Die Privatrechtsgesellschaft ist nicht Hauptinhalt dieses Buches, aber da es dazu kaum deutschsprachige Literatur gibt, will ich an zwei besonders schwierigen Fragestellungen erläutern, wie sie in der Praxis funktionieren könnte.
Oft hört man das Gegenargument: Das hört sich ja in der Theorie wunderbar an, aber das ist total unrealistisch und in der Praxis nicht umsetzbar. Zunächst einmal: Eine Theorie, die sich in der Praxis nicht umsetzen lässt, ist falsch. Wenn die Theorie über die Schwerkraft besagt, dass ein Kugelschreiber nach unten fällt, wenn ich ihn loslasse, dann fällt er nach unten. Der Kugelschreiber folgt den Gesetzen der Natur, unabhängig davon, ob der Kugelschreiber oder Sie oder ich die Gesetze kennen.
Der Libertarismus akzeptiert die Natur des Menschen so, wie sie ist. Dafür benötigt man nur eine einzige Grundannahme (Axiom): Der Mensch handelt, um Ziele zu erreichen. Es ist für einen Menschen, der wach ist, nicht möglich, nicht zu handeln. Selbst wenn er nur so daliegt, ist dies eine bewusste Entscheidung. Auch wenn Sie versuchen, mich zu überzeugen, dass das nicht stimmt, handeln Sie. Sie können diesem Naturgesetz nicht entfliehen.
Eine Theorie, die dieses Naturgesetz leugnet, ist falsch. Menschen handeln, um Ziele zu erreichen, die ihnen subjektiv als vorteilhaft erscheinen. Selbst ein Masochist, der sich selbst verletzt, schätzt den »Genuss« des Schmerzes subjektiv höher ein als den Schaden, den er von der Verletzung davonträgt. Die einzige Person, die Ihre Bedürfnisse kennt, sind Sie selbst. Daher ist jeder Versuch, Ihnen andere Bedürfnisse vorzuschreiben, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Jede Theorie, die darauf beruht, dass jemand anders Ihre Bedürfnisse besser kennt als Sie selbst, ist daher falsch.
Das bedeutet, dass praktisch alle Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle, die derzeit an den Universitäten gelehrt werden, falsch sind. Nur der Libertarismus berücksichtigt die Natur des Menschen, aber er wird an kaum einer staatlichen Bildungseinrichtung gelehrt oder gar vom politisch-medialen Komplex verbreitet. Kurioserweise führt das also dazu, dass der größte Vorwurf, der dem Libertarismus gemacht wird, auf alle anderen Theorien zutrifft, nur nicht auf den Libertarismus.
Alleine daran können Sie schon erkennen, wie sehr der Staat schon in unser Leben eingreift. Er nimmt uns nicht nur unsere Freiheit und die Früchte unserer Arbeit, sondern er zerstört systematisch unsere Fähigkeit, selbstständig zu denken. Die eigentliche Aufgabe des Staates ist also »Mind Control«, Gehirnwäsche. Die Techniken dazu hat der Staat inzwischen stark verbessert, gar nicht so sehr als bewusste Strategie, sondern durch »Trial and Error«, Versuch und Irrtum. Geschickte Politiker merken sehr schnell, welchen Bären sie den Menschen aufbinden müssen, damit sie brave Sklaven bleiben. Ausführlicher können Sie die Gehirnwäschetechniken in meinem Buch Das Kapitalismus-Komplott nachlesen.
In Wirklichkeit sind die Grundlagen einer Privatrechtsgesellschaft sehr einfach zu verstehen: Monopole sind immer schlecht. Wenn sich die Menschen freiwillig für eine Leistung entscheiden können, wird diese besser sein, als wenn es keinen Wettbewerb gibt. Der Staat erzeugt Konflikte, der Markt löst Konflikte. Der Staat ist ein Problemverursacher, der Markt ist ein Problemlöser. Gibt es für ein Problem eine Lösung, findet der Markt sie. Gibt es keine, findet sie der Monopolist erst recht nicht. Der von Hans-Hermann Hoppe für eine solche Gesellschaft verwendete Begriff »Privatrechtsgesellschaft« gefällt mir aus folgendem Grund sehr gut. Zwar ist er sperriger als die Begriffe »Libertarismus«, »Anarchie« oder »Voluntarismus«, aber er räumt schon begrifflich mit einem Vorurteil auf, das sich Anhänger dieser Philosophie oft anhören müssen: dass eine herrschaftsfreie Gesellschaft eine chaotische, unsichere oder rechtlose sein würde. Das genaue Gegenteil ist der Fall.
Eines muss ich vorausschicken: Die Ideen, die ich im Folgenden skizziere, stellen unter Garantie nicht die beste Lösung dar. Sie entspringen nur einem einzigem Gehirn. In einer freien Marktwirtschaft konkurrieren aber Hunderttausende von Unternehmen um die beste Lösung. Niemand konnte vorhersagen, dass Amazon, Google, Ebay oder Facebook das Rennen machen werden. Es gab unzählige Wettbewerber. Zunächst sah es so aus, als ob Yahoo und MySpace vorne liegen, jetzt sind es aber Google und Facebook. Nokia war Marktführer bei Handys, jetzt ist es Apple und morgen vielleicht Birne Incorporated. Das alles kann Ihnen als Kunde egal sein. Der Beste setzt sich durch. Genauso wird es bei den Anbietern von Recht und Ordnung sein. Eines können wir mit Sicherheit vorhersagen: Private Unternehmen werden ihre Kunden sicher nicht wie potenzielle Kriminelle behandeln, wie es jetzt in zunehmendem Maße der Staat tut. Ein solches Unternehmen würde sich keine Sekunde am Markt halten. Sie könnten jederzeit den Anbieter wechseln und die Bezahlung wird nicht wie die Steuern mit Gewalt eingetrieben.
Was Staatsjünger gern übersehen, ist, dass Sicherheit (auch soziale), Recht und Ordnung ein Grundbedürfnis der Menschen sind. Also wird es auch Anbieter geben, die diese Bedürfnisse befriedigen. Je wichtiger ein Bedürfnis, umso mehr wird in diesem Bereich investiert, geforscht und nach den besten Lösungen gesucht. Der Staat argumentiert in einer orwellschen Verdrehung der Tatsachen genau umgekehrt: Sicherheit, Geld, Bildung und Gesundheit wären so wichtig, dass sich der Staat darum kümmern müsse.
Schauen Sie sich diese Bereiche einfach einmal an. Wo gibt es die größten Probleme? Justiz, Bildung, Gesundheit, Finanzwesen. Was haben alle diese Bereiche gemeinsam? Planwirtschaft! Diese Branchen sind entweder direkt staatlich oder hoch reguliert. Im Finanzwesen gibt es sogar ein Monopol auf die Herstellung von Geld. Dabei legt der Staat über die Zentralbanken sowohl die Menge (über die Mindestreservesätze) als auch den Preis (Zins) des Gutes fest. Gibt es irgendeine Mangelversorgung bei Möbeln, Handys, Lebensmitteln, Autos oder Gummibärchen? Nein! Dagegen gibt es zu wenige Lehrer, unzureichende Bildung (PISA), Ärztemangel, Schlangen im Wartezimmer, unendlich lange Gerichtsprozesse, die von Richtern geführt werden, auf deren Schreibtischen sich die Fälle stapeln, Justizskandale am Fließband ohne jegliche Konsequenzen und schließlich unglaublich schlechtes Geld, das immer weniger wert wird, und eine ausufernde Verschuldung in eben diesem Geld. Das Monopol auf Recht führt zu einem Mangel an Recht. Recht ist Mangelware heutzutage. Wer wollte das bestreiten? Die USA starteten mit der freiheitlichsten Verfassung in der Geschichte der Menschheit. Nur die Rechtsprechung wurde monopolisiert. Was haben wir heute? Einen Polizeistaat, der nicht nur die eigenen Bürger ausspioniert, sondern die ganze Welt. Ein schlagenderer empirischer Beweis für die Theorie, dass Monopole immer zur Mangelversorgung führen, ist kaum denkbar.
In Wahrheit ist es genau andersherum: Je wichtiger ein Gut ist, desto wichtiger ist es, dass niemand ein Monopol auf dessen Herstellung hat. Ob der Gummibärchenmarkt reguliert oder monopolisiert wird, ist relativ unwichtig. Dann gibt es eben bald keine Gummibärchen mehr oder welche aus Reifengummi. Aber ausgerechnet die mit großem Abstand wichtigste Leistung, nämlich Sicherheit, also Schutz von Leben und Eigentum, wird von einem Monopolisten bereitgestellt. Damit ist auch eines der häufigsten Argumente gegen den Libertarismus ausgeräumt: Der Staat wäre nötig, weil es böse Menschen gäbe. Doch gerade weil es böse Menschen gibt, darf keinem von ihnen ein Monopol übertragen werden. Bevölkerten nur Klone von Mutter Teresa die Erde, bräuchte es überhaupt keine Regeln.8
Zur praktischen Umsetzung einer staatenlosen Gesellschaft gibt es inzwischen einige Literatur, zumeist aber auf Englisch.9 Ich gehe auf meinem Blog oliverjanich.de und in Youtube-Videos auf dieses Thema ein und werde dies noch verstärkt tun.
Wie sähe also eine reine Privatrechtsgesellschaft aus? Ganz einfach, es existierte kein Monopol auf Rechtsprechung. Diese Aufgabe würden private Schlichtungsagenturen übernehmen. In letzter Zeit hat sich dafür der Begriff »Dispute Resolution Organisation«, DRO, also Streitschlichtungsorganisation, durchgesetzt.10
Wenn zwei Parteien also uneinig sind, wenden sie sich an einen Schlichter. Das müssen sie in aller Regel nicht selber tun, sondern darum kümmert sich ihre Versicherung. Diese kontaktiert zunächst den Versicherer des Kontrahenten. Die Mehrzahl der Angelegenheiten, wie Unfälle oder Gewährleistungsfälle beim Kauf von Waren, ist reiner Standard und kann zwischen den Versicherern geklärt werden. Erst wenn man sich uneins ist, wählen die Versicherer einen Schlichter. Jeder Versicherer verfügt über ein Portfolio von Schlichtern, denen er vertraut. Versicherer, die sich notorisch weigern würden, sich auf einen Schlichter zu einigen, verlören sofort alle Kunden.
