Wozu Hanf
alles nütze sein kann

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Frage: Gibt es jemanden, der uns beweisen kann, daß diese These falsch ist?

(Jack Herer hält 10 000 Dollar dagegen. Den Wortlaut der Wette s. S. 45)

Wenn wir, um unseren Planeten zu retten und den Treibhauseffekt umzukehren, künftig auf alle fossilen Brennstoffe und petrochemischen Produkte ebenso verzichten wollen wie auf die Abholzung unserer Wälder zur Gewinnung von Papier und landwirtschaftlichen Nutzflächen, dann gibt es nur eine Pflanze, die als nachwachsender Rohstoff in der Lage ist, den größten Teil an Papier, Textilien und Nahrungsmitteln sowie des privaten und industriellen Energieverbrauchs zu liefern, und die zugleich die Umweltverschmutzung eindämmt, die Böden verbessert und unsere Luft reinigt: Es ist ein alter Gefährte, der dies schon immer für uns getan hat: Cannabis – Hanf -Marihuana!

Schiffe und Seeleute

90 Prozent1 aller Schiffssegel wurden schon vor den Phöniziern, spätestens aber seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. bis lange nach Erfindung und Kommerzialisierung des Dampfschiffs aus Hanf hergestellt (siehe Abbildung).

Das Wort »canvas«2 (Segeltuch) ist die niederländische Abwandlung (abgeleitet aus dem Lateinischen über das Französische) des griechischen Wortes »Kannabis«.3

Außer den Segeln wurden bis zu diesem Jahrhundert praktisch die gesamte Takelage, die Ankertaue, Verladenetze, Fischernetze, Flaggen, Wanten wie auch das Kalfaterwerg (das wichtigste Dichtungsmaterial gegen Salzwasser zwischen losen oder jungen Planken) aus dem Stengel der Marihuanapflanze gemacht.

Selbst die Kleidung der Seeleute, bis hin zu den Nähten der manchmal aus Segeltuch gemachten und mit einer aus Seil geflochtenen Sohle versehenen Schuhe, war aus Cannabis.4

Hanfpapier hielt 50- bis 100mal länger als die meisten aus Papyrus gefertigten Schriftträger.

Auch Schiffskarten, Logbücher und Bibeln wurden in der westeuropäischen/amerikanischen Welt seit der Zeit des Kolumbus (spätes 15. Jahrhundert) bis ins frühe 19. Jahrhundert hinein und in China seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. aus Papier hergestellt, das Hanffasern enthielt. Hanfpapier hielt 50- bis 100mal länger als die meisten aus Papyrus gefertigten Schriftträger und war wesentlich leichter und billiger herzustellen.

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Aber die Verwendung von Hanf war nicht auf die Seefahrt beschränkt.

Textilien und Stoffe

80 Prozent aller Textilien und Stoffe für Kleidungsstücke, Zelte, Linnen,5 Teppiche, Gardinen, Bettdecken, Handtücher, Windeln usw., einschließlich des Sternenbanners, wurden in den USA bis in die zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts und in den meisten Teilen der übrigen Welt bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts vornehmlich aus Hanffasern hergestellt.

Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende lang (bis in die dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts), wurden in Irland die feinsten Linnen und in Italien die schönsten Kleiderstoffe der Welt aus Cannabis angefertigt.

Unsere Vorfahren wußten sehr wohl, daß Hanf weicher, wärmer und saugfähiger als Baumwolle ist, daß seine Reißfestigkeit dreimal höher und er um ein Vielfaches haltbarer ist als diese.

Die kontinentale Armee bei Valley Forge, Pennsylvania, wäre erfroren, hätte es nicht die heute so lautstark verdammte Marihuanapflanze gegeben.

Als 1776 die patriotischen und resoluten Frauen von Boston und Neuengland »Spinnkränzchen« organisierten, um Washingtons Soldaten einzukleiden, war das Garn, das sie verwendeten, zum größten Teil aus Hanffasern gesponnen. Hätte es nicht die historisch in Vergessenheit geratene, tabuisierte und heute so lautstark verdammte Marihuanapflanze gegeben, wäre die kontinentale Armee bei Valley Forge, Pennsylvania, erfroren.

