Die Vereinigten Sowjetstaaten Europas, das ist die einzig richtige Losung, die einen Ausweg aus der Zerstückelung Europas zeigt, die nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa mit völligem wirtschaftlichen und kulturellen Niedergang bedroht.
So Leo Trotzki, 1930.627 Ende Dezember 1989 berichtet der Spiegel unter der Überschrift »Vom Atlantik bis zum Ural?«:628
Um das Europa der zwölf herum einen Wirtschaftsverbund europäischer Staaten mit unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen entstehen zu lassen, das wäre auch der »Traum« des sowjetischen Außenministers Schewardnadse. Beim Flug von Moskau nach Brüssel, wo er am Montag ein Handelsabkommen mit der EG unterzeichnete, entwickelte er seine europäische Zukunftsvision: »Eine Freihandelszone vom Atlantischen Ozean bis zum Ural, womöglich sogar bis zum Stillen Ozean und nach Sibirien.«
Das sagte Gorbatschow im Juni 1992 in Oslo, als er seine Nobelpreisrede nachholte, weil er am Tag der Verleihung persönlich nicht anwesend war:629
Unsere Vision eines europäischen Raumes vom Atlantik bis zum Ural ist nicht die eines geschlossenen Systems. Da es die Sowjetunion miteinschließt, welche bis zu den Küsten des Pazifik reicht, geht es über die nominellen geografischen Grenzen hinaus.
Zu diesem Zeitpunkt war die Sowjetunion offiziell bereits Geschichte!
Über Russlands Platzhalter-Präsidenten Medwedew schreibt der Spiegel im November 2010:630
Diplomaten berichteten, Medwedew mache sich für »ein System vom Atlantik bis zum Ural« stark, das mehr als nur eine Vernetzung nationaler Einheiten von Abwehrraketen sei.
Im März 2000 besuchte Gorbatschow London und bezeichnete die Europäische Union als neuen europäischen Sowjet.631 In seinem Buch Perestroika von 1987 schreibt er von einem Europa »vom Atlantik bis zum Ural«632 und dem gemeinsamen europäischen Haus.633
Den Begriff des gemeinsamen Hauses hat Gorbatschow entscheidend mitgeprägt. 1990 erscheint auf Deutsch sein Buch Das gemeinsame Haus Europa und die Zukunft der Perestroika.634 Der Ausdruck ist natürlich Neusprech für eine gemeinsame sozialistische Regierung.
In seiner verlesenen Dankesrede anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises (an der Zeremonie nimmt er nicht persönlich teil) droht Gorbatschow 1990 kaum verhohlen mit einem Weltkrieg, wenn keine Weltregierung installiert würde:635
Immanuel Kant prophezeite, dass die Menschheit eines Tages mit einem Dilemma konfrontiert sein wird: Entweder vereint in einer wahren Union der Nationen oder in einem Vernichtungskrieg unterzugehen, der mit der Auslöschung der menschlichen Rasse endet. Jetzt, wo wir uns vom zweiten ins dritte Jahrtausend bewegen, hat die Stunde der Wahrheit geschlagen.
Erst Europa …
Es ist meine Hoffnung, dass ein solches Europa von den Nationen und Regierungen in anderen Teilen der Welt als ein Beispiel für universelle Sicherheit und echte Kooperation verstanden und akzeptiert wird.
… und dann die ganze Welt:
Der Nobelpreis von 1990 bestätigt, dass Perestroika und innovatives Denken nicht mehr länger uns gehört, der Bevölkerung der Sowjetunion. Sie sind das Eigentum der gesamten Menschheit und ein untrennbarer Teil ihres Schicksals und einer sicheren, friedlichen Zukunft.
Was Perestroika bedeutet, wissen wir bereits. Dass Gorbi ausgerechnet das Wort Eigentum (property) mit dem Kollektiv der gesamten Menschheit verbindet, ist wohl eine besondere Dreistigkeit des alten Marxisten, in freudiger Erwartung des bevorstehenden Sieges.