Der große Vorteil: Schlichter, die schlechte Arbeit abliefern, würden sofort vom Markt verschwinden. Oft wird eingewendet, man könne den Schlichter bestechen. Aber genau darauf wird das Schlichtungsunternehmen achten: Korruption effektiv zu bekämpfen. Korrupte »Richter« würden sofort entlassen und bestraft, sonst verlöre das Unternehmen alle Kunden. Das Gegenteil ist der Fall beim Staat. Der ist immer da und kann nicht ausgewechselt werden. Korruptionsfälle werden unter den Teppich gekehrt.
Noch wichtiger aber: Die Qualität der Rechtsprechung würde drastisch steigen. Die Anzahl der Justizskandale in unserem heutigen System ist Legion und die Dunkelziffer noch viel höher. Nehmen wir nur einen besonders prominenten Fall, den von Jörg Kachelmann. Der Mann ist mir nicht besonders sympathisch, aber was ihm angetan wurde, spottet jeder Beschreibung. Sehr schnell war klar, dass sich das angebliche Vergewaltigungsopfer den Brief, der auf Kachelmanns Geliebte hinwies und weswegen sie ihn am »Tatabend« angeblich zur Rede stellte, selbst geschickt hatte. Am angeblichen Tatmesser befanden sich keinerlei DNA-Spuren von Kachelmann. Trotzdem saß der Mann monatelang in Untersuchungshaft und wurde sogar angeklagt. Sein Ruf ist trotz Freispruch für immer ruiniert. Ein Staatsanwalt oder Richter eines privaten Unternehmens wäre sofort entlassen worden. Der Staat ist aber immer noch da und der Richter, der die Klage gar nicht hätte zulassen dürfen, richtet fröhlich weiter und kann dereinst im Ruhestand eine üppige, aus Steuergeldern bezahlte Pension verzehren. Private Unternehmen würden Richter, deren Urteile von der nächsthöheren Instanz (die es selbstverständlich auch in einer Privatrechtsgesellschaft gäbe, wiederum freiwillig gewählt) zu oft kassiert würden, einfach entlassen. Es gäbe natürlich auch keinen staatlichen Kündigungsschutz (nur individuell ausgehandelten). Der beste Kündigungsschutz ist ohnehin die eigene Leistungsbereitschaft.
Der Fall Kachelmann ist besonders prominent, aber Ähnliches spielt sich jeden Tag hundertfach ab. Ich weiß ein Liedchen davon zu singen. Im Prinzip können Sie mit jedem reden, der schon einmal mit der Justiz zu tun hatte, insbesondere mit dem Finanzamt, das sogar gleich Richter in eigener Sache ist und einfach vollstrecken kann. So etwas wäre undenkbar in einer wettbewerblichen Rechtsordnung. Natürlich können Fehlurteile nie ganz ausgeschlossen werden. Durch Wettbewerb und Haftung wird deren Anzahl aber minimiert. Außerdem wären private Versicherer viel mehr an einem Ersatz des Schadens interessiert. Heutzutage ist das Opfer eines Verbrechens keinen Pfifferling wert.
Aber wären reiche Menschen und mächtige Unternehmen nicht im Vorteil? Nein, denn die Versicherer sind auf die Masse der Kunden angewiesen. Niemand kann von ein paar reichen Kunden leben. Unternehmen, die nur Reiche bedienen – wie Hersteller von Jachten – sind mittelständische Unternehmen, deren Verhalten volkswirtschaftlich völlig uninteressant ist. Der Versicherer aber vertritt die Interessen von Millionen Menschen. Wenn ruchbar würde, dass er ständig gegen große Unternehmen Fälle verliert, wäre er ebenfalls vom Markt.
Wichtig ist auch, dass Sie Versicherer, die in einem wirklich freien Markt agieren, nicht mit den heutigen Versicherern vergleichen können. Sie sind durchreguliert von Anfang bis Ende. Die hoch komplizierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) verdanken wir beispielsweise der Tatsache, dass der Staat aus politischen Gründen immer wieder Kunden recht gibt und die Versicherer daher ihre AGBs immer kundenunfreundlicher fassen müssen, um vor Gericht Bestand zu haben. Beispielsweise muss man heutzutage bei einer Bank zig Papiere unterschreiben und wird sogar zwangsberaten, wenn man spekulative Aktien oder Terminkontrakte kauft. Selbst mein Hinweis, dass ich ein Buch über Termingeschäfte geschrieben habe, genügte meiner Bank nicht, als ich einmal telefonisch einen Optionsschein kaufen wollte. Viele Kunden wälzen die Verantwortung für ihren Börsenverlust einfach auf die Bank ab. Dabei weiß jeder, dass man mit einer höheren Renditechance auch ein höheres Risiko in Kauf nimmt. Trotzdem gaben staatliche Gerichte den Kunden recht – mit der Folge, dass die Banken immer mehr Beweise vom Kunden verlangen, dass er sich auch auskennt.
In einer freien Marktwirtschaft würden Unternehmen darauf achten, möglichst wenige Regeln zu haben. Es gäbe auch Testunternehmen, ähnlich wie Stiftung Warentest, die Urteile abgeben, ob Verträge zu kompliziert sind. Die Versicherungsgruppe Ergo versucht zum Beispiel bereits jetzt, diesen Weg zu gehen, aber kann dies natürlich nur im Rahmen der staatlichen Rechtsprechung tun und nimmt dafür vermutlich Risiken in Kauf, die sie in die Prämien miteinrechnet.
Was aber ist mit Verbrechen wie Diebstahl oder Mord, wo es gar keine Vertragsbeziehung gibt? Ganz einfach: Bestreitet der Täter die Tat, wendet er sich ganz normal an seine Versicherung und die an einen Schlichter. Ein echter Mörder, der auf frischer Tat ertappt wird und vielleicht gar keine Versicherung hat, müsste im Zweifel das Urteil der Versicherung akzeptieren. Es gäbe ja niemanden, der ihn verteidigt. In der Praxis wird aber niemand daran interessiert sein, dass es ständig zu Selbstjustiz kommt, und auch solche Personen würden an neutrale Gerichte übergeben.
Das Opfer eines Diebstahls wiederum wendet sich an seine Versicherung und die beauftragt eine Detektivagentur (im gar nicht so wilden Westen war dies zum Beispiel die Agentur Pinkerton) damit, den Dieb und die Beute ausfindig zu machen. Sie hätte auch das Recht, ihn zu »verhaften«, also festzuhalten. Die Detektei müsste sich aber ebenso wie jeder Privatbürger dafür verantworten, wenn sie den potenziellen Dieb zu Unrecht der Freiheit beraubt, und Schadensersatz leisten. Jeder Bürger besäße dieselben Rechte und Pflichten. Es gäbe keine Personengruppe, die stehlen, entführen und rauben darf, so wie jetzt die Beamten des Staates. Jeder wäre für seine Handlungen verantwortlich. Es liegt auf der Hand, dass das Verantwortungsbewusstsein in so einer Gesellschaft weit höher wäre. Konflikte würden nicht geschürt, sondern gewohnheitsmäßig vermieden. Es wäre keine perfekte Welt, aber mit Sicherheit eine friedlichere, verantwortungsvollere und menschlichere. Da ein privates Sicherheitssystem weitaus effizienter wäre, würden sich selbst bösartige Menschen mit Straftaten zurückhalten, ganz einfach, weil das Risiko, erwischt zu werden, extrem steigt.
Nach der Kriminalstatistik für das Jahr 2011 werden 87 Prozent der Wohnungseinbrüche in Deutschland nicht aufgeklärt.11 Das ist eine ziemlich gute Annäherung daran, wie viele Verbrechen insgesamt nicht aufgeklärt werden. Die offizielle Statistik besagt zwar, dass 55 Prozent aller Straftaten aufgeklärt werden. Die Gesamtstatistik enthält aber auch Steuerdelikte, die selbstverständlich besonders akribisch verfolgt werden und eigentlich gar keine Verbrechen sind, sondern Notwehr. Außerdem rühmt sich der Staat einer sehr hohen Aufklärungsquote bei Mord. Dies liegt schlicht daran, dass Morde, die erfolgreich als Selbstmord, Unfall oder Tod aufgrund einer Erkrankung getarnt werden, gar nicht in der Statistik auftauchen, wenn sie unter diesen Ursachen abgelegt werden. Daher dürfte die Dunkelziffer dort hoch sein. Bei Wohnungseinbrüchen gibt es diese Möglichkeit der »statistischen Bereinigung« schlicht nicht.
Aber was ist mit einem Alleinstehenden ohne Familie und ohne Freunde, der Opfer eines Mordes wird? Würde sich die Versicherung auch um ihn kümmern, obwohl sich niemand mehr beschweren würde? Ja, denn wenn ruchbar wird, dass eine Versicherung solche Fälle nicht aufklärt, verliert sie alle Kunden. Im Gegenteil, die Kunden würden zu der Versicherung strömen, die eine besonders hohe Aufklärungsquote bei schweren Verbrechen vorweisen kann. Ich bin auch ganz sicher, dass Delikte wie Körperverletzung, Vergewaltigung, Kindesmissbrauch oder Mord im Vergleich zu Eigentumsdelikten viel härter bestraft würden, als das heute der Fall ist. Geld kann man ersetzen, das körperliche und seelische Leid lässt sich viel schwerer lindern. Unser heutiges Gesetz stammt zum Großteil noch aus Zeiten, in denen Gewalttaten und Duelle üblich waren. In Relation zu ihrer Schwere und ihren möglichen Folgen werden körperliche Straftaten gegenüber Eigentumsdelikten, vor allem Steuerhinterziehung, heute noch viel zu ungenügend geahndet. Ein Blick in die Zeitung reicht zum Beleg dieser These. Generell gilt: Eine Privatrechtsordnung wäre so gestaltet, dass die tatsächlichen Schäden aus einem Verbrechen, auch das Risiko, ihnen zum Opfer zu fallen, minimiert würden.
