In Teil II und III habe ich anhand von Originalquellen nachgewiesen, dass es sowohl einen Plan der Nazis für eine sozialistische europäische Union gab als auch einen der Kommunisten. Wir sahen ebenfalls, dass beide Bewegungen von denselben Wall-Street-Bankern finanziert wurden. Jetzt wollen wir der Frage nachgehen, ob diese Kräfte auch heute noch am Werk sind und ob es möglicherweise ein weiteres verbindendes Element gibt.
Wir haben gesehen, dass Wall-Street-Banker, allen voran die Rockefeller-Familie, im Ersten wie auch im Zweiten Weltkrieg eine entscheidende Rolle spielten und sowohl die Nazis (hauptsächlich über Standard Oil/I.G. Farben) als auch die Bolschewisten unterstützten. Die Rockefeller-Familie ist dabei nur der sichtbarste Teil der Finanzelite, weshalb ich mich in diesem Buch auf sie konzentriere. Sie war über Senator Nelson Aldrich (Schwiegervater von John D. Rockefeller Jr.) sogar federführend in die Etablierung der Fed eingebunden, also der Institution, die letztlich bis heute (noch) den globalen Finanzmarkt steuert. Aber gibt es Beweise dafür, dass sie auch später eine Rolle spielte?
Springen wir zurück in den Januar des Jahres 1989. Zu dieser Zeit war die Mauer noch nicht gefallen. Der Maastricht-Vertrag, der die Europäische Union begründete, lag noch drei Jahre in der Zukunft.710 Am 18. Januar 1989 besuchte eine hochkarätige Delegation der Trilateralen Kommission das Zentralkomitee in Moskau. Bukowski/Stroilow gelangten über die Gorbatschow-Stiftung in den Besitz der Gesprächsprotokolle des Politbüros, sodass wir hier einen der ganz seltenen Einblicke in das Innenleben der Trilateralen bekommen. Vonseiten der TK nahmen der Chef höchstpersönlich, David Rockefeller, und sein wichtigster Mann Henry Kissinger, der frühere französische Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing für Europa und der frühere japanische Premierminister Yasuhiro Nakasone für Asien an dem Treffen teil. Auf russischer Seite war neben anderen Politbüromitgliedern Michail Gorbatschow höchstpersönlich anwesend. Hier nur einige Auszüge:
Giscard d’Estaing:711
Heutzutage erlebt Westeuropa eine Perestroika, die seine Strukturen ändert. Es ist schwer zu sagen, wann exakt das passieren wird: fünf, zehn oder zwanzig Jahre später. Aber ein neuer moderner föderaler Staat wird in Westeuropa entstehen. Das ist es, worauf es hinausläuft, und die UdSSR sollte darauf vorbereitet sein, mit einem großen einzelnen Staat von Westeuropa zu kommunizieren. Dieser zukünftige Staat wird offen sein für alle Formen der Kooperation.
Giscard d’Estaing spricht hier also bereits Anfang 1989 von den Vereinigten Staaten von Europa und ist für jegliche Kooperation offen – auch für die Integration der UdSSR. Er spricht von Perestroika innerhalb Westeuropas! Das alleine beweist natürlich nicht, ob er damit ebenfalls die Verbreitung des Kommunismus meint. Angesichts der Aussagen von Rockefeller und Brzezinski über Mao und Marx darf man allerdings davon ausgehen, dass auch er weiß, was das heißt.
Giscard d’Estaing weiter:
Aber wir würden gerne wissen, wenn einige osteuropäische Staaten – die Sicherheitsbande mit der UdSSR beibehaltend – gerne Mitglieder der EWG werden würden, was wäre Ihre Einstellung zu dieser Idee?
Kissinger legt nach:
Was denken Sie über das Konzept eines »Europa vom Atlantik bis zum Ural?« Was wird das Schicksal des Teils der Sowjetunion sein, der östlich vom Ural liegt? Welche Art der Beziehung wird es zwischen den USA und einem künftigen Europa geben? Meine Kollegen in der Trilateralen Kommission und ich wollen in einer konstruktiven Weise zum Bau dieses Europa beitragen, bei welchem sowohl die UdSSR als auch die USA eine ähnlich positive Rolle spielen würden.