In den ersten Jahren der jungen amerikanischen Republik war der Hanf so wichtig für die Wirtschaft des Landes, daß sich der erste US-Finanzminister, Alexander Hamilton, in einem Bericht des Finanzministeriums aus den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts eingehend damit beschäftigte: »Flachs und Hanf: Zwischen den Erzeugern dieser Waren besteht so viel Gemeinsamkeit, und diese Produkte werden so oft miteinander vermischt, daß man sie ohne weiteres als eins betrachten kann. Segeltuch sollte mit 10 Prozent Steuern belegt werden.«6

Die Wagen der nach Westen (Kentucky, Indiana, Illinois, Oregon und Kalifornien)7 ziehenden Siedler waren mit dikken, aus Hanf gewobenen Planen8 überdacht und die Schiffe, die um das Kap Hoorn nach San Francisco segelten, mit Tauen und Segeln aus Hanf ausgerüstet.

Bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein stammte das Garn für Stoffe fast immer vom Hanfbeet im eigenen Garten.

Das Garn für selbstgefertigte Stoffe wurde bis nach dem Bürgerkrieg und sogar bis ins frühe 20. Jahrhundert in Amerika und in anderen Teilen der Welt aus selbstangebautem Hanf gesponnen.9

Alter und Pflanzungsdichte der Beete beeinflussen die Faserqualität. Wenn ein Farmer weiche, für Leinen geeignete Fasern haben wollte, pflanzte er seinen Cannabis sehr eng.

Als Faustregel gilt: Sollen aus dem Hanf Heil- oder Stärkungsmittel gewonnen werden, nimmt man auf 5 bis 6 Quadratmeter ein Samenkorn; für Samenhanf sollte ein Abstand von 1,20 bis 1,50 Meter eingehalten werden.10

Für grobe Taue und Leinwand nimmt man 200 Samen pro Quadratmeter. Für ganz feines Leinen oder für Spitze rechnet man pro Quadratmeter 900 Pflanzen, die nach 80 bis 100 Tagen geerntet werden müssen.11

In den späten zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurden in Amerika die manuell betätigten (1793 von Eli Whitney erfundenen) Baumwollentkernungsmaschinen größtenteils durch »industrielle« Webstühle und Baumwollentkernungsmaschinen aus Europa ersetzt, das damals über den besseren Maschinenbau- und Technologiestandard (Herstellung von Werkzeugen und Färbemitteln) verfügte.

Zum ersten Mal konnte Baumwolle für leichte Kleidung kostengünstiger verarbeitet werden als Hanf, dessen Fasern geröstet, getrennt und dann auf Spinnrädern und Wagenspinnern (Jennymaschinen) handversponnen werden mußten.12

Aufgrund seiner Reißfestigkeit, Weichheit, Wärme und Haltbarkeit blieb Hanf dennoch bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts die am zweithäufigsten verwendete Naturfaser.13

Als Folge des Marihuanasteuergesetzes von 1937 wurden die natürlichen Hanffasern jedoch durch die neuen Du Pont-Kunststoffasern verdrängt, die in Lizenz der deutschen I.G. Farben produziert wurden – die betreffenden Patente waren Teil der deutschen Reparationszahlungen an Amerika. Massive Interessen- und Kapitalverflechtungen bestanden zwischen I.G. Farben und der amerikanischen Firma Du Pont, von der auch die Erfindung der Nylonfaser stammte, die 1938 patentiert und auf den Markt gebracht wurde.14

Schließlich sollte man nicht vergessen, daß rund 50 Prozent aller derzeit in der Landwirtschaft der USA eingesetzten Chemikalien auf den Baumwollplantagen Verwendung finden. Hanf braucht für sein Wachstum keine Chemikalien und ist kaum von Insekten oder anderen Schädlingen bedroht, jedenfalls nicht von natürlichen. Nur von der US-Regierung und den amerikanischen Drogenbekämpfungsbehörden.15

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Faser und Zellstoff für Papier

