Hanf muß in neuem Licht gesehen werden, die Zeit ist reif dafür

DOKUMENT 4

1991 – Die Industrie meldet Interesse an

»Baumfreies« Papier aus Hanf ist alles andere als eine Hippie-spinncrei, wie dieser Beitrag eines ausgewiesenen Papierexperten zeigt. Er stammt aus dem amerikanischen Fachblatt für Papierherstellung.

Lassen Sie mich zunächst klarstellen, daß ich noch nie Zigaretten geraucht habe, noch viel weniger dieses Teufelszeug. Ich kam ohne ein einziges Paar gebatikter Schlaghosen durch die Sechziger und habe mich mehr mit Merle Haggards »Okie from Muscogee« als mit Jim Morrisons »Light My Fire« identifiziert.

Jim Young, »It’s time to reconsider hemp« aus: Pulp & Paper, Editorial zum Juniheft 1991

Trotzdem glaube ich, daß Indischer Hanf (Cannabis sativa – ja genau dieses Cannabis!) der Papierindustrie viele Möglichkeiten bietet, die wir nicht wahrnehmen (genauer gesagt, wahrnehmen dürfen).

Die Tradition, angefangen bei Tsai Lun, nicht jedoch das Gesetz, steht auf der Seite von Hanf. Nach Jack Herers Buch »The Emperor Wears No Clothes« wurden zwischen 75 und 90 Prozent des vor 1883 hergestellten Papiers aus Fasern von Cannabis gemacht, von der Gutenbergbibel bis zu den beiden ersten Entwürfen der Unabhängigkeitserklärung. Das Landwirtschaftsministerium der Vereinigten Staaten nahm 1916 mit dem Bulletin Nr. 404 Hemp Hurds as Paper Making Material (Hanfschäben als Material zur Papierherstellung) diese Tradition wieder auf und sagte den von Fasern befreiten Teilen der Hanfpflanze eine Zukunft als Rohmaterial in der Papierherstellung voraus. Hanfschäben sind die in Stücke gebrochenen inneren Teile des Hanfstengels, die 1 bis 7 cm lang sind und von Faserresten befreit wurden. Diese Schäben enthalten mehr als 77 Prozent Zellulose.

Der Bericht des Bulletins über Versuche zur Herstellung von Papier mit Hanfschäben faßt die Ergebnisse wie folgt zusammen: »Stoff aus Hanfschäben verhält sich ähnlich wie Soda-Pappelholz-Stoff, ergibt aber ein etwas rauheres und festeres Papier mit höherem Falzwiderstand. (...) Tatsächlich wird sich Hanfzellstoff in den Papiermühlen von Michigan und Wisconsin, die inmitten der Sulfitzellstoff produzierenden Gebiete liegen, als Grundstoff für Buchdruckpapier gut durchsetzen können.«

Ein lang erwarteter Durchbruch bei der Mechanisierung der Trennung des faserhaltigen Kortex vom übrigen Hanfstengel »unter wirtschaftlich vertretbaren Aufwand an menschlicher Arbeitskraft« wurde im Februar 1938 in einem dreiseitigen Artikel beschrieben, der in der Zeitschrift »Popular Mechanics« unter dem Titel »Die neue Milliarden-Dollar-Pflanze« erschien. Geschrieben zu der Zeit, als der Marijuana Tax Act den Kongreß passierte, war dieser Artikel eine Provokation. »Wenn es möglich ist, staatliche Regelungen zum Schutz der Bevölkerung zu treffen, die den legalen Hanfanbau erhalten, kann diese Pflanze unermeßlich viel für Amerikas Landwirtschaft und Industrie tun.« Dies sollte offensichtlich nicht sein. Vielleicht nicht ganz zufällig riß der Tax Act die Milliarden-Dollar-Pflanze (Dollars von 1938) aus, bevor sie gepflanzt werden konnte.

Die getrockneten Blüten und oberen Blätter des weiblichen Cannabis sativa liefern Marihuana. Die Legalisierungsdebatte oder die psychotrope Wirkung des Inhaltsstoffes Delta-Tetrahydrocannabinol (THC) sollen hier nicht diskutiert werden. Es bleibt festzuhalten, daß weiter Interesse an der Papierherstellung aus Hanf besteht, da unsere Bedürfnisse nach Fasern, Energie und verstärktem Umweltschutz steigen.

Die 70er Jahre waren ein Jahrzehnt, in dem intensiv zur Papierherstellung aus Cannabis geforscht wurde, vor allem in Italien, Frankreich, Spanien und Holland. Verschiedene Hanfsorten wurden für die unterschiedlichsten Anwendungen in der Papierherstellung entwickelt, die sich auf den Kochprozeß und die Verwendung des Zellstoffs bezogen. Gleichzeitige Forschung und selektive Züchtungen reduzierten den THC-Gehalt. In Frankreich sind die Bauern verpflichtet, Hanfsaat mit niedrigem THC-Gehalt direkt vom staatlichen Hanfzüchterverband zu beziehen, die Ministerien für Gesundheit und Landwirtschaft über ihre Absicht zu informieren und einen Käufer für die Ernte nachzuweisen.

Gleichzeitig beschränken die hohen Kosten einer begrenzten Produktion den Einsatz von Hanf für spezielle Anwendungsbereiche wie europäische und asiatische Zigarettenpapiere. Hanf kann wahrscheinlich in bereits bestehenden Kenaf-Pulpern verarbeitet werden, dies ist wirtschaftlich sinnvoller, als Stoff zu importieren.

Hanf ist der stärkste Biomasseproduzent der Welt, in 4 Monaten wachsen 10 Tonnen je Morgen Land. Er produziert viermal so viel Papierrohstoff pro Morgen wie dies zwanzig Jahre alte Bäume tun, und gedeiht in allen Klimazonen der aneinandergrenzenden 48 Staaten Amerikas.

Durch Pyrolyse von Hanf kann Holzkohle, pyrolytisches Öl, Gas oder Methanol mit einer Effizienz von 95,5 Prozent Brennstoff zu Biomasse produziert werden. Pyrolytisches Heizöl hat Eigenschaften, die den Klassen 2 und 6 des üblichen Heizöls entsprechen. Holzkohle verursacht bei der Verbrennung keinen sauren Regen.

Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Beschränkungen in den Vereinigten Staaten aufgehoben, um Materialengpässe zu beseitigen. Die Gesetze sollten auch jetzt wieder geändert werden, um der Verknappung von Fasern und Energie entgegenzuwirken und den Umweltschutz zu verbessern.