Der litauisch-amerikanische Journalist Vilius Brazenas, Träger des Vytis-Kreuzes,636 der höchsten zivilen Auszeichung Litauens, vergeben für Verdienste um »Freiheit und Unabhängigkeit« an Überlebende sowohl der Nazi- als auch der kommunistischen Herrschaft, schreibt zum »gemeinsamen Haus Europa«:637
Mr. Gorbatschow war Zeit seines Lebens ein kommunistischer Lehnsherr, der sich unerschütterlich geweigert hat, dem Kommunismus abzuschwören. Tatsächlich bleibt er trotzig ein Kommunist. Am 23. Dezember 1989 erklärte Gorbatschow seinen sowjetischen Kameraden: »Ich bin ein Kommunist. Für manche mag das eine Fantasie sein. Für mich ist es das Hauptziel.« Am 26. Februar 1991 sagte Gorbatschow: »Ich schäme mich nicht, zu sagen, dass ich ein Kommunist bin und der kommunistischen Idee anhänge, und so werde ich in die andere Welt hinübergehen.« Er hat diese Aussagen mehrfach wiederholt. In seinem Buch (Perestroika) schrieb er auch: »Ich gebe offen zu, dass wir glücklich sind, dass die Idee eines »gemeinsamen europäischen Hauses« auf Zustimmung bei prominenten und politischen Persönlichkeiten nicht nur in Ost-, sondern auch Westeuropa trifft.« Es ist äußerst bedeutsam, wenn ein hochrangiger Marxist-Leninist wie Michail Gorbatschow solche Zuneigung von westlichen Führern zu einem »gemeinsamen europäischen Haus« vorfindet und dann, dreizehn Jahre später (beim Besuch in London; Anm. OJ), anmerkt, dass das gemeinsame Haus sich immer weiter auf das sowjetische Modell zubewegt. Ist letztendlich aber das sowjetische Modell nicht kollabiert und gestorben? Aber Gorbatschow sprach, zumindest bei dieser Gelegenheit, die Wahrheit aus; die EU bewegt sich immer schneller in Richtung einer Tyrannei sowjetischen Zuschnitts.
Um die Europäische Union zu einer sozialistischen zu machen, setzte Moskau natürlicherweise zuerst auf die linken Parteien im Westen, die ohnehin an seinem Gängelband hingen. Sie waren laut den Überläufern mit Einflussagenten durchsetzt und verfolgten sowieso ähnliche Ziele. Der russische Dissident und Gulag-Überlebende Wladimir Bukowski hatte 1992 Zugang zum Moskauer Geheimarchiv und hat zahlreiche Dokumente kopiert, die die Pläne für die EUdSSR – ein Begriff, den er mitgeprägt hat – belegen. Er hat die Dokumente im Internet veröffentlicht, sie sind aber natürlich auf Russisch.638 Die wichtigsten Dokumente fanden ihren Niederschlag in seinem Buch über die sowjetischen Wurzeln der Europäischen Union, das er zusammen mit dem russischen Historiker Pawel Stroilow auf Englisch veröffentlicht hat.639
Die Dokumente beinhalten Gespräche im Politbüro, von denen ich hier einige Ausschnitte zitiere. Interessant daran ist, dass die Spitzenvertreter der westlichen Parteien offensichtlich genau wussten, worum es bei der Perestroika geht. Sie sahen ebenso wie Gorbatschow Perestroika als die historische Chance, den Sozialismus in ganz Europa und dann weltweit durchzusetzen. Mitte der Achtzigerjahre sahen sich die Linken in ganz Europa Schwierigkeiten gegenüber. Die Ausgaben für den Wohlfahrtsstaat liefen aus dem Ruder, in vielen Ländern kamen konservative Regierungen an die Macht, die tendenziell eher für Steuersenkungen und Kürzungen der Sozialetats eintraten. Die Linke war bis dahin überwiegend ein Gegner des europäischen Projekts, weil sie Angst vor einem »gemeinsamen Markt« hatte. Es war Gorbatschow, der sie überzeugte, dass eine zentralistische Europäische Union, »das gemeinsame Haus«, eine Riesenchance ist, den Sozialismus zu verbreiten, eben weil damit die Konkurrenz unter den Staaten ausgeschaltet wird.640 Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Italiens, Alessandro Natta, formulierte bei einem Besuch des Politbüros in Moskau im Januar 1986 die Strategie:641
Die französischen Sozialisten sagen etwas, das wir in Betracht ziehen sollten. Ein Versuch demokratischer Reformen in einem Land wie Frankreich ist sehr schwierig, wenn es nicht durch Reformen in anderen Ländern begleitet wird. Gerade als die Sozialisten ihre Reformen in Frankreich begannen, verließen die Sozialdemokraten die Regierungen in Westdeutschland und Großbritannien. Das verursachte eine Menge Ärger. Jede progressive Reform benötigt Unterstützung von anderen progressiven Kräften in Europa.
