4. Der wahre Klassenkampf: Produzenten gegen Parasiten

4.1 Marx hatte recht – fast

Hans-Hermann Hoppe hat 1990 in einem Artikel erklärt, dass die Kernthesen der marxistischen Geschichtstheorie weitgehend korrekt sind. Marx hat dabei nur die Klassen verwechselt und den Mechanismus der Ausbeutung missverstanden.56

Hoppe, in seiner Anfangszeit selbst für kurze Zeit Marxist, stellt die Kernthesen so dar:

  1. »Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen«, namentlich der Kampf zwischen einer kleinen regierenden Klasse und einer großen ausgebeuteten Klasse. Die wesentliche Form der Ausbeutung ist dabei eine ökonomische. Die regierende, ausbeutende Klasse konfisziert einen Teil der Produktion der ausgebeuteten Klasse für ihren eigenen Konsum.
  2. Die regierende Klasse vereinigt das gemeinsame Interesse, ihren ausbeutenden Status zu wahren und den Betrag ihrer Ausbeute zu maximieren. Sie wird diesen Status oder einen Teil dessen niemals freiwillig aufgeben. Er muss ihr Stück für Stück im Klassenkampf abgerungen werden. Das Ergebnis dieses Kampfes wird entscheidend dadurch bestimmt, ob die Ausgebeuteten sich ihrer eigenen Stellung bewusst sind und ob und in welchem Umfang sie sich der Ausbeutung entgegenstellen.
  3. Die herrschende Klasse steuert den Staat als Institution der Unterdrückung. Mit ihm gelingt es ihr, eine gegebene ausbeutende (Produktions-)Struktur zu wahren und die Klassenherrschaft zu legitimieren.
  4. Innerhalb der regierenden Klasse führt der Wettstreit (Wettbewerb) tendenziell zur größeren Zentralisierung. Ein multipolares System wird durch ein oligarchisches bis monopolistisches System der Ausbeutung ersetzt. Weniger Herde der Ausbeutung bleiben bestehen und jene, die bestehen bleiben, fügen sich in ein hierarchisches Gebilde. Zwischen Regierungen führt der Prozess der Zentralisierung zu imperialistischen Kriegen und der territorialen Ausbreitung der ausbeutenden Klassenherrschaft.
  5. Wenn die Klassenherrschaft ihrer natürlichen Grenze, der Weltdominanz, näher kommt, so wird sie zunehmend unvereinbar mit der Weiterentwicklung und Förderung der produktiven Kräfte der Gesellschaft. Wirtschaftliche Stagnation und Rezessionen werden charakteristischer und schaffen eine Situation, die das revolutionäre Klassenbewusstsein der Ausgebeuteten befördert. Die Zeit ist dann reif für den Sturz der regierenden Klasse und einen Übergang von der Herrschaft von Menschen über Menschen zu einer bloßen Koordinierung der Umstände (eine »klassenlose« Gesellschaft). Mit diesem Übergang wird ein nie dagewesenes ökonomisches Wohlstandswachstum einhergehen.

All das sei perfekt zu rechtfertigen, schreibt Hoppe und beklagt, dass es unglücklicherweise der Marxismus sei, der die Stichhaltigkeit dieser Thesen wie keine andere Ideologie diskreditiere, aufgrund einer »offensichtlichen absurden Theorie von Ausbeutung«. Marx überträgt die tatsächliche Ausbeutung in feudalistischen Gesellschaften mit Lehns- und Sklavenarbeit unzulässigerweise auf den Kapitalismus. In einer freien Marktwirtschaft geht der Arbeiter aber einen freiwilligen Vertrag ein. Er könnte schließlich auch selbst Unternehmer werden.

Marx begründet seine Ansicht mit der einfach zu widerlegenden Arbeitswertlehre. Nach ihr bestimme sich der Wert einer Ware danach, wie viel Arbeitszeit zu deren Produktion nötig ist. Der Wert eines Gutes bestimmt sich aber einzig und allein nach Angebot und Nachfrage. Eine Flasche Wasser in der Wüste ist dem Verdurstenden mehr wert als dem Kunden in einem Supermarkt.

Marx behauptet nun, der Unternehmer eigne sich den Gewinn zu Unrecht an. In Wirklichkeit ist sein Gewinn ein Entgelt dafür, dass er den Arbeiter sofort bezahlt, selber aber den Ertrag erst bei Verkauf der Ware bekommt. Er allein trägt das Risiko, dass er nichts verkauft. Dem Arbeitnehmer wiederum ist es lieber, sofort bezahlt zu werden, statt unsichere Einnahmen in der Zukunft zu haben. Hinzu kommen natürlich Aufwand und Know-how für die Organisation der Arbeitsteilung, um die sich der Arbeiter nicht kümmern muss. Ausbeutung kann per Definition nur auf Zwang beruhen. Die schrittweise Abschaffung feudalistischer und absolutistischer Herrschaft ist auf ein zunehmendes Klassenbewusstsein der Ausgebeuteten zurückzuführen. Doch dann kam der Marxismus und stellte die Welt wieder auf den Kopf. Das Klassenbewusstsein der wirklich Ausgebeuteten sank.

Was Marxisten laut Hoppe ebenfalls richtig erkennen, ist die Verstrickung von Staat und Wirtschaft, speziell der Bankenelite. Aber der Grund dafür liegt nicht darin, wie Marxisten glauben, dass Unternehmer erkennen, dass der Staat ihr Eigentum schützt, sondern weil sie im Gegenteil begreifen, dass der Staat die größte Bedrohung für ihr Eigentum darstellt. Also ergreifen sie die Flucht nach vorne und nutzen den Staat, um sich per Lobbyismus Sonderprivilegien zu verschaffen und sich vor Wettbewerb zu schützen. Das Grundproblem ist also das Gewaltmonopol selbst. Ohne dieses gäbe es weder jemanden, der den Unternehmen das Eigentum streitig machen könnte, noch jemanden, der sie vor Wettbewerb schützt.