In seiner historischen Abschiedsrede vor dem Kongress am 14. November 2012 sagte Ron Paul:145
Das Internet wird die Alternative zum politisch-medialen Komplex (government media complex) bereitstellen, der die Nachrichten und die meiste politische Propaganda kontrolliert. Deshalb ist es essenziell, dass das Internet frei von Regulierung durch die Regierung bleibt.
Meiner Meinung nach hat Ron Paul hier das entscheidende Problem angesprochen. Präsident Dwight D. Eisenhower warnte in seiner Abschiedsrede noch vor dem militärisch-industriellen Komplex.146 Laut Eisenhower-Biograf Geoffrey Perret enthielt seine Rede in der ursprünglichen Fassung den Begriff military-industrial-congressional complex.147 Er bezog den Kongress, also die Politik, mit ein, strich die Passage aber, um es sich nicht zu sehr mit seinen Zuhörern zu verderben. Inzwischen wäre es korrekt, von einem politisch-finanziellen-industriellen-militärischen-pharmazeutischen-klimaindustriellen-medialen-Komplex zu sprechen. Dieses Wortmonster bezeichnet nichts anderes als die Verbindung der großen Konzerne mit der Politik zu einem neofeudalen System namens Korporatismus.
Letztendlich entscheidend ist aber, was Ron Paul angesprochen hat: die Verbindung von Regierung und Medien zum politisch-medialen Komplex. Im Zeitalter des Internets können wir ein Versagen der Journalisten ausschließen. Sicher mag es den einen oder anderen Versager oder ideologisch Verblendeten unter den Journalisten geben. Aber oft, zum Beispiel in Kriminalfällen wie Morde an prominenten Persönlichkeiten oder bei Terroranschlägen, spielt die Ideologie gar keine Rolle.
Rechte und Linke könnten auf die Idee kommen, die regierungsamtlichen Versionen zu hinterfragen, besonders wenn jeweils die Fraktion regiert, der man ideologisch nicht nahesteht. Jeder wichtige Journalist bekommt inzwischen täglich E-Mails von Aktivisten. Es ist ausgeschlossen, dass er die entscheidenden Fakten einfach übersieht. Auch hier ist Gladio wieder ein Musterbeispiel, weil es dazu – im Gegensatz zum 11. September – ja Gerichtsakten gibt. Man muss zudem bedenken, dass die Fähigkeit zu ordentlicher Recherche eine der Kernkompetenzen eines Journalisten darstellt. Während es noch angeht, dass man sich mit irgendwelchen Schlafschafen, Bloggern oder Facebook-Freunden über die Gesetze der Physik beim Einsturz von Stahlhochhäusern streiten muss,148 gehört das Hinterfragen offizieller Verlautbarungen zum Handwerkszeug jeder Journalistenausbildung.
Wie ist es also möglich, dass uns die Medien gerade über Verbrechen der Politik permanent belügen? Es geht ja scheinbar um völlig verschiedene Ereignisse. Warum wird in keinem einzigen bedeutenden Fall die Wahrheit gesagt?
Dafür gibt es nur zwei mögliche Erklärungen:
Eine andere Möglichkeit existiert nicht. Würden die Medien die Regierungen kontrollieren, wie es ihre Aufgabe in einer Demokratie wäre, würde der gesamte Staatsterror, von dem sogar Helmut Schmidt sprach, auffliegen.149
Auf den ersten Blick erscheint die erste Variante als undurchführbar. Das riecht nach einer ganz großen Verschwörung. Doch so groß, wie es auf den ersten Blick scheint, muss die Verschwörung gar nicht sein. Den Nachrichtenfluss in jedem Land kontrolliert eine Handvoll Konzerne, also eine Handvoll Eigentümer. Den weltweiten Nachrichtenfluss kontrollieren zwei, drei Agenturen: Thomson Reuters, Associated Press und vielleicht noch die Agence France-Press. Alle anderen werden ignoriert oder übernehmen die Nachrichten der großen Netzwerke. Wenn die Handvoll Medienpatriarchen aus jedem Land einen aus ihrer Mitte dazu bestimmen, sich mit den jeweilig anderen Ländern abzustimmen, ist das nicht sonderlich aufwendig. Man sieht sich ja jährlich mehrmals – auf offiziellen Treffen wie in Davos oder heimlichen wie Bilderberg.