1981 bis 1983 hatte François Mitterrand gerade versucht, einen »Sozialismus light« in Frankreich einzuführen. »Demokratische und progressive Reformen« bedeuten für Kommunisten natürlich immer mehr Sozialismus.642 Sie denken ja, das wäre »fortschrittlich«, weshalb die Linken im englischen Sprachgebrauch doch tatsächlich progressives heißen, weil schon damals die äsopische Sprache beziehungsweise Neusprech angewandt wurde. Die Technik wurde von Lenin ja bereits Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt. Natta beschreibt hier natürlich nichts anderes als das Naturgesetz, dass ein sozialistisches Land sofort im Wettbewerb zurückfällt. In fast tragikomischem Neusprech heißt es bei Natta:643
Progressive Lösungen in der sozialen Sphäre müssen in den europäischen Rahmen passen. In nur einem Land würden sogar die interessantesten Lösungen nur partielle Erfolge erzielen.
Jaja, die Idioten in den anderen Ländern kapieren einfach nicht, wie interessant die sozialistischen Lösungen sind! Dann erklärt Natta, dass der gemeinsame europäische Markt eben eine Tatsache sei, die man akzeptieren müsse. Alle linken Kräfte, sowohl die gemäßigten als auch die extremen, müssten sich verbünden. Und dann bemerkt er doch glatt, dass durch den Ausbau des Wohlfahrtsstaates überall die Bürokratie angeschwollen sei, und Gorbatschow wirft ein:
Das Parkinson’sche Gesetz wirkt überall.
Ist das zu fassen? C. Northcote Parkinson stellte 1955 eine Reihe ironisch gemeinter Gesetze auf, die zeigen sollen, dass sich Bürokratien immer so weit ausdehnen, wie sie können. Sie sind amüsant genug, um sie hier kurz einzufügen:
Arbeit dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht.
Die auf einen Tagesordnungspunkt verwendete Zeit ist umgekehrt proportional zu den jeweiligen Kosten.
Ausgaben steigen stets bis an die Grenzen des Einkommens.
Verzögerung ist die tödlichste Form der Ablehnung. (Trägheitsgesetz!)
Tätigkeit expandiert stets so weit, wie durch menschliches Versagen entstandener Leerlauf vorhanden ist, den es zu füllen gilt.
Die beiden Kommunisten wussten also exakt, wohin ihre Politik führt. Und jetzt der Knaller: Da Gorbatschow klar war, dass die EU zunächst nur erfolgreich sein könnte, wenn sie wettbewerbsfähig ist, sagt er:644
Lasst die Konservativen die Verantwortung dafür übernehmen, die Wirtschaft zu reorganisieren. Die Kommunisten sollten sich darum kümmern, zeitgemäßere Slogans zu entwickeln.
Zu diesen Slogans gehörte übrigens der Klimaschutz, der von den Kommunisten schon Ende der Sechzigerjahre, also weit vor dem Westen, als Propagandawerkzeug entwickelt wurde. Mithilfe des »CO2-Regimes« (inklusive Fünfjahresplänen!645) kann die Industrie planwirtschaftlich gesteuert werden, da bei jedem Produktionsprozess Kohlendioxid anfällt.646 Der wirtschaftliche Ruin ist dabei genauso sicher wie bei den Fünfjahresplänen der Sowjetunion.
Natta erkennt (1986!) die Chance:
Für 1992 ist die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Marktes geplant. Dies bedeutet die Erosion aller nationalen Grenzen: geografisch, fiskalisch, ökonomisch. Dies wird zu einer Schaffung einer einzigen europäischen Währung und einer Europäischen Zentralbank führen. Der Prozess wird komplex sein und unvermeidlich zur Kollision unterschiedlichster Meinungen führen. Die Linke hat eine Chance zum Erfolg.