Henry »Bor« Kissinger bringt also die Losung eines »Europa vom Atlantik bis zum Ural« in das Gespräch ein. Natürlich weiß er, dass Gorbatschow die Parole schon 1987 in seinem Buch Perestroika aufgegriffen hat. Höchstwahrscheinlich kennt er auch die Planungen, die schon viel weiter zurückdatieren. Eine direkte Antwort von Gorbatschow, an den die rhetorische Frage offensichtlich gerichtet war, ist aus den Dokumenten, die Bukowski/Stroilow 2004 publizierten, noch nicht ersichtlich.
Im Mai 2009 veröffentlicht das National Security Archive der USA Teile der Tagebücher von Anatoli Tschernjajew, Gorbatschows außenpolitischem Berater.712 Tschernjajew hatte seine Tagebücher bereits 2004 dem Archiv gestiftet. Natürlich enthalten die Veröffentlichungen nur das, was veröffentlicht werden soll, aber schon das hat es in sich. Denn in den Tagebüchern enthalten sind auch seine Notizen über eine Politbüro-Sitzung vom 21. Januar 1989, in der Gorbatschow von seinem Treffen mit der Trilateralen Kommission berichtet:713
Gorbatschow berichtet über die Trilaterale Kommission … Sie ist an allem interessiert, was vorgeht, speziell in unserem Land. Sie arbeitet an allen Themen europäischer Weltpolitik. Ich (offensichtlich Gorbatschow; Anm. OJ) würde zwei Themen herausheben:
Das Erste ist, wie wir die Sowjetunion in die Weltwirtschaft integrieren. Diese Themen werden beachtet in der Trilateralen Kommission. Wenn ihr bereit seid, euch zu integrieren, sollten wir darauf vorbereitet sein, sagten sie zu mir.
Giscard sagte mir direkt, dass das für uns (UdSSR) schwer werden würde, für sie aber ebenso.
Zweites Thema: Sie kommen zu dem Schluss, dass der schwierigste Weg der Perestroika noch vor uns liegt. Und in der internationalen Sphäre werden die größten Probleme in der Dritten Welt auftauchen. Sie denken, der Westen »lässt die Dritte Welt leben« und die Dritte Welt lässt umgekehrt »uns leben«. Aber wie werden wir mit der Dritten Welt umgehen? Sie glauben, in 10 bis 20 Jahren werden wir alle mit einer Föderation von Staaten namens Europa zu tun haben.
Die TK ging also bereits 1989 von der EU aus, die erst später entstand. Die Passage über die Dritte Welt deutet an, dass man ohnehin davon ausgeht, Nordamerika, Japan und Europa unter einem Dach zu vereinen. Übrige bliebe dann nur die Dritte Welt, die ja noch keine gemeinsame Institution hat.
Kisa (Kissinger) zuckte bei diesem Statement von Giscard und stellte mir eine direkte Frage: Wie würdet ihr reagieren, wenn Osteuropa der EG beitreten will? Das ist kein Zufall, dass er mich das fragt. Sie wissen, dass unsere Freunde bereits anklopfen … Und ich denke, jedes Land sollte sein eigenes Gesicht haben und hat es. Und wir werden weiterhin Freunde bleiben, denn die sozialistische Basis wird in allen von ihnen erhalten bleiben. Die Wege unserer Entwicklung werden unterschiedlich sein, während wir unsere Gemeinsamkeiten behalten werden …
Hier haben wir also direkte Bestätigung dessen, was Golizyn berichtet hat. Die Staaten werden zum Schein freigelassen, weil die sozialistische Basis erhalten bleibt. Wir erinnern uns, dass der KGB laut Golizyn lauter Scheinoppositionen gegründet hat, aus denen dann die neuen Parteien hervorgingen. Es ist nicht ganz klar, ob Gorbatschow hier berichtet, was er der TK gesagt hat, oder ob er seine Worte nur an das Politbüro richtet.
