Mancher Schad ist nicht zu heilen durch die Kräuter aller Welt: Hanf hat viel verzweifelt Böses gut gemacht und abgestellt. Friedrich Freiherr von Logau (1604–1655), Sinngedichte, hg. v. Gotthold Ephraim Lessing, zit. in: Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Artikel Hanf

Nachwort zur Neuauflage 2008

Als ich vor 15 Jahren die Arbeit an diesem Buch abgeschlossen hatte und das erste Vorwort dafür schrieb, war nicht abzusehen, dass es 40 Auflagen erleben sollte. Unter dem Stichwort »Hanf« war in den Buchläden 1993 kein einziges Buch mehr zu finden. Hans Georg Behrs »Von Hanf ist die Rede«, in dem es allerdings fast ausschliesslich um Haschisch ging, war vergriffen und ansonsten kam die universellste Nutzpflanze der Menschheit einfach nicht mehr vor. Dies hat sich seitdem nachhaltig geändert. Heute weiss (fast) wieder jedes Kind, dass Hanf ein nachwachsender Rohstoff ist, zahlreiche Bücher darüber sind erhältlich, Wissenschaft und Forschung haben sich des Themas wieder angenommen, seit 1996 ist die Nutzpflanze Hanf auch wieder auf deutsche Felder zurückgekehrt und die Pharmakologie hat (wieder-) entdeckt, dass Hanf einzigartige Medikamente liefert. Insofern ist die Behauptung nicht zu hoch gegriffen, dass dieses Buch Geschichte gemacht hat.

Ausgehend von einem Flugblatt, das Jack Herer Anfang der 1980er Jahre verfasste, über eine Broschüre, eine im Selbstverlag editierte erste Buchfassung, bis zu dieser stark erweiterten deutschen Ausgabe, ist »The Emperor Wears No Clothes« – so der Titel der amerikanischen Ausgabe – mittlerweile in dutzende Sprachen übersetzt und millionenfach gelesen worden. Dass der Kaiser gar nichts anhat, dass eine Prohibition der Hanfpflanze ungerechtfertigt ist, dass ihre Ursprünge nicht im Jugend- und Gesundheitsschutz, sondern in industriepolitischen, rassistischen und autoritären Motiven lagen, dass der Fortbestand der Prohibition seit nunmehr über 70 Jahren nicht einer schadensmindernden Gesundheitsvorsorge dient, sondern nur der Aufblähung der Polizei-und Kontrollbürokratie, – und dass eine Abkehr von der in jeder Hinsicht kontraproduktiven und überholten Hanf-Prohibition nicht nur eine erfolgreichere Drogenpolitik verspricht, sondern auch einen Segen für die Umwelt und das globale Klima – all dies darf seit dem Erscheinen dieses Buchs wieder als bekannt vorausgesetzt werden.

Doch hat dieses wiederentdeckte Wissen um den Hanf und seine Bedeutung als nachwachsender Rohstoff, unverzichtbare Heilpflanze und – im Vergleich zu anderen legalen und illegalen Substanzen – eher harmloser Entspannungsdroge nicht zu einer neuen Praxis im Umgang mit Cannabis geführt. Im Gegenteil: 1998 wurde von der rot-grünen Bundesregierung der Verkauf von Hanfsamen unter Strafe gestellt, womit die Partei der »Grünen« ihre eigenen Wurzeln ebenso verriet wie kurz darauf mit ihrem »Hurrah« zum Balkan-Einsatz der Bundeswehr. Das Bundesamt für Gesundheit, das bis zum Erscheinen dieses Buchs der Propaganda-Parole vom »geringen medizinischen Nutzen« der Hanfpflanze aufgesessen war, hat zwar mittlerweile den Cannabis-Wirk-stoff Tetrahydrocannabinol (THC) als Arzneimittel (»Drona-binol«) wieder zugelassen, Patienten können es aber nur in teurer, synthetischer Form beziehen und nicht in Form preiswerter natürlicher Hanfblüten. Schwerkranke Menschen mussten bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, um ihr Heilkraut, das sie im Garten oder auf dem Balkon anbauen wollten, vor Polizei und Justiz zu schützen.

Webadressen

Michael Karus, Ko-Autor der Katalyse-Studie in diesem Buch, ist mit dem Nova-Institut einer der führenden europäischen Experten auf dem Gebiet Hanf und nachwachsende Rohstoffe: www.nova-institut.de

Über 50000 Strafverfahren werden pro Jahr in der Bundesrepublik wegen nichts als Hanf geführt, meist wegen geringer Mengen und ohne dass damit dem Konsum irgendwie Einhalt geboten wird – weder dem von Cannabis, noch dem von anderen illegalen Drogen. Eine europaweite Untersuchung erbrachte 2004, dass Länder mit einer liberalen Cannabispolitik – wie etwa die Niederlande oder die Schweiz – deutlich weniger Konsumenten und Probleme mit »harten« Drogen wie Heroin haben, als Länder mit repressiven Hanfgesetzen, wie etwa England. Dennoch geistert das uralte Schauermärchen von der »Einstiegsdroge« Cannabis nach wie vor durch die Papiere und Podiumsbeiträge sogenannter »Experten«, neuerdings auch in Verkleidung einer modernen Legende, dass nämlich das gute alte Gras der Hippiezeit nicht vergleichbar sei mit dem neuen super-gefährlichen »Turbo-Gras«.

Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (acmed) ist die erste Anlauf- und Informationsadresse zu medizinischen Fragen: www.acmed.org

Der »Hanfverband« bietet sehr gute Informationen und aktuelle Nachrichten zur politischen Debatte um die Entkriminalisierung und Legalisierung des Hanfs: www.hanfverband.de

Die Homepage von Jack Herer, des Mannes, mit dem alles begann und dessen erstes Flugblatt sich zum Flyer, zur Broschüre, zum fotokopierten Reader und schließlich zu diesem Buch auswuchs: www.iackherer.com

Daran ist richtig, dass in den vergangenen Jahrzehnten Hanfblüten gezüchtet worden sind, deren THC-Gehalt bis zu 20% betragen kann, während er bei normalem, nicht in Treibhäusern und unter Kunstlicht gewachsenem Marihuana oder Haschisch durchschnittlich 5-8% beträgt. Daraus aber nun ein Argument für den Zufluss weiterer Mittel in die Verschärfung der Prohibition zu ziehen – und genau dies tun die Warner und vorgeblichen Gutmenschen mit dem Schreckgespenst »Turbo-Gras« – ist unehrlich, denn eine weitere europaweite Untersuchung hat erbracht, dass diese starken Hanfsorten auf dem Markt so gut wie keine Rolle spielen – weniger als 5% der von der Polizei beschlagnahmten Mengen weisen einen derart erhöhten Wirkstoffgehalt auf.

Ein ausführliches Interview mit Jack Herer und mehr zum Thema Hanf auch auf meiner Homepage: www.broeckers.com

Eine umfangreiche Studie britischer Universitäten, die im April 2007 in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift »The Lancet« erschien und die Gefährlichkeit von Drogen untersucht hat, stufte Cannabis auf Platz 11 der Liste ein, weit hinter illegalen Drogen wie Heroin und Kokain, die Platz eins und zwei belegen, und deutlich hinter Alkohol (5) und Tabak (9). Dennoch sorgt die Jagd nach Hanf, was die Mengen an Beschlagnahmungen, Festnahmen, Strafverfahren und Gefängnisjahren betrifft, für den grössten Anteil der »Erfolge« im Anti-Drogen-Krieg – und sichert so Jahr für Jahr steigende Budgets für Polizei-, »Sicherheits-«, und Zollbehörden. Die Abschaffung der Alkohol-Prohibition in den USA sorgte durch den Überhang von Kontrollbeamten in den 1930er Jahren für den bürokratischen Druck, einen neuen Sündenbock zu finden und beschleunigte die Geburt des »Mörderkrauts« Hanf – doch bis heute haben diese Behörden offenbar einfach nichts Besseres zu tun, als Kiffer und Hanfgärtner zu jagen. In den Vereinigten Staaten, wo die Hanf-Prohibition einst ihren Anfang nahm, hat sie mit der Privatisierung des Gefängniswesens mittlerweile auch einen grotesken Höhepunkt erreicht. Da ein Grossteil der Insassen von US-Gefängnissen wegen Drogenvergehen eingesperrt ist, und ein grosser Teil dieser »Drogentäter« wiederum wegen nichts anderem als Hanf, würden die börsennotierten »correction companies« bei einer Abschaffung der Prohibition einen Großteil ihrer Arbeitskräfte verlieren, die für einen Dollar die Stunde Knastarbeit verrichten. Deshalb, so berichtete mir Jack Herer, gehört zu den grössten Wahlkampfspendern für beide Parteien seit einigen Jahren stets die »Association Of Prisonguards«, die Lobbyisten der Gefängnisindustrie.

Die Antwort auf die Frage, warum die in diesem Buch gesammelten Informationen über die wichtigste Nutzpflanze dieses Planeten noch nicht tiefer in das allgemeine Bewusst-sein eingedrungen sind und die Renaissance des Hanfs in der landwirtschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Praxis auch nach 15 Jahren noch immer auf sich warten lässt, liegt nach diesem letzten Beispiel auf der Hand: die Prohibition ist einfach ein zu gutes Geschäft. Und sie hat mit den »Hanfsklaven«, die zu Hunderttausenden in US-Gefängnissen schmachten, einen neuen Geschäftszweig entwickelt, der auch in Zukunft wachsende Profite verspricht. Zudem fürchtet auch die Grossindustrie nach wie vor die grüne Konkurrenz des Hanfs, denn wer will sich schon den Milliardenmarkt für Antidepressiva von einer spottbilligen Balkonpflanze ruinieren lassen, oder das Megageschäft von Kahlschlag und Holzpapier, oder von Pestizidverkauf und Baumwollanbau?

»Klimaschutz« ist mittlerweile ein Thema des Mainstreams geworden, doch der beste Lieferant grüner Energie auf diesem Planeten – Hanf – bleibt in dieser Debatte aussen vor. Stattdessen wird das Horrorszenario von drohenden Hungersnöten ausgemalt, wenn künftig verstärkt nachwachsende Rohstoffe zur Energiegewinnung angebaut werden. Richtig sind diese Warnungen allerdings nur, wenn Regenwälder für Zuckerrohrplantagen gerodet oder Pflanzen wie Mais oder Raps zur Energiegewinnung benutzt werden – und die Königin der Nutzpflanzen – Cannabis sativa – weiterhin der Prohibition und der Ignoranz zum Opfer fällt. Aus diesem Grund ist dieses Buch heute vielleicht noch wichtiger als bei seinem ersten Erscheinen vor 15 Jahren.

Es gibt mehr denn je zu tun – pflanzen wir's an!

Berlin, 23. Juli 2008

Mathias Bröckers