1.1 Neusprech

Lenin hat erkannt, dass das wichtigste Mittel zur Beeinflussung von Menschen die Sprache ist. Er entwickelte beziehungsweise benutzte die sogenannte »äsopische Sprache« (Aesopian language505). Der Begriff leitet sich her von dem antiken griechischen Fabeldichter Äsop. Die Methode hat George Orwell – intimer Kenner der kommunistischen Bewegung – später in seinem Roman 1984 aufgegriffen und als Neusprech und Doppeldenk bezeichnet. Lenin entwickelte die Sprache im Untergrund. Er schreibt 1917:506

Die Schrift ist im Hinblick auf die zaristische Zensur abgefasst. Aus diesem Grunde war ich nicht nur genötigt, mich strengstens auf die ausschließlich theoretische – insbesondere die ökonomische – Analyse zu beschränken, sondern auch die wenigen notwendigen Bemerkungen über die Politik mit größter Vorsicht zu formulieren, Andeutungen zu machen, mich der äsopischen Sprache zu bedienen, der verfluchten äsopischen Sprache, zu welcher der Zarismus alle Revolutionäre zwang, sobald sie die Feder in die Hand nahmen, um ein »legales« Werk zu schreiben.

Lenin wurde also zunächst durch die äußeren Umstände dazu gezwungen, die »äsopische Sprache« zu benutzen, merkte aber schnell, wie er sie zur Manipulation der Menschen einsetzen konnte. Seitdem erfüllt sie bei den Kommunisten zwei Zwecke:

  1. Äsopisch ist eine Untergrundsprache. Der Agent benutzt in der Öffentlichkeit unverdächtige Wörter, aber die Insider wissen, was gemeint ist. Die Kommunisten greifen also in der Öffentlichkeit auf Wörter zurück, deren Bedeutung nur ihnen bekannt ist, die aber immer gut oder harmlos klingen.507
  2. Das Denken der Menschen verändern. Die Sprache wird dazu benutzt, bestimmte Sachverhalte aus der öffentlichen Diskussion herauszuhalten und bestimmte Ideen – im kommunistischen Zusammenhang die Idee der Freiheit – zu unterdrücken.508 Zu diesem Zweck werden die Begriffe okkupiert, umdefiniert und mit einer anderen Bedeutung – in der Regel dem exakten Gegenteil – aufgeladen.

Ein Beispiel für die erste Verwendung ist das Wort »Perestroika«. Während die Öffentlichkeit glaubt, dass es den Umbau der russischen Gesellschaft bezeichnete, was natürlich auch stimmt, war zusätzlich die Änderung der Strategie gemeint, um den Weltkommunismus zu erreichen.509 Weltfrieden bedeutet zum Beispiel, dass jeder Widerstand gegen den Kommunismus gebrochen ist, weil er weltweit eingeführt wurde.510

Die zweite Verwendung der äsopischen Sprache ist das, was heute als Neusprech bekannt ist und wofür wir noch zahlreiche Beispiele finden werden.511 Ein Musterexemplar ist der Buchtitel der deutschen Kommunistin Sahra Wagenknecht: Freiheit statt Kapitalismus.512 Man kann getrost davon ausgehen, dass sie Lenins äsopische Sprache genauestens studiert hat.

Ein besonderes Glanzstück in neuerer Zeit ist den Kommunisten mit der Umdefinierung des Begriffs »neoliberal« gelungen. Für die allermeisten Deutschen bedeutet er »besonders liberal«, also besonders kapitalistisch, was in Deutschland negativ besetzt ist. Der teuflische Trick: Tatsächlich ist Neoliberalismus etwas Negatives, er bedeutet aber gerade keine freie Marktwirtschaft. Neoliberale glauben, der Staat müsse ordnend in den Markt eingreifen, beispielsweise um Wettbewerb sicherzustellen oder bei angeblichem »Marktversagen« – was eine reine Erfindung von Staatsjüngern ist. Das ist natürlich ein Widerspruch in sich. Diese Eingriffe produzieren genau die Probleme, die der Neoliberale vorgibt, lösen zu wollen. Neoliberalismus ist also nur eine abgeschwächte Form des Sozialismus und führt zu so vielen Problemen, dass das Resultat – vor allem in Verbindung mit dem Geldsozialismus, der zentralplanerischen Steuerung des Kredits durch das Zentralbankmonopol, einer Forderung des Kommunistischen Manifests – tatsächlich der Sozialismus ist.

Es wäre eine eigene Untersuchung wert, ob bei der Entwicklung des Neoliberalismus nicht auch Kommunisten ihre Hände im Spiel hatten. Jedenfalls ist den Intelligenteren unter ihnen völlig klar, was der Neoliberalismus ist. So schreibt der marxistische Theoretiker Boris Kagarlizky513 1998:514

Während der 1990er wurde das neoliberale Wirtschaftsmodell auf einer globalen Ebene installiert. Als Resultat haben der IWF und die Weltbank begonnen, auf globaler Ebene etwa dieselbe Rolle zu spielen, wie das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei in der Sowjetunion für den kommunistischen Block spielte. Experten von IWF und Weltbank entscheiden, was mit der Kohleindustrie in Russland zu tun wäre, wie Unternehmen in Südkorea umstrukturiert werden und wie man Unternehmer in Mexiko handhabt. Auch wenn gesagt wird, das seien freie Märkte, hat die Welt in der Praxis noch nie so eine Zentralisierung gesehen. Selbst westliche Regierungen müssen sich mit dieser Parallelautorität arrangieren.

Eine genaue Untersuchung der handelnden Personen bei diesen Institutionen würde auch zutage fördern, dass es sich um Bankierssozialisten handelt, aber das führt hier zu weit. Wie wir sahen, sind die führenden Figuren bei IWF und Weltbank alle auf den Bilderberg-Konferenzen zu finden und mit der einen oder anderen Organisation des Mao-Bewunderers David Rockefeller assoziiert.