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Schlußfolgerungen |
Die Studie hat gezeigt, daß Hanf eine vielseitig zu nutzende Pflanze ist, die hochwertige Rohstoffe mit hohen Erträgen liefert. Die wichtigsten Eigenschaften und Nutzungsmöglichkeiten der Hanfpflanze faßt Abbildung 4 zusammen. Um abschließend einen Überblick zu geben, soll sie kurz erläutert werden.
Abbildung 4: Diagramm zur heutigen Hanfnutzung
Landwirtschaft. – Landwirtschaftlich bietet Hanf eine Reihe ausgesprochen günstiger Eigenschaften: Aufgrund der großen Robustheit der Pflanze kann auf Pflanzenschutzmittel nahezu und auf Herbizide vollständig verzichtet werden. Hanf ist gut an unser Klima angepaßt, fügt sich vorzüglich in Fruchtfolgen ein und verbessert die Bodenstruktur.
Hanföl. – Das aus den Samen der Hanfpflanze gewonnene Hanföl ist ein hochwertiges Pflanzenöl, das sowohl als linolsäurereiches, essentielles Speiseöl als auch als Ausgangsstoff verschiedenster technischer Produkte Verwendung finden kann. Von der Ölqualität und Zusammensetzung her gehört Hanföl in die Reihe von Sonnenblumen-, Soja-, Lein- und Rapsöl.
Der bei der Ölgewinnung zurückbleibende Preßkuchen ist ein wertvolles Viehfutter.
Fasern. – Die Hanfpflanze liefert eine hochwertige Langfaser, die sich insbesondere durch sehr hohe Reißfestigkeit und Feuchteresistenz auszeichnet. Die Einsatzbereiche liegen neben Textilien vor allem im technischen Bereich: technische Gewebe, Planen, Seile, Formpreßteile, Brems- und Kupplungsbeläge sowie Baumaterialien. Gerade für den technischen Einsatz scheint die Hanffaser sich potentiell besser zu eignen als Flachs und durch den deutlich höheren Hektarertrag auch geringere Kosten zu versprechen.
Papierherstellung. – Aus der Hanfpflanze können, je nach Nutzung der Gesamtpflanze oder nur des Kurzfaseranteils, Papiere unterschiedlichster Qualität hergestellt werden: Pappe, Zeitungspapier, Druck- und Schreibpapiere sowie Fein- und Spezialpapiere, insbesondere auch technische Filterpapiere.
Aufgrund des geringen Ligningehalts ergeben sich bei der Papierherstellung aus Hanf geringere Umweltbelastungen als bei der Papierherstellung aus Holz. Die zu Zellulose verwertbare, jährlich zuwachsende Pflanzenmasse pro Hektar liegt bei Hanf um den Faktor 2 bis 4 höher als bei schnellwachsenden Bäumen. Hanffasern können dem Altpapier zugesetzt werden, um die Faserlänge beim Recyclingpapier zu erhöhen.
Insgesamt weist Hanf als Grundstoff für die Papierindustrie gegenüber Holz Vorteile in Qualität, Umweltverträglichkeit und Ertrag pro Hektar auf und stellt damit die vorherrschende Papiergewinnung aus Holz, die meist mit schweren Eingriffen in Ökosysteme verbunden ist, in Frage.
Schäben. – Die als Reststoff anfallenden Hanfschäben können als hochwertiges Bau- und Dämmaterial eingesetzt werden.
Hanfblätter. – Sie eignen sich als hochwertiger Pilzkompost oder auch als Einstreu in Viehställe.
Pharmakologie. – Hanföl, Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) sind in vielfältiger Weise pharmakologisch einsetzbar. Da die Gewinnung dieser Substanzen andere Nutzungen nur unwesentlich einschränkt, sind hier zusätzliche Einnahmen zu erzielen.
Kombinationsnutzung. – Eine geschickte Kombinationsnutzung von Fasern, Samen, Schäben und medizinisch wirksamen Stoffen könnte die Hanfnutzung unter Umständen rentabler machen als hochoptimierte Einzelnutzungen. Praktiziert wird bereits eine Kombinationsnutzung, bei der die Langfaser für Textilien, die Kurzfaser für die Zellstoffindustrie, die Schäben für Baustoffe und die Blätter als Einstreu in Viehställen verwandt werden.
Fazit
Hanf ist eine vielseitige Nutzpflanze, die hochwertige Rohstoffe für die Textil-, Papier-, Bau-, Pflanzenöl- und Pharmaindustrie liefert. Hanf gehört zu den ertragreichsten und landwirtschaftlich vorteilhaftesten Nutzpflanzen in unserer geographischen Zone und könnte schon bald wieder seinen Platz neben Raps, Sonnenblume und Flachs/ Lein, einnehmen.
