Geheim heißt »nicht in der Öffentlichkeit bekannt«. Das trifft auf die meisten politischen Netzwerke zu. Zwar unterhalten beispielsweise die Atlantik-Brücke oder die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP, international als German Council on Foreign Relations bekannt) eigene Webseiten und geben Fachzeitschriften heraus, aber dem großen Teil der Öffentlichkeit ist überhaupt nicht bewusst, dass sich dort regelmäßig Wirtschaftsbosse und Politiker aller etablierten Parteien treffen.
Entscheidend ist: Wenn etwas im Geheimen abläuft, ist die unvermeidbare Konsequenz, dass Psychopathen oder Gauner ein leichteres Spiel haben. Manipulation funktioniert natürlich dann am besten, wenn sich der Manipulator hinter der Geheimhaltung verstecken kann. Dann kann er, wenn er es für nötig hält, Mitglieder des Netzwerkes gegeneinander ausspielen, ohne dass diese davon überhaupt nur ahnen. Besonders trifft das auf hierarchische Organisationen zu.
Ich habe lange überlegt, ob ich das folgende Beispiel verwenden soll. Denn wenn man über die Freimaurerei – um die geht es – schreibt, gilt man von vornherein als Spinner. Aber erstens stammt die Idee »Vereinigte Staaten von Europa« von Giuseppe Mazzini, einem Hochgradfreimaurer und Großmeister des Großorients von Italien (Grande Oriente d’Italia),134 dem größten italienische Dachverband von Freimaurerlogen. Zweitens stößt man beim Thema EU an allen Ecken und Enden auf Freimaurer. Drittens lässt sich anhand der Freimaurerei exzellent demonstrieren, was Geheimhaltung für Folgen hat.
Eines vorweg: Es existiert keine freimaurerische Verschwörung. So etwas zu behaupten, wäre unsinnig. In Deutschland gibt es circa 14.000 Freimaurer.135 Anzunehmen, die wären alle in eine riesige Verschwörung verstrickt, ist absurd. Die meisten Freimaurer tun genau das, was der offizielle Zweck ihrer Organisation ist: Sie leisten humanitäre und aufklärerische Arbeit. Es gibt viele Gerüchte darüber, was die Freimaurer eigentlich wollen. Das ist hier nicht mein Thema, dazu gibt es genügend Literatur. Wenn Sie diese konsultieren, sollten Sie aber darauf achten, ob wirklich aus Originaldokumenten zitiert wird; viele Zitate stammen bei genauerem Hinsehen nur aus Sekundärquellen. Wikiquote (nicht zu verwechseln mit Wikipedia!) ist hierbei ein sehr nützliches Tool, denn dort wird tatsächlich so lange geforscht, bis eine Originalquelle gefunden ist.
Ein weiteres gutes Werkzeug ist das Freimaurer-Wiki.136 Dort wird versucht, den Verschwörungsgerüchten entgegenzutreten, und der eigentliche, offizielle Zweck wird dargestellt. Hier erfahren Sie außerdem, welche Persönlichkeiten nachweislich Freimauerer waren beziehungsweise sind und wer es nur gerüchteweise war beziehungsweise ist (über die Suchfunktion). Auch kritische Bücher über die Freimaurerei werden dort rezensiert. Viele Behauptungen über die Freimaurerei lassen sich hier relativ schnell gegenchecken – auch anhand anderer offizieller Freimaurer-Seiten.
Dennoch können solche Seiten – egal, wie wohlmeinend ihre Betreiber sein mögen – niemals die ganze Wahrheit präsentieren. Denn ähnlich wie bei Wikipedia gibt es in der Freimaurerei Regeln, die zu einem Missbrauch geradezu einladen:
Daraus folgt zwingend:
Diese Regeln sind geradezu paradiesische Zustände für Psychopathen und Gauner – aus folgenden Gründen:
Das bedeutet: Egal mit welchem hehren Ansatz eine Loge oder eine andere Verbindung gegründet wurde, durch die Geheimhaltung ist praktisch garantiert, dass solche Organisationen korrumpiert werden. Das wird umso deutlicher, wenn wir bedenken, wie viel Korruption es schon in öffentlichen, also theoretisch transparenten Organisationen und Behörden gibt.
Heißt das nun, es gibt doch eine Freimaurerverschwörung? Natürlich nicht. Die Freimaurerloge in Castrop-Rauxel, die Spendengelder für das ortsansässige Waisenheim sammelt, ist in keine Verschwörung verwickelt. Aber die in Italien aufgeflogene Loge »Propaganda Due« (P2) offenbar schon.139 Möglich ist aber, dass sich irgendein Pendant zur P2-Loge in Deutschland aus der Loge in Castrop-Rauxel einen Mitstreiter aussucht, wenn sich dieser als geeignet erweist, die Ziele der in der Hierachie höherstehenden Loge zu erreichen.
