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Hinter den Kulissen |
»Die Ausführungen dieses Berichts beweisen klar und deutlich, daß Marihuana, wenn es unter ärztlicher Aufsicht verabreicht wird, die Schmerzen vieler sehr kranker Menschen zu lindern vermag. [...]
Im Licht der vorliegenden Belege wäre es unvernünftig und ein Ausdruck bloßer Willkür, wenn sich die DEA weiter zwischen diese Leidenden und die Wohltaten dieser Substanz stellen würde. Marihuana ist unter medizinischen Gesichtspunkten weit sicherer als viele Nahrungsmittel, die wir gewöhnlich zu uns nehmen. [...]
Marihuana in seiner natürlichen Form kann als eine der sichersten therapeutisch nutzbaren Substanzen bezeichnet werden, die den Menschen bekannt sind.«
Francis L. Young
Im Jahre 1988 fällte Verwaltungsrichter Francis L. Young ein Urteil, mit dem die DEA offiziell aufgefordert wurde, Ärzten die Erlaubnis zum Verschreiben von Marihuana zu erteilen. Er gelangte zu dieser Entscheidung, nachdem er 15 Tage lang Zeugen angehört und mehr als ein Jahr lang die rechtlichen Aspekte seiner Entscheidung umfassend überprüft hatte.
Der DEA-Beamte John Lawn lehnte es am 30. Dezember 1989 in seiner offiziellen Funktion ab, diesem Urteil nachzukommen; und seine Nachfolger im Amt verweigern weiterhin die Erlaubnis dafür, daß Cannabis als Medikament verabreicht werden darf. Dabei stützen sie sich auf eine Reihe immer wieder zitierter Antimarihuanastudien. Es lohnt sich, diese »wissenschaftlichen« Studien genauer anzusehen.
Fast 100 Jahre sind vergangen seit 1894 in der Studie der britischen Raj-Kommission über indische Haschischraucher berichtet wurde, daß Cannabiskonsum harmlos und sogar hilfreich sei. Seither sind zahlreiche weitere Studien zum gleichen Ergebnis gelangt. Die bekanntesten sind der Siler- und der LaGuardia-Report sowie die Berichte der Shafer-Kommission Nixons, der kanadischen LeDain-Kommission und der Kommission des kalifornischen Forschungsrats.
Verlorene Zeiten, verlorenes Leben
Früher einmal haben amerikanische Präsidenten das hohe Lied auf den Hanf gesungen, und das USDA hat viele Bände mit Daten gesammelt, die belegen, wie nützlich dieser natürliche Rohstoff ist. Die Roosevelt-Administration ließ 1942 den Film Hemp for Victory (»Hanf für den Sieg«) drehen, der unsere patriotischen Hanffarmer rühmte.
Gleichwohl wird heute die Verwendung von Hanf sogar für medizinische Zwecke verhindert. Als Richter Young Ende 1989 nach der Erfüllung seiner oben zitierten Entscheidung gefragt wurde, antwortete er, daß der Beamte John Lawn Zeit bekommen habe, sie umzusetzen.
Mehr als ein Jahr nach dem Urteilsspruch lehnte Lawn es in offizieller Funktion ab, Cannabis wieder als Arzneimittel zuzulassen. Er klassifizierte es erneut als äußerst »gefährliche« Droge, die noch nicht einmal für medizinische Zwecke eingesetzt werden dürfe.
Die »National Organization to Reform Marijuana Laws« (NORML), die für eine Reform der Marihuanagesetze eintritt, und der »Family Council on Drug Awareness« liefen hiergegen Sturm und forderten den Rücktritt dieses Beamten, der hilflose Menschen zu unnötigem Leiden verurteilt. Aber der Nachfolger Lawns verfolgt die gleiche politische Linie.
Wieviel Scheinheiligkeit gehört dazu, wenn sich Vertreter der öffentlichen Hand im Brustton der Überzeugung über die Tatsachen und selbst Gerichtsurteile hinwegsetzen? Wie ist es ihnen überhaupt möglich, sich dafür öffentlich rechtfertigen zu können? Sie berufen sich auf gewisse Experten, die ihnen die »wissenschaftlichen Beweise« für ihre Behauptungen liefern.
Die Doppelzüngigkeit der Regierung
Unsere Bundesbehörden – NIDA, NIH, DEA und Action – , die von ihnen unterstützten Gruppen – beispielsweise DARE – und Organisationen wie die PDFA, die ein besonderes Interesse an diesem Thema haben, predigen in ihrer Arbeit mit Elterngruppen und bei Pressekampagnen immer wieder, daß es bestürzende »hieb- und stichfeste Beweise« für die schädlichen Auswirkungen des Marihuanarauchens gebe.
Von der Regierung geförderte Untersuchungen, die vor 1976 durchgeführt worden waren, kamen zu dem Ergebnis, daß Cannabis harmlos bis nützlich sei. In den Berichten über diese Untersuchungen wurde die Methodik jeder durchgeführten Studie detailliert dargelegt. Wenn man zum Beispiel The Therapeutic Potential of Marijuana (1976) liest, wird man genauestens nachvollziehen können, mit welchen methodischen Voraussetzungen die einzelnen medizinischen Studien gearbeitet haben
Die gegen Marihuana gerichtete Marihuanaforschung wird von den Regierungsbürokraten freigebig unterstützt, aber NORML, die Zeitschriften Playboy oder High Times und andere konnten erst dadurch, daß sie sich auf den neuen »Freedom of Information Act« beriefen, Akteneinsicht erzwingen und herausbringen, welche Labormethoden diesen »Experimenten« zugrunde lagen.