Tatsächlich fällt auf, dass Indizien, die offiziellen Darstellungen widersprechen, entweder von kleineren Nachrichtenagenturen oder von regionalen Medien stammen, wie zuletzt beim Anschlag auf den Boston-Marathon im April 2013.150
Nun müsste man aber auch noch erklären, wie diejenigen, welche die Medien im Griff haben, die Geheimdienste kontrollieren. So richtig schwer ist das nicht. Es gibt eine strenge Befehlskette, es reicht daher, die Spitze zu kontrollieren. Das ist im Zweifel nur ein Mann pro Land. Tatsächlich ist es so, dass die meisten CIA-Direktoren Rockefellers Council on Foreign Relations (CFR) angehörten, dessen Ziel nach Aussagen von Insidern,151 darunter offizielle Mitglieder, die Etablierung einer Weltregierung ist.152
Seit seiner Gründung besetzen CFR-Mitglieder Top-Positionen bei der CIA und in der US-Regierung, egal, welche Partei den Präsidenten stellt. In der aktuellen Regierung Obama befinden sich wie zuvor bei Bush unzählige CFR-Mitglieder, darunter der aktuelle CIA-Chef John O. Brennan, der bis zu seiner Nominierung fleißig Analysen für das Council schrieb.153
Wir erinnern uns: Wer für eine Organisation arbeitet, ist der Auftragnehmer (Agent) des Finanziers dieser Organisation und das ist hier David Rockefeller, seines Zeichen auch noch Ehrenvorsitzender des Council. Zumindest vertritt Brennan Ansichten, die Herrn Rockefeller gefallen, sonst hätte er nicht für seine Organisation gearbeitet. Rockefeller ist auch der Pate der Bilderberg-Konferenz, auf der einträchtig die Vertreter von Medien, Politik und Big Business zusammensitzen. Dennoch: Eine direkte Linie der Kontrolle über Medien und CIA ist schwer zu belegen.
Wie sieht es mit der zweiten These aus? Dass die Geheimdienste und das FBI in zahlreiche Verbrechen verwickelt sind, ist unstrittig. Wie könnte es gelingen, das zu vertuschen? Mit dem Gewaltmonopol im Rücken ist das nicht sehr schwer. Bereits Ende der Vierzigerjahre rief die CIA die »Operation Mockingbird« ins Leben, die zum Ziel hatte, die Presse zu infiltrieren. Eine Untersuchungskommission unter Leitung von Senator Frank Church kam 1976 zu folgendem Schluss:154
Die CIA unterhält derzeit ein Netzwerk von einigen Hundert ausländischen Individuen rund um die Welt, die Informationen für die CIA sammeln und zeitweilig versuchen, die Meinung durch verdeckte Propaganda zu beeinflussen. Diese Individuen stellen der CIA direkten Zugang zu einer großen Anzahl von Zeitungen, Magazinen, Pressestellen, Presseagenturen, Radio- und TV-Stationen, Buchverlagen und anderen ausländischen Medien zur Verfügung.