Bis 1883 wurden zwischen 75 bis 90 Prozent des weltweit produzierten Papiers mit Hanffasern hergestellt: Hanf war der Grundstoff von Büchern, Bibeln, Landkarten, Papiergeld, Wertpapieren, Zeitungen und sogar der Gutenberg-Bibel (15. Jahrhundert). Rabelais’ »Kräutlein Pantagruelion« (16. Jahrhundert), die King-James-Bibel (17. Jahrhundert), Thomas Paines Schriften »Die Rechte des Menschen«, »Common sense« und »Das Zeitalter der Vernunft« (18. Jahrhundert), die Werke von Fitz Hugh Ludlow, Mark Twain, Victor Hugo, Alexandre Dumas wie auch Lewis Carrols »Alice im Wunderland« (19. Jahrhundert) und fast alle anderen Werke der Literatur wurden auf Hanfpapier gedruckt.

Der erste Entwurf der Unabhängigkeitserklärung (28. Juni 1776) war auf holländischem Hanfpapier geschrieben; ebenso der zweite Entwurf, der am 2. Juli 1776 vollendet und am 4. Juli 1776 verkündet wurde.

Am 19. Juli 1776 ordnete der Kongreß an, die Unabhängigkeitserklärung auf Pergament (enthaarte, geglättete und getrocknete Tierhäute) zu übertragen. Dieses Dokument haben dann die Abgeordneten am 2. August 1776 unterzeichnet.

Das Material, aus dem damals, während der Kolonialzeit, überall auf der Welt Papier hergestellt wurde, waren ausrangierte Segel und Taue, welche Schiffseigner als Altmaterial verkauften.

Der übrige Papierrohstoff stammte von Kleidung, von Bettlaken, Windeln, Vorhängen und Lumpen,16 die meistens aus Hanf, manchmal jedoch auch aus Flachs hergestellt und an Altwarenhändler verkauft worden waren.

Sogenanntes »Lumpen-« oder Hadernpapier, welches Hanffasern enthält, ist das hochwertigste und haltbarste Papier, das je hergestellt wurde. Wird dieses Papier naß, kann es reißen, aber sobald es wieder trocken ist, hat es die gleiche Reißfestigkeit wie zuvor. Hadernpapier überdauert unter halbwegs normalen Bedingungen Jahrhunderte. Es nutzt sich so gut wie nie ab.

Unsere Vorfahren waren zu sparsam, um einfach alles wegzuwerfen, und so wurden bis in die achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts geeignetes Abfallmaterial und Altkleider zu Papier verarbeitet. Bis in die zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts wurden viele Dokumente der US-Regierung gemäß gesetzlicher Vorschrift auf hanfhaltigem »Lumpenpapier« geschrieben.17

Man glaubt allgemein, daß die frühen Kenntnisse der Chinesen über die Herstellung von Hanfpapier (100 Jahre v. Chr., also 800 Jahre, bevor die islamische Welt und 1200 bis 1400 Jahre, bevor Europäer diese Kunst entdeckten) einer der beiden wichtigsten Gründe dafür sind, weshalb orientalisches Wissen und Können dem europäischen 1400 Jahre lang weit überlegen war. Die Herstellung des überaus haltbaren Hanfpapiers ermöglichte es dem Orient, sein gesammeltes Wissen weiterzugeben. Generation um Generation konnte auf diesem Wissensschatz aufbauen, ihn überprüfen, vertiefen, in Frage stellen und weiterentwickeln.

Ein weiterer Grund für die Überlegenheit der orientalischen Wissenschaft über die der westlichen Welt über einen so langen Zeitraum hinweg (1400 Jahre) lag darin, daß die katholische Kirche 95 Prozent der Bevölkerung Europas das Lesen- und Schreibenlernen verbot; darüber hinaus verbrannte und verbot sie mehr als 1200 Jahre alle ausländischen und einheimischen Bücher – einschließlich der Bibel, deren Verbreitung zu bestimmten Zeiten sogar mit der Todesstrafe geahndet wurde.

Aus diesem Grund bezeichnen Historiker dieses Zeitalter als »finsteres Mittelalter« (siehe Kapitel 10).