Was sie herausfanden, war schockierend.
Die Studie der Herren Dr. Heath/Tulane 1974
Der Schwindel mit den Gehirnschäden der toten Affen. – Der Gouverneur Kaliforniens, Ronald Reagan, wurde 1974 aufgefordert, Marihuana zu entkriminalisieren.
Nachdem der sogenannte »Große Kommunikator« die universitäre Heath/Tulane-Studie hatte anfertigen lassen, verkündete er: »Die zuverlässigsten wissenschaftlichen Quellen besagen, daß eine der unleugbaren Folgen des Marihuanakonsums die dauerhafte Schädigung des Gehirns ist.« (Los Angeles Times.)
Dem Bericht von Dr. Heath war zu entnehmen, daß Rhesusaffen, die eine Rauchmenge inhalierten, die nur 30 Joints entsprach, zu verkümmern begannen und nach 90 Tagen starben.
Fortan tauchten in amtlichen Broschüren und in der von der Regierung geförderten Propagandaliteratur gegen Marihuana als beliebtes Schreckgespenst tote Gehirnzellen von Affen auf, die man Marihuana rauchen ließ.
Senator Eastland aus dem Bundesstaat Mississippi ging mit diesem Schreckgespenst Mitte der 70er Jahre hausieren, um die nationalen Gesetzgeber zu verschrecken und sie davon abzuhalten, die Entkriminalisierungsgesetze von NORML im Kongreß zu unterstützen; für diese Gesetze trat in den meisten Fällen Senator Jacob Javitts aus dem Staat New York ein.
Berichte über die Heath-Studie, die sich auf angeblich wissenschaftliche Forschungsergebnisse stützt, zog die Hierarchie der professionellen Drogenkrieger als Rechtfertigung dafür heran, daß sie Jugendliche vor Marihuana bewahren müßten. Mit diesen Berichten werden Elterngruppen, Kirchengruppen etc. terrorisiert, die dann ihrerseits auch Material verteilen, das auf der Heath-Studie beruht. Heath öffnete die Gehirne toter Affen und berechnete die darin enthaltenen toten Gehirnzellen. Dann tötete er sogenannte Kontrollaffen, die kein Marihuana geraucht hatten, und ermittelte, wieviele tote Gehirnzellen in ihnen vorhanden waren. Verglichen mit der Zahl toter Gehirnzellen, die »normale« Affen enthielten, war die Anzahl toter Gehirnzellen in den Affen, die Haschisch geraucht hatten, enorm.
Ronald Reagans Erklärung stützte sich vermutlich auf die Annahme, daß Marihuanarauchen der einzige Unterschied zwischen den beiden Affengruppen gewesen sei. Reagan vertraute möglicherweise darauf, daß die staatliche Forschung zutreffend und korrekt war. Vielleicht hatte er aber auch andere Beweggründe.
Was die Regierung der Presse und der PTA, die der Regierung vollkommen vertrauten, als »wissenschaftliche Ergebnisse« verkaufte, ist nicht sehr viel.
1980 erhielten Playboy und NORML – nachdem die Regierung sechs Jahren lang mit Eingaben und Anfragen bestürmt worden war – einen genauen Rechenschaftsbericht über die Methoden und Verfahren, die in dem berühmten Forschungsbericht angewendet worden waren.
Forscher, die von NORML und Playboy damit beauftragt wurden, die Resultate des Berichts mit der verwendeten Methode zu vergleichen, brachen in Gelächter aus.
Die »Beweise«: erstickte Versuchstiere. – Der Playboy berichtete, daß Heath eine absolut unseriöse Voodoo-Untersuchungsmethode anwendete: Rhesusaffen waren auf einem Stuhl festgebunden und mit dem Äquivalent von 63 kolumbianischen starken Joints vollgepumpt worden – »fünf Minuten, durch Gasmasken«, ohne frische Luft atmen zu dürfen.
Die Affen wurden regelrecht erstickt! Drei bis fünf Minuten Sauerstoffmangel führen zu Gehirnschäden – zu »toten Gehirnzellen« (Anleitung des Roten Kreuzes zur Lebensrettung und Sicherheit im Wasser).
Die Heath-Affenstudie war eigentlich eine Studie über das Ersticken und Vergiften von Tieren mit Kohlenmonoxid.
Heath hatte es in seiner Studie unter anderem einfach – in voller Absicht oder aus schierer Dummheit? – unterlassen, das von den Affen inhalierte Kohlenmonoxid zu berücksichtigen. Kohlenmonoxid ist ein tödliches Gas. Wenn es von einem brennenden Gegenstand abgegeben und eingeatmet wird, führt es zum Absterben von Gehirnzellen. Bei der verwendeten Rauchkonzentration ging es den Affen etwa wie jemandem, der in einer geschlossenen Garage lebt und täglich den Motor seines Autos 5, 10 oder 15 Minuten lang laufen läßt.
Alle nachfolgenden Forscher hielten die Ergebnisse, die Heath bei seinen Forschungen über Marihuana herausfand, für wertlos, weil er die Vergiftung mit Kohlenmonoxid und andere Faktoren nicht berücksichtigt hatte.
