Nach gelungener Revolution bedankt sich Lenin bei seinen Bankiersgenossen. Am 1. Juni 1920 wird folgende Bitte an die US-Botschaft herangetragen:697
Die sowjetische Regierung wünscht, dass die Guaranty Trust Company der finanzielle Agent für alle sowjetischen Operationen in den USA wird.
Im Jahr 1922 gründen J. P. Morgans Guaranty Trust und die schwedische Nya Banken die erste internationale Bank der Sowjets, die Russische Handelsbank (Ruskombank). Mit an Bord sind zahlreiche andere Wall-Street-Banken und sogar laut den Akten des US-Verteidigungsministeriums die britische Regierung.698 Morgans Helferlein Olof Aschberg wird Präsident. Guaranty Trusts Vizepräsident und Hjalmar Schachts Kollege bei der Nationalbank für Deutschland, Emil Wittenberg, wird Direktor der Auslandsabteilung der Ruskombank.
Die Firmen, die sich unter der American International Company versammelt haben, bekommen die Aufträge für die Industrialisierung Russlands. General Electric übernimmt zum Beispiel die Elektrifizierung. Der Clou: Die Bolschewisten zahlen mit russischem Gold!699
Das heißt, die Banker finanzierten die Revolution mit aus dem Nichts geschöpften Geld der von Präsident Woodrow Wilson wenige Jahr zuvor durchgeboxten Federal Reserve. Wilson schickt Trotzki mit amerikanischem Pass nach Russland und die Revolutionäre zahlen die Papierdollar in echten Sachwerten doppelt und dreifach zurück. Das nenne ich einen Deal! Des Teufels Bankers feuchte Sozialistenträume. Lenin verkauft seinen Genossen den Deal auf dem X. Parteitag der Kommunistischen Partei Russlands so:700
Ohne die Hilfe des Kapitals wird es für uns unmöglich sein, die proletarische Macht in einem unglaublich ruinierten Land zu behalten, in welchem die Landbevölkerung, ebenfalls ruiniert, die überwältigende Mehrheit stellt – und natürlich für diese Hilfe wird das Kapital Hunderte von Prozenten aus uns quetschen. Das ist es, was wir verstehen müssen. Jedoch entweder diese Art von ökonomischer Beziehung oder gar keine.
Jaja, Herr Revolutionär. Um ein Land aufzubauen, ist das Kapital recht. Zerstören schafft der Kommunismus von ganz alleine. Eine Taktik, die sich bis heute nicht geändert hat.
Trotzki fügte hinzu:701
Was wir brauchen, ist ein Organisator wie Bernard Baruch.
Baruch war so eine Art damaliger George Soros. Ein sozialistischer Spekulant und Monopolkapitalist, der Wilson beriet und Franklin Roosevelts sozialistischen New Deal mit entwarf. Baruchs Geschäfte, der New Deal, die Wirtschaftspolitk der Europäischen Union sind alles im Grunde dasselbe: Korporatismus oder Monopolkapitalismus. Den Plan für diese Raubzüge hat Frederick C. Howe in seinem Buch Confessions of a Monopolist bereits 1906 dargelegt. Howe ist aber auch in unserem Zusammenhang von Bedeutung, da er zusammen mit seinem Freund, dem Fed-Direktor Thompson, als Vizepräsident der American League to Aid and Cooperate with Russia fungierte, was natürlich nicht anderes als ein Verein der Räuberbarone war, mit den üblichen Verdächtigen von den Morgans zu den Rockefellers mit an Bord.702 In seinem Buch schildert er, dass es viel einfacher ist, sich von einer zentralen Autorität ein Monopol geben zu lassen, als sich dem harten Wettbewerb zu stellen, wie es die Rockefellers und Morgans beispielsweise im Eisenbahngeschäft gemacht haben.703 Erstens, so argumentiert er, wäre Politik ein notwendiger Teil des Geschäfts. Zweitens, um die Industrie zu kontrollieren, sei es notwendig, den Kongress und den Regulierer zu kontrollieren und damit die Gesellschaft für den Monopolisten arbeiten zu lassen:704
Dies sind die Regeln des Big Business. Sie haben die Lehren unserer Eltern abgelöst und sind auf eine einfache Maxime zu reduzieren. Besorg dir ein Monopol. Lasse die Gesellschaft für dich arbeiten: Und erinnere dich, dass das beste aller Geschäfte die Politik ist, denn Zuschüsse, Subventionen, Konzessionen oder Steuerfreibeträge sind viel mehr wert als eine Diamanten- oder Goldader, weil sie keine Arbeit, weder mental oder physisch, benötigen, um sie auszubeuten.
