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Sollten wir den eigennützigen, für die Einhaltung der Drogengesetze verantwortlichen Bürokraten glauben, deren Zahl stets wächst und deren Bezahlung und Beförderung davon abhängt, daß immer mehr Leute verhaftet und gegen ihre »Sucht« behandelt werden? Es sterben mehr Amerikaner an einem Tag in Gefängnissen und Strafanstalten als jemals in der Menschheitsgeschichte an Marihuana gestorben sind. Wen schützen diese Gesetze? Wovor?
Fred Oerther, M.D., Portland, Oregon, September 1986
Schritte, Andersdenkende zum Schweigen zu bringen
Nachdem Harry J. Anslingers Behauptung, Marihuana mache gewalttätig, durch die Forschungsergebnisse des »New York City LaGuardia Marijuana Report« (1938-1944) ad absurdum geführt worden war, eröffnete Anslinger eine Hetzkampagne nach der anderen gegen Bürgermeister LaGuardia, die Medizinische Akademie von New York und deren Ärzte und Ärztinnen, die die Forschungsarbeiten für diesen Bericht geleistet hatten.
Der »New York City LaGuardia Marijuana Report« (1938-1944) widerlegte die Behauptung, Marihuana erhöhe die Gewaltbereitschaft.
Er erklärte, diese Ärzte würden im Gefängnis landen, sollten sie je wieder ohne seine persönliche Genehmigung Experimente mit oder Forschungsarbeiten über Marihuana durchführen.
Dann nutzte er – illegal – Vollmachten der US-Regierung aus, um praktisch die gesamte Marihuanaforschung lahmzulegen, und erpreßte den US-Ärzteverband AMA (American Medical Association)1 und die Medizinische Akademie von New York, die Forschungsarbeiten ihrer Ärzte öffentlich bloßzustellen.
Um den LaGuardia-Bericht zu entkräften, führte die AMA auf Verlangen Anslingers zwischen 1944 und 1945 eine Studie durch, die zeigte, daß sich 34 schwarze GIs (der statistischen »Vollständigkeit« halber: auch 1 weißer Gl), die Marihuana geraucht hatten, gegenüber weißen Soldaten und Offizieren in der nach Rassen getrennten Armee respektlos verhalten hatten.
Dieses Verfahren, die Ergebnisse einer Studie zu manipulieren, ist unter Forscherinnen und Forschern als »Tendenzwissenschaft« bekannt.
Pot und die Bedrohung des Friedens
Zwischen 1948 und 1950 unterließ es Anslinger, die Presse mit Schauergeschichten über die brutalisierende Wirkung von Marihuana zu füttern, und bediente sich statt dessen – ganz im Zeichen der McCarthy-Ära – der allgemeinen »Kommunistenhetze«.
Nun erfuhr die entsetzte Öffentlichkeit, daß Marihuana eine noch viel gefährlichere Droge sei, als er ursprünglich angenommen habe. 1948 behauptete Anslinger vor dem zutiefst antikommunistisch gesonnenen Kongreß und später ständig in der Presse, der Genuß von Marihuana mache die Menschen so friedlich – und pazifistisch! –, daß dieses Rauschgift von den Kommunisten dazu benutzt werden könne und auch würde, die Kampfmoral der amerikanischen Armee zu schwächen.
Dies war natürlich eine Kehrtwende um 180 Grad gegenüber dem ursprünglichen Vorwand, unter dem man das »gewalterzeugende« Marihuana 1937 verboten hatte. Einhellig stimmte der Kongreß nun für die Beibehaltung des Marihuanaverbotes und begründete dies mit dem genauen Gegenteil der ursprünglich vorgebrachten Behauptungen.