Und dann ist da die Frage, was wir den Arbeitsgruppen der Führer der sozialistischen Länder präsentieren sollten. Bei der Gelegenheit: Die Kommission soll uns eine substanzielle Antwort darauf geben, ob wir dieses Treffen überhaupt brauchen. Vorher sollten wir das ausarbeiten – was wir unseren Freunden geben können und was der Westen ihnen geben kann. Die Antwort auf diese Frage, da bin ich sicher, liegt in unserer Perestroika, ihrem Erfolg.
Auch hier ist nicht ganz klar, ob er mit Kommission die TK meint. Was er mit Perestroika meint, wissen wir bereits.
Es ist Zeit, unsere Beziehungen (zu den osteuropäischen Staaten; Anm. OJ) zu der Form zu verändern, die wir mit China praktizieren, aber wir können solche Formen nur über den Markt bekommen und natürlich über technologische und wissenschaftliche Entwicklungen in unserem Land.
Hier wird wieder deutlich, dass der alte Marxist-Leninist den Markt nur benutzen will, um das ultimative Ziel zu erreichen.
In diesem Fall müssen wir mit unserer alten Regel brechen, dass wir sie nur über die Mittel der Energieressourcen an uns binden.
Hier wird erstens klar, wie die Sowjetunion zusammengehalten wurde. Zweitens verstehen wir jetzt auch, dass die Gaslieferungen an Deutschland, die Gerhard Schröder als Kanzler eingeleitet hat und heute als Aufsichtsratsvorsitzender der Ostsee-Pipeline selbst umsetzt, Teil einer Strategie sind, Deutschland und Europa am Gängelband zu halten wie einst die Satellitenstaaten der Sowjetunion.714 Gleichzeitig sorgt die ehemalige FDJ-Sekretärin Angela Merkel für die Abschaltung der Kernkraftwerke und die ökonomisch unsinnige Energiewende, sodass die Abhängigkeit zementiert wird.
Jetzt anschnallen bitte:715
Kisa deutete die Idee einer UdSSR-USA-Herrschaft über Europa an.
In dem englischen Dokument steht: USSR-USA condominium over Europe. Ein Kondominium bezeichnet eine von mehreren Mächten gemeinsam ausgeübte Herrschaft über ein Gebiet. Es scheint, als ob die beiden Großen Europa als ihr Eigentum betrachten sollen:
Er deutete an, dass Japan, Deutschland, Spanien und Südkorea im Aufstieg begriffen sind, also lasst uns eine Vereinbarung treffen, damit sich die »Europäer nicht danebenbenehmen«.
Kissinger hatte also Angst vor einem unabhängigen Europa, denn sonst wären natürlich die Pläne einer Weltregierung gefährdet. Die USA und Russland wollten Europa also behandeln wie ihr Eigentum. Ganz wie nach dem Zweiten Weltkrieg, nur diesmal mit einem einheitlichen – zunächst korporatistischen – System. Und jetzt, Verschwörungstheoretiker aufgemerkt:
Wir sollten an diesem Themenbereich arbeiten, aber so, dass nichts herauskommt (leak), denn in Europa haben sie am meisten davor Angst, was ihrer Meinung nach das Treffen von Reykjavik bedeutet. Und, zur Erinnerung, in Reykjavik sahen sie den Versuch einer Verschwörung über Europa.