Was ist mit Menschen, die sich keine Versicherung leisten können? Wie wir noch sehen werden, könnte sich jeder eine leisten, aber selbst wenn jemand freiwillig auf eine Versicherung verzichtet, wäre das unproblematisch, solange man kein Verbrecher ist. Bei einfachen Einkäufen wie im Lebensmittelladen oder Kiosk wird niemand darauf bestehen, dass Sie versichert sind. Ein Kioskbesitzer wird kaum davor Angst haben, dass Sie ihn verklagen, wenn die Mädels im Playboy nicht die richtigen Maße haben.
Bei höherwertigen Gütern wie Autos oder Immobilien kann es durchaus sein, dass der Verkäufer darauf besteht, dass Sie eine ordentliche Versicherung haben. Letztlich will aber auch er verkaufen, und wenn Sie keine Versicherung haben, hat er ohnehin die besseren Karten. Ihre eigene Position ist schlecht, aber wenn es zum Streit kommt, können Sie sich auch selbst verteidigen. Sie bräuchten keine »Zulassung«. Sie tragen dem Schlichter einfach selbst Ihren Fall vor. In unserer heutigen durchregulierten Welt geht es allerdings nicht ohne einen versierten Anwalt, um recht zu bekommen. In Wirklichkeit ist die Welt aber nicht so komplex, wie uns Tausende von Gesetzen suggerieren. Diebstahl ist Diebstahl. Wenn Ihr Nachbar Sie beschuldigt, einen Apfel von seinem Baum gestohlen zu haben, muss er das beweisen. Dafür müssen Sie keine Paragrafen kennen.
Es wird sich aber jeder eine Versicherung nach seinen Bedürfnissen leisten können. Erstens verdient jeder mindestens das Dreifache, zweitens wären die Kosten aufgrund von Wettbewerb geringer. Heute gibt der Staat pro Bürger und Monat etwa 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für innere Sicherheit aus, also für Justiz, Polizei und Feuerwehr. Das sind 50 Euro pro Monat und Bürger. Im Wettbewerb würde bei gleicher Leistung dieser Satz sogar sinken. Manche, vor allem Reichere, die auch ein höheres Schutzbedürfnis haben, würden mehr ausgeben (wie heute auch, zum Beispiel für Alarmanlagen), Ärmere weniger, aber sie haben auch weniger zu schützen.
Nur um Ihnen einmal ein Beispiel zu geben: Im doch recht übersichtlichen Stadtteil Schwabing in München wohnen 100.000 Menschen. Wenn jeder von ihnen 10 Euro monatlich für ein Sicherheitsunternehmen ausgibt, stünde eine Million Euro pro Monat zur Verfügung. Würde man den Sicherheitsleuten ein Gehalt von 2500 Euro für eine Tätigkeit zahlen, für die sie kein Studium benötigen und das sie brutto für netto bekämen, könnte man 400 Sicherheitsleute beschäftigen, die abwechselnd rund um die Uhr patroullieren. Heute sieht man in Schwabing, wo ich wohne, kaum mal einen Polizisten, außer er stellt Strafzettel fürs Falschparken aus, statt Verbrecher zu jagen.
Das ist ein Vielfaches dessen, was heute für Ihre Sicherheit getan wird. Sie können also gern das Gehalt verdoppeln oder die Anzahl der Polizisten halbieren. Wenn dann auf jeden »Polizisten« noch ein »Justizmitarbeiter«, also die Anwälte und Schlichter kämen, was viel zu pessimistisch gerechnet ist, sind Sie immer noch bei 10 Euro. Das ist nichts. Daran sehen Sie schon, wie unglaublich ineffizient der Staat arbeitet. Unsere Justiz beschäftigt sich überwiegend gar nicht mit dem Schutz von Bürgern, sondern deren Verfolgung und Überwachung.
Die meisten »Straftaten«, die heute geahndet werden, wären in einer Privatrechtsgesellschaft gar keine. Nicht Steuerhinterziehung, sondern das Eintreiben von Schutzgeldern mit Gewalt wäre ein Verbrechen. Kiffen, Zocken, Huren wären keine Verbrechen, weil niemand Sie anzeigen würde. Es gibt gar kein Opfer. Es sei denn, das Gras ist schlecht. Ein klarer Fall für Schlichter, nicht für Fahnder!
Die angeblich so freien USA haben gleichzeitig die härtesten Drogengesetze in der westlichen Welt und die höchste Rate an Gefängnisinsassen auf dem Planeten, noch vor China. Von etwa zwei Millionen Insassen sitzt fast die Hälfte wegen Drogendelikten, die Beschaffungskriminalität nicht eingerechnet. Die Anzahl der Drogendelikte hat sich in 15 Jahren verzehnfacht.12 Offenbar wurde mit den harten Gesetzen genau das Gegenteil der angeblichen Intention erreicht. Nach einer Harvard-Studie von 2008 würden die Steuerzahler bei einer Legalisierung von Drogen jährlich 77 Milliarden Dollar Steuern sparen.13
Ich weiß, Drogen sind ein heikles Thema, das ich hier nicht erschöpfend behandeln kann. Aber auf die Frage nach der Legalisierung würde ich inzwischen wie Ron Paul im Präsidentschaftswahlkampf antworten: »Ich bin gegen Drogen. Aber wenn Heroin legal wäre, würden Sie es nehmen?« Er bekam dabei Szenenapplaus von stockkonservativen Republikanern – in Deutschland undenkbar. Ich will aber schon daran erinnern, dass eine libertäre Gesellschaft eine verantwortlichere wäre, weil es mehr soziale Einrichtungen gäbe, die sich um Süchtige kümmern (weil viel mehr Geld da ist), und der staatliche Kampf gegen Drogen ganz offensichtlich sein Ziel verfehlt.
Wer hinter die Kulissen blickt, erkennt außerdem, dass die DEA (Drug Enforcement Agency) hautsächlich dazu dient, private Konkurrenz auszuschalten, da der Staat selbst, namentlich der Geheimdienst CIA, zu den größten Drogenschmugglern auf diesem Planeten gehört, wie Sie unter anderem den Büchern und Artikeln von Pulitzer-Preisträger Gary Webb entnehmen können. Er soll sich 2004 selbst umgebracht haben; mit zwei Schüssen in den Kopf – was für ein effizientes Rechtssystem!14
Fliegt aus Versehen mal ein staatlicher Drogendealer auf, heißt es, das war ein versteckter Ermittler. Er sieht in der Regel nicht mal einen Gerichtssaal, ähnlich wie der deutsche Verfassungsschutz-Agent Andreas Temme, der nach Befragung durch die Behörden wieder freigelassen wurde, weil er »nur« bei sechs von zehn angeblichen NSU-Morden vor Ort war.
Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Gerichtsverhandlungen nicht live übertragen werden dürfen? Es geht dabei nicht um den Schutz der Privatsphäre. Der Angeklagte könnte schließlich einer Übertragung zustimmen. Es geht dabei einzig und allein darum, Verbrechen des Staates besser vertuschen zu können. Eine Verhandlung, die nicht live übertragen werden darf, ist keine öffentliche Verhandlung. Es gibt beispielsweise keine einzige Liveübertragung eines Terrorprozesses oder eines Prozesses mit möglicher Verwicklung des Staates, wie Attentate auf Politiker oder hochgestellte Persönlichkeiten.
Auch hier gilt die »Hoppe-Regel«, dass ein Gewaltmonopolist regelmäßig Konflikte erzeugt, um sie dann zu seinen Gunsten zu entscheiden. Auf den ersten Blick erscheint es unverständlich, warum der Staat einen Konflikt selbst provozieren sollte. Der Grund liegt darin, dass er danach besser dasteht als zuvor. Im obigen Fall ist das Resultat ein gewaltig ausgedehnter Staat. Zudem dient der Staat noch den Interessen der Lobbyisten, in den USA namentlich den privaten Betreibern von Gefängnissen, denen er die Anstalten und Kassen füllt. In einer Privatrechtsgesellschaft würde selbstverständlich nicht das Opfer für die Unterbringung des Täters aufkommen, sondern dieser selbst.
Das jetzige System ist daher am besten mit dem Begriff »Korporatismus« beschrieben. Private Konzerne bedienen sich des staatlichen Gewaltmonopols und lassen Gesetze zu ihren Gunsten schreiben. Nach Schätzungen, die sogar auf den Webseiten der Europäischen Union veröffentlicht wurden, gibt es alleine in Brüssel 15.000 Lobbyisten.15 Dort tummeln sich besonders viele, weil jedes Gesetz gleichzeitig 500 Millionen EU-Bürger betrifft. Das ist auch ein Grund, warum große Konzerne zu den Treibern der Vereinigten Staaten von Europa gehören. Ein einziges Gesetz, das 500 Millionen Menschen dazu zwingt, ein bestimmtes Produkt zu kaufen, wie etwa die Energiesparlampe oder »Ökostrom«, kann auf einen Schlag viele Milliarden einbringen. Wenn Sie an einem Produkt nur 10 Euro verdienen, kann also ein einziges »Verkaufsgespräch« 5 Milliarden Euro »wert« sein. Sie können sich ungefähr ausmalen, wie viel Geld der Lobbyist zur Verfügung hat, um den entsprechenden Bürokraten von seiner Idee zu »überzeugen«. Meist kann er das ganz legal, indem er einen lukrativen Job nach der »Beamtenkarriere« in Aussicht stellt oder ihn für »Reden« oder »Beratung« bucht oder seine Familienangehörigen anstellt. Der Fantasie eines Lobbyisten sind keine Grenzen gesetzt. Er hat genug Gehirnkapazität frei, denn er muss sich nicht mit echten Innovationen aufhalten, die sich von alleine am Markt durchsetzen würden.
