3. Die Umsetzung der Nazi-Pläne für die EU

3.1 Hitlers Testament

Am 29. April 1945, einen Tag vor seinem Selbstmord, verfasste Adolf Hitler ein »politisches Testament«. Da er in diesem seinen Selbstmord ankündigt, wusste er, dass dies die letzten Worte sein würden, die er an die Öffentlichkeit richtet. Wir können also davon ausgehen, dass er seine Worte sehr sorgfältig gewählt hat. Wenn es also einen Plan für die Zeit danach gegeben haben sollte, könnten wir vielleicht in diesem Testament auch Hinweise darauf finden.

Nachdem er alle Schuld am Weltkrieg von sich weist, ruft Hitler seine Anhänger auf, den Kampf nicht aufzugeben:247

Dass ich ihnen allen meinen aus tiefstem Herzen kommenden Dank ausspreche, ist ebenso selbstverständlich wie mein Wunsch, dass sie deshalb den Kampf unter keinen Umständen aufgeben mögen, sondern, ganz gleich wo immer, ihn gegen die Feinde des Vaterlandes weiterführen, getreu den Bekenntnissen eines großen Clausewitz.

Wir erinnern uns an die Anspielung auf Clausewitz aus dem Madrider Rundbrief. Dort hieß es:

Gerade so wie Clausewitz erklärt hatte, dass Krieg die Fortsetzung von Taten mit anderen Mitteln ist, führten die Deutschen den Krieg nach dem Zusammenbruch mit Propaganda und anderen Mitteln fort.

Am bekanntesten ist das Zitat von Clausewitz »Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln«.248 Das wird häufig so interpretiert, dass Clausewitz damit lediglich den Krieg rechtfertigen will. In Wirklichkeit gilt für ihn das Primat der Politik. Das heißt, der Krieg ist nur ein Mittel unter vielen, um die politischen Ziele zu verwirklichen. In seinem Hauptwerk Vom Kriege macht er klar, dass der politische Zweck im Vordergrund steht:

Ist die ganze Betrachtung ein Wahrscheinlichkeitskalkül, aus bestimmten Personen und Verhältnissen hervorgehend, so muss der politische Zweck als das ursprüngliche Motiv ein sehr wesentlicher Faktor in diesem Produkt werden … So wird also der politische Zweck als das ursprüngliche Motiv des Krieges das Maß sein, sowohl für das Ziel, welches durch den kriegerischen Akt erreicht werden muss, als für die Anstrengungen, die erforderlich sind … Ein und derselbe politische Zweck kann bei verschiedenen Völkern, oder selbst bei ein und demselben Volk, zu verschiedenen Zeiten ganz verschiedene Wirkungen hervorbringen. Wir können also den politischen Zweck nur so als das Maß gelten lassen, indem wir uns ihn in Einwirkungen auf die Massen denken, die er bewegen soll, sodass also die Natur dieser Massen in Betrachtung kommt.249

Clausewitz wies auch stets darauf hin, dass man jederzeit bereit sein muss, seine Taktik zu ändern, weil jederzeit »Friktionen«, also unvorhergesehene Änderungen, auftauchen können.250 Unzweifelhaft hatte sich die Lage für die Nazis ganz erheblich verändert. Im Madrider Rundbrief wurde die neue Taktik benannt: Propaganda und andere Mittel. Zu diesen anderen Mitteln gehörte der Aufbau eines Untergrundnetzwerkes, also Subversion, und »ökonomische Mittel«, das heißt die Erringung der Vorherrschaft durch die Wirtschaftskraft, wie wir bereits gesehen haben.

Direkt im Anschluss an den Hinweis auf Clausewitz zeigt sich Hitler überzeugt davon, dass die nationalsozialistische Idee so oder so siegreich sein werde:

Aus dem Opfer unserer Soldaten und aus meiner eigenen Verbundenheit mit ihnen bis in den Tod wird in der deutschen Geschichte so oder so einmal wieder der Samen aufgehen zur strahlenden Wiedergeburt der nationalsozialistischen Bewegung und damit zur Verwirklichung einer wahren Volksgemeinschaft.

Im Anschluss fordert er Armee, Marine und Luftwaffe auf, den Kampf nicht aufzugeben, aber damit richtet er seinen Appell eben an das Militär und nicht an den Geheimdienst oder zivile Unterstützer. Außerdem hatte er »sein Volk« bis zum Schluss mit Durchhalteparolen gequält und Deserteure hinrichten lassen – die Formulierung einer radikalen Kehrtwende wäre also mehr als ungewöhnlich erschienen.

Interessant ist, wem er sein Zepter übergeben hat. Als ob er noch viel zu melden hätte, stellt er ein Kabinett für die Zeit nach seinem Tod auf:

Reichspräsident: Dönitz (1980)

Reichskanzler: Dr. Goebbels (1945)

Parteiminister: Bormann (1945)

Außenminister: Seyß-Inquart (1945)

Innenminister: Gauleiter Giesler (1945)

Kriegsminister: Dönitz (1980)

Oberbefehlshaber des Heeres: Schörner (1973, bis 1960 im Gefängnis)

Oberbefehlshaber der Kriegsmarine: Dönitz (1980)

Oberbefehlshaber der Luftwaffe: Greim (1945 Selbstmord durch Gift)

Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei: Gauleiter Hanke (seit 1945 keine Spur. Goebbels ehemaliger Referent Wilfried von Oven will ihn 1945 in Argentinien gesehen haben.)

Wirtschaft: Funk (1960)

Landwirtschaft: Backe (1947)

Justiz: Thierack (1946)

Kultus: Dr. Scheel (1979)

Propaganda: Dr. Naumann (1982)

Finanzen: Schwerin-Crossigk (1977)

Arbeit: Dr. Hupfauer (1993)

Rüstung: Saur (1966 in Pullach)

Leiter der Deutschen Arbeitsfront und Mitglied des Reichskabinetts: Reichsminister Dr. Ley (1945).