Alle Forscher sind sich darüber einig, daß die Resultate des Heath-Experiments für die Beurteilung von Marihuana ohne Wert sind, weil in dem Bericht die Kohlenmonoxid-vergiftung und andere Faktoren nicht berücksichtigt wurden. Studien wie diese und die von Dr. Nahas aus dem Jahre 1970 versuchten, THC-Metaboliten mit den toten Gehirnzellen der erstickten Affen in einen kausalen Zusammenhang zu bringen.
Bleibende THC-Metaboliten
Die Lüge: Marihuana wird erst nach 30 Tagen vom Körper abgebaut. – THC-Metaboliten werden normalerweise im Fettgewebe des menschlichen Gehirns, in Reproduktionsorganen und anderen fetthaltigen Körperbereichen gefunden. Die Regierung behauptete, daß ein einziger Joint deshalb so gefährlich sei, weil »THC-Metaboliten« bis zu 30 Tage nach ihrer Aufnahme in den Fettzellen des Körpers verblieben. Sie leitete daraus ab, daß die langfristigen Schäden, die diese THC-Metaboliten der Menschheit zufügen könnten, gar nicht abzuschätzen seien, und hantierte im übrigen mit bedrohlich klingenden pseudowissenschaftlichen Andeutungen vom Typ »könnte sein«, »könnte durchaus bedeuten«, »möglicherweise«, »vielleicht« und so weiter.1
Die Fakten: selbst Fachleute der Regierung sagen, daß Metaboliten nichtgiftige, harmlose Rückstände sind. –Wir interviewten drei angesehene Ärzte, die einen landesweiten Ruf zu verlieren haben und teilweise noch heute für Regierungsforschungsprogramme über Marihuana arbeiten oder früher gearbeitet haben. Dies sind:
– Dr. Thomas Ungerlieder, M.D., UCLA, der 1969 von Richard Nixon in das »President’s Select Committee on Marijuana« und erneut von Ford, Carter und Reagan für die gleiche Aufgabe berufen wurde. Er ist derzeit Vorsitzender des kalifornischen »Marijuana Medical Program«;
– Dr. Donald Tashkin, M.D., UCLA, der in den letzten 14 Jahren der weltweit führende Forscher der US-Regie rung auf dem Gebiet der Lungenkrankheiten war; und
– Dr. Tod Mikuriya, M. D., der in den späten 60er Jahren die gesamtstaatlichen Marihuana-Untersuchungsprogramme der US-Regierung leitete.
Diese Ärzte sagten im wesentlichen, daß die aktiven THC-Bestandteile während des ersten oder zweiten Durchganges durch die Leber abgebaut werden. Die verbleibenden THC-Metaboliten lagern sich normalerweise an Fettdepots an, um dem Körper später zur Verfügung zu stehen. Dies ist ein ungefährlicher natürlicher Prozeß.
Viele Chemikalien aus Nahrungsmitteln, Kräutern und Medikamenten reagieren im Körper genauso. Die meisten Metaboliten sind nicht gefährlich, und THC-Metaboliten entwickeln im Körper weniger toxisches Potential3 als irgendwelche anderen bekannten Rückstände von Metaboliten.
THC-Metaboliten, die im Körper verbleiben, lassen sich mit der Asche einer Zigarette vergleichen: Sie sind nicht aktive Cannabinoide, die vom Körper metabolisiert werden. Genau diese nichtaktiven Metaboliten werden durch Urinanalysen nachgewiesen, aufgrund derer Angestellte des Militärs, von zivilen Unternehmen oder Sportvereinen entlassen werden, wenn sich herausstellt, daß sie innerhalb der letzten 30 Tage Cannabis geraucht oder sich in Gemeinschaft mit Cannabisrauchern aufgehalten haben.
Studien über Lungenschäden
Die Lüge: gefährlicher als Tabak. – Nach einer Statistik der American Lung Association sterben jährlich 434 175 Menschen in den USA an den Folgen des Tabakrauchens. 50 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner rauchen, und täglich fangen 3 000 Teenager mit dem Rauchen an.
Die Berkeley-Studien aus den späten 70er Jahren über krebserregenden Teer kamen zu dem Schluß, daß »Marihuana anderthalbfach so krebserregend wie Tabak« sei.
Die Tatsachen: nicht ein einziger dokumentierter Fall von Krebs. – Jeder Rauch führt zu Lungenreizungen. Cannabis verursacht leichte Reizungen der oberen Luftwege. Die Symptome verschwinden, wenn nicht weiter geraucht wird.
Anders als Tabakrauch führt Cannabisrauch zu keinerlei Veränderungen in den unteren Luftwegen der Lunge, dem Bereich, in welchem Tabak langfristige und chronische Schäden bewirkt. Außerdem raucht ein Tabakraucher 20 bis 60 Zigaretten am Tag, während ein starker Marihuanaraucher vielleicht fünf bis sieben Joints täglich oder sogar weniger raucht, wenn er Blüten hoher Qualität hat.
Zigmillionen Amerikanerinnen rauchen regelmäßig Marihuana, aber nach den Aussagen von Amerikas bedeutendstem Lungenexperten, Dr. Donald Tashkin, UCLA, geht auf Cannabis bis zum März 1992 kein einziger Fall von Lungenkrebs zurück. Er sieht das größte Gesundheitsrisiko für die Lungen einer Person, die täglich 16 oder mehr »große« Spliffs aus Blättern/Blüten raucht, darin, daß durch den Rauch und die damit einhergehende Unterversorgung mit Sauerstoff im Lungengewebe Sauerstoffmangel entsteht. Tashkin ist der Auffassung, daß ein Marihuanaraucher nicht befürchten muß, an einem Lungenemphysem (Lungenerweiterung) zu erkranken – ganz im Gegensatz zu Tabakrauchern.