Auf die Frage, ob die CIA auch direkt in den USA bezahlte Agenten in den Medien hat, erhält die Kommission vor laufender Kamera die Antwort, dass man die Frage lieber in einer nicht öffentlichen Sitzung (executive session) beantworten würde.155 Carl Bernstein, einer der beiden Watergate-Journalisten, zählte 1977 im Magazin Rolling Stone zahlreiche große Medien auf, die mit der CIA zusammenarbeiten würden, die wertvollsten darunter seien laut CIA-Beamten New York Times, CBS und Time Magazine.156 Angeblich wurde die Operation Mockingbird ausgerechnet von George Bush Sr. (!) eingestellt, aber diese Vorstellung ist lächerlich. Gerade die Geheimdiensttätigkeit im Inland wurde massiv ausgeweitet. Laut einem Bericht der Washington Post gibt es inzwischen 1271 Regierungsorganisationen und 1931 private Unternehmen, die an über 10.000 Orten in den USA geheimdienstlich tätig sind. Geschätzte 854.000 Menschen mit Top-Secret-Freigabe arbeiten in diesen Organisationen.157 Und da soll es nicht gelingen, eine Handvoll wichtiger Medien zu infiltrieren? Ganz selten, aber manchmal fliegt eine Verbindung auf. So kam heraus, dass Anderson Cooper nach seinen Junior-Jahren in Yale an einem Studentenprogramm der CIA teilnahm. Ohne jede journalistische Erfahrung oder Ausbildung wurde er der Top-Moderator bei CNN und ist heute immer einer der ersten am Tatort von Terroranschlägen, stets brav die offizielle Story verkündend und abweichende Zeugenaussagen oder Fakten ignorierend – zuletzt bei den Anschlägen in Boston.158
Den Geheimdiensten stehen praktisch unbegrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung und ein Journalist ist recht günstig zu haben. Deborah Davis zitiert in ihrer Biografie der Washington Post-Herausgeberin Katharine Graham mit folgenden Worten einen CIA-Agenten:159
Du kannst einen Journalisten billiger haben als ein gutes Callgirl, für ein paar Hundert Dollar im Monat.
Wichtiger als die Bezahlung ist aber, dass ein Journalist mithilfe der Dienste raketengleich aufsteigen kann. Mit den Informationen, welche die knapp 850.000 Mitarbeiter – alleine im Inland – sammeln, kann jeder beliebige Skandal aufgedeckt werden. Die Dienste wollen jemanden loswerden und versorgen ihre Journalisten einfach mit den nötigen Informationen. Der Journalist steigt auf und ist dem Geheimdienst zu Dank verpflichtet. Zudem ist er nach der ersten Zusammenarbeit erpressbar.
Im Rahmen des Skandals um den Verein »Netzwerk Recherche« um erschlichene Fördergelder schreibt die Bild-Zeitung – ohne dass es eine Gegendarstellung gegeben hätte – über Hans Leyendecker, Oberaufklärer der Süddeutschen Zeitung:160
Schon bei der Vereinsgründung vor zehn Jahren gab es dubiose Vorgänge um die Finanzen. Leyendecker bot an, eine Million Mark als Spende von einem geheimen Freund aus den USA zu besorgen.
Er habe, so geht es aus den internen Protokollen des Vereins hervor, dem potenziellen Spender per Ehrenwort versprechen müssen, dessen Namen nicht zu nennen.
Leyendecker – bis heute Hans161 Dampf in allen Talkshows – ist durch das Aufdecken diverser Skandale aufgrund erstklassiger Informationen bekannt geworden und gehört zu den vehementesten Verteidigern der offiziellen Verschwörungstheorie zum 11. September 2001. Leyendecker war Vorsitzender des am 1. April 2001 gegründeten Vereins, in dem aktuell knapp 600 Journalisten versammelt sind. Nach eigenen Angaben will der Verein die Qualität der Medienberichterstattung mittels Recherche steigern, dem journalistischen Nachwuchs Recherchetechniken vermitteln und den investigativen Journalismus pflegen.162 Noch Fragen?
Welche der beiden Eingangsthesen trifft nun zu? Der Begriff politisch-medialer Komplex deutet es schon an: Es ist vermutlich eine komplizierte Gemengelange. Das eine bedingt das andere, der eine bedient den anderen. Der wichtigere Aspekt scheint mir aber die Infiltration der Presse durch die Geheimdienste zu sein. Sie begehen die Verbrechen und sie haben auch das Motiv und die Möglichkeit, ihre Untaten effektiv und mit der Justiz im Rücken zu vertuschen. Whistleblower wie Bradley Manning oder Edward Snowden, Helden unserer Zeit, bekommen keine Orden verliehen, sondern werden – wie auch unter Obama immer mehr Journalisten – gnadenlos verfolgt.