Im Zusammenhang mit der P2-Loge muss man wissen, dass es in Italien keine Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft wie in Deutschland gibt. Dort werden zwar regelmäßig Richter ermordet, aber es finden sich immer wieder mutige Helden. In Deutschland werden solche Ermittlungen von vornherein abgewürgt. Es ist daher kein Zufall, dass die Nato-Geheimarmee Gladio in Italien aufgeflogen ist, obwohl sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Deutschland ihr Unwesen getrieben hat, beispielsweise beim Oktoberfestattentat 1980. Obwohl es Zeugen gibt, die Gladio und den BND beschuldigen, daran beteiligt gewesen zu sein, gibt es bis dato keine Wiederaufnahme des Verfahrens oder gar größere Berichterstattung in den Massenmedien. Lediglich die taz140 und die Münchner Abendzeitung141 berichteten darüber, dass der Historiker Andreas Kramer vor einem Luxemburger Gericht unter Eid aussagte, sein Vater, ein Bundeswehroffizier, hätte für den BND gearbeitet, das Attentat geplant und sogar die Bombe gebaut.
Natürlich muss die Glaubwürdigkeit des Zeugen überprüft werden. Aber warum tut das niemand? Die Staatsanwaltschaft sieht keinen Anlass für neue Ermittlungen, obwohl die Geschichte schon damals zum Himmel stank.
Wir halten fest: Schon in vergleichsweise offenen Organisationen wie Medien, Justizbehörden oder politischen Gremien wird vertuscht und gelogen, dass sich die Balken biegen. Um wie viel mehr bösartige Dinge werden also in Organisationen passieren, deren Grundprinzip die Geheimhaltung ist? Sehr viel mehr.
Eine Mitgliedschaft in einer Organisation oder Loge allein ist kein Beweis für eine unmoralische Haltung. Beispielsweise wird Ron Paul nachgesagt, er sei Freimaurer. Er selbst bestreitet dies in einer handschriftlichen Notiz.142 Aber selbst wenn: Paul tritt eindeutig für Gutes ein, nämlich die Freiheit des Einzelnen. Auch einige Unterzeichner der Verfassung der Vereinigten Staaten waren Freimaurer und das war die freiheitlichste Verfassung, die es je gab. Anarcho-Libertäre würden zwar sagen, damit begann das Unglück erst. Doch es ginge nun wirklich zu weit, zu behaupten, Freimaurer hätten eine freiheitliche Verfassung geschrieben, weil sie wussten, dass eine Staatsgründung ohnehin in der Tyrannei enden würde. Man kann’s auch übertreiben.
Die wichtigste Erkenntnis ist aber, dass geheime Organisationen geradezu prädestiniert sind, von Geheimdiensten unterwandert zu werden. Das oft zitierte Henne-und-Ei-Problem existiert eigentlich nicht. Die Frage, ob ein Geheimdienst von bösartigen Organisationen unterwandert wurde oder nicht, stellt sich nicht. Denn der Geheimdienst selbst ist die bösartige Organisation. Er hat das Gewaltmonopol des Staates hinter sich und kann nach Belieben überwachen, betrügen, fälschen, rauben und morden. Hinzu kommt: Aufgrund der Geheimhaltung erfahren die Repräsentanten des Staates nur das Nötigste. Im Zweifel werden eben Akten vernichtet, wie aktuell im Fall der NSU-Morde.143
Ein Geheimdienst kann also jede Organisation unterwandern und zu ihrem Instrument machen. Dass sich in den Geheimdiensten wiederum die Vertreter diverser Logen oder Geheimbünde wie Skull & Bones144 tummeln, ist Fakt. Gefahr entfalten sie aber über das Gewaltmonopol des Staates und zusätzlich noch über die ebenfalls vom Staat geschaffene Möglichkeit zur Geheimhaltung.
Ich werde im weiteren Verlauf des Buches nicht den Versuch unternehmen, der einen oder anderen Loge oder Organisation böse Absichten nachzuweisen. Über jede einzelne Organisation könnte man ein eigenes Buch schreiben. Ich werde aber die diversen Organisationen, in der sich der jeweilige Protagonist befindet, erwähnen. Anhand der Erkenntnisse über Auftragnehmer-Auftraggeber-Beziehungen aus Kapitel 8 können Sie sich dann Ihr eigenes Bild machen.
Sie werden sehen, dass es überhaupt nicht schwer ist, zu erkennen, wer auf der bösen und wer auf der guten Seite steht. An ihren Taten sollst du sie erkennen!