All das ist in einer Privatrechtsgesellschaft wesentlich schwieriger. Sicher können Sie einzelne Leute bestechen, beispielsweise Journalisten, um ein bestimmtes Produkt zu empfehlen. Aber niemand kann Sie zwingen, es zu kaufen. Außerdem wird die Konkurrenz sehr genau darauf achten, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Werden beispielsweise objektiv falsche Angaben gemacht, können sich Kunden oder die Konkurrenz an einen Schlichter wenden. Lobbyisten und deren »Kunden« wandern praktisch nie ins Gefängnis. Kommissionsmitglieder und Abgeordnete sind zudem immun gegen Strafverfolgung, es sei denn, sie haben sich bei den Kollegen zu viele Feinde gemacht und diese heben die Immunität auf. Nicht einmal das ist beim Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), einem reinen Lobbyprodukt der Großbanken, möglich. Der Staatsanwalt darf noch nicht einmal die Räumlichkeiten betreten.16
In jeder Diskussion über den Libertarismus taucht mit tödlicher Sicherheit ein Argument auf: Was ist, wenn sich ein Unternehmen ein Monopol schafft? Es gibt dazu viel libertäre Literatur17, Artikel und Videos von mir, aber da es das meistgenannte Argument ist, will ich gerade im Zusammenhang mit Sicherheitsunternehmen darauf eingehen. Schließlich ist das, was ich vorschlage, auch das Gegenmodell zu den Vereinigten Staaten von Europa, verdient also durchaus eine nähere Betrachtung.
Zunächst: Es gibt kein einziges dauerhaftes privates Monopol auf der ganzen Welt. Es gab nie eines, es gibt keines und es wird niemals eines geben. Sobald ein Unternehmen ein angebliches Monopol hätte und überhöhte Preise verlangen würde, müsste der neue Wettbewerber ja nur niedrigere Preise verlangen. Er müsste also nicht mal besonders innovativ sein. Nur der Staat mit seinem Gewaltmonopol kann neue Wettbewerber vom Markteintritt abhalten und er tut das auch, indem er eigene Unternehmen oder große Konzerne mit zahllosen Gesetzen oder Patenten schützt. Die Konzerne verfügen über riesige Rechtsabteilungen, die sich darauf einrichten können oder die Gesetze gleich selber schreiben. Mittelständische Unternehmen oder Neugründungen haben dieses Geld nicht und werden so vom Markteintritt ferngehalten.
Speziell bei Sicherheitsunternehmen wird von Staatsjüngern folgendes Argument angebracht. Was ist, wenn sich ein Sicherheitsunternehmen bis an die Zähne bewaffnet und die Konkurrenz ausschaltet? Erstens ist es ein schlechtes Argument, ein schon jetzt bis an die Zähne bewaffnetes Monopol damit zu verteidigen, dass es ein neues Monopol gäbe, wenn es abgeschafft würde. Zweitens müsste das »böse« Sicherheitsunternehmen, nennen wir es »Todesstern AG«, die Prämien gewaltig erhöhen, um sich so zu bewaffnen, dass es allen anderen überlegen wäre. Es verlöre alle Kunden.
Aber nehmen wir an, Todesstern gelänge es, genug Geld aufzutreiben. Was soll es dann tun? Wen soll es angreifen? Herr Meier ist vielleicht Kunde der Todesstern AG und sein Nachbar, Herr Müller, bei PEACE Incorporated. Sollen die Todesschwadronen die Bewohner eines Hauses vorher nach ihrem Kundenausweis fragen, bevor sie losballern? Sie könnten natürlich die Firmenzentrale von PEACE besetzen, und dann? Dort sind ja nur die Verwaltungsangestellten, die Sicherheitsleute sind auf den Straßen oder daheim.
Glauben Sie, die Kunden von PEACE würden jetzt ihre Beiträge an die freundlichen Herren von Todesstern bezahlen, nur weil die die Zentrale besetzt halten? Zumal es natürlich unzählige Wettbewerber gäbe, die sich sofort mit PEACE solidarisieren würden. Wie die privaten Gerichtsurteile ausfallen würden, nachdem die versammelten Wettbewerber die Zentrale befreit haben, können Sie sich ausmalen. Gegenüber ihren Kunden sind die Sicherheitsunternehmen ohnehin immer in der Minderheit.
Es gäbe in einer Privatrechtsgesellschaft schlicht kein Territorium, das man erobern könnte. Das ist auch der Grund dafür, dass sich in Irland tausend Jahre lang eine Privatrechtsgesellschaft aus Clans hielt, denen man sich freiwillig anschließen konnte. Neutrale und respektierte Schlichter übernahmen dort die Rechtsprechung.18 Ein weiteres historisches Beispiel für eine funktionierende Privatrechtsgesellschaft, basierend auf dem freiwillig angewandten Code Napoléon, ist Neutral-Moresnet, ein 3,4 Quadratkilometer großes neutrales Territorium zwischen Deutschland und Belgien in der Nähe von Aachen.19 Das erfolgreiche Experiment (1814 bis 1919) wurde nur durch den Ersten Weltkrieg beendet und spielt im staatlichen Geschichtsunterricht selbstverständlich nicht die geringste Rolle.20
Private Rechtsordnungen sind im Übrigen nichts Ungewöhnliches. Unternehmen schreiben bei ihren Geschäften untereinander schon lange in die Verträge, dass in Streitfällen ein privater Schlichter angerufen wird. Es kommt dabei durchaus vor, dass sich mächtige Konzerne dann an den eigenen Staat wenden, um doch noch recht zu bekommen, aber das wäre in einer Privatrechtsgesellschaft nicht möglich. Mit Konzernen, die sich nicht an Schlichtersprüche halten, würde niemand mehr Geschäfte machen. Das englische Common Law war ein reines Privatrecht, das sich aus den Gepflogenheiten der Händler entwickelt hat, bis der Staat die Gesetzgebung zu eigenen Zwecken monopolisiert hat. Das Seerecht ist ebenfalls privat. Es ist schlicht und ergreifend sinnvoll, sich auf gemeinsame Regeln zu einigen. Die DIN-Norm ist auch ein sehr gutes Beispiel für private Regeln.
Das beste Beispiel für funktionierende Anarchie ist wohl der anarchische Zustand zwischen Staaten. Obwohl es – zum Glück – noch keine Weltregierung gibt oder ein internationales Recht, durchgesetzt von einer Weltpolizei, funktioniert der Handel zwischen den Unternehmen dieser Staaten ganz wunderbar, solange dieser nicht von den Staaten eingeschränkt wird. Peter Leeson vom Cato Institute hat einige Arbeiten dazu verfasst, wie Unternehmen und Individuen heute und in der Geschichte ständig unter anarchischen Bedingungen erfolgreich waren. Sogar die angeblich »gesetzlosen« Freibeuter entwickelten ihr eigenes Rechtssystem, durch das zum Beispiel despotische Piratenkapitäne abgestraft wurden.21
Für Superreiche gilt sowieso nur Privatrecht. Sie gehen in das Land, dessen Regeln sie bevorzugen. Heutzutage können sie allerdings zusätzlich einen Staat oder im Falle der EU einen ganzen Kontinent dazu bewegen, die Regeln zu ihren Gunsten zu ändern und diese mit Gewalt durchsetzen. Das ist das, was heute unter dem Begriff Lobbyismus bekannt ist. Eine Privatrechtsgesellschaft bedeutet dagegen, dass für jeden dieselben Regeln gelten, egal ob arm oder reich. Letztendlich stellt Sie eine Privatrechtsgesellschaft also auf eine Stufe mit den Superreichen. Es gibt keine Klassenunterschiede mehr vor dem Gesetz. Gleichheit vor dem Gesetz war übrigens das, was mit der Losung »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« gemeint war, und nicht, dass alle Menschen gleich wären. Die Menschen sind im Gegenteil alle verschieden, sollten aber die gleichen Rechte haben.
Zusammengefasst: Durch Wettbewerb steigt zwingend die Qualität. In Bezug auf das Gut Sicherheit heißt das: Das Risiko, Opfer eines Verbrechens zu werden, wird minimiert. Egal, welche hunderttausend Fragen Staatsjünger sich einfallen lassen, etwa was in einer Privatrechtsgesellschaft mit Kommunisten, radikalen Islamisten, Sekten, Psychopathen oder Kinderschändern passieren würde: Sie würden effektiver bekämpft. Die privaten Regeln für Waffenbesitz würden so gestaltet, dass das Risiko, Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden, möglichst gering ist. Das folgt logisch aus dem Wettbewerb darum, wer das Gut Sicherheit am effektivsten produziert. Es wäre nicht so, wie manche glauben, dass jeder bewaffnet herumrennen würde. Der Eigentümer eines Grundstücks, Hauses, Ladens oder einer Straße entscheidet, ob man dort eine Waffe tragen darf. Der Versicherer macht die Regeln, wie Waffen aufzubewahren sind und wie gewährleistet wird, dass niemand an sie herankommt, der nicht damit umgehen kann oder böse Absichten hat. Denn der Versicherer haftet für die Schäden.
Die Frage, wer ohne Staat die Straßen baut, wird so häufig gestellt, dass sie unter Libertären schon ein Running Gag ist. Die kürzeste Antwort auf diese Frage ist: Menschen. Aber Scherz beiseite, die eigentliche Frage lautet natürlich: Wer plant und bezahlt sie?
Stellen Sie sich einmal folgende Straße vor: Sie ist aus Marmor, gesäumt von exotischen Pflanzen und Wasserspielen, deren Plätschern die Alltagshektik vertreibt, alles ist hell erleuchtet, aus Lautsprechern dringt angenehme Musik, überall informieren Sie Hinweistafeln, wo Sie was finden. Freundliche Sicherheitsleute passen auf Sie auf und helfen Ihnen mit dem Gepäck.