Wenn die Bevölkerung das nur endlich begreifen würde! Die einzige Möglichkeit, das zu ändern, ist, die Parlamente und jede politische Macht abzuschaffen. Denn Politiker kann man immer kaufen. Man gibt ihnen einfach einen Beraterjob. Es ist unmöglich, das zu verhindern. Hinzu kommt die so simpel manipulierbare Masse, der man nur etwas von der Klimakatastrophe vorjammern muss, und schon kann man Windmühlen als Hightech verkaufen. Jeden Tag sehen wir, wie einfach das geht. Ich muss nur das machen, was auch J. P. Morgan getan hat: Nicht nur die Industrie, sondern auch die Medien kaufen – mit aus dem Nichts geschöpftem Geld. In einer Privatrechtsgesellschaft nutzt aber auch das nichts, weil einen niemand dazu zwingen kann, Windmühlenstrom zu benutzen. Und wer auf die Propaganda reinfallen würde, wäre wenigstens selber schuld.
Howe und seine Freunde hatten einfach erkannt, dass sie mit den Bolschewisten gute Geschäfte machen können. In einer Marktwirtschaft hätten in Russland viele kleine pfiffige Unternehmer das Rennen gemacht. Das ist zu riskant. Lieber finanziert man die Revolution und lässt das ganze Land mit elektrischen Leitungen oder Bahngleisen einer einzigen Firma ausstatten. Von einer Planwirtschaft ist niemals Konkurrenz zu erwarten. Sie würden immer im Westen kaufen müssen, was ja auch geschah. Man konnte den Russen sogar zweite Wahl, Auslaufmodelle andrehen, denn das war ja immer noch besser als das, was die Planwirtschaft zu bieten hatte. Dass den Kommunisten irgendwann das Geld ausgeht und Millionen Menschen dabei draufgehen, interessiert skrupellose, kurzsichtige Psychopathen nicht.
Für Sutton waren 1974 die monetären Motive noch die plausibelste Erklärung für die Unterstützung von Wall Street für die Kommunisten.705 Aber das erklärt nur, warum so viele Unternehmen sich daran beteiligt haben. Doch diese Geschäfte hätte man mit jeder Zentralregierung – auch dem zaristischen Russland – machen können. Einfacher ist es allerdings in einer Demokratie. Wenn ein Monarch Exklusivlizenzen vergibt, ist sein Motiv ebenso wie bei Steuererhöhungen zu offensichtlich. Installiert man aber eine komplizierte Regulierung im Namen des Umwelt- oder Verbraucherschutzes, so fällt der Bevölkerung nicht auf, dass nur die großen Konzerne mit ihren Anwaltskanzleien diese Anforderungen erfüllen können. Sie schreiben die Gesetze gleich selbst oder kaufen sich die Beamten, die die Gesetze gemacht haben – ganz legal.
Die Kommunisten waren einfach geschickt genug, jedem zu erzählen, was er gerade hören wollte. Die Konzerne witterten das Geschäft. Die deutsche Regierung, die Lenin half, dachte, so könne man Russland militärisch und ökonomisch schwächen.706 Erst zehn Jahre später wandte sich Sutton den nicht monetären Motiven zu.707 Zu diesen kommen wir am Ende dieses Buches.
Ein interessantes Detail aus Suttons Buch will ich Ihnen nicht vorenthalten. Laut Sutton war ein Motiv der Banker für ihre Unterstützung der Bolschewisten, dass es eine nicht unerhebliche anarchistisch-libertäre Bewegung in Russland gab. Ebenso existierte eine laut Sutton 700.000 Mann starke Armee, die »Grüne Armee«, die sowohl die nationalistische (»weiße«) als auch die bolschewistische (»rote«) Armee bekämpfte und laut Sutton eher dem libertären Spektrum, also auf jeden Fall der zentralstaatsfeindlichen Seite, zugeordnet werden konnte. Die Banker und Industriemagnaten wollten laut Sutton vermeiden, dass es zu einer echten libertären Revolution kam und sie ihr monopolkapitalistisches Spiel nicht durchziehen konnten. In Geschichtsbüchern wird dieser Bewegung und der Grünen Armee kaum Platz eingeräumt, was allein schon für sie spricht. Konsequent widmet Sutton sein Buch der Grünen Armee.708
Zum Abschluss des dritten Teils noch ein sehr entlarvendes Zitat von Leo Trotzki aus einem New York Times-Artikel von 1938. Angesichts der verheerenden Auswirkungen des neosozialistischen New Deal von Bankerpräsident Roosevelt wähnt er sich schon kurz vor dem Ziel und verrät vor lauter Vorfreude gleich, wer dahintersteckt – zumindest könnte man es so (aber auch anders) interpretieren:709
Sie werden eine Revolution haben, eine schreckliche Revolution. Welchen Kurs sie nimmt, wird vor allem darauf ankommen, was Mr. Rockefeller Mr. Hague sagt, was er zu tun hat. Mr. Rockefeller ist ein Symbol der herrschenden Klasse Amerikas und Mr. Hague ein Symbol seiner politischen Werkzeuge.