Selbstverständlich hat die Linke eine Chance. Denn Parkinsons Gesetz wirkt immer! Ist eine Bürokratie erst mal geschaffen, dehnt sie sich aus. Das ist auch der große Fehler, den die Liberalen gemacht haben, die ebenfalls für den gemeinsamen Markt waren. Sie hätten es nie zulassen dürfen, dass die EU-Kommission und eigene EU-Bürokratien entstehen.
Gorbatschow antwortet Natta, wobei er sich darauf bezieht, dass es nicht leicht sein werde, die Linke zu einigen:
Aber ich sehe, dass die Linke durchaus in der Lage sein wird, dafür zu sorgen, dass der Einigungsprozess zur Demokratisierung von Westeuropa beitragen wird, um die sozialen Probleme zu lösen … Was jetzt im Westen geschieht, wird den Gang der Ereignisse auf Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte beeinflussen.
Es steht zu befürchten, dass Gorbatschow recht hatte. Im Moment sind kaum Anzeichen zu erkennen, wie dieser Prozess noch umgekehrt werden könnte, außer durch den Austritt wichtiger Staaten, die aber, wie wir deutlich sehen, fest in sozialistischer/europhiler Hand sind. Selbst die konservativen Parteien wie die CDU in Deutschland sind von den Linken nicht mehr zu unterscheiden, was kein Wunder ist, wenn die Vorsitzende und Kanzlerin ehemalige FDJ-Sekretärin für Propaganda und Agitation ist.647
In einer Rede vom 6. Juli 1988 vor Warschauer-Pakt-Verbündeten in Warschau, in der er die Idee des »gemeinsamen Europäischen Hauses« propagiert, macht Gorbatschow unmissverständlich klar, dass der eigentliche Zweck der Perestroika die Täuschung des Westens ist:648
Zuallererst untergräbt das neue Image des Sozialismus die traditionellen Behauptungen von rechtsgerichteten Kreisen im Westen über einen dominierenden Einfluss, welcher unterstützt wurde von dem Image des Gegners – eines sozialistischen »totalitären Monsters«. Offen feindselig gegenüber dem Sozialismus begann die konservative Front, die im Westen in den frühen Achtzigern erstarkte, zu erodieren.
Dies, so Gorbatschow,
erlaubt dem Sozialismus, sich mehr dabei einzubringen, die Weltpolitik aktiver und weitreichender zu gestalten, sie effektiver zu beeinflussen und positive Veränderungen rund um die Welt zu fördern … Dies kann schon im wachsenden Einfluss des moderaten Flügels der Bourgeoisie (damit meinen Kommunisten Sozialdemokraten; Anm. OJ) beobachtet werden.
Die Linke war begeistert von dem neuen Plan und pilgerte in Scharen nach Moskau. Hier einige Zitate aus den Gesprächen mit den Kommunisten. Der damalige spanische Außenminister Francisco Fernández Ordóñez am 3. März 1989:649
Der Erfolg der Perestroika bedeutet nur eines – der Erfolg der sozialistischen Revolution unter zeitgenössischen Bedingungen. Und das ist exakt das, was die Reaktionäre nicht akzeptieren.
Gorbatschow antwortet nach kurzer Vorrede erfreut:650
Heute arbeiten wir Kommunisten daran, das Potenzial des Sozialismus durch die Perestroika so vollständig wie möglich zu realisieren. Dies ist unser Modell einer sozialistischen Gesellschaft.
Eineinhalb Jahre später, am 26. Oktober 1990, erklärt Spaniens Regierungschef Felipe González Gorbatschow in Madrid seine Version der Hegel’schen Dialektik und das ultimative Ziel:
Die Revolution von 1917 spaltete die Welt in zwei antagonistische Systeme. Das Aufkommen dieser beiden alternativen Modelle eröffnete in der Tat den Weg zu Versuchen, ein drittes Modell zu erschaffen: Sozialdemokratie, Faschismus, Nazismus. Heute ist die Essenz der Revolution, die auf der ganzen Welt voranschreitet, die Bewegung zu einer Vereinigten Weltgemeinschaft.