Tja, solche Straßen gibt es tatsächlich – in privaten Einkaufscentern. Sie sind privat geplant, privat gebaut und privat bezahlt von den Geschäftsleuten, die ein Interesse daran haben, dass Sie sich wohlfühlen, schließlich wollen sie durch die Befriedigung Ihrer Bedürfnisse auch ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen. Für die allermeisten Straßen, auf denen Sie in einer Privatrechtsgesellschaft fahren würden, müssten Sie gar nichts bezahlen. Straßen, an denen Geschäfte liegen, würden von den Inhabern bezahlt.
Was würde wohl passieren, wenn Sie als Bauunternehmer einen neuen Häuserblock errichten wollen und der Staat würde keine Straßen dorthin bauen? Na, Sie würden sich selbst um die Straßen kümmern, denn wenn niemand dort hinkommt, ist der Häuserblock nichts wert. Sie rechnen die Straßen einfach in die Baukosten ein. Ebenso wie die Strom- und Wasserversorgung, für die Sie sich beliebige viele Angebote einholen können. Die Verträge wären so gestaltet, dass es zum Beispiel eine Preisobergrenze gäbe, was in einer Welt ohne Inflation, also ohne Geldmonopol (siehe Kapitel 11), kein Problem wäre.
Aber das erhöht doch die Wohnkosten? Ja, aber dafür zahlen Sie nur die eigenen Straßen und nicht die der anderen. Lediglich die überregionalen Straßen müssten Sie bei ihrer Benutzung bezahlen. Aber für die kommen Sie jetzt auch auf. Und zwar doppelt und dreifach. Alleine die Mineralölsteuer bringt in Deutschland fast doppelt so viel an Einnahmen wie die gesamten Ausgaben für den Straßenbau betragen und 16-mal so viel, wie die Ausgaben für Bundesstraßen.22 Hinzu kommen Ökosteuer und Kraftfahrzeugsteuer, die natürlich alle im allgemeinen Steuertopf landen. Trotzdem erdreisten sich Politiker, über Mautgebühren zu diskutieren, weil die Straßen ja in einem so schlechten Zustand wären. Damit haben sie recht. Aber das liegt daran, dass sie die Steuern, die in direktem Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen, für alles Mögliche ausgeben, nur nicht für den Straßenbau.
In was für einem erbärmlichen Zustand mittlerweile das gesamte Straßennetz des Landes ist, können Sie in dem Welt-Artikel »Das unfassbare deutsche Infrastruktur-Desaster« vom 12. Mai 2013 nachlesen.23 Der Abschlussbericht einer Kommission unter Führung des früheren Vorsitzenden der Verkehrsministerkonferenz Karl-Heinz Daehre spricht von einer »gravierenden Vernachlässigung der Erhaltungsmaßnahmen«. Mittel, die für den Straßenerhalt vorgesehen waren, würden zu oft in politisch gewollte Neubauprojekte umgeleitet. Fast 20 Prozent der Autobahnstrecken und 41 Prozent der Bundesstraßen hätten den »Warnwert« 3,5 bereits erreicht oder überschritten, heißt es in dem Bericht.
Um wie viel effizienter und günstiger ein privates Straßensystem wäre, können Sie in Walter Blocks Buch The Privatization of Roads and Highways nachlesen.24 Eine der Folgen wäre übrigens ein dramatischer Rückgang von Staus, denn beispielsweise würden private Straßenbetreiber zu Stoßzeiten eine höhere Nutzungsgebühr verlangen. Unternehmen, die Personal zu Stoßzeiten brauchen, würden ihren Mitarbeitern die höheren Kosten ersetzen, weil diese sich sonst eine andere Arbeitsstelle suchen würden. Andere könnten wiederum zu besseren Zeiten fahren, wenn sie ihre Arbeit auch dann erledigen können. Der Verkehrsstrom würde besser verteilt, weniger Engpässe wären die logische Folge.
Eine gern auftauchende Frage lautet an dieser Stelle: Was ist, wenn ein Unternehmen eine private Straße baut und plötzlich die Gebühren verzehnfacht? Oder noch verschärfter: Was ist, wenn eine Firma einen Tunnel baut und die Gebühren plötzlich heftig nach oben schraubt? Stellen wir uns das Dorf A vor, das in einem Tal liegt. Jemand baut einen Tunnel, der es mit Dorf B verbindet, verlangt für die Durchfahrt aber eine horrende Mautzahlung. Eine ganz einfache Gegenfrage: Wie kamen die Leute vorher von Dorf A nach Dorf B? Wenn dort jemand lebt, gibt es offensichtlich bereits einen Zugang, der immer noch benutzt werden kann. Es ist offenbar nicht überlebenswichtig, durch den Tunnel nach Dorf B zu kommen. Es ist eine Präferenz, eine persönliche Vorliebe. Wenn den Bürgern die Gebühr zu hoch ist, fahren sie nicht durch den Tunnel ins Nachbardorf, sondern außen herum oder gar nicht.
Außerdem führen viele Wege nach Rom. Man kann beliebig viele Straßen irgendwohin bauen. Daher wird ein privater Anbieter darauf achten, nicht zu übertreiben. Zumal er sicherlich auch mit anderen Bürgern oder Dörfern ins Geschäft kommen will. Wenn bekannt wird, dass er jedes Mal kurz nach Inbetriebnahme die Preise in die Höhe schraubt, bekommt er bald keine Aufträge mehr. Das wäre ziemlich dumm für den Anbieter, denn wenn einmal die Kosten eingespielt sind, ist so ein Tunnel oder eine Straße ein sehr gutes, stetiges Geschäft und der Wettbewerb um dieses Geschäft dementsprechend hoch. Außerdem könnte man – ohne Inflation25 – bei der Ausschreibung eine Preisobergrenze festlegen. Gegebenenfalls hebt man die Preisgrenze so lange an, bis sich ein Interessent findet. Dann kann man immer noch abstimmen, ob man dessen Angebot annehmen will. Heute bestimmen das in der Regel Bürokraten oder Politiker, die man leicht bestechen kann. In einer Eigentümergesellschaft oder in einer direkten Demokratie würden die Eigentümer oder eben die Bürger direkt abstimmen. Man müsste also die Hälfte der Stimmberechtigten bestechen. Das lohnt sich nicht.
Alles, was ich eben beschrieben habe, ist längst Realität. Es gibt überall auf der Welt sogenannte »Gated Communities«, die je nach Ausgestaltung zum Teil komplett privat gebaut und betrieben werden. Ein wichtiges Motiv bei der Entstehung solcher Gemeinden war neben der Sicherheit übrigens die Unzufriedenheit mit dem öffentlichen Service, also beispielsweise mit der Wasserversorgung und der Müllabfuhr. Natürlich können sich das heutzutage meist nur die Reichen leisten, weil man ja zunächst etwa drei Viertel seines Gehalts beim Staat oder staatsnahen Betrieben abliefern muss. In den USA existieren bereits 20 000 solcher Communities – inzwischen nicht nur für Reiche.26 In Detroit, also in einer Stadt, die völlig pleite ist, bieten private Unternehmen mittlerweile mit großem Erfolg Sicherheitsleistungen und Busfahrten an, und das, obwohl die Bürger zusätzlich die Steuern an den Staat zahlen müssen und die Behörden versuchen, ihnen Steine in den Weg zu legen.27 In einer reinen Privatrechtsgesellschaft könnte sich ohnehin jeder so etwas leisten. Da gäbe es dann den Aldi unter den Anbietern mit Straßen »nur« aus Teer. Und es gäbe die Luxus-Einheiten mit Straßen aus Marmor und dem Golfplatz am See. Aber ebenso wie der echte Aldi würde auch der Billiganbieter von Communitys eine ausreichende Qualität bei niedrigem Preis anbieten – inklusive Sicherheit. Und das aufgrund des Wettbewerbs billiger als der staatliche Monopolist. Das ist ein Naturgesetz. Es geht nicht anders.
Für die meisten Menschen ist das wichtigste Thema die soziale Sicherheit. Viele Libertäre übersehen bei ihrer Argumentation, dass Freiheit für viele Menschen gar keinen wichtigen Wert darstellt. Ihnen ist egal, dass Steuern Diebstahl sind. Sie wollen Sicherheit. Deshalb bringt es in einer Diskussion oft nichts, darauf hinzuweisen, dass der Staat eine räuberische Institution ist.
Diese Libertären vergessen dabei einen der Grundpfeiler des Libertarismus: Bedürfnisse sind unterschiedlich. Nach Untersuchungen haben nur etwa 20 Prozent der Bevölkerung eine originär liberale Einstellung. Das ist zu wenig für einen Meinungsumschwung in einer Demokratie. Einer libertären Partei oder Organisation muss es daher gelingen, den Bürgern klarzumachen, dass ihre Bedürfnisse – welche es auch immer sind – in einer Privatrechtsgesellschaft besser erfüllt werden.
Darüber kann man ganze Bücher schreiben und ich werde mich in Zukunft verstärkt diesem Thema widmen, aber ich will hier kurz den Grundansatz skizzieren.
Der gemeinsame Nenner aller Menschen ist nicht der Drang nach Freiheit, sondern das Streben nach Glück. Die Menschen wollen sich wohlfühlen. Das tun sie übrigens vor allem in Gesellschaft. Für geistig Gesunde bedeutet eine Isolation von anderen eine schwere Beeinträchtigung. Ohne soziale Kontakte werden die Menschen verrückt. Deshalb ist Isolationshaft im Gefängnis zum Beispiel eine Zusatzbestrafung. Der Staat hat es geschafft, dieses Gemeinschaftsgefühl propagandistisch für sich auszuschlachten. Er suggeriert, »wir alle« wären der Staat. In Wirklichkeit benötigt man gerade keinen Staat, um gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten. Jeder kooperiert jeden Tag mit anderen: im Unternehmen, im Tennis-Club, auch der Einkauf beruht auf einer freiwilligen Kooperation mit dem Händler. Die ganze kapitalistische Wirtschaft beruht auf der Arbeitsteilung, also der freiwilligen Kooperation.