Cannabis ist eine komplexe, hoch entwickelte Pflanze. Im Marihuanarauch sind ungefähr 400 chemische Verbindungen enthalten, von denen 60 einen therapeutischen Wert haben.
Durch den Verzehr von Cannabis können im übrigen die Reizungen, die beim Rauchen auftreten, vermieden werden. Allerdings nimmt der menschliche Körper beim Rauchen viermal so viele der aktiven Stoffe von Cannabis auf, als wenn die gleiche Menge Cannabis gegessen wird. Die durch das Verbot von Cannabis in die Höhe getriebenen Schwarzmarktpreise und die harten Strafen für Hanfanbau bewirken, daß sich nur wenige Menschen den Luxus einer zwar gesünderen, aber weniger wirkungsvollen Aufnahme von Cannabis leisten können.
Laboruntersuchungen und wirkliches Leben. – Das Rauchen mit einer Wasserpfeife hat den Vorteil, daß alle Karzinogene aus dem Rauch herausgefiltert werden können. Solche Informationen und ihre Bedeutung für die Ergebnisse der Studien verschwieg die Regierung in ihren Verlautbarungen an die Presse. Gleichzeitig verboten Politiker den Kauf von Wasserpfeifen und bezeichneten sie als »Drogenzubehör«.
Wie Gerüchte in die Welt gesetzt werden. – Dr. Tashkin sandte 1976 einen Bericht an Dr. Gabriel Nahas, der an einer Konferenz in Reims, Frankreich, über mögliche medizinische Gefahren von Cannabis teilnahm.
Tashkins Bericht war die Sensation dieser überwiegend gegen Haschisch eingestellten Weltkonferenz über Cannabis.
Das überraschte ihn, denn er hatte den Bericht nur deshalb an die Konferenz in Reims gesandt, weil er einige nachträgliche Denkanstöße enthielt.
Tashkin legte der Reims-Konferenz einen Bericht vor, nach dem Marihuana auf einen von 29 Lungenbereichen, die er studiert hatte, eine 15mal größere Reizung ausübte als Tabak – nämlich auf die oberen Luftwege.4
Auf diesen Bereich wirkt sich Tabak nur wenig aus. In den meisten anderen Bereichen der Lunge aber verhält sich Cannabis im Gegensatz zu Tabak positiv oder neutral (siehe Kapitel 7).
Nach dieser Konferenz begann die US-Regierung wieder mit der Förderung von Studien über die Auswirkung von Cannabis auf die Lunge. Zwei Jahre zuvor, als Tashkin über ermutigende therapeutische Resultate bei Marihuana/Lungen-Studien berichtet hatte, war die Förderung von Untersuchungen über die Auswirkung von Cannabis auf die Lunge eingestellt worden; jetzt begrenzte die Regierung sie auf die Erforschung der oberen Luftwege.
Wir haben Dr. Tashkin mehrmals interviewt. 1986 befragte ich ihn über einen Artikel, den er für das New England Journal of Medicine vorbereitete. Darin zeigte er auf, daß Cannabisrauch genausoviele oder mehr Veränderungen im Vorstadium von Krebs auslöst wie Tabak in »vergleichbaren« Mengen.
Es ist den meisten Menschen nicht klar, und es wird ihnen von den Medien auch nicht mitgeteilt, daß jede Gewebeanomalität (Ausschlag, Abschürfung oder sogar Rötung des Gewebes) als Veränderung im Vorstadium von Krebs bezeichnet wird. Anders als die durch Tabak hervorgerufenen Veränderungen enthalten die durch THC bewirkten keine Radioaktivität.
Wir fragten Tashkin, wieviele Menschen in dieser oder anderen Studien über Langzeitraucher von Marihuana, zu denen die Rasta und Kopten zählen, in der Folge an Lungenkrebs erkrankt seien.
Dr. Tashkin, in seinem UCLA-Labor, sah mich an und sagte: »Das ist ja das Seltsame. Bis jetzt hat kein einziger von denen, die wir beobachtet haben, Lungenkrebs bekommen.« »Wurde das der Presse mitgeteilt?«
»Nun, es steht in dem Artikel«, sagte Dr. Tashkin. »Aber niemand von der Presse hat auch nur danach gefragt. Sie nahmen einfach das Schlimmste an.«
Eine weitere Tatsache: Cannabis hilft bei Lungenemphysemen. – Während eines späteren Interviews dankte uns Tashkin für den Hinweis, daß an Lungenemphysemen leidende Menschen, die wir kennen, mit dem Rauchen von Marihuana gute Erfahrungen gemacht hatten.
Er war davon ausgegangen, daß Marihuana Emphyseme verschlimmern würde, stellte jedoch nach neuerlicher Durchsicht seiner Unterlagen fest, daß Marihuana bei Emphysemen im allgemeinen half, weil es die Bronchien freimacht und erweitert.
Damit war bestätigt, was uns cannabisrauchende Emphysempatienten berichtet hatten.
Aber Marihuana ist nicht das einzige Mittel gegen Lungenbeschwerden. Früher rauchte man auch Spitzwegerich, Huflattich, Andorn und andere Kräuter.
