Yin und Yang

  Auch zu Yin und Yang lassen Sie mich ein paar Worte sagen, denn nicht nur der gesamte Kosmos mit allen seinen Erscheinungsformen, sondern auch die acht Brokate sind ohne das Wechselspiel dieser beiden Elemente nur sehr schwer vorstellbar. Yin steht für das weibliche, schwache, erzeugende und dunkle und Yang für das männliche, starke, zerstörerische und helle Prinzip. Obwohl sich an diesen grundsätzlichen Bedeutungen eigentlich nie etwas geändert hat, konnten die chinesischen Weisen durchaus immer mal wieder kontrovers darüber diskutieren. Denn was letztendlich Yin oder Yang war, ergab sich nicht nur aus dem unterschiedlichen Wirken und den verschiedenartigen Übungsmethoden, sondern auch aus den Veränderungen im Daoismus und Buddhismus. Und auch heute noch bestimmt oftmals die Übung selbst, was Yin oder was Yang ist.

  So entspricht die tiefe Ausgangsstellung bei den acht Brokaten Nummer zwei, fünf und sieben »Yin«, die leicht breitbeinige und die hohe Stellung bei den restlichen Brokaten »Yang«. Weisen die Handinnenflächen nach unten, so ist das »Yin«, weisen sie nach oben, dann ist das »Yang«. Bewegen Sie die Arme von oben nach unten, ist das »Yin«, bewegen Sie die Arme von unten nach oben, ist das »Yang«. Atmen Sie aus, so ist das »Yin«, atmen Sie ein, so ist das »Yang«.

  Gerade dieser letzte Punkt ist meines Erachtens besonders interessant, weil er auch für nahezu alle Kampfsportarten gilt. Die Vorbereitung einer Technik, also den Gegner in die richtige Position zu bringen, sein Gleichgewicht zu brechen oder ihn zu einer bestimmten Reaktion zu verleiten, erfordert trotz allen theoretischen Geplänkels darüber in der Regel sehr viel Kraft und es wird eingeatmet oder der Atem zumindest gepresst angehalten. Das ist »Yang«. Um eine Technik erfolgreich abzuschließen, braucht man dann in der Regel nicht mehr allzu viel Kraft. Mit einem Kiai, dem Kampfschrei, wird das Vollenden angezeigt und in diesem Augenblick entlädt sich die gesamte, eingesetzte Energie und es wird ausgeatmet, das ist »Yin«. Es liegt auf der Hand, dass zum Beispiel bei einem Seoi-Nage (Schulterwurf) der Wechsel von »Yin« zu »Yang« fließend ist und nicht genau auf den Punkt genau bestimmt werden kann. Hinzu kommt, dass sich in einem Wettkampf das alles in Bruchteilen von Sekunden abspielt.

  Schauen wir uns nun unter diesen Gesichtspunkten die Brokate fünf, der regt den Ren Mai an, und acht, der stimuliert den Du Mai, etwas genauer an, denn alle beide sind so typisch für Yin und Yang.

  Der fünfte Brokat ist wegen der tiefen Stellung ein Yin Brokat. Armen Sie ein, ist das Yang, neigen Sie sich dabei ein wenig nach vorne, ist das Yin. Atmen Sie aus und neigen sich noch weiter vorne, der Oberkörper kommt also der Erde noch näher, ist das zweimal Yin. Wenn Sie wieder einatmen, sich etwas aufrichten, ist das wieder zweimal Yang, atmen Sie wieder aus und neigen sich noch weiter vorne, der Oberkörper kommt also der Erde noch näher, ist das zweimal Yin. Zum Schluss richten Sie den Oberkörper wieder auf, das ist also Yang und dabei atmen Sie aus, das ist wieder Yin. Auch hier sehen Sie innerhalb eines Brokats die Ausgewogenheit zwischen Yin und Yang.

  Der achte Brokat ist wegen der hohen Stellung ein Yang Brokat. Atmen Sie ein und stellen sich dabei auf die Zehenspitzen, sind dem Himmel deshalb noch ein wenig näher, dann ist das zweimal Yang, atmen Sie aus und lassen sich ruckartig auf die Fersen plumpsen, dann ist das zweimal Yin.

  Auch hierzu kann man noch viele verschiedene Meinungen äußern, aber, und das ist das Wichtigste, für das gesundheitliche und wohltuende Wirken der acht Brokate sind letztlich alle Meinungen und theoretische Ausführungen völlig unwichtig.

 

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