González will also eine Weltregierung, die sozialdemokratisch oder faschistisch ist, was er in eine Reihe stellt! Gut erkannt, würde ich sagen. Diese kollektivistischen Mischformen sind dem Marxisten-Leninisten Gorbatschow natürlich ein Gräuel. Er weiß aber, wohin sie führen, vor allem wenn sie weltweit eingeführt würden. Bei diesem offiziellen Staatsbesuch wird er sich also gedacht haben: »Träum weiter, Naivling! Du bist als Erster dran, wenn der Weltoktober kommt!«
Frankreichs 1996 verstorbener sozialistischer Präsident Mitterrand, zusammen mit Busenfreund Helmut Kohl der Architekt der heutigen Union und des Euro, sagt am 26. November 1989 in Moskau:651
Die Konstruktion eines »gemeinsamen europäischen Hauses« ist eine großartige Idee. Jeder, der Vorstellungskraft und intellektuellen Mut besitzt, kann sich den europäischen Kontinent, alle seine Länder, leicht als eine neue Einheit vorstellen, verbunden durch Beziehungen einer neuen Art, in einem Rahmenwerk, in dem jeder er selbst bleibt, und alle kooperieren im Namen übereinstimmender Ziele. Ich persönlich betrachte die Realisierung dieser Idee als meine oberste Priorität.
Ein gemeinsames Haus oder Rahmenwerk, eine neue Einheit, die konstruiert werden soll, meint natürlich eine Europäische Union vom Atlantik bis zum Ural. Das macht er sogleich klar:652
Europa vereinigt im Handlungsrahmen der EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Vorgänger der EU; Anm. OJ) ist nur der erste Schritt für ein Ziel, das vielleicht viel mehr Zeit braucht, 25, 50 Jahre oder vielleicht das ganze Jahrhundert. Das wahre Ziel ist das gesamte Europa.
Warum so bescheiden, François? Merkel und Schäuble schaffen das vielleicht viel früher. Die englische Labour Party war natürlich auch begeistert von dem Plan,653 aber kommen wir doch gleich zu den deutschen Sozialdemokraten. Dazu zitiere ich Bukowski/Stroilow am besten wörtlich, die, wie gesagt, Zugang zu Dokumenten der Moskauer Geheimarchive und der Gorbatschow-Stiftung hatten:
Natürlich waren die enthusiastischsten Unterstützer des Projekts die deutschen Sozialdemokraten, die mit Moskau Jahrzehnte zuvor »spezielle Beziehungen« etabliert hatten. Selbst auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges kultivierten sie (hinter dem Rücken ihrer Partner in den diversen Koalitionen) vertrauliche Kommunikationen mit dem Kreml, häufig über ihre KGB-Kanäle, womit sie praktisch ihr kollektiver Einflussagent wurden. Hier, endlich, schlug ihre Stunde! Ihr Vorsitzender, H. J. (Hans-Jochen) Vogel (zusammen mit einem altgedienten Kreml-Kollaborateur wie Egon Bahr), eilte im Mai 1988 nach Moskau.
Vogel zu Gorbatschow:
Perestroika ist ein Hilfe für uns alle, für die gesamte progressive Bewegung im Westen … (Sie) überwand viele Hindernisse auf dem Weg zur Kooperation zwischen den Kräften der Linken, den demokratischen Kräften, und zur selben Zeit schuf es neue (Bedingungen) für ihre weitere Zusammenarbeit.
Vogel sagte in Bezug auf die Perspektiven seiner Partei, es stehe mit der Schaffung eines gemeinsamen Marktes 1992 ein entscheidender Moment bevor, bei dem man die Notwendigkeit für Europa, sich von den USA unabhängig zu machen, im Hinterkopf behalten sollte.654
Bukowski/Stroilow schreiben:655
Indes, das Hauptwerkzeug, dieses Projekt zu implementieren, war die Sozialistische Internationale (SI). Ihr Präsident Willy Brandt war einer der ersten westlichen Politiker, die Gorbatschow besuchten, als er Generalsekretär wurde, und verschiedene Delegationen der SI pilgerten permanent nach Moskau wie Muslime nach Mekka. In der Tat waren ihre Beziehungen vergleichbar denen, die im Islam zwischen dem Ayatollah und seinen glühenden Anhängern bestehen. Es kam ein Punkt, an dem Gorbatschow ihnen ganz einfach Instruktionen erteilte, wie sie sich bei diesem oder jenem Thema verhalten sollten, und wenn sie sich das nächste Mal sahen, erstatteten sie über die Umsetzung Bericht wie Schüler ihrem Lehrer.