An dieser Stelle will ich aber zunächst einen anderen Aspekt in den Vordergrund stellen: das Streben nach dem eigenen Vorteil. Von Staatspropagandisten wird das als Egoismus oder Gier verunglimpft. Natürlich gibt es besonders unschöne, übertriebene Auswirkungen dieser Eigenschaften. Grundsätzlich ist es aber das Normalste der Welt, von zwei Zuständen denjenigen zu bevorzugen, der einem besser gefällt. Ohne diese Eigenschaft gäbe es den Menschen gar nicht. Er wäre ausgestorben. Jedes System, das diese Tatsache leugnet, ist widernatürlich.
Was Libertäre aber oft übersehen, ist, dass es viele Menschen als vorteilhaft ansehen, Verantwortung zu delegieren. Sie verlassen sich auf den Staat, weil sie sich um bestimmte Dinge selber keine Gedanken machen möchten. Das spart ihnen Zeit und Energie. So konnten Staaten überhaupt erst entstehen. Beim Konsum ist es ähnlich: Indem ich meine Nahrung im Supermarkt kaufe, statt sie selber herzustellen, gebe ich Verantwortung ab und spare Zeit. Genau dieses Bedürfnis, Verantwortung abzugeben und Sicherheit zu suchen, nutzt der Staat gnadenlos aus.
Libertäre müssen die Menschen zunächst darüber aufklären, dass sie die Verantwortung an den Falschen abgeben. In Wirklichkeit setzt der Staat die Bürger den allergrößten Risiken aus. Das Justizsystem ist unglaublich ineffizient, die sozialen Sicherungssysteme sind bankrott, das Gesundheitssystem ist marode und von Lobbyisten gesteuert, das Geldsystem enteignet die Bürger systematisch und führt zu immer wiederkehrenden Zusammenbrüchen, das Bildungssystem richtet brave Staatssklaven ab, statt sie auf das Leben vorzubereiten.
Jetzt, mitten in der Eurokrise, werden die Risiken besonders evident. Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben und das, was nach Abzug von 70 Prozent Steuern und Abgaben übrig blieb, bei ihrer Bank, in Immobilien und bei Versicherungen angespart haben, werden kalt enteignet werden. Zypern war erst der Anfang. Dort wurden einfach Sparguthaben konfisziert, was nach dem Willen von EU-Schergen wie dem Chef der Euro-Gruppe, Jeroen Dijsselbloem, ein Modell für ganz Europa werden soll.28
Zwangshypotheken auf Immobilien wurden auch schon diskutiert und werden sicher kommen. Und schließlich sind die Einlagen bei Versicherern praktisch schon verloren, weil der Staat die Versicherer zwingt, 90 Prozent der Einlagen in »mündelsichere« (!) Papiere, sprich wertlose Staatsanleihen, zu investieren.
Den Bürgern muss unter allen Umständen klargemacht werden, dass dies keinesfalls ein Betriebsunfall von unfähigen Politikern ist. Der Staat geht ausnahmslos so vor. Immer wenn das Papiergeldsystem zu kollabieren drohte, hat der Staat die Bürger auf diese Weise enteignet – ohne jedoch den hyperinflationären Zusammenbruch zu vermeiden. Der kommt stets am Ende als Schmankerl noch obendrauf.
Aber wie können die Bürger ohne den Staat vorsorgen? Ganz einfach, die meisten Risiken sind privat versicherbar. Und zwar wesentlich billiger als heute. Die sogenannten privaten Krankenkassen sind von vorne bis hinten durchreguliert. Sie dürfen nur bezahlen, was ihnen die Pharma-Lobby über die Zulassungsbehörden vorschreibt. Die gesetzlichen Kassen werden quersubventioniert. Selbst unter diesen schlechten Umständen gibt es private Kassen, bei denen man sich mit 100 Euro im Monat versichern kann, bei entsprechend hoher Selbstbeteiligung von etwa 3000 Euro. Diese können Sie sich aber leisten, wenn Sie viel mehr netto verdienen. Wichtig ist ja nur, dass Sie für die schweren Fälle abgesichert sind. Eine Versicherung gegen Vollinvalidität kostet beispielsweise weniger als 10 Euro im Monat. Nicht der Staat würde Medikamente zulassen, deren Überprüfung durch den Pharmakonzern selbst bezahlt wird, womit das Ergebnis von vornherein feststeht. Private Krankenversicherer würden anhand eigener Prüfungen und vor allem der Auswertung ihrer Patientendaten exakt sagen können, welches Medikament oder natürliche Heilmittel wirklich hilft und am günstigsten ist. Ein gesunder, lang lebender Kunde liegt im Interesse der Versicherung, weil die Kosten dann gering sind und er möglichst lange Prämien zahlt. Heute müssen sich die Versicherer an die Vorgaben des von Lobbyisten beeinflussten Staates halten.
Das einzige Risiko, das schwer zu versichern ist, ist das der Arbeitslosigkeit. Höchstens den Gewerkschaften könnte man zutrauen, dass sie ein System etablieren, das von den Mitgliedern freiwillig akzeptiert wird. Sie dürften Arbeitslose kaum zu beliebigen Ein-Euro-Jobs zwingen, könnten ihnen aber anbieten, für die Gewerkschaft zu arbeiten. Verweigert der Arbeitslose dies, weiß die Gewerkschaft sehr genau, dass es sich um einen notorischen Verweigerer handelt. Tatsächlich haben Gewerkschaften in der Geschichte alle möglichen Versicherungsleistungen angeboten, bis ihnen der Staat – in Deutschland unter Führung Bismarcks – das Geschäft aus der Hand nahm, um Wählerstimmen zu gewinnen oder Lobbyinteressen zu wahren.29
Grundsätzlich sind aber Risiken, auf die man selber einen zu großen Einfluss hat, nicht versicherbar. Es gibt jedoch ein uraltes bewährtes Geheimrezept dagegen: Sparen! Spare in der Zeit, dann hast du in der Not! Ohne staatliche Zwangsabgaben hätten Sie nach drei Jahren so viel angespart, dass Sie zehn Jahre Arbeitslosigkeit überbrücken können. Dann schreibt Ihnen auch keiner vor, dass Sie Ein-Euro-Jobs annehmen müssen. Sie können in Ruhe die Angebote sortieren, von denen es in einer freien Marktwirtschaft ohnehin viel mehr gibt.
Wichtig: Wenn Sie selbst für Ihr Alter ansparen, sind Sie an keine Laufzeiten gebunden. Sie könnten zum Beispiel in Gold ansparen, dessen Wert durch den technischen Fortschritt ohnehin immer größer wird, entsprechend der Produktivitätssteigerung von etwa 3 Prozent im Jahr. Aus diesem Ersparten könnten Sie dann das Geld für die Selbstbeteiligung bei der Krankenkasse oder die Überbrückung von kurzzeitiger Sucharbeitslosigkeit entnehmen. Natürlich fehlt Ihnen das dann für das Alter, aber in einer freien Marktwirtschaft ist die Sucharbeitslosigkeit sehr kurz. Sie beträgt in der Regel wenige Wochen. Das wirkt sich nicht groß auf Ihre Endansparsumme für das Alter aus. In meinem Buch Das Kapitalismus-Komplott errechne ich, dass eine ungelernte Putzfrau mit einem Stundenlohn von 10 Euro im Alter Millionärin wäre.30
Einen Fall gilt es noch zu klären: Was ist mit einem Jugendlichen, der ins Berufsleben eintreten will, aber keinen Job findet? Er hat ja kein Geld, um sich abzusichern. Ganz einfach: Er wohnt wie die 18 Jahre zuvor bei seinen Eltern und die zahlen weiterhin seine Versicherungen, bis er eben eine Arbeit findet. Die Eltern wissen auch besser als die anonyme »Gesellschaft« der Steuerzahler, ob der Sprössling eine faule Socke ist oder einfach nur Pech bei der Jobsuche hat. Die Eltern sind es auch, die die Kinder gegen Behinderung, chronische Krankheiten oder Arbeitsunfähigkeit absichern. Die Risiken sind zur Geburt gering und kosten nur wenige Euro im Monat.31
Um diejenigen, die dann trotzdem noch in Not geraten, kümmern sich zahlreiche karitative Einrichtungen wie die Kirchen. Das glauben die Staatsjünger zwar nicht, aber zur Natur des Menschen gehört auch, dass er sozial ist, sonst würden sie auch nicht so leicht auf die angeblich »sozialen« Parteien hereinfallen. Jedes Jahr werden Milliarden gespendet; alleine für die Tsunami-Opfer spendeten Deutsche über 670 Millionen Euro. Selbstverständlich wäre es noch wesentlich mehr, wenn die Bürger mehr Geld in der Tasche hätten. Soziale Verantwortung ist eine natürliche Begleiterscheinung einer Gesellschaft, die auf dem Prinzip der Gewaltlosigkeit und der Verantwortung beruht. Die Geschichte beweist dies ebenfalls.32
Der größte Trick des Staates ist, die Bürger über das Geldsystem zu enteignen. Der zweitgrößte Trick ist, die Unternehmen zu Komplizen zu machen und sie die Steuern und Abgaben eintreiben zu lassen. Der psychologische Effekt dessen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Im Durchschnitt zieht der Staat den Bürgern inzwischen 70 Prozent ihres Einkommens ab, während er aber für die Sicherheit seiner Bürger – Justiz und Verteidigung – nur 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausgibt. Der Bürger merkt das aber nicht. Sozialabgaben und Lohnsteuer gehen direkt vom Lohn ab. Die indirekten Steuern wie Mehrwertsteuer und Mineralölsteuer werden von den Händlern eingezogen. Um sich aus dieser psychologischen Falle zu befreien, machen Sie einfach einmal folgendes Gedankenexperiment: Nehmen Sie Ihr jetziges Monatsnettogehalt, multiplizieren Sie es mit drei und dann mit zwölf. Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie müssten zwei Drittel dieser Summe am Ende des Jahres auf einen Schlag bezahlen. Bei einem Netto von 1.500 Euro im Monat wären das beispielsweise 36.000 Euro!