Von diesem Schattenkabinett sind ihm posthum die meisten abhanden gekommen, weil sie als Kriegsverbrecher hingerichtet wurden (Todesjahr in Klammern von mir ergänzt). Interessant ist aber, wer überlebt hat: Ausgerechnet Walther Funk, der den Plan für die Europäische Union entworfen hat, und Admiral Dönitz, bei dem der Generalplan 1945 sichergestellt wurde. Funk und Dönitz verbüßten allerdings Haftstrafen bis 1956 beziehungsweise 1957.

Werner Naumann (von einer Verwandschaft mit Friedrich Naumann ist nichts bekannt), persönlicher Referent von Joseph Goebbels, und Gustav Adolf Scheel (von einer Verwandschaft mit Walter Scheel ist nichts bekannt) gehörten zum sogenannten »Naumann-Kreis«, der Anfang der Fünfzigerjahre versucht hat, die FDP zu unterwandern. Scheel war mit dem von der RAF getöteten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer eng befreundet.251

Der Spiegel schreibt Anfang 1953 über die »Nazi-Verschwörung«:252

Naumann arbeitete außerdem mit Otto Skorzeny zusammen, der in Madrid (!) ein Ingenieur-Büro hat. Die beiden waren gerade dabei, ein Geschäft über die Lieferung von Zement und Beton für ein Bauprojekt auf den Kanarischen Inseln abzuwickeln. Skorzeny und Hjalmar Schacht, der wiederum mit seiner Bank auch den Nahost-Handel forcieren will, sind über ihre Ehen weitläufig miteinander verwandt. Düsseldorfer Geschäftsleute und Bankiers wissen, dass über die Verbindung Naumann-Skorzeny schon mehrere westdeutsche Firmen aus dem Ruhrgebiet große, günstige Verträge placieren konnten.

Wenn Sie sich ein wenig auskennen, sind Sie jetzt schon mit dem Stuhl hintenübergekippt. Hjalmar Schacht ist kein Geringerer als Hitlers Banker und Otto Skorzeny so etwas wie Hitlers James Bond. Der österreichische Offizier der Waffen-SS befreite am 12. September mit einem Fallschirmkommando auf Hitlers Befehl hin den italienischen Diktator Benito Mussolini (»Operation Eiche«) aus der Gefangenschaft.

Skorzeny wurde auch am 20. Juli 1944 gerufen, um die Verschwörergruppe um Hitler-Attentäter Claus Schenk von Stauffenberg festzunehmen, als dies zunächst nicht gelungen war. Im Oktober 1944 stürmte Skorzeny zusammen mit einem SS-Fallschirmjägerbataillon Regierungsstellen in Budapest und entführte Miklós Hothy Jr., den Sohn des ungarischen Reichsverwesers. Skorzeny sollte auch am »Unternehmen Weitsprung« teilnehmen, das angeblich die Ermordung von Stalin, Churchhill und Roosevelt zum Ziel hatte, aber nie durchgeführt wurde.253

Um Skorzeny ranken sich allerlei Legenden und Mythen, einige von ihm selbst befeuert. Das geht so weit, dass es Leute gibt, die behaupten, er sei gar nicht 1975 in Madrid gestorben, sondern die CIA hätte seinen Tod fingiert. In der »Untergrundliteratur« und im Netz werden auch Fotos aus einer angeblichen Bildersammlung von ihm herumgereicht, die alle möglichen Nazigrößen, die eigentlich schon tot sein müssten, zeigen.

Diese »Untergrundliteratur« (also vom Mainstream ignorierte Bücher oder Artikel) soll uns an dieser Stelle nicht interessieren. Falls Sie sich trotzdem schlaumachen wollen, nehmen Sie am besten vier Wochen Urlaub, denn auf Ihre Arbeit werden Sie sich nicht mehr konzentrieren können. Selbst wenn alles zu hundert Prozent erstunken und erlogen wäre, ist die Lektüre immer noch zehnmal spannender als jeder Krimi. Von dem Stoff könnte man alleine zehn Hollywoodfilme drehen (Drehbuchanfragen bitte direkt an mich). Tatsächlich basieren einige Hollywoodfilme und Romane bereits darauf.

Zunächst aber kurz zum zweiten Protagonisten der Spiegel-Story, Hjalmar Schacht. Da hat also Skorzeny ausgerechnet in Madrid ein Ingenieur-Büro, an dem Ort, von dem wir aus guter Quelle wissen, dass er das Basislager des Nazi-Untergrundnetzwerkes ist, und genau dort macht er Geschäfte mit Schacht, der unter Hitler Reichswirtschaftsminister (1934 bis 1937) und Reichsbankpräsident (1933 bis 1939) war. Am 1. Oktober 1946 wurde er in den Nürnberger Prozessen von allen Anklagepunkten freigesprochen. Schacht war ein persönlicher Freund von Sir Montagu Norman, dem Gouverneur der Bank of England.254 Der Historiker und Stanford-Ökonom Antony Sutton konnte in seinem Buch Wall Street and the Rise of Hitler einen Transfer von General Electric an die Delbrück & Schickler Bank (Peer Steinbrück stammt aus der Delbrück-Dynastie, nur so nebenbei) zugunsten des von Rudolf Heß und Hjalmar Schacht verwalteten Fonds »Nationale Treuhand« im Jahr 1933 nachweisen.255 Libertäre wissen bereits, dass Zentralbanken Kartelle der Großbanken sind. Die Verbindungen des Freimaurers Schacht256 in die Finanzindustrie liegen indes auch so offen da.