Wie ein Hündchen hechelte Willy Brandt im Oktober 1988 Gorbatschow bei einem der vielen Besuche an:
Ich würde speziell Ihren letzten Gedanken betonen wollen: Es ist extrem wichtig, die Perestroika zu einem Erfolg zu machen. Ich wäre Ihnen zutiefst dankbar, wenn Sie uns mitteilen könnten, was Sie vom sogenannten Westen und von uns – den Sozialdemokraten … – erwarten, um die Perestroika unterstützen zu können. Da ist eine Menge die Rede vom »Ende des Sozialismus«, der sich überlebt hätte. Aber ich glaube, von einem historischen Blickwinkel aus betrachtet, werden wir Zeugen eines neuen Anfangs, einer neuen Art des Sozialismus in einem sehr großen Teil der Welt.
Braves Hündchen, dachte sich Gorbi wohl und tätschelte Willy zumindest im Geiste den Kopf. Brandt versicherte seinem Herrn und Meister, dass er alles tun werde, um beispielsweise die baltischen Länder auf Linie zu halten:
Wenn es nötig ist, werden wir bestimmten Leuten sagen: Die Föderation mit der UdSSR infrage zu stellen heißt, mit dem Feuer zu spielen.
Man kann sich nur ausmalen, was er mit bestimmten Leuten meint und auf welche Weise sie bedroht wurden. Als KGB-Agent dürfte Brandt so seine Methoden gehabt haben. Erst nach Willy Brandts Tod stellte sich in Deutschland heraus, dass er bereits während des Zweiten Weltkriegs Informant des russischen Geheimdienstes war, wenngleich die deutsche Presse kein sonderliches Aufhebens darum machte. Sein richtiger Name war Herbert Frahm, »Willy Brandt« ein seit 1934 benutzter Deckname. Damit dürfte er wohl einer der ganz wenigen Regierungschefs sein, die unter ihrem Decknamen das ahnungslose Volk regierten. Alleine das spricht wohl Bände!
1936 kehrte er aus dem norwegischen Exil unter dem Decknamen Gunnar Gaasland nach Deutschland zurück und sprach Deutsch mit norwegischem Akzent. Seine Tarnung war, dass er im Auftrag Jacob Walchers als »Kriegsberichterstatter« unterwegs war. Walcher hatte nach der Russischen Revolution zusammen mit Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht den kommunistischen Umsturz in Deutschland geplant!
Brandt wurde von einem ehemaligen KGB-Offizier mit Decknamen »Curb« als KGB-Spion enttarnt, wie der Focus 1998 schreibt. 1992 offenbarte sich »Curb« nach der Wende dem britischen Geheimdienst. Brandt erhielt vom KGB-Vorläufer NKWD den Decknamen »Polarforscher«. Laut Focus versuchte ausgerechnet der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Peter Frisch, mit aller Macht die Veröffentlichung von Willy Brandt betreffenden Geheimdienstinformationen, besonders in Form der geplanten Memoiren des Obersten »Curb«, zu verhindern. Die Vertuschungsaktion war laut Focus mit Helmut Kohl abgesprochen, der zu Brandt eine Freundschaft entwickelt hatte.656 Euro-Gegner werden vom Verfassungsschutz also verfolgt und ein KGB-Kanzler geschützt! Alleine diese Tatsache sollte jedes Schlafschaf aufwecken.
Der Überläufer wurde vom Bundeskriminalamt als absolut vertrauenswürdig eingestuft, weil er zahlreiche Spione enttarnte. Focus zitiert einen Verfassungsschutzmitarbeiter so:
Uns wurde ganz mulmig, was der alles wusste. Moskau besitzt offensichtlich tonnenweise Erpressungsmaterial.