Ich behaupte: Müssten die Bürger alle Steuern und Abgaben am Ende des Jahres auf einen Schlag bezahlen, hätten wir eine Revolution, und zwar noch vor morgen früh.33
In Diskussionen über den Libertarismus hört man oft die Frage, woher denn die Arbeitsplätze kommen sollen, die ja vorhanden sein müssen, wenn sich jeder privat absichern soll. Ein kurioses Argument, denn die freie Marktwirtschaft ist eine Jobmaschine. Im Grunde ist es ganz einfach: Der Arbeitsmarkt ist ein Markt wie jeder andere auch. Sozialisten wenden dann oft ein: Menschen sind doch keine Produkte. Sie vergessen dabei, dass an jedem Markt Arbeitskraft gehandelt wird. Jedes Produkt, das Sie kaufen, wurde von Menschen produziert.
Am Markt gleichen sich Angebot und Nachfrage über den Preismechanismus aus. Das lernt man eigentlich sogar schon an staatlichen Schulen. Jeder kennt (oder sollte sie kennen) die Angebots-Nachfrage-Kurven. Wenn auf der Y-Achse der Preis abgetragen wird und auf der X-Achse die Menge, verläuft die Angebotskurve von links unten nach rechts oben: Je höher der Preis, desto mehr Waren werden angeboten. Die Nachfragekurve verläuft von links oben nach rechts unten: Je niedriger der Preis, desto mehr Waren werden nachgefragt. Die beiden Kurven schneiden sich an dem Punkt, wo sich Angebot und Nachfrage ausgleichen. Zwar ist der Markt nie wirklich im Gleichgewicht, aber er strebt diesem Gleichgewicht entgegen. Genauso ist es am Arbeitsmarkt. Je niedriger der Lohn, desto mehr Arbeit wird nachgefragt. Je höher der Lohn, desto mehr Arbeit wird angeboten.
Letzteres ist auch die Antwort auf die gern gestellte Frage, ob in einer Marktwirtschaft die bösen Unternehmen die Löhne beliebig drücken könnten. Das können sie eben nicht, weil dann niemand bereit wäre, zu arbeiten. Wäre es anders, gäbe es ja heute bereits nur Ein-Euro-Jobs, denn Unternehmen sind immer an möglichst niedrigen Löhnen interessiert. Arbeitnehmer sind aber an möglichst hohen Löhnen interessiert und man trifft sich eben dort, wo der Unternehmer noch einen auskömmlichen Gewinn macht und der Arbeitnehmer einen für ihn zufriedenstellenden Lohn erhält.
Aber das ist doch alles graue Theorie!, wendet der Staatsjünger ein. In der Praxis nutzen die bösen Unternehmer ihre angebliche Marktmacht und beuten Arbeitnehmer schamlos aus. Falsch. Ein Unternehmer muss aus Eigennutz gute Arbeitsbedingungen bieten, weil die Arbeitnehmer sonst zur Konkurrenz gehen. Heute gibt es tatsächlich einige Unternehmen mit schlechten Arbeitsbedingungen. Das liegt aber nur und ausschließlich daran, dass der Staat durch unzählige Eingriffe – Regulierung und Steuern – Arbeitsplätze vernichtet. Jeder Staatseingriff zerstört Arbeitsplätze. Jeder Staatseingriff stört den oben geschilderten Preismechanismus. Jede Regulierung erhöht die Arbeitskosten, sodass Arbeit weniger nachgefragt wird. Das ist ein Naturgesetz. Es folgt aus der Natur des Menschen, seinen eigenen Vorteil zu suchen. Gleichzeitig sind Menschen aber auch soziale Wesen, die freiwillig mit anderen Menschen solidarisch sind.
Es gibt also keine einzige staatliche Maßnahme, die netto Arbeitsplätze schafft. Subventioniert der Staat beispielsweise eine bestimmte Branche, so fehlt das Geld für Produkte, welche die Menschen freiwillig gekauft hätten. In einer freien Marktwirtschaft gibt es auch kein schädliches »Horten« von Geld (was höchstwahrscheinlich das nicht beliebig vermehrbare Gold wäre). Da es keine Staatsanleihen gibt, kann man sein Geld nur vermehren, wenn man es investiert. (Selbst wenn die Leute aus Risikoscheu Gold horten würden, wäre das von Vorteil. Denn dieses Gold ist dem Kreislauf entzogen. Die Kaufkraft des restlichen Goldes steigt und die Waren werden billiger, was den Wohlstand aller erhöht.) Diese Investitionen schaffen Arbeitsplätze. Ökonomen sprechen davon, dass sich das Angebot die Nachfrage selbst schafft. Unternehmen befriedigen Bedürfnisse, von denen die meisten Menschen gar nicht wussten, dass sie sie hatten. Beispielsweise war niemandem klar, dass die Menschen gern Handys ohne Tasten benutzen würden. Nur einer wusste es: Steve Jobs. Er hat seine Idee einfach ausprobiert und sie kam an. Auf diese Weise werden jeden einzelnen Tag irgendwo auf der Welt Ideen geboren, die Investitionen nach sich ziehen und Arbeitsplätze schaffen. Die Arbeit geht nie aus.
Woher wissen wir das? Von der Logik abgesehen kann der Marktmechanismus überall dort bewundert werden, wo es weitgehend freie Märkte gibt: im Supermarkt. Die Regale sind nie leer. Hätten die Sozialisten recht mit ihrer These vom Marktversagen, gäbe es ständig leere Regale oder volle Lager. Tatsächlich wird immer etwas mehr produziert, als wir brauchen, weil die Unternehmen miteinander konkurrieren, sich aber nicht alle Produkte verkaufen lassen. Daher besteht in einer freien Marktwirtschaft immer ein latenter Arbeitskräftemangel. Das ist keine Ressourcenverschwendung, weil es kein effizienteres System zur Ressourcenverteilung gibt als die Marktwirtschaft. In einer Planwirtschaft werden viel mehr Ressourcen verschwendet. Die leichte Überproduktion erfüllt den Zweck, unterschiedliche Ideen auszuprobieren, weil man vorher nicht wissen kann, welches Produkt gut ankommt. Die Überproduktion wird dadurch weit überkompensiert, dass sich als Ergebnis die besten Produkte durchsetzen.
Deutschland brauchte deshalb in den Fünfzigerjahren Einwanderung, weil Ludwig Erhard eine relativ freie Marktwirtschaft eingeführt hatte. Heute wandern die Leistungsträger aus, Hunderttausende jedes Jahr. Das »Wirtschaftswunder« (nur Sozialisten wundern sich, für Libertäre war das normal) in den Fünfzigern lag nicht am Wiederaufbau. Die DDR hatte keinen vergleichbaren Aufschwung, obwohl Ostdeutschland genauso zerstört war wie Westdeutschland. Auch in den USA entstanden Millionen neuer Arbeitsplätze, obwohl sie nicht unter Kriegsschäden litten. Das lag einfach daran, dass Präsident Harry Truman nach dem Krieg die arbeitsplatzvernichtenden Staatseingriffe im Rahmen des »New Deal«34 wieder zurücknahm. Im Laufe der kommenden Jahre sind alle westlichen Länder immer sozialistischer geworden und die Arbeitsplätze wurden vernichtet. Die offizielle Staatsquote war in Amerika 2010 mit 43,2 Prozent nur wenig niedriger als die deutsche mit 46,6 Prozent.35 – im Gegensatz zu dem Zerrbild, das ahnungslose linke Journalisten von den USA zeichnen.
Aber gehen durch technischen Fortschritt keine Arbeitsplätze verloren? Ja, aber es entstehen laufend neue. Die Produktivität hat sich seit dem Krieg bis heute mehr als versechsfacht. Hätten die Staatsjünger recht, dürften ja nur noch ein Sechstel der Arbeitsplätze existieren. Aber es gibt ganz im Gegenteil weltweit Milliarden Arbeitsplätze mehr als damals – das Bevölkerungswachstum herausgerechnet. Das liegt daran, dass in vielen Teilen der Welt – vor allem in Asien und Osteuropa – die Märkte immer freier gelassen wurden, während sie in Europa immer mehr stranguliert wurden. Deshalb entstehen dort die Arbeitsplätze und hier gehen sie verloren.
Führt die Globalisierung nicht zu Lohndumping? Tatsächlich hat die Globalisierung zur Folge, dass bestimmte Produkte im Ausland billiger produziert werden. Davon profitieren aber wir alle. Dem deutschen Arbeiter bleibt mehr von seinem Lohn, den er hierzulande ausgeben kann. Zudem können deutsche Unternehmen im Ausland billige Vorprodukte einkaufen und durch Innovation und Qualität hier »veredeln«. Der Erfolg der deutschen Exportindustrie zur Zeit der D-Mark, die stärker war als die meisten anderen Währungen, ist ein Beleg dafür.
Vom freien Handel profitieren immer beide Seiten, was der Ökonom David Ricardo schon vor 200 Jahren bewiesen hat. Der Ricardo-Effekt funktioniert auch auf individueller Ebene. Gerade die Schwachen profitieren, wenn sich jeder auf das konzentriert, was er in Relation zu seinen anderen Fähigkeiten am besten kann. Das gilt sogar dann, wenn er alles schlechter macht als alle anderen.