Tabak und seine Gesundheitsrisiken haben die Menschen ganz allgemein gegen das »Rauchen« eingestellt, so daß die meisten das Rauchen von Cannabis für genauso gefährlich wie oder noch gefährlicher als das Tabakrauchen halten. Und weil die Marihuanaforschung behindert wird, weiß man wenig über Fakten, die für die allgemeine Gesundheit von großer Bedeutung sind.
Und so weiter
Die Antimarihuanaliteratur, die wir gesichtet haben, zitiert meistens nicht mehr als eine einzige überprüfbare Quelle, und sonstige Publikationen beziehen sich lediglich auf die DEA oder das NIDA. Die wenigen Studien, die wir zurückverfolgen konnten, entpuppten sich am Ende als anekdotische Fallgeschichten oder Berichte, bei denen Daten kunstvoll arrangiert wurden oder gar nicht zu überprüfen waren.
Vereinzelt wird berichtet, daß Marihuana zu Brustvergrößerungen, Fettleibigkeit und ähnlichem führe oder süchtig mache, aber Wissenschaftler schenken dem kaum Beachtung. Berichte über eine zeitweise Herabsetzung der Spermienanzahl durch Marihuana werden zwar von den Medien ausgeschlachtet, sind aber statistisch zu vernachlässigen. Auch bei den relativ häufigen Kehlkopfkrebserkrankungen im Gebiet von Sacramento und der hohen Rate von Schädigungen, die aus einer psychotherapeutischen Station in Baltimore gemeldet werden, handelt es sich um singuläre Ereignisse, die allen anderen statistischen Daten zuwiderlaufen.
Die pseudowissenschaftlichen Forschungsergebnisse von Heath und Nahas tauchen in der wissenschaftlichen und medizinischen Literatur heutzutage überhaupt nicht mehr auf. Dies gilt ebenfalls für die Studien an trächtigen Mäusen und Affen, die an der Temple University und am Davis University College durchgeführt wurden, wo man Mäusen synthetische, entfernt verwandte THC-Analogien injizierte.
Obwohl diese Untersuchungen in der wissenschaftlichen Diskussion keine Rolle mehr spielen, erhalten Elterninitiativen Berge von Literatur, die vor möglichen Langzeitschädigungen des Gehirns und der Fortpflanzungsorgane durch THC-Metaboliten warnt. Diese Literatur wird meistens von der DEA und der Pharmaindustrie finanziert.6
Einige Studien, über die offiziell nicht gesprochen wird
Die Kopten-Studie (1981): Keine Schädigungen des menschlichen Gehirns oder der Intelligenz. – Hanf war schon immer ein Mittel, mit dem sich die Menschen zur Arbeit motiviert und das sie genommen haben, um kreative Energien zu steigern oder freizusetzen.7
Nach einer Studie von 1981 glaubten zehn der stärksten Marihuanaraucher Amerikas (Angehörige der koptischen Religion, die in Florida lebten), daß das Rauchen von täglich 16 hochwirksamen Spliffs8 über einen Zeitraum von ungefähr zehn Jahren ihre Geisteskräfte vergrößert habe.
Sie wurden von Dr. Ungerlieder und Dr. Shaeffer (UCLA) untersucht. Weder zeigte ihr Gehirn Unterschiede zu dem von Nichtrauchern, noch ließ sich ein höherer IQ feststellen, was die Kopten behauptet hatten.
Höhere Lebenserwartung, weniger Alterserscheinungen. – Die meisten heutigen und früheren Studien über die Auswirkungen von Marihuana auf die unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen Amerikas zeigen, daß ein durchschnittlicher Cannabisraucher länger leben wird als ein Amerikaner, der in gleichen Verhältnissen lebt, aber überhaupt keine Drogen nimmt. Der Cannabisraucher hat weniger Falten, nicht so viel Streß und weniger Krankheiten, die sein Immunsystem aus dem Gleichgewicht bringen. Außerdem ist er ein friedlicherer Nachbar.9
Die Jamaika-Studie
Die Jamaika-Studie (1968-1974, 1975): klarer Nutzen für Marihuanaraucher. – Die umfassendste Studie über das Hanfrauchen in seinem ursprünglichen Umfeld ist wahrscheinlich »Ganja in Jamaika. Eine medizinisch-anthropologische Studie über den Dauerkonsum von Marihuana«, die Vera Rubin und Lambros Comitas erstellten.10
»Die Jamaika-Studie, die vom National Institute of Mental Health (NIMH) Center for Studies of Narcotic and Drug Abuse gefördert wurde, war das erste derartige Projekt auf dem Gebiet der medizinischen Anthropologie und die erste veröffentlichte intensive, interdisziplinäre Studie über Konsumenten und Konsum von Marihuana.
Der Gebrauch von Ganja ist trotz Verbot weit verbreitet. In Jamaika wird Ganja über einen längeren Zeitraum, in größeren Mengen und mit höherer THC-Wirkung geraucht, als das in den USA der Fall ist. Gleichwohl konnten keine sozial oder psychologisch schädlichen Auswirkungen festgestellt werden. Der Hauptunterschied zum Marihuanakonsum in den USA besteht darin, daß sowohl der Konsum als auch die erwarteten Verhaltensweisen von Ganja-konsumenten von einer fest etablierten Tradition kulturell vorgegeben und kontrolliert werden.«
Positive soziale Einstellungen. – Die Studie unterstreicht, daß Ganjaraucher in Jamaika gesellschaftlich eine positive Verstärkung erfahren und diese Praxis insgesamt bejahen. Sie rauchen Ganja, um sich für die Arbeit zu motivieren. Testpersonen erzählten, daß die Auswirkungen des Ganjarauchens sie »geistreicher«, lebendig, fröhlich, verantwortungsvoller und bewußter mache. Sie berichteten, daß das Rauchen von Ganja ihre Meditations- und Konzentrationsfähigkeit fördere und ein Gefühl von Wohlbefinden und Selbstbewußtsein bewirke.