Das Erpressungspotenzial gilt natürlich bis heute auch für die mindestens 20.000 westlichen Mitarbeiter der Stasi und die ungezählten des KGB. Die Akten wurden selbstredend nie veröffentlicht. Angeworben wurde Brandt während des Zweiten Weltkriegs. Im Rückblick wird nun auch klar, warum er am 6. Mai 1974 zurücktrat, als Günter Guillaume, einer seiner Mitarbeiter, als DDR-Spion enttarnt wurde. Wieso sollte Brandt deshalb zurücktreten? Es war ja nicht seine Schuld. Offenbar befürchtete Brandt, selbst enttarnt zu werden. Wer weiß, welche Deals es mit der Presse gab, ihn nicht zu beschädigen, wenn er zurücktritt. Schließlich brachte bereits am 14. Dezember 1966, zwei Wochen nach der Ernennung Brandts zum Vizekanzler in der großen Koalition, die schwedische Zeitung Aftonbladet einen Artikel, in dem es hieß, dass Brandt immer noch in der aktuellen Datei der Stockholmer Sicherheitspolizei, die ihn seit seiner Anwerbung beobachtete, als »verdächtiger Ostblock-Spion« erfasst sei.657 Im April 1972 startete Rainer Barzel das Misstrauensvotum gegen Brandt. Wie wir heute wissen, bestach die Stasi mindestens zwei Abgeordnete der Unionsfraktion, für Brandt zu stimmen.658 Selbst wenn er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als KGB-Spion arbeitete, war er erpressbar. Ohnehin hatte er offensichtlich dieselben Ziele wie die Kommunisten. Schließlich ist die weltweite Verbreitung des Kommunismus ganz offiziell das Ziel der Sozialistischen Internationale, deren Vorsitz er übernahm.
In einem Interview mit der Financial Times sagte Gorbatschow:659
Das erinnert mich an die Worte von Willy Brandt. Als er dachte, er würde sterben, sagte er seinen Freunden und seiner Familie, dass er nur einen einfachen Stein auf seinem Grab will. Er sagte: »Ich möchte nur einen einfachen Spruch darauf mit den ganz einfachen Worten: Wir haben es versucht.«
Vielen Dank, dass ihr versucht habt, die gesamte Menschheit zu versklaven! Der Wunsch lässt allerdings darauf schließen, dass Brandt tatsächlich an den eigenen Unsinn glaubte, also zu den vielen nützlichen Idioten der Machtelite gehörte.
Wer noch letzte Zweifel daran hat, dass die Kommunisten ihr Ziel nie aus den Augen verloren haben, führe sich folgendes Gespräch zu Gemüte, dass Gorbatschow am 25. Oktober 1990 mit dem argentinischen Präsidenten Carlos Menem führte. (Die Rückständigkeit des Kontinents ist natürlich darauf zurückzuführen, dass in Südamerika genauso wie in Afrika fast ausschließlich sozialistische oder faschistische Führer am Ruder waren. In den Medien waren natürlich hauptsächlich Letztere ein Thema.) Gorbatschow zu Menem:660
Aber wir sollten weiter gehen. Weiterer Fortschritt wird von Handlungen in Europa, Lateinamerika und der asiatisch-pazifischen Region abhängen. Nachdem das europäische Haus gebaut ist, müssen viele andere Häuser der Kooperation folgen.
Menem, ganz berauscht von dieser Vision, antwortet:
Wir in Lateinamerika beabsichtigen genauso vorzugehen wie in Europa. Generell hat die Menschheit keine andere Wahl. Und dann, nach der Integration, konzentrieren wir uns darauf, das Universum zu erobern.
Gorbatschow:
Einer meiner Mitarbeiter hat vor einiger Zeit geschrieben, wir müssen eine Weltregierung erschaffen. Die Leute haben damals gelacht, aber jetzt?
Es ist natürlich eine lächerliche Schutzbehauptung, dass einer seiner Hiwis so nebenbei etwas von einer Weltregierung schreibt, schließlich ist das seit jeher das Ziel der Kommunisten. Gorbatschow streute das sicherlich ein, falls die Medien weltweit über dieses Gespräch berichten würden, was natürlich nie geschah.
Menem antwortet:
Vor etwa 40 Jahren sprach Peron von Kontinentalismus, der uns ermöglichen würde, eine Weltregierung anzugehen.
Gorbatschow:
Ich glaube, wir sollten darüber nachdenken, die Rolle der UN zu erweitern. Vierzig Jahre lang konnte ich ihr Potenzial nicht erfassen (»realize«) und jetzt hat sie so eine Chance bekommen. Hier ist der Prototyp einer Weltregierung für sie.