Tja, wie kamen die Europäer nur darauf? In Reykjavik trafen sich im Oktober 1985 Gorbatschow und Reagan offiziell zu Abrüstungsverhandlungen.716
In Fazit des Papiers ist nicht ganz klar, ob Gorbatschow es zieht (was wahrscheinlich ist, weil er von seinem Eindruck spricht) oder Tschernjajew, aber das ist auch nicht entscheidend:
Mein Eindruck vom Treffen mit der Trilateralen Kommission ist der folgende: Im Westen verstehen sie, dass die Welt den Atem des Friedens spüren will – befreit vom Rüstungswettlauf, von der nuklearen Psychose – genauso wie wir. Dennoch müssen wir alles im Detail wissen, um keine Fehler zu machen. Sie wollen den Prozess in einer Weise kanalisieren, um unseren Einfluss auf die Weltsituation so weit wie möglich zu begrenzen, sie wollen uns die Initiative aus der Hand nehmen und Vertrauenstests nach dem Motto präsentieren: Wenn die Sowjetunion etwas nicht zustimmt, agieren wir (die USA; Anm. OJ) in einer Weise, wie wir Punkte sammeln können. Deshalb sollten wir (die Sowjetunion; Anm. OJ) die Initiative behalten. Das ist unser größtes Plus.
Man wollte also die Initiative behalten, das ist ja verständlich. Ende 2009, also etwa ein halbes Jahr nachdem das National Security Archive die Dokumente zugänglich gemacht hat, geht die Trilaterale Kommission in die Offensive und »veröffentlicht« ihrerseits Dokumente über das Treffen. Wobei »veröffentlicht« zu viel gesagt ist. Man findet die Dokumente nur auf der Webseite, wenn man weiß, wonach man suchen muss.717 In den Medien finden Sie natürlich nichts davon, aber für denjenigen, der sich auskennt, enthalten sie wichtige Zusatzinformationen. Beispielsweise finden wir hier die Antwort auf Kissingers Frage nach einem Europa »vom Atlantik bis zum Ural«. Dazu muss man eins vorausschicken. An den Treffen nahmen vermutlich nicht nur Insider teil. Wir wissen von Golizyn, dass zur Umsetzung der kommunistischen Langfriststrategie der KGB in einen inneren und einen äußeren Zirkel eingeteilt wurde. Nur der innere Zirkel kennt die Gesamtstrategie. Dazu gehört offensichtlich Gorbatschow selbst. Auch Kissinger alias Bor (mehr dazu im nächsten Kapitel) und Rockefeller dürften im Bilde sein. Über die anderen Teilnehmer können wir wenig sagen. Der Text weicht zunächst leicht ab und eine weitere Frage kommt hinzu:718
Kissinger:
War anwesend bei der UN bei G.s historischer Rede. Seine neue Vision internationaler Beziehungen stellte eine große Abweichung von der Geschichte dar. Manche werden sagen, es war Propaganda, aber wir müssen wissen, wie es funktioniert, wenn Kooperation Wettbewerb ersetzt. Das ist eine große Veränderung.
Was ist mit der Zukunft Europas, dem Konzept eines Europa vom Atlantik bis zum Ural? Wie betrifft das die UdSSR und Europa? Wir hoffen, beide können eine konstruktive Rolle bei der Errichtung (»building«) Europas spielen. Könnten einige osteuropäische Staaten Teil der EWG werden.719
Die defensive Natur der Streitkräfte (laut Golizyn eine Täuschung; Anm. OJ) war ebenso revolutionär als Konzept. Wie können wir das in konkrete Vereinbarungen umsetzen? Wir alle möchten einen konstruktiven Beitrag in dieser Beziehung leisten.
Gorbatschow:
Der Fakt, dass wir hier im Raum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei sitzen, zeigt, wie sich die Dinge geändert haben. Lenin sagte, ohne die generellen Fragen zu klären, kann man sich nicht mit den spezifischen beschäftigen.
RUMMS! Ich überlasse Ihnen an dieser Stelle die Interpretation.
Der Kapitalismus hat einige Ideen des Sozialismus auf sozialen Gebieten ausgeborgt. Wir haben Ideen des Kapitalismus ausgeborgt. Beides ist Fakt. Primitive Stereotypen müssen aufgegeben werden. Der Kapitalismus hat sich an veränderte Bedingungen angepasst. So hat es der Sozialismus. Ein neues Verständnis ist notwendig. Die UdSSR wird bei ihrer Wahl bleiben und beim Sozialismus bleiben und ihn durch Perestroika verbessern.
Meisterhafte Hegel’sche Dialektik! Ohne Hintergrundwissen kaum zu durchschauen.
