben wir gar keine andere Wahl, als auf diesen seit der Steinzeit bewährten universellen Biorohstoff zurückzugreifen. Wie lange allerdings der internationale Krieg gegen Drogen die Rehabilitierung der Hanfpflanze verhindert, darüber möchten wir keine Prophezeiung wagen. Wie jeder fundamentalistische Krieg wird auch der Kampf gegen Drogen nicht von den Gesetzen der Vernunft, sondern der Willkür des Dogmas regiert; jeder vernunftgemäße Kompromiß gilt als Kapitulation vor dem Bösen. Schon die Aufforderung, ein uraltes Heil- und Genußmittel wie das Hanfkraut nicht in derselben »Gefahrenklasse« des Gesetzes zu führen wie die industriellen Turbodrogen Heroin und Kokain, gilt im heiligen Drogenkrieg als verharmlosende Ketzerei. Wie einst die Prohibition des Alkohols dafür sorgte, daß in Amerika mehr gesoffen wurde als je zuvor, hat es die Prohibition des Hanfs erreicht, daß er zu dem am weitesten verbreiteten illegalen Genußmittel der westlichen Welt wurde – und als Nutzpflanze heute ausgestorben ist. Nur in Holland, wo der Hanfgenuß seit Ende der 70er Jahre toleriert wird, ist seitdem ein deutlicher Rückgang des Marihuana- und Haschischkonsums zu verzeichnen, – die Statistiken der niederländischen Gesundheitsbehörden werden indessen von den Prohibitionseiferern als »Wehrkraftzersetzung« betrachtet und in der Regel einfach ignoriert.
Bevor also Forschung, Landwirtschaft und Industrie die überragenden Eigenschaften der Nutzpflanze Hanf wiederentdecken können, müssen Politik und Justiz aktiv werden: Eine Reform der Cannabisgesetze ist überfällig. Nicht nur als Abrüstungsmaßnahme in einem längst verlorenen Drogenkrieg, sondern auch als Friedensinitiative in jenem Krieg gegen die Natur, den wir mit Kettensägen, fossilen Brennstoffen und chemischem Giftmüll täglich weiter anheizen. Die bio-logische Alternative zu diesem Terror heißt Hanf; doch von einer Pflanze, die nur unter Polizeischutz angebaut werden darf, ist eine Stimulanz der ökologischen Wirtschaft nicht zu erwarten.
Für die deutsche Ausgabe haben wir Jack Herers Arbeit über die erstaunliche Geschichte des Hanfs und die industriepolitischen Hintergründe der modernen Hanfprohibition ergänzt. Dieses Verbot hatte seinen Ursprung in den Vereinigten Staaten, und eine internationale Rehabilitierung des Hanfs wird ohne Zutun der USA nicht zu haben sein. Deshalb ist die amerikanische Sicht der Dinge, die Jack Herer im ersten Teil des Buchs dokumentiert, zwangsläufig auch die unsere: Amerika führt den »war on drugs« weltweit an und dominiert auch die Gesundheits- und Agrarressorts der UNO.
Der zweite Teil des Buchs schildert die europäische und besonders die deutsche Geschichte der Hanfnutzung und ihren Niedergang im Zuge der industriellen Revolution. Billige Ersatzfasern aus den Kolonien der Dritten Welt, säurehaltiges Papier aus Holz, die petrochemischen Kunstfasern der I.G. Farben und pharmazeutische Wunderdrogen wie das von der Firma Bayer entwickelte Heroin verdrängten zu Beginn dieses Jahrhunderts den Hanf als universellen Lieferanten von Kleidung, Papier, Nahrung und Medizin. In Kriegszeiten freilich erwies sich der Rohstoff Hanf nach wie vor als unverzichtbar. In Nazideutschland propagierte der »Reichsnährstand« den Anbau des universellen Rohstoffs mit einer Lustigen Hanffibel, und in den USA forderte die Regierung ungeachtet des kurz zuvor ergangenen Verbots ihre Farmer 1942 auf, Hanf für den Sieg! anzubauen. Wir haben diese staatlichen Cannabislobgesänge nicht allein aus historischen Gründen dokumentiert, sondern vor allem deshalb, weil unsere heutige Lage denen der damaligen »Notzeiten« durchaus gleicht. Allerdings nicht aus militärischen, sondern aus ökologischen Gründen. Wenn wir heute wieder Hanf anbauen müssen, dann nicht, um einen Krieg zu führen, sondern um den globalen Krieg gegen die Natur einzustellen.
Der dritte Teil des Buchs steckt die Felder für eine solche »Friedenswirtschaft« ab. Die Hanfstudie des Kölner Instituts für angewandte Umweltforschung Katalyse, die wir für dieses Buch in Auftrag gegeben haben, ist die erste wissenschaftliche Publikation über die Nutzpflanze Hanf in Deutschland seit mehr als 35 Jahren, und ihr Ergebnis kann durchaus als kleine Sensation gelten. Der Vergleich des Hanfs mit anderen Nutzpflanzen bestätigt die universellen Eigenschaften und die hohen Erträge der Pflanze und zeigt anhand aktueller Forschungsdaten ein immenses Potential für die Zukunft auf. Fakten, die angesichts von Treibhauseffekt und fortschreitender Waldvernichtung nicht einfach ignoriert werden können. Deshalb sind wir überzeugt, daß dieses Buch weder das einzige aus Hanf bleiben wird noch das letzte über Hanf.
In Kalifornien, wo die Hippies vor einem Vierteljahrhundert den Hanf wegen seiner psychedelischen Eigenschaften entdeckten, wird er jetzt dank seiner ökologischen Eigenschaften für die Märkte der Zukunft entdeckt: baumfreies Hanfpapier, Shorts aus Cannabis und Hemden aus l00 prozentig drogenfreiem Marihuana sind der Renner in der alternativen Szene. In England wurde in diesem Sommer die erste Anbaulizenz seit 30 Jahren erteilt – zur Papierherstellung; in Frankreich findet Hanf zunehmend als biologischer Baustoff Verwendung, und auch in Deutschland hören erste Pioniere das Gras wachsen: Das in Berlin gegründete Hanfhaus versendet in diesem Herbst den ersten Katalog mit Hanfprodukten. Zeichen, die dafür sprechen, daß Cannabis bald schon wieder, wie Jahrtausende zuvor, zum ganz normalen Alltag gehören könnte.
Die im folgenden ausgebreiteten Informationen über diese wunderbare Pflanze können nur den ideellen Acker bereiten; aufgehen und vermehrt werden kann die Saat allein durch die Leserinnen und Leser. Vor allem solche, die sich in Bereichen der Ökologie, der biologischen Landwirtschaft, der Energie- und Rohstoffpolitik sowie der Medizin und Gesundheit, kurz: für Gaia, unseren Heimatplaneten, engagieren. Ihnen sei dieses Pflanzenbuch besonders ans Herz gelegt. Erst wenn genügend Hirne überzeugt sind, werden auch die Hände wieder aktiv werden – für eine grüne Erde mit Hanf und Fuß.
Berlin, 30. Juli 1993
Mathias Bröckers