Seile, Schnüre und Tauwerk

Seit Menschengedenken hatte praktisch jede Stadt der Welt eine Industrie, die Seile aus Hanf herstellte.18 Der größte Produzent war jedoch Rußland, dessen Ware von allerbester Qualität war und das zwischen 1740 und 1940 etwa 80 Prozent des Hanfbedarfs der westlichen Welt abdeckte.

In seiner Flugschrift »Common sense« (1776) nannte Thomas Paine vier Dinge, die für die junge Nation von entscheidender Bedeutung waren: »Tauwerk, Eisen, Holz und Teer.«

Dem für das Tauwerk verwendeten Hanf maß er höchste Bedeutung bei. So schrieb Paine: »Hanf wächst teilweise sogar üppiger als für die Herstellung von Tauwerk nötig wäre.« Erst danach zählte er die anderen für den Krieg gegen die britische Marine notwendigen Dinge auf: Kanonen, Schießpulver usw.

Bis 1937 wurden zwischen 70 und 90 Prozent aller Seile, aller Schnüre und allen Tauwerks aus Hanf hergestellt. Danach wurden Hanffasern in erster Linie durch Chemiefasern (hauptsächlich von der Firma Du Pont unter Lizenz der I.G. Farben produziert) und durch Manilahanf (Abakahanf) aus den »neuen« philippinischen Besitztümern ersetzt, die Spanien als Reparationsleistungen aus dem Spanisch-Amerikanischen Krieg im Jahre 1898 an Amerika hatte abtreten müssen. In das daraus gefertigte Tauwerk wurden häufig Stahlkabel zur Verstärkung eingeflochten.

Leinwand für die Malerei

»Hanf ist das ideale Archivierungsmaterial.«19

Die Bilder von Rembrandt, Van Gogh, Gainsborough und anderen berühmten Künstlern waren, wie praktisch alle Leinwandgemälde, meist auf Hanfleinwand gemalt.

Hanf ist eine starke, glänzende Faser, die gegen Hitze, Schimmel und Insekten widerstandsfähig ist und nicht durch Licht beeinträchtigt wird. Auf Hanfleinwand gemalte Ölbilder sind über Jahrhunderte hinweg in gutem Zustand erhalten geblieben.

Farben und Lacke

Jahrtausendelang wurden praktisch alle guten Farben und Lacke mit Hanföl und/oder Leinöl hergestellt.

Beispielsweise wurden allein 1935 in den USA 116 Millionen Pfund (58 000 Tonnen)20 Hanfsamen nur für Farben und Lacke verbraucht. Marktführend im Hanfölgeschäft war das Chemieunternehmen Du Pont.21

Dem Kongreß und dem US-Finanzministerium wurde zwischen 1935 und 1937 in geheimen eidesstattlichen Erklärungen von Du Pont gegenüber Herman Oliphant, dem Chefberater des Bundesfinanzministeriums, versichert, daß Hanföl durch synthetische Öle ersetzt werden könne, die in erster Linie von Du Pont hergestellt wurden. Oliphant allein war verantwortlich für den Gesetzentwurf zur Marihuanasteuer, dessen Annahme durch den Kongreß die Ausschaltung des Rohstoffes Hanf bedeutete (siehe Kapitel 4).22

Lampen

Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Hanföl das in den USA und der Welt am häufigsten verwendete Leuchtöl. Von da an stand es noch bis in die siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts an zweiter Stelle hinter dem Walöl.

Hanföl ließ Aladins Wunderlampe und die Lampen des Propheten Abraham und seines Namensvetters Lincoln leuchten. Es war das hellste Lampenöl.

Nachdem 1859 in Pennsylvania Öl entdeckt worden war und Rockefeller in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts das nationale Petroleum-Monopol an sich gebracht hatte, wurde Lampenöl in den Vereinigten Staaten durch Petroleum und Kerosin ersetzt (siehe Kapitel 9).