Neue Verhandlungsmuster wurden bereits entwickelt (Henry würde gerne weiter bei den alten Methoden inklusive Einschüchterung bleiben.)720
Die UN muss mehr genutzt werden. Die Zeit war 40 Jahre lang noch nicht reif, aber jetzt ist es an der Zeit.
Dass sowohl für die Kommunisten als auch für Rockefeller die Vereinten Nationen die Vorstufe zur Weltregierung sind, wissen wir bereits. Unabhängig von der Interpretation der einzelnen Passagen, die man ohne Vorwissen sicherlich auch harmloser auslegen könnte, ist hier eines wichtig:
Keiner der TK-Mitglieder ist ein aktiver gewählter Politiker. Wie kann es sein, dass Gorbatschow hier mit ihnen gleichsam über die Aufteilung Europas verhandelt? Wieso erfährt die Öffentlichkeit nichts davon? Wieso wissen die TK-Mitglieder schon 1989, dass es einen gemeinsamen Staat Europa geben wird? Die Bevölkerung wurde damals weder informiert noch gefragt. Gefragt wurde sie bis heute nicht und genau darin liegt der Grund, warum hier solche Prognosen abgegeben werden können. Man hatte nie vor, die Völker der einzelnen Nationen zu befragen. Die TK ist der breiten Bevölkerung völlig unbekannt, aber sitzt hier am Tisch und entscheidet über das Schicksal Europas. Das geht sogar so weit, dass sich eine »Task Force« der TK im Februar 1989 mit den sowjetischen Generälen zusammensetzte und über Abrüstungsfragen inklusive genauer Zahlen über die militärische Stärke der Armee diskutierte.721 Im April 1990 bereitet der Vizepräsident der Trilateralen Kommission, Georges Berthoin, der zu dem Zeitpunkt kein politisches Amt innehatte, zusammen mit Wadim Sagladin, dem persönlichen Berater Gorbatschows, das Treffen im Politbüro mit Jacques Delors vor. Delors war damals Präsident der EG-Kommission (1985–1995), Mitglied der Sozialistischen Partei Frankreichs und ist bis heute Mitglied von Rockefellers Club of Rome.722
Zurück zu Gorbatschow. Am 3. Dezember 1989 nimmt er bei einem offiziellen Meeting mit Präsident Bush auf dem russischen Schiff Maxim Gorki, das vor Malta ankerte, Bezug auf sein Treffen mit der TK. Er schildert kurz, was wir oben schon gelesen haben, zitiert dann Giscard d’Estaing mit dem Satz »Seien Sie bereit, mit einem vereinigten föderalen Staat von Europa zu verhandeln« und sagt:723
Wir fassen uns selbst als Europäer auf, insofern wir die Idee eines gemeinsamen europäischen Hauses mit dieser Bewegung assoziieren. Ich würde E. A. Schewardnadse und Außenminister Baker bitten, diese Idee in der Tiefe zu diskutieren, weil ich denke, es ist im Interesse der UdSSR und der USA. Wir sollten in einer verantwortlicheren und ausgewogenen Weise in dieser Periode, in der ganz Europa solchen dynamischen Veränderungen unterliegt, agieren und interagieren.
George Bush: Ich stimme zu.
Natürlich.
Noch ein paar Highlights aus den Dokumenten der TK:
Milovan Djilas, ein jugoslawischer kommunistischer Dissident724, am 21. September 1983 (!) in einem Interview mit dem vierteljährlichen TK-Magazin Trialogue:725
Ein solches Vorurteil ist, dass der Kommunismus mit der Sowjetunion verschwinden wird. Absolut nicht! Der Kommunismus wird die Sowjetunion überleben … Utopia scheint sehr in der menschlichen Natur verankert zu sein … Kommunismus mag als Idee vielleicht unrealistisch sein, aber sie ist auch inspirierend wie jede utopische Lehre. Die Sowjetunion und ihr System werden vielleicht eines Tages verschwinden, aber eine neue Form utopischen Denkens ist dazu verdammt, aufzusteigen – in China, Europa oder anderswo.