Um den Nutzen der Arbeitsteilung zu erläutern, begeben wir uns auf eine kleine Insel mit zwei Bewohnern, nennen wir sie Stark und Schwach. Es gibt zwei Möglichkeiten, Nahrung zu produzieren, Kartoffelanbau und Fischen. Herr Stark kann beides besser. Er braucht fünf Stunden, um Kartoffeln für einen Tag zu produzieren, und vier Stunden, um Fische für einen Tag zu fangen. Herr Schwach braucht sechs Stunden für Kartoffeln und zehn Stunden fürs Fischen, also für beides länger als Stark.
Die Arbeitsteilung, die nur durch freie Verträge, unbeeinflusst von Regelungen, zustande kommt, führt nun dazu, dass sich beide auf das konzentrieren können, was sie am besten können. Stark fängt Fische. Schwach baut Kartoffeln an. Würde Schwach nun selber Fische fangen, bräuchte er dafür zehn Stunden. Er kann aber auch Kartoffeln anbauen und sie gegen die Fische tauschen. Er muss also nur sechs Stunden dafür arbeiten, wo er vorher zehn Stunden gebraucht hätte. Der Nutzen für Stark ist auch da. Er muss nur vier Stunden für Kartoffeln arbeiten, wo er sonst fünf Stunden gebraucht hätte. Wichtig: Der Schwächere profitiert mehr als der Stärkere. Der Starke erspart sich nur eine Stunde, während sich der Schwache vier Stunden spart.36
Um zu verstehen, dass uns nie die Arbeit ausgehen kann, stellen Sie sich vor, was Sie alles von anderen erledigen lassen würden, wenn Arbeitszeit nichts kosten würde. Sie würden Abwaschen, Papierkram, Putzen, Autofahren und so weiter andere machen lassen. Handwerk hätte wieder goldenen Boden. Heute ist es durch die hohen Abgaben so, dass ein Arzt in der Klinik mehr als eine Stunde arbeiten muss, um eine Handwerkerstunde bezahlen zu können. Das ist Irrsinn. Außerdem gibt es einen Mangel an Auszubildenden,37 weil uns eine linksverseuchte Presse einredet, man gelte nur etwas, wenn man studiert hat. Hunderttausende handwerklich begabter Leute langweilen sich in Bürojobs zu Tode. Sie basteln dann zu Hause im Hobbykeller, statt ihre Talente am Markt anzubieten.
Leute, die uns einreden, jeder müsste studieren, sind arrogante, menschenverachtende Snobs. Sie suggerieren, jemand wäre nur etwas wert, wenn er geistig arbeitet. Die Menschen haben eben unterschiedliche Fähigkeiten und das ist auch gut so. Wenn jeder handwerklich so begabt wäre wie ich, würde das Land in kürzester Zeit in Schutt und Asche liegen. Wir müssen es wieder zu schätzen lernen, wenn Menschen solche Fähigkeiten haben. Es ist eben nicht jeder ein Einstein, doch deshalb ist er keinen Deut weniger wert. Der »Wert« eines Menschen bemisst sich eben nicht in Geld, sondern liegt in seinem Charakter.
Freie Unternehmer würden auch Behinderte viel besser integrieren, als es qua geltendem Gesetz der Fall ist. Heute müssen die Unternehmen irgendwelche Quoten erfüllen, die Kosten verursachen, womit sich das Anbieten vieler Produkte nicht lohnt. Wie wäre das in einer freien Marktwirtschaft? Ganz einfach, ein Behinderter würde seine Arbeitskraft billiger anbieten. Nehmen wir an, er braucht für eine bestimmte Aufgabe 10 Prozent länger als andere Arbeitnehmer. Er könnte dann zum Beispiel hergehen und 15 Prozent weniger Lohn verlangen. Das schützt ihn, wenn der Unternehmer Leute entlassen muss, denn der wird eher die Nicht-Behinderten zuerst entlassen, weil das für ihn günstiger ist.
Aber das ist doch unfair und menschenverachtend! Im Gegenteil: Der Behinderte weiß, dass er nicht auf Almosen angewiesen ist, sondern nach Leistung bezahlt wird. Würde die öffentliche Meinung diese Ansicht offensiv vertreten, würde er sich nicht minderwertig fühlen, sondern im Gegenteil als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft. Schließlich bietet er eine Leistung an, die freiwillig abgenommen wird, und entscheidet selbst, für welchen Lohn er wo arbeitet. Die Gehaltseinbußen lassen sich durch Versicherungen ausgleichen, welche die Eltern vor der Geburt abschließen. Die Beiträge dafür sind minimal, weil das Risiko bei der Geburt gering ist. Die meisten Behinderungen treten zudem erst später auf, worauf man keinen Einfluss hat, und sind daher gut versicherbar.
Ein weiterer Punkt: In Wirklichkeit sind Behinderte Superhelden. Wenn ihnen eine bestimmte Fähigkeit fehlt, entwickeln sie andere Fähigkeiten meist umso stärker aus und übertreffen darin Nicht-Behinderte. Blinde haben beispielsweise in der Regel ein besseres Gehör als Sehende. Sie können also bestimmte Jobs – etwa am Telefon – besser erledigen und dafür dann auch einen höheren Lohn verlangen. Natürlich gibt es auch Menschen, die von Vollinvalidität betroffen sind, aber das kann man, wie gesagt, versichern. Das ist natürlich ein schwacher Trost, aber das kann kein System der Welt ausschließen.
Das wichtigste Argument, das Sie in Diskussionen mit Staatsjüngern immer parat haben sollten: Selbst wenn Arbeitsplätze knapp würden, gäbe es nichts, was der Staat dagegen tun könnte. Finanziert er Arbeitslosigkeit oder subventioniert bestimmte Betriebe, muss er die Kosten dafür auf die produktiv Tätigen umlegen. Deren Arbeit wird teurer und folglich weniger nachgefragt. Die Ausgaben für Arbeitslosigkeit erhöhen sich, die Kosten steigen weiter, noch mehr Arbeitsplätze verschwinden. Aus diesem Teufelskreis gibt es kein Entkommen – und wir sind schon mittendrin. Das liegt aber ausschließlich daran, dass der Staat begonnen hat, die Arbeit mit Strafsteuern, Abgaben und Regulierungskosten zu belegen. Das hat den Teufelskreis erst in Gang gesetzt. Das müssen wir endlich begreifen. Denn: Fehlende Kenntnisse über die Natur des Menschen sind der Untergang der Menschheit.
Oft wird auch die Frage gestellt, was mit all den Beamten geschehen soll. Ganz einfach, sie arbeiten in der freien Wirtschaft und werden nach Leistung bezahlt. In einer Privatrechtsgesellschaft werden mehr Juristen gebraucht, nicht weniger. Es wird mehr »Polizisten«, also Sicherheitskräfte, geben, nicht weniger. Ein gutes Beispiel ist die relative Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes. Der Markt ist immer noch hoch reguliert und die UMTS-Lizenzen haben Oligopole geschaffen, trotzdem arbeiten mehr Leute in diesem Bereich, die Leistungen sind billiger und besser, ganz einfach weil unterschiedliche Bedürfnisse erfüllt werden.
Planwirtschaft funktioniert einfach nicht, weil es keine Marktpreise gibt, die Knappheiten signalisieren, wie Friedrich August von Hayek am Beispiel der DDR herausgearbeitet hat. Die Leute hatten zwar Arbeit, aber sie war nicht produktiv, weshalb der Staat irgendwann pleiteging.
Planwirtschaft ist so unfassbar ineffizient, dass sie sogar versagt, wenn der Staat die Bedürfnisse der Bürger kennt. Jeder DDR-Politiker wusste, dass die Leute Autos haben wollen, und trotzdem musste man auf die Plastikschüssel namens Trabant zehn Jahre warten. Können Sie sich jetzt ungefähr vorstellen, um wie viel besser ein privates Rechts- und Sicherheitssystem wäre? Wir haben eine Trabbi-Justiz, könnten aber eine Mercedes-Justiz haben, die wegen des Wettbewerbs sogar noch günstiger wäre. Reiche würden etwas mehr bezahlen, beispielsweise für Alarmanlagen, aber sie haben auch mehr Geld und ein höheres Schutzbedürfnis. Die breite Masse würde weniger bezahlen bei besserer Leistung.
Eine der großen Propagandaleistungen des Staates ist die Einteilung der politischen Lager in »rechts« und »links«.38 Das ist das Ergebnis der uralten »Teile und herrsche«-Strategie. Dem Menschen wird suggeriert, es gäbe nur zwei Alternativen: mehr bürgerliche Freiheiten (links) oder mehr wirtschaftliche Freiheiten (rechts). In Wirklichkeit wäre die Alternative: mehr Freiheit in beiden Bereichen. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, arbeiten beide Lager beständig daran, sowohl die bürgerlichen als auch die wirtschaftlichen Freiheiten einzuschränken.
Ironischerweise ist es oft jeweils das andere Lager, das entgegen ihrer nominellen Funktion das eigene Kernthema verrät. Es kann seiner eigenen Klientel glaubwürdiger vermitteln, dass dies nun leider wirklich nötig sei. So war es der SPD-Innenminister Schily, der den Überwachungsstaat massiv ausgeweitet hat, während die CDU/FDP-Regierung sich der weiteren Einschränkung wirtschaftlicher Freiheiten widmete. Am Ende sind sich aber ohnehin alle einig: Mehr Staat ist super, denn der Wähler ist einfach zu dumm, um eigene Entscheidungen zu treffen.
Letztendlich stehen sich die natürlichen Rechte des Einzelnen und die herbeifantasierten »Rechte« der Gesellschaft gegenüber. Jede Staatsform ist irgendeine Variante des Kollektivismus.
Eine besonders hinterhältige Form des Kollektivismus ist die parlamentarische Demokratie. Sie suggeriert, jeder hätte ein Mitspracherecht, während der Einzelne aber nur über eine von zig Millionen Stimmen verfügt. Daher sollen im nächsten Kapitel einige Mythen der Demokratie entzaubert werden, die man tagaus, tagein in Medien und staatlichen Bildungseinrichtungen eingetrichtert bekommt.