Hierzu äußerte sich der berühmte Botaniker Luther Barbank folgendermaßen: »In anderen Ländern werden die [Cannabis-]Samen wegen ihres Öls sehr geschätzt. Die Tatsache, daß man sie bei uns völlig vernachlässigt, illustriert das verschwenderische Umgehen mit unseren landwirtschaftlichen Ressourcen insgesamt.«23

Energie aus Biomasse

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kamen Henry Ford und andere vorausblickende kluge Köpfe (wie ihre geistigen Erben heute) zu der wichtigen Erkenntnis, daß bis zu 90 Prozent der weltweit verbrauchten fossilen Brennstoffe (Kohle, Öl, Erdgas usw.) durch Biomasse wie Kornhalme, Cannabis, Altpapier und dergleichen zu ersetzen wären.

Biomasse kann mit einem Bruchteil der derzeitigen Kosten für Öl, Kohle und Atomenergie – insbesondere wenn man den Preis der Umweltverschmutzung mitrechnet – in Methan, Methanol oder Benzin umgewandelt werden. Wäre ihre Verwendung vorgeschrieben, gäbe es keinen sauren Regen mehr, keinen schwefelhaltigen Smog, und der Treibhauseffekt auf unserem Planeten würde rückläufig sein – und zwar auf der Stelle!24

Dies kann erreicht werden, wenn Hanf als Biomasse angebaut und durch Pyrolyse (thermische Zersetzung) oder biochemisches Kompostieren in Brennstoffe umgewandelt wird, welche die fossilen Brennstoffe als Energieerzeuger ersetzen können.25

Ein durch Pyrolyse hergestelltes Produkt, das Methanol, wird heute für die meisten Rennwagen verwendet. In den USA wurde Methanol selbst zwischen 1920 und 1945 noch, als längst das Petroleum als Alternative zur Verfügung stand, als Kraftstoff für Abertausende von privaten, landwirtschaftlichen und militärischen Fahrzeugen benutzt.

Methanol kann durch ein von Mobil Oil entwickeltes katalytisches Reduktionsverfahren sogar in bleifreies Benzin von hoher Oktanzahl umgewandelt werden.

Medizin

Zwischen 1842 und dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts gehörten ein besonders starkes Marihuana (damals sagte man »Cannabisextrakt«), Haschischextrakte, Tinkturen und Elixiere zu denjenigen Arzneimitteln, die in der Humanmedizin der USA am zweit- und dritthäufigsten eingenommen wurden (von Geburt an bis ins hohe Alter). In der Veterinärmedizin war die Verwendung dieser Arzneimittel sogar über die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinaus üblich (siehe Kapitel 6 und 13).

Wie schon erwähnt, gehörten vor 1842 Marihuanaextrakte aus Knospen, Blättern, Wurzeln usw. mindestens 3 000 Jahre lang zu den wichtigsten Arzneimitteln, mit denen Menschen überall in der Welt die verschiedensten Krankheiten behandelten. In Westeuropa hingegen verbot die katholische Kirche mehr als 1 200 Jahre lang die Verwendung von Cannabis wie auch jede medizinische Behandlung überhaupt. Zugelassen waren nur der Aderlaß und die Behandlung mit Alkohol (siehe Kapitel 10).

Die amtliche Arzneimittelliste der USA wies darauf hin, daß folgende Beschwerden mit Cannabis behandelt werden sollten: Müdigkeit, Hustenanfälle, Rheumatismus, Asthma, Delirium tremens, Migräne und Menstruationsbeschwerden sowie Krämpfe und Depressionen. (William Emboden, Professor für Botanik, California State University, Northridge.)

Königin Viktoria nahm bei Menstruationsbeschwerden Cannabisharze ein, und während ihrer Herrschaft (1837 bis 1901) war ein enormer Anstieg der Verwendung von Indischem Hanf in der Medizin der englischsprachigen Welt zu verzeichnen.

Die Cannabisforschung des 20. Jahrhunderts hat den therapeutischen Wert – und das Ausbleiben schädlicher Nebenwirkungen – der Behandlung vieler gesundheitlicher Probleme mit Cannabis aufgezeigt: Asthma, grüner Star, Übelkeit, Tumore, Epilepsie, Infektionen, Streß, Magersucht, Depressionen, Rheumatismus, Arthritis und möglicherweise auch Herpes (siehe Kapitel 7).