Dezember 1988, Vereinte Nationen, New York (die Rede, auf die Kissinger anspielte). Der Text ist von der TK:726
Gorbatschow erklärt vor der Generalversammlung der UN: »Weiterer Fortschritt in der Welt ist nun nur möglich durch die Suche nach einem Konsens der gesamten Menschheit, in einer Bewegung zu einer neuen Weltordnung (»movement to a new world order«)«. Die ist in der Tat eine epochemachende Rede, die die New York Times zu folgendem Kommentar inspirierte: »Vielleicht nicht mehr seit Woodrow Wilson seine vierzehn Punkte 1918 präsentierte oder seit Franklin Roosevelt und Winston Churchill ihre atlantische Charta 1941 verkündeten, hat eine Persönlichkeit der Welt eine solche Vision demonstriert wie Michail Gorbatschow gestern vor den Vereinten Nationen.«
Dann folgt mitten unter den anderen Artikeln noch einmal ein Kurzbericht des 1989er-Meetings der TK mit einem erstaunlichen Gorbatschow-Zitat, das in keinem der anderen Dokumente auftaucht:727
Dritte-Welt-Länder werden nicht mehr in der Lage sein, West gegen Ost auszuspielen. Wir sollten Partner beim Aufbau einer neuen Weltordnung werden.
Zum Begriff Neue Weltordnung komme ich noch in Kapitel IV.4.
Oktober 1990, New York:728
George Bush Sr. spricht vor der UN Vollversammlung: »Ich sehe eine Welt, die auf dem entstehenden neuen Modell der europäischen Einheit aufbaut, nicht nur Europa, sondern die ganze Welt, ganz und frei.«
Europa wieder als Vorbild für die Welt. Wohlgemerkt, das ist eine von der Trilateralen Kommission angefertigte Zusammenstellung aus Anlass des zwanzigjährigen Jubiläums ihres Treffens in Moskau!
Zum Schluss der Zitatesammlung lamentiert die TK, dass ihre Pläne noch nicht verwirklicht wurden:729
Vor zwanzig Jahren haben die Berliner mehr getan, als ihre Mauer zu zerstören: Sie zerstörten alle unsere Mauern (Hervorhebung durch die TK; Anm. OJ). Ein Fenster der Gelegenheit wurde einen Spalt geöffnet. Ein historisches Rendezvous wurde jedoch verpasst: keine Sychronisation zwischen dem Wünschenswerten und dem politisch Realisierbaren kam zustande.
Mit der Zerstörung aller Mauern ist natürlich die Abschaffung aller Nationalstaaten gemeint. Angesicht der Tatsache, dass die Sowjetunion untergegangen ist, kann kaum etwas anderes gemeint sein.
Schließlich schenkt uns die TK noch einen neuen orwellschen Begriff:730
Die Obama-Wahl und die Natur der gegenwärtigen Herausforderungen laden die Kunst der Politik ein, gegenwärtige Ängste und Unsicherheiten in eine neue Weltharmonie (»new world harmony«) zu verwandeln, die von allen und für alle als legitim und fair angesehen wird.
Das Wir entscheidet!
Zeigen uns die G20 den Weg?731
Bitte nicht!
Dann folgen noch einige Übungsartikel für Neusprech, die Sie sich gerne anschauen können. Zum Abschluss dieses Kapitels aber gebe ich das Wort weiter an Otto Graf Lambsdorff, der ebenfalls einen Artikel beigesteuert hat:732
Das internationale Netzwerken (networking) der Trilateralen Kommission hat definitiv zur Schaffung des Vertrauens innerhalb des Westens wie auch in Bezug auf den Osten beigetragen und auf diese Weise einen Prozess gefördert, der in den friedlichen Revolutionen des Jahres 1989 kulminiert ist. Ich selbst habe dieses Vertrauen erlebt, als mich die europäische Gruppe der Trilateralen Kommission 1991 zum Präsidenten gewählt hat.
Haben wir das auch geklärt.