5.7 – Die Stufen zur Fasten-Meisterschaft

Den Begriff ‚Stufen‘ zur Fasten-Meisterschaft habe ich nicht ganz ohne Hintergedanken, sondern in Anlehnung an die Stufen der buddhistischen Erleuchtung gewählt. Zwar wird Sie das Kurzzeitfasten natürlich nicht zum ewigen Seelenfrieden führen, aber zumindest in Bezug auf Ihre Ernährung kommt das Gefühl, welches Sie auf der höchsten Stufe erleben werden, einer kleinen Erleuchtung durchaus nahe.

Die folgenden Seiten sollen Ihnen einen besseren Überblick darüber vermitteln, welche Anpassungen Sie im Rahmen einer langfristigen Umsetzung des Kurzzeitfastens durchlaufen und wie lange diese in der Regel dauern. Da es sich hierbei zugegebenermaßen um eine ziemliche Verallgemeinerung subjektiver Empfindungen handelt, habe ich neben meinen eigenen Erlebnissen auch die vieler weiterer Anhänger dieses Konzepts ausgewertet. Um die Basis meiner Aussagen in diesem Kapitel möglichst breit zu gestalten, habe ich auch entsprechende Erfahrungsberichte im Internet gesucht und einige Kurzzeitfaster gezielt angeschrieben, um sie nach Ihren persönlichen Erlebnissen zu fragen. Dabei zeigte sich, dass die beschriebenen Stufen stets in sehr ähnlicher Form durchlaufen werden. Allerdings kann die Zeit, die bis zum Erreichen einer bestimmten Stufe vergeht, stark variieren. Es gilt eben auch hier, dass jeder Mensch anders ist. Unabhängig davon habe ich aber auch festgestellt, dass es einen großen Unterschied macht, wie das Konzept umgesetzt wurde. Personen, die häufiger auch die längeren Fastenvarianten in Ihren Alltag integrieren konnten und dazu noch im Fastenzustand trainiert haben, können die beschriebenen Stufen teilweise deutlich schneller durchlaufen, als solche, die zwar ebenfalls erfolgreich abgenommen haben, aber trotzdem (oder gerade deswegen) nur eine Minimalvariante dieses Programms verfolgen. Folglich sind die hier beschriebenen zeitlichen Rahmen ein Mittelwert und stellen lediglich eine grobe Orientierung dar.

 

Stufe 1 – Das Gehirn will Zucker

Diese Phase, die in der Regel zwei, selten bis zu vier Wochen dauert, ist wenig überraschend die Schwierigste. Denn für viele bedeutet der Einstieg ins Kurzzeitfasten, dass ihr Körper zum ersten Mal längere Zeit auf jegliche Form von Nahrung verzichten muss. Bis dahin war Ihr Gehirn es gewohnt, den Blutzuckerspiegel und damit seine eigene Nährstoffversorgung in erster Linie dadurch zu regeln, dass es Ihnen in relativ kurzen Abständen das Signal gab, neue Energie zuführen zu müssen. Entscheiden Sie sich nun bewusst gegen eine Nahrungsaufnahme, läuft dieses Signal ins Leere und Ihr Gehirn bekommt Stress. Denn der Fettstoffwechsel Ihres Körpers ist auf dieser Stufe meist noch alles andere als effizient und entsprechend wird Ihr Gehirn anfangs nicht so gut mit Nährstoffen versorgt, wie dies bei normaler Ernährung der Fall wäre. Da es während dieses ‚Lieferengpasses‘ auch noch mit den übrigen Organen und vor allem der Muskulatur um Zucker konkurriert, werden Sie sich häufig auch etwas schlapp und antriebslos fühlen. Das ist die Art Ihres Gehirns zu sagen „alle Vorräte zu mir!“. Zu diesem Zeitpunkt ist es nämlich noch regelrecht süchtig nach Zucker und wenn es seine Droge nicht schnell genug bekommt, können entsprechende Entzugserscheinungen auftreten. Beispiele sind schlechte Laune, Kopfschmerzen und innere Anspannung. Das hier ist wirklich das schlechteste Szenario und mehr als die Hälfte der Kurzzeitfaster, mit denen ich gesprochen habe, sind von diesen Nebenwirkungen verschont geblieben. Trotzdem ist es aus meiner Sicht besser zu wissen, was einen erwarten kann und es tritt dann doch nicht ein, als umgekehrt.

Auf dieser ersten Stufe erfordert das Kurzzeitfasten in aller Regel noch ein gewisses Maß an Willenskraft. Denn selbst wenn Sie die obigen Symptome nicht erleben, werden Sie doch zumindest ziemlichem Hunger widerstehen müssen. In diesen Situationen ist dann neben Ablenkung und viel Wasser einfach auch eine gewisse Motivation und Disziplin erforderlich. Aber keine Sorge, das wird bald besser und außerdem dürfen Sie sich ja bereits nach wenigen Stunden wieder richtig satt essen. Dies werden Sie auf dieser Stufe auch mit ziemlicher Sicherheit voll auskosten und entsprechend große Portionen zu sich nehmen.

 

Stufe 2 – Es wird einfacher

Wenn die ‚Entzugserscheinungen‘ und der wirklich große Hunger in den Fastenzeiten verschwinden, dann sind Sie auf Stufe 2 angekommen. Diese hält erfahrungsgemäß etwa weitere drei bis fünf Monate an. In dieser Zeit ist das Kurzzeitfasten schon deutlich angenehmer und wird mehr und mehr zu einer Selbstverständlichkeit in Ihrem Tagesablauf. Sie haben in den Fastenzeiten zwar immer noch Hunger und gerade längere Zyklen dürften noch eine gewisse Herausforderung darstellen, aber es ist nur ein überschaubares Maß an Disziplin erforderlich, um bis zur ersten Mahlzeit durchzuhalten. Erst recht, weil Sie allmählich erste spür- und messbare Erfolge beobachten können, die Sie zusätzlich motivieren dürften. Einerseits sollte sich beim Gewicht inzwischen ein klarer Trend nach unten einstellen und gleichzeitig hat sich die Antriebslosigkeit von Stufe 1 langsam aber sicher ins Gegenteil gewandelt. Viele Kurzzeitfaster berichten, dass sie sich auf dieser Stufe viel energiegeladener fühlen, als dies noch vor dem Programm der Fall war und für viele ist das die Motivation, sich mal wieder sportlich zu betätigen. Auch die allgemeine Stimmung wird oft bereits auf dieser Stufe als insgesamt positiver beschrieben. Wenn Sie Ihren Erfolg anhand medizinischer Werte überwachen, sollte inzwischen auch hier eine klare Verbesserung zu sehen sein.

Obwohl der Heißhunger aus Stufe 1 nicht mehr ganz so ausgeprägt ist, geben viele Kurzzeitfaster an, zumindest am Ende ihrer Fastenphasen nach wie vor besonders große Portionen zu essen.

 

Stufe 3 – Das Fasten ist schön

Nach etwa 4 bis 6 Monaten fängt das Ganze an wirklich Spaß zu machen. Gerade, wenn Sie auch gelegentlich längere Fastenzeiten in Ihren Plan aufgenommen haben, sind die 16 bis 18 