Ökobilanz
Aufgrund des ungenügenden Datenmaterials ist es derzeit nicht möglich, eine vergleichende Ökobilanz für die Hanfpflanze und ihre Produkte zu erstellen, in vorliegender Studie zeichnen sich nur erste Ansätze ab. Das größte Datendefizit herrscht bei den einzelnen technischen Verfahrensschritten, von der Ernte bis zum Endprodukt. Technische Verfahren müssen zum Teil erst noch entwickelt oder an den Hanf angepaßt werden, um zu Quantifizierungen zu kommen, die für praktische Umsetzungen aussagekräftig sind.
Es muß jedoch betont werden, daß Produkte und Produktlinien auf Basis nachwachsender Rohstoffe nicht a priori umweltverträglich sind. Ein Anbau in Monokultur bei starkem Dünger- und Pestizideinsatz, umweltbelastende Technologien bei der Rohstoffgewinnung und -verarbeitung, aber auch die Herstellung von Endprodukten, die aus natürlichen und synthetischen Verbundmaterialien bestehen, können dazu führen, daß der Einsatz nachwachsender Rohstoffe vom ökologischen Gesichtspunkt aus womöglich mehr Nach- als Vorteile mit sich bringt. Allein schon aus marktstrategischen Gesichtspunkten ist es erforderlich, auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette ökologischen Aspekten eine zentrale Rolle einzuräumen. Nur so haben nachwachsende Rohstoffe – trotz anfänglicher Nachteile bei den Kosten – eine Chance bei Industrie und Verbraucher.
Hanf hat eine Reihe von Eigenschaften, die ihn für die Realisierung einer Vielzahl von ökologischen Produktlinien geeignet machen:
– Aufgrund seiner günstigen landwirtschaftlichen Eigenschaften kann beim Hanfanbau sowohl auf Monokulturen wie auf den Einsatz von Pestiziden verzichtet werden. Hanf scheint sich für eine nachhaltige, ökologische Landwirtschaft gut zu eignen.
– Durch die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten aller anfallenden Pflanzenteile ist eine restlose Nutzung der Hanfpflanze möglich.
– Aufgrund der relativ hohen Erträge sind vergleichsweise geringe Anbauflächen erforderlich.
– Hanfproduktlinien tragen wegen ihres weitestgehend geschlossenen CO2-Kreislaufs zur Eindämmung des Treibhauseffekts bei.
– Aktuelle Entwicklungen in Ungarn zeigen, daß es im Textilbereich möglich ist, Hanfstoffe mit ungewöhnlich geringen Schadstoffrückständen zu produzieren.
– Für die Papierindustrie liefert Hanf einen hochwertigen, ligninarmen Rohstoff, der zu geringeren Umweltbelastungen führt als der Rohstoff Holz.
– Durch die hohe Eignung als technische Faser können in vielen Bereichen Kunststoffe und gesundheitsschädliche Stoffe wie Asbest ersetzt werden.
– Durch den hohen Dämmwert der Hanfschäben können mineralische Dämmstoffe ersetzt werden.
Es ist erfreulich, daß ein Großteil der im Hanfbereich tätigen Akteure aus Landwirtschaft und Industrie ökologischen Aspekten großes Gewicht einräumt. Im Bereich technischer Filterpapiere ist die Möglichkeit, mit Hanfzellulose umweltfreundlichere Produktlinien entwickeln zu können, sogar die maßgebliche Triebfeder.
Ausblick
Was ist zu tun, um Hanf wieder in den Wirtschaftskreislauf zu integrieren, welche Hemmnisse müssen überwunden werden?
Zunächst ist es erforderlich, die unsinnigen Anbauverbote für THC-arme Hanfsorten aufzuheben und die nationale Gesetzgebung den Verordnungen der Europäischen Union anzupassen, die den Anbau von Sorten mit einem THC-Gehalt unter 0,3 Prozent gestatten und sogar finanziell fördern. Denn das gegenwärtig geltende Verbot blockiert nicht nur den Anbau, sondern hemmt auch die Forschungs- und Entwicklungsarbeit und stellt die Weichen, daß es innerhalb der EU – wieder einmal – zu Ungleichgewichten kommen wird.
Da das Bundesgesundheitsamt seinen – unseres Erachtens vorhandenen – Spielraum zur Erteilung von Anbau-genehmigungen nicht ausschöpft, sondern im Gegenteil alles daran setzt, dem Hanf den Weg in die deutsche Agrarwirtschaft zu erschweren, bleibt nur eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) übrig. Es wird Zeit, daß sich Bundeslandwirtschafts- und Gesundheitsministerium zusammensetzen, um eine entsprechende Änderung des BtMG auszuarbeiten, die den Anbau THC-armer Hanfsorten legalisiert.