Kein Zusammenhang mit kriminellem Verhalten. – Vera Rubin und ihre Kollegen konnten, von Exzessen abgesehen, keinen Zusammenhang zwischen Cannabisgebrauch und kriminellem Verhalten und keine Einschränkungen in den motorischen Fähigkeiten feststellen. Raucher und Nichtraucher zeigten einen gleichen Grad an Extrovertiert-heit, und ihre Arbeitsleistung sowie ihre Anpassungsfähigkeit wurden gleich bewertet. Starker Gebrauch von Ganja/Marihuana schränkt die Motivation zur Arbeit nicht ein.
In psychologischer Hinsicht ergab die Bewertung des Verhaltens von Ganjarauchern, daß sie ihre Gefühle offener auszudrücken, insgesamt etwas sorgloser und irgendwie außer sich zu sein schienen. Es gab keinerlei Hinweise auf organische Hirnschäden oder Schizophrenie.
»Keine Beeinträchtigung von physiologischen, sensorischen und perzeptorisch-motorischen Abläufen in Tests über Fähigkeiten wie Begriffsbildung, Abstraktion und Wahrnehmung sowie in Gedächtsnistests«.
Keine physiologische Beeinträchtigung. – Marilyn Bowman ermittelte 1972 in einer Serie psychologischer Tests an Langzeitkonsumenten von Cannabis auf Jamaika »keine Beeinträchtigung von physiologischen, sensorischen und perzeptorisch-motorischen Abläufen in Tests über Fähigkeiten wie Begriffsbildung, Abstraktion und Wahrnehmung sowie in Gedächtnistests« ist festzustellen. Die von ihr untersuchten Jamaikaner hatten zwischen 6 und 31 Jahre lang Ganja geraucht (durchschnittlich 16,6 Jahre), und ihr Alter beim ersten Zug betrug im Durchschnitt 12 Jahre und 6 Monate.
Die Studie von 1975 ergab bezüglich des Plasma-Testosterons und der Gesamternährung keinen Unterschied zwischen Konsumenten und Nichtkonsumenten. Bei untergeordneten Intelligenztests zeigten Raucher etwas (statistisch nicht signifikant) höhere Leistungen, und »ein grundlegendes Maß an zellenbezogener Immunität [...] war bei den Konsumenten nicht weniger vital«.
Schließlich »rauchten Cannabiskonsumenten bei unserem gleichartigen Musterpaar Marihuana zusätzlich zu genausovielen Zigaretten, wie sie ihre Partner rauchten. Dennoch waren ihre Atemwege eher etwas gesünder als die ihrer Partner [...].
Wir müssen vorläufig schlußfolgern, daß Marihuana entweder keine schädlichen Auswirkungen auf die Atemwege hat oder daß es sogar einen leichten Schutz gegen die schädlichen Auswirkungen von Tabakrauch bietet. Wenn das so ist, werden nur weitere Forschungen klären können, welche von beiden Vermutungen zutrifft.«
Keine Einstiegsdroge. – Bezüglich der Theorie, daß Cannabis als Sprungbrett oder Einstieg für härtere Drogen diene, heißt es: »Der Konsum harter Drogen ist unter den Arbeitern auf Jamaika bis jetzt noch weitgehend unbekannt – keiner in der Studie (Rubins) hatte jemals irgendwelche Narkotika, Stimulanzien, Halluzinogene, Barbiturate oder Schlaftabletten genommen.«
In den USA wurde Cannabis während des späten 19. Jahrhunderts zur Behandlung von Drogensucht verwendet. Opium-, Chloralhydrat- und Alkoholsüchtige konnten mit hochwirksamen Cannabisextrakten erfolgreich behandelt werden, wobei einige Patienten bereits mit weniger als einem Dutzend Dosen des Cannabisextrakts gesund wurden.11 Cannabis hat sich auch in der heutigen Behandlung von Alkoholsüchtigen als wertvoll erwiesen.12
Die Costa-Rica-Studie (1980)
Die Resultate der Jamaika-Studie wurden durch eine andere karibische Studie von 1980 im großen und ganzen bestätigt. »Cannabis in Costa Rica. Eine Studie über Dauerkonsum von Marihuana« wurde von William Carter für das ISHI durchgeführt.
Auch die Forscher dieser Studie konnten in der einheimischen Bevölkerung bei denen, die dauernd Cannabis rauchten, keinerlei deutlich wahrnehmbare Schäden erkennen. Alkoholprobleme, wie sie auf den benachbarten can-nabisfreien Inseln so offensichtlich sind, gibt es in Costa Rica nicht.
Die Studie betont, daß der dort gesellschaftlich gebilligte Konsum von Ganja (wenn es zur Verfügung steht) weitgehend den von Alkohol (Rum) ersetzt.