Anslinger versorgte US-Senator Joseph McCarthy jahrelang mit unerlaubten Morphinen.2
Es ist interessant und mutet fast absurd an, daß Anslinger und seine treuesten Anhänger – Kongreßabgeordnete aus dem Süden und sein bester Freund im Senat, Senator Joseph McCarthy aus Wisconsin, – ab 1948 bei der Verbreitung ihrer Schreckensvisionen von der Presse eifrig unterstützt wurden. Immer wieder war davon die Rede, daß die Kommunisten Marihuana an junge Amerikaner verkauften, um deren Kampfbereitschaft zu untergraben und Amerika in eine Nation von Zombie-Pazifisten zu verwandeln. Natürlich machte man sich in Rußland und China über diese Marihuanahysterie der Amerikaner lustig, so oft sich die Gelegenheit dazu bot – sei es in der Presse oder vor den Vereinten Nationen.
Bedauerlicherweise schenkte die Presse diesem vorgeblichen Zusammenhang zwischen Pot und Pazifismus während der folgenden zehn Jahre so viel Aufmerksamkeit, daß schließlich Rußland, China und die kommunistischen Länder des Ostblocks (wo man Cannabis in großen Mengen anbaute) den Marihuanakonsum unter Strafe stellten, weil sie befürchteten, die Kampfbereitschaft ihrer Soldaten könne mit Hilfe dieses Stoffs von den Amerikanern unterwandert werden.
Das war schon merkwürdig, denn in Rußland, Osteuropa und China war Cannabis über Jahrhunderte, ja, über Jahrtausende als Arzneimittel, Beruhigungs- und Stärkungsmittel angebaut und benutzt worden, und niemandem war auch nur der Gedanke gekommen, Marihuanagesetze zu erlassen.3
Der heimliche Angriff auf die Gedankenfreiheit
Durch einen 1983 verbreiteten Bericht, der sich auf das Gesetz über die Informationsfreiheit (Freedom of Information Act) berief, drang nach 40 Jahren Geheimhaltung an die Öffentlichkeit, daß Anslinger 1942 in ein Geheimkomitee berufen worden war, das dem OSS, Office of Strategie Services, dem Vorläufer des CIA, ein »Wahrheitsserum« beschaffen sollte (Rolling Stone, August 1983).
Die Wahl des ersten Wahrheitsserums der USA fiel auf eine »Honigöl« genannte, sehr reine und fast geschmacklose Sorte des Haschöls, das Spionen, Saboteuren, Kriegsgefangenen und anderen im Essen verabreicht werden sollte, damit sie, ohne es zu wissen, »die Wahrheit ausspuckten«.
Ab 1943 stellte die Anslinger-Gruppe die Verwendung von Marihuanaextrakten als erstem Wahrheitsserum der USA wieder ein. Es brachte nicht immer den gewünschten Erfolg. Menschen, die verhört wurden, fingen häufig an zu kichern, lachten die Beamten hysterisch aus, wurden paranoid oder bekamen unstillbaren Hunger.
15 Monate später, 1943, stellte man die Verwendung des Marihuanaextraktes als »erstem Wahrheitsserum der USA« wieder ein, weil man festgestellt hatte, daß er nicht immer den gewünschten Erfolg brachte:
Menschen, die verhört wurden, fingen häufig an zu kichern, lachten die Beamten hysterisch aus, wurden paranoid oder entwickelten einen unstillbaren Heißhunger. Zudem war bekannt geworden, daß die Agenten und Bediensteten des OSS inzwischen das »Honigöl« selbst konsumierten, anstatt es den Spionen zu geben. Im Abschlußbericht des OSS-Komitees über die Verwendung von Marihuana als Wahrheitsserum ließ Anslinger nichts darüber verlauten, daß die Droge die Gewaltbereitschaft erhöhe! Tatsächlich wurde auf das Gegenteil hingewiesen. OSS und später CIA setzten ihre Suche nach der Wahrheitsdroge fort und prüften in diesem Zusammenhang Drogen wie Psilocybin, Fliegenpilz und LSD auf ihre Eigenschaften.
Über 20 Jahre lang wurden diese Substanzen vom CIA an US-Bürgern ohne deren Wissen getestet.
Manche dieser ahnungslosen Versuchspersonen stürzten sich von Gebäuden herunter, weil sie glaubten, verrückt geworden zu sein.