Ist diese Hürde genommen, beginnt die eigentliche Arbeit. Zur Wiedereingliederung eines nachwachsenden Rohstoffs in den Wirtschaftskreislauf werden normalerweise 5 bis 10 Jahre angesetzt. Das unerwartet hohe Engagement der Industrie sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß nur eine gezielte Forschungs- und Förderpolitik diesen Vorgang beschleunigen und auf eine solide Basis stellen kann. Nationaler Ansprechpartner für Forschungsmittel ist die 1993 ins Leben gerufene Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe. Aufgrund der Anbauverbote, des angeblich fehlenden Interesses der Industrie und der negativen Erfahrungen bei der Flachsförderung ist die Fachagentur bislang sehr zurückhaltend, was die Bereitstellung von Forschungsmitteln für Hanf betrifft. Dabei lassen sich gerade aus dem Flachsbereich wertvolle Schlüsse ziehen, wie eine effektive Forschungspolitik aussehen könnte.
An erster Stelle sollte eine umfassende Analyse des Marktpotentials für Hanfrohstoffe und -endprodukte stehen. Kommt die Marktanalyse zu dem Ergebnis, daß wirtschaftlich tragfähige Produktlinien für Hanfprodukte realisiert werden können, so steht die Frage an, in welchem Umfang und mit welchen ökologischen und strukturellen Folgen Hanf in die deutsche Agrarwirtschaft integriert werden kann.
Die Ergebnisse der Analyse von Markt- und Agrar-potential stellen eine fundierte Entscheidungsgrundlage für die Frage dar, ob mit der Entwicklung technischer Verfahren unter ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten begonnen werden soll. Die Marktanalyse gibt dabei vor, in welchen Sektoren sich Technologieentwicklungen für die Weiterverarbeitung von Hanfrohstoffen und -zwischenprodukten lohnen. Es genügt hier nicht, einzelne technologische Schritte zu optimieren; sämtliche technologischen und ökologischen Schwachstellen und Engpässe entlang der Produktlinie müssen identifiziert und Lösungen entwickelt werden.
Von großem Nutzen können hierbei Technologien sein, die bereits für andere nachwachsende Rohstoffe entwickelt wurden. So ist beispielsweise zu prüfen, ob und mit welchen Vor- oder Nachteilen Verarbeitungstechnologien aus dem Flachsbereich auf Hanf übertragen werden können. Dies ist vor allem auch deshalb geboten, weil einigen vielversprechenden Technologien im Flachsbereich aufgrund fehlender Marktimpulse das Aus droht, aber das Know-how und Interesse von Forschungsinstituten und Firmen derzeit noch vorhanden ist.
Nach Abschluß dieser Phase wird sich zeigen, welche Produktlinien bis hin zum verkaufsfähigen Produkt realisiert werden können. Um diese Produkte dann auch wirklich am Markt einzuführen, ist die Ausarbeitung von Strategien zur Erschließung des Marktes erforderlich. Diese basieren vor allem auf den Ergebnissen der vorangegangenen Marktanalysen in Verbindung mit der konkreten Produktentwicklung.
Nach erfolgreicher Umsetzung steht der letzte Schritt an, die Konzeptionierung eines deutschen Hanfanbau- und -nutzungsprogramms.
Es steht außer Frage, daß ein solches systematisches Vorgehen nur mit Fördermitteln realisierbar ist.
Die Unternehmen werden jedoch nicht warten, bis die Anbauverbote aufgehoben und eine solche Forschungspolitik verabschiedet ist. Sie werden vielmehr – zunächst auf Basis importierter Hanfrohstoffe – einzelne Produktlinien, für die sie ein Marktpotential sehen, entwickeln. Um diesen Prozeß wissenschaftlich und technologisch zu unterstützen, haben sich eine Reihe von Unternehmen in der Hanfgesellschaft zusammengeschlossen. Über einen Förderverein sollen Geldmittel akquiriert und unabhängig von staatlichen Mitteln der Forschung zur Verfügung gestellt werden. Neben dem geplanten Aufbau eines wissenschaftlichen Hanfarchivs sind für 1994 und 1995 Produktmessen und Fachsymposia vorgesehen, die Forschung, Agrarwirt-schaft, verarbeitende Industrie und Marketingfirmen an einen Tisch bringen sollen. Synergetische Effekte bei der Wiedereingliederung von Hanf in den Wirtschaftskreislauf sind nur auf diese Weise auszulösen. Einer der inhaltlichen Schwerpunkte wird der Wissens- und Technologietransfer zwischen West- und Osteuropa sein.
Schlußbemerkung
Landwirtschaft und Industrie haben in den 80er Jahren die nachwachsenden Rohstoffe wiederentdeckt. Dabei haben sie eine der vielversprechendsten Nutzpflanzen unserer Breiten vergessen, den Hanf. Wegen der vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten, wegen des großen Interesses bei Landwirtschaft und Industrie sowie der starken, die Nachfrage nach Hanfprodukten stimulierende Aufmerksamkeit, die diese verbotene und vieldiskutierte Pflanze heute in einem Klima allgemeiner ökologischer Sensibilisierung findet, ist die Chance äußerst günstig, daß der nachwachsende Rohstoff Hanf relativ schnell in den Wirtschaftskreislauf zu integrieren sein wird.
Diese Chance sollte durch politische Schritte unterstützt werden. Wir sollten sie nützen!