Das Amsterdamer Modell
Seit Holland gegenüber Cannabisrauchern eine Politik der Toleranz und Straffreiheit verfolgt – Cannabis ist in Cafes und Gaststätten frei erhältlich – und für Benutzer harter Drogen Rehabilitations- und Beschäftigungsprogramme anbietet, sinkt der Cannabiskonsum unter Teenagern,13 und die Zahl der Heroinsüchtigen ist um 33 Prozent zurückgegangen. Die Strategie, den Cannabisverkauf vom Verkauf harter Drogen durch Dealer zu trennen und dadurch Cannabis aus dem Untergrund zu holen, hat sich, wie die Los Angeles Times vom August 1989 anerkennend berichtete, als ziemlich erfolgreich erwiesen.
Offizielle Korruption: Carlton Turner
Alle Nachforschungen, die der Autor über die Verschwendung von öffentlichen Geldern und Mitteln angestellt hat, haben nichts zutage gefördert, was der Handlungsweise von Bürokraten und Politikern in der folgenden Geschichte an Böswilligkeit gleichkommt. Sie handelt von der – absichtlich oder aus Gleichgültigkeit oder Dummheit – herbeigeführten Tötung vieler Amerikanerinnen und Amerikaner.
Ein Mann und seine Drogengangster. – Die Politik der amerikanischen Regierung – unter der Nixon- und Ford-Administration begonnen und fortgesetzt von Carlton Turner,14 von 1981 bis 1986 oberster Drogenjäger der Reagan-Regierung – legte fest, daß das in den entsprechenden medizinischen Programmen der einzelnen Bundesstaaten zum Einsatz kommende Marihuana nur aus den Blättern der Marihuanapflanze gewonnen werden durfte. Deren Wirkung ist normalerweise nur ein Drittel so stark wie die der Blüten, und die Blätter enthalten nicht das ganze Spektrum der »reinen Droge«, das heißt kein THC und CBN.
Wenn statt der Blüten die Blätter genommen werden, dauert zum Beispiel die Verringerung des Augendrucks bei Patientinnen, die an grünem Star leiden, viel kürzere Zeit an und ist daher unbefriedigender; überdies führt das Rauchen von Blättern zuweilen auch zu Kopfschmerzen. Die Bundesregierung erlaubte bis 1986 lediglich die Verwendung der Blätter. Turner äußerte gegenüber Pharmaunternehmen und in Interviews, daß die Blätter das einzige seien, was die Amerikaner je bekämen – obwohl die Blüten sich besser für medizinische Zwecke eignen.
Turners Gründe. – Erstens seien, wie Turner anführt, Blüten zu hart, um mit einer Maschine zu Zigaretten gedreht werden zu können. Die 25 Millionen Amerikanerinnen, die täglich ohne Schwierigkeiten die Blüten rollen, wird das verblüffen. Und da es zweitens für das Extrahieren von Substanzen der »reinen Droge« aus der Blüte keine pharmazeutischen Patente gebe, ließe sich damit auch kein Geld verdienen. Turners Programm hätte also gegen seine ehemaligen Dienstherren, gegen die Vorschriften und die Finanzgeber der Universität Mississippi gearbeitet.15 Turner sagte, daß die Amerikaner »niemals« Blüten erhalten würden, obwohl Blüten in der Chemotherapie, bei grünem Star und in anderen Bereichen besser wirken.
Es hat sich längst herumgesprochen, daß die berühmten »Munchies«, die Appetitanreger aus Marihuana, in der Chemotherapie keine Wirkung zeigen, wenn sie aus Marihuanablättern gewonnen werden.
Studien über einen Vergleich zwischen Blättern und Blüten sind zwar nicht zugelassen, aber es gibt viele Ärzte, die inoffiziell empfehlen, nicht die Blätter, sondern die Blüten zu nehmen, und laut NORML berichten, man könne geradezu zusehen, wie ihre abmagernden Patienten dann wieder zunehmen.
Vergiftung von Cannabisrauchern. – Im August und September 1983 trat Turner im nationalen Fernsehen auf und rechtfertigte das illegale Besprühen von Marihuana mit dem Pestizid Paraquat (per Flugzeug), das die DEA in Georgia, Kentucky und Tennessee praktizierte. Er sagte, wenn ein Jugendlicher an mit Paraquat vergiftetem Marihuana sterbe, sei er selbst schuld daran. Im übrigen sei das für alle ein abschreckendes Beispiel.
Die Erforschung der therapeutischen Möglichkeiten von Cannabis wird scharf kontrolliert und behindert, aber jeder Test, der sich mit möglichen negativen oder schädlichen Auswirkungen von Cannabis befaßt, kann sich der Unterstützung durch die Regierung sicher sein. Da diese Tests meist fehlschlagen oder zu keinem Ergebnis führen, findet aber selbst eine solche Marihuanaforschung nur in bescheidenem Rahmen statt.
Turner, der mit Vorliebe den »Aufstieg und Fall des Römischen Reiches« zu zitieren pflegte, sah Jazz- und Rocksänger jenes Amerika, das er liebe, mit dieser Halluzinationsdroge zerstören, jenem Teufelskraut Marihuana, das er auszurotten beabsichtige.
Nachgemachte Paraquat-Testgeräte. – Während der mexikanischen Marihuana-Paraquat-Psychose im Jahre 1978 forderte Carlton Turner das Magazin High Times auf, eine Anzeige für ein Paraquat-Testgerät zu veröffentlichen; damals arbeitete er noch als Privatmann für die Marihuanafarm des Staates Mississippi.
Turner wußte nicht, daß High Times keine Werbung für Paraquat-Testgeräte machte, weil bewiesen war, daß diese Geräte nicht funktionierten. Dean Latimer (damals ein assoziierter Herausgeber von High Times) hielt Turner mit täglichen Telefongesprächen einen Monat lang hin. Er hörte sich an, wie Turner davon schwärmte, wieviel Geld mit dem Verkauf des Gerätes zu verdienen sei.