Nachdem unsere Regierung 25 Jahre lang abgestritten hatte, diese Experimente durchgeführt zu haben, gab sie in den 70er Jahren endlich zu, unbeteiligte, nichtsahnende Bürgerinnen und Bürger, Soldaten und Regierungsbeamte ohne deren Zustimmung mit Drogen vollgepumpt zu haben – und das alles natürlich im Namen der nationalen Sicherheit.
Die amerikanischen »Sicherheitsbehörden« bedrohten einzelne Bürger, Familien und Organisationen, die auf diesen Drogenmißbrauch hinwiesen, und von denen einige sogar ins Gefängnis wanderten.
Es dauerte drei Jahrzehnte, bis die Gesellschaft CBS (Columbia Broadcasting System) mit Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz die Machenschaften des CIA – unter anderem in der Sendung »60 Minutes« – entlarvte und ihn dazu zwang, seine Lügen zuzugeben. Am 16. April 1985 entschied jedoch der Oberste Gerichtshof der USA, daß der CIA die Identität der in dieses Trauerspiel verwickelten Personen und Institutionen nicht bekanntgeben müsse.
Der Gerichtsentscheid stellte es dem CIA frei, selbst zu bestimmen, was im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes veröffentlicht werden mußte und was nicht. Die Entscheidung des CIA war vor keinem anderen Gericht anfechtbar.
Übrigens war eines der Hauptziele der Reagan/Bush/Quayle-Regierung die Aufhebung des Informationsfreiheitsgesetzes.4
Kriminelle Verfehlungen
1948 begann Anslinger mit seiner Zombie-Pazifisten-Marihuana-Hetze, aber fünf bis sieben Jahre lang hatte er in der Presse, bei Konferenzen, Vorträgen und im Kongreß den Jazz, die Brutalität und die »Blutakte« als Argumente für das Hanfverbot benutzt.
Wir wissen heute, daß Anslinger beim Thema Hanf, der als Marihuana diskreditiert wurde, politisch opportune Lügen verbreitete.
Seit über fünfzig Jahren wachsen die Menschen in Amerika mit Anslingers Märchen über dieses Kraut auf und haben seine abenteuerlichen Thesen verinnerlicht – von der Gewaltbereitschaft, dem Pazifismus bis zum schädlichen Einfluß der Musik. Wir werden nie erfahren, ob das aus wirtschaftlichen oder rassistischen Beweggründen oder gar aus Angst vor der neuen Musik oder wegen irgendeiner vielschichtigen Hysterie geschah. Aber wir wissen sehr wohl, daß die Informationen, die im Auftrag der US-Regierung über den Hanf verbreitet wurden und weiter verbreitet werden, eine bewußte Irreführung waren und sind.
Wie aus den folgenden Kapiteln zu ersehen ist, weisen die empirischen Fakten und die Fülle unwiderlegbarer Beweise darauf hin, daß die Bush/Quayle-Regierung sich mit Hilfe ihrer engen Verbindungen zur Pharmaindustrie (siehe Kasten »Der faule Handel von Bush/Quayle/Lilly«) auf höchster Ebene verschworen hatte, Informationen zurückzuhalten und die Öffentlichkeit falsch zu informieren, was zu dem vermeidbaren und sinnlosen Sterben Tausender von Amerikanerinnen und Amerikanern geführt hat.
Und sie taten dies offenbar, um ihre eigenen Investitionen – und die ihrer Freunde – in der pharmazeutischen Industrie, der Energiewirtschaft und der Papierindustrie zu retten und um der giftproduzierenden Kunststoffindustrie einen aberwitzigen Vorteil gegenüber dem Naturstoff Hanf zu verschaffen und die Profite in Höhe mehrerer Milliarden zu sichern, die sie verloren hätten, wären die Hanfpflanze und Marihuana nicht verboten worden!
Als Ergebnis sind Millionen von Jahren in Gefängnissen verschwendet und Millionen Menschenleben zerstört worden. Auch heute noch ist der Einfluß von Hearsts, Anslingers und Du Ponts schamlosen Wirtschaftslügen, bösartigen rassistischen Verleumdungen und bigottem Musikdiktat ungebrochen.