Speiseöle und Protein

Bis in unser Jahrhundert hinein wurden Hanfsamen überall auf der Welt als Nahrungsmittel für Brei und Suppen verwendet. Mönche aßen früher dreimal am Tag Gerichte aus Hanfsamen, ihre Kleidungsstücke waren aus Hanf gewebt, und die Bibeln, die sie kopierten, waren aus Hanfpapier.26

Aus Hanfsamen kann man höchst nahrhaftes Pflanzenöl gewinnen, das innerhalb der ganzen Flora die meisten essentiellen Fettsäuren enthält. Diese lebenswichtigen Öle sind für unser Immunsystem verantwortlich und reinigen die Arterien von Cholesterin und Plaque.

Wenn man das Öl aus den Samen preßt, erhält man als Nebenprodukt den überaus proteinreichen Hanfsamenkuchen. Er kann mit Malz versetzt oder gemahlen werden und findet in Kuchen, Brot und Eintopfgerichten Verwendung. Proteine aus Marihuanasamen gehören zu den besten, hochwertigsten und vom menschlichen Körper am leichtesten verwertbaren Pflanzenproteinen. Hanfsamen ist die reichhaltigste einzelne Nahrungsquelle für die menschliche Ernährung (siehe Kapitel 8).

Bis zum Prohibitionsgesetz von 1937 war Hanfsamen das wichtigste Vogelfutter in der Welt sowohl für frei fliegende Vögel als auch für Käfigvögel, das sie allen anderen Samen vorzogen.27 1937 wurden in den USA 4 Millionen Pfund Hanfsamen für Singvögel im Einzelhandel verkauft. Aus einer Samenmischung picken Vögel sich als erstes die Hanfsamen heraus. In der freien Natur leben Vögel länger und haben mehr Junge, wenn Hanfsamen Bestandteil ihrer Nahrung sind, und das Ol ist gut für ihr Gefieder und ihre Gesundheit im allgemeinen (mehr darüber in Kapitel 8).

Hanfsamen haben weder beim Menschen noch bei Tieren eine berauschende Wirkung. Sie enthalten nur winzigste Spuren von THC (Tetrahydrocannabinol).28

Baustoffe

Da man aus 0, 4 Hektar Hanf die gleiche Menge Zellstofffaser gewinnen kann wie aus 1, 66 Hektar Holzbestand,29 ist Hanf der perfekte Ersatzstoff für Baumholz zur Herstellung von Hartfaserplatten, Preßspanplatten und Schalbrettern.

Durch Wärme und Kompression läßt sich aus den Pflanzenfasern kostengünstiges und feuerfestes Baumaterial mit hervorragenden thermischen und akustischen Dämmeigenschaften herstellen, das Betonwände und Sperrholz ersetzen kann. Die Firma Conde Redwood Lumber in der Nähe von Eugene, Oregon, verarbeitet Hanf auf diese Weise; Manison Industries verwendet Weizenstroh dafür.

Hanf wird seit alters zur Fertigstellung von Teppichrücken (Stramin) verwendet. Hanffasern eignen sich zur Herstellung strapazierfähiger, haltbarer Bodenbeläge, die anders als synthetische Materialien bei einem Brand keine Gifte freisetzen und auch keine allergischen Reaktionen bei empfindlichen Menschen auslösen.

Für die Herstellung von Plastikrohren kann man die nachwachsende Hanfzellulose als chemisches Ausgangsmaterial verwenden und auf diese Weise die Kunststoffe aus dem nicht erneuerbaren Erdöl ersetzen. So kann man sich das Haus der Zukunft vorstellen: Konstruktion, Leitungssystem, Anstriche und Möbel aus dem besten aller nachwachsenden Grundstoffe – Hanf.

Rauchen, Freizeit und Kreativität

In der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung sind die Grundrechte auf »Leben, Freiheit und das Streben nach Glück« verankert. Die Gerichte haben aus der Verfassung der USA und ihren Zusätzen das Recht des Bürgers auf eine Privatsphäre und die freie Wahl seiner Lebensführung abgeleitet.