High Times verlangte, ein Muster zu sehen. Der Prototyp seines Paraquat-Testgeräts, den Turner übergab, stellte sich als ein simples, aber überdreht-verkompliziertes Gerät heraus (ein »Rube Goldberg«, wie man in Amerika sagt). Es war »genau so eines wie die dutzendweise nachgemachten Geräte, für die damals auch andere Unternehmen Anzeigen zu schalten versuchten«, schrieb Latimer in einem 1984 veröffentlichten Artikel.
Turner hatte offensichtlich nicht damit gerechnet, daß die Leute von High Times so gewissenhaft wären, den Mechanismus zu überprüfen. Er nahm wohl an, sie würden einfach das Geld für die Anzeige einstecken und loslegen, die Anzeige drucken und Turner reich machen.
Ihm war es egal, ob ein Jugendlicher zu Tode kam oder um sein Geld betrogen wurde, weil er auf das nachgemachte Paraquat-Testgerät vertraut hatte.
Nach diesem Betrugsversuch wurde Turner 1981 unter Präsident Reagan zum nationalen Drogenjäger Nummer eins. George Bush und Nancy Reagan hatten ihn für diese Aufgabe empfohlen.
Menschenverachtung. – Turner ließ sogar verlauten, daß es nichts mache, wenn ein paar hundert Jugendliche an dem Cannabis stürben, das die Bundesregierung ordentlich mit Paraquat besprühte.
Auf der Pride-Konferenz am 25. April 1985 in Atlanta, Georgia, bei der Nancy Reagan und 16 Frauen von ausländischen Staatsoberhäuptern, darunter Imelda Marcos, anwesend waren, forderte Turner die Todesstrafe für Drogendealer. Letztlich war Turner freilich nur eine Figur, die für Reagan, Bush und die Pharmaindustrie die Dreckarbeit zu besorgen hatte. Er sah seine Mission nicht nur im Kampf gegen Heroin, PCP (»Angel dust«) oder Kokain, sondern auch in der Vernichtung von Cannabis und der Jazz/Rock-Musik.
Turner wurde zum Rücktritt gezwungen, nachdem er in der Öffentlichkeit geäußert hatte, daß Marihuana Homosexualität, den Zusammenbruch des Immunsystems und folglich Aids verursache.
Carlton Turner mußte zurücktreten, nachdem ihn das Newsweek Magazine am 27. Oktober 1986 in einem langen Herausgeberkommentar massiv angegriffen hatte. Sein Rücktritt war die Konsequenz aus seiner öffentlichen Äußerung, daß das Rauchen von Marihuana Homosexualität, den Zusammenbruch des Immunsystems und deshalb Aids verursache. Daraufhin war er von der Washington Post und anderen so scharf angegriffen worden wie keine andere Person des öffentlichen Lebens in der jüngeren Geschichte.
Am 6. Dezember 1986 trat Turner schließlich zurück. Ein Vorgang, der eigentlich eine Schlagzeile auf der Titelseite wert gewesen wäre, wurde während der Iran-Contra-Affäre auf den hinteren Seiten ad acta gelegt.
Nach seinem Rücktritt schloß sich Turner mit R. L. Du Pont und dem ehemaligen Vorsitzenden der NIDA, P. Bensinger, zusammen. Sie hatten einen neuen Markt für sich entdeckt: das Geschäft mit Urintests.
Die Urintest-Company. – Nach seinem Rücktritt schloß sich Turner mit Robert Du Pont und dem ehemaligen Vorsitzenden des NIDA, Peter Bensinger, zusammen. Das Trio hatte sich vorgenommen, den Markt für Urintests zu erobern. Sie schlossen mit 250 der größten Unternehmen Verträge über Programme ab, deren Ziel die Entwicklung von Verfahren zum Trennen und Aufspüren von Drogen sowie von Urintests war.
Kurz nachdem Turner seinen Stuhl geräumt hatte, schlug Nancy Reagan vor, daß kein Unternehmen mit der Bundesregierung ein Geschäft abschließen dürfe, das seine staatstragende Gesinnung nicht unter Beweis gestellt hatte und die Politik des sauberen Urins an seinen Angestellten exekutierte.
Carlton Turner wurde in diesem aufstrebenden Industriezweig ein reicher Mann – nicht anders als G. Gordon, der nach seiner Haftstrafe [die er wegen Watergate verbüßte; Anm.d.Red.] seine speziellen Kenntnisse in der High-Tech-Sicherheitsbranche verwertete.
Dieser ganze Typus von Unternehmen lebt davon, die bürgerlichen Grundrechte auszuhöhlen: den Schutz der Privatsphäre, den Schutz vor Selbstbelastung (im fünften Verfassungszusatz), den Schutz vor unbilliger Durchsuchung oder die Unschuldsannahme bis zum Beweis der Schuld.
Erniedrigungen hinzunehmen, seine intimsten Körperteile und -funktionen von einem gedungenen Voyeur überprüfen zu lassen, gehört heute zu den Einstellungsbedingungen in ein Unternehmen und ist Voraussetzung für den Bezug des Existenzminimums.
Turners neue Art des Geldverdienens verlangt, daß alle Amerikanerinnen ihre grundlegenden Rechte auf Privatsphäre und Selbstachtung aufgeben.