Vielen Künstlern und Schriftstellern diente Cannabis als Stimulans für ihre Kreativität – von den Verfassern religiöser Meisterwerke bis hin zu den respektlosesten Satirikern. Lewis Carroll mit seiner Wasserpfeife rauchenden Raupe in Alice im Wunderland, Victor Hugo und Alexandre Dumas; Jazzgrößen wie Louis Armstrong, Cab Calloway, Duke Ellington und Gene Krupa wären hier zu nennen. Die Reihe läßt sich fortsetzen mit modernen Künstlern und Musikern wie den Beatles, den Rolling Stones, Eagles, Doobie Brothers, Jefferson Airplane, Willie Nelson, Buddy Rich, Country Joe & the Fish, Joe Walsh, David Carradine, Ryan O’Neal, David Bowie, Iggy Pop, Lola Falana, Neil Diamond, Hunter Thompson, Linda Blair, Peter Tosh und den Grateful Dead.

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Als Dämm- und Baumaterial wird Hanf seit kurzem in Frankreich verstärkt verwendet. Die Firma Chènevotte Habitat (F-72260 Renè) hat bisher schon 300 Häuser mit Hanf gebaut.

Natürlich wirkt sich das Marihuanarauchen nicht auf alle Menschen gleichermaßen kreativitätsfördernd aus.

Zu allen Zeiten haben Prohibitionsscharfmacher und Abstinenzapostel versucht, Genußmittel wie Alkohol, Tabak oder Cannabis mit Verboten zu belegen. Manchmal waren sie erfolgreich.

Eine solche repressive Mentalität kommentierte Abraham Lincoln im Dezember 1840 folgendermaßen:

»Die Prohibition [...] überschreitet die Grenze jeder Vernunft, indem sie die Bedürfnisse des Menschen durch Gesetze zu kontrollieren versucht und Verbrechen aus Dingen macht, die keine Verbrechen sind. [...] Ein Prohibitionsgesetz ist ein Schlag gegen die Prinzipien, die die Grundlage unseres Staates sind.«

Wirtschaftliche Stabilität, Profit und freier Handel

Wir glauben, daß auf einem freien Markt mit umfassender Verbraucherinformation die Leute nichts Eiligeres zu tun haben werden, als sich haltbare, biologisch abbaubare Cannabisshirts oder -jeans zu kaufen.

Es ist an der Zeit, den Kapitalismus auf die Probe zu stellen und das freie Spiel von Angebot und Nachfrage wie auch das »grüne« ökologische Bewußtsein die Zukunft unseres Planeten entscheiden zu lassen.

1776 kostete ein Baumwollhemd 100 bis 200 Dollar, ein aus Hanf hergestelltes dagegen nur einen halben bis ein Dollar. In den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts bezahlte man für die kühleren, leichteren Baumwollhemden den gleichen Preis wie für die wärmeren, schwereren Hanfhemden, man konnte also wirklich wählen.

Man konnte seine Kleidung nach der persönlich bevorzugten Stoffqualität auswählen. Heute haben wir diese Wahl nicht.

Die Rolle von Hanf und anderen Naturfasern sollte durch das freie Spiel von Angebot und Nachfrage, durch den Geschmack und persönliche Vorlieben bestimmt werden und nicht durch Prohibitionsgesetze, staatliche Subventionen und hohe Zölle, die verhindern, daß Chemiefasern durch Naturfasern ersetzt werden.

Fünfzig Jahre staatlicher Bevormundung haben dazu geführt, daß die Öffentlichkeit so gut wie nichts über das erstaunliche Potential von Hanffasern und deren Verwendungsmöglichkeiten weiß.

Vorausgesetzt der Hanfanbau wäre legal und man würde bei der Herstellung von Kleidungsstücken 100 Prozent Hanf oder eine Mischung von 20 bis 50 Prozent Hanf und 50 bis 80 Prozent Baumwolle verwenden, so könnte man seine Hemden und Hosen noch an seine Enkelkinder weitervererben. Durch eine vernünftige Verbraucherpolitik ließen sich Chemiefasern wie Nylon und Polyester durch die strapazierfähigeren, kühleren, saugfähigeren, atmungsaktiven, biologisch abbaubaren Naturfasern ersetzen.

China, Italien und osteuropäische Länder wie Ungarn, Rumänien, Polen und Rußland stellen gegenwärtig robuste Textilien aus Hanf oder einem Hanf-Baumwoll-Gemisch im Wert von etlichen Millionen Dollar pro Jahr her und könnten sogar in Milliardenhöhe produzieren.

Diese Länder bauen auf traditionelle Fertigkeiten im Akkerbau und in der Weberei, während in den USA die Ausrottung dieser Pflanze zugunsten einer destruktiven kunststoffverarbeitenden Industrie erzwungen wird.

Selbst Mischtextilien aus Cannabis und Baumwolle dürfen in den USA bis heute nicht direkt auf den Markt gebracht werden. Die Chinesen beispielsweise sind durch eine stillschweigende Vereinbarung dazu gezwungen, die USA mit minderwertigen Ramie-Baumwoll-Gemischen zu beliefern.30

1990 wurden aus China Kleidungsstücke mit einem Cannabis-/Hanfgehalt von mindestens 55 Prozent importiert, auf die ein hoher Einfuhrzoll erhoben wurde. Sie mußten zuerst nach Hongkong eingeführt und dann in die USA ausgeführt werden. Hohe Schutzzölle, die man damals festlegte, sollten die Chemiefaserindustrie der USA davor schützen, mit ausländischen Naturfasern wie dem Hanf konkurrieren zu müssen. Im Jahre 1992 lieferte China große Mengen aus 100 Prozent Hanf gefertigter Stoffe direkt in die USA.

Schließlich könnte die Biomasse aus Hanf eine umsatzstarke Energieindustrie versorgen, die Luftqualität verbessern, den vorhandenen Reichtum auch auf ländliche Gebiete umverteilen und helfen, von zentralisierten Machtmonopolen wegzukommen. Hanf verspricht die Herstellung eines Gleichgewichts in Ökologie und Ökonomie.

Als Resümee können wir mit Fug und Recht das wiederholen, was wir am Anfang des Kapitels formuliert haben:

Wenn wir, um unseren Planeten zu retten und den Treibhauseffekt umzukehren, künftig auf alle fossilen Brennstoffe und petrochemischen Produkte ebenso verzichten wollen wie auf die Abholzung unserer Wälder zur Gewinnung von Papier und landwirtschaftlichen Nutzflächen, dann gibt es nur eine Pflanze, die als nachwachsender Rohstoff in der Lage ist, den größten Teil an Papier, Textilien und Nahrungsmitteln sowie des privaten und industriellen Energieverbrauchs zu liefern, und die zugleich die Umweltverschmutzung eindämmt, die Böden verbessert und unsere Luft reinigt: Es ist ein alter Gefährte, der dies schon immer für uns getan hat: Cannabis – Hanf – Marihuana!

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1. Männlicher Blütenstand

2. Weiblicher Fruchtstand

3. Keimling

4. Einzelblatt eines fingerförmigen Blattes

5. Männliche Blüte mit Knospen

6. Weibliche Blüte, vom Vorblatt umhüllt

7. Frucht in fester, behaarter Schale

8. Frucht von der breiten Seite

9. Frucht von der flachen Seite

10. Drüsenhaar mit vielzelligem Stengel

11. Drüsenhaar mit kurzem, einzelligem, nicht sichtbarem Stengel

12. Haar ohne Drüse und Cystholith

Zeichnung von E. W. Smith

Die 10 000-Dollar-Wette (s. S. 29) im Wortlaut: »If all fossil fuels and their derivatives, as well as the deforestation of trees for paper and agriculture are bannned from use in order to save the planet and reverse the greenhouse effect: Then there is only one known renewable natural resource able to provide the overall majority of our paper, textiles and food, meet all the world’s transportation, home and industrial energy needs, reduce pollution, rebuild the soil and clean the atmosphere – all at the same time – our old stand-by that did it all before: Cannabis Hemp ... Marijuana!« Contact H.E.M.P. for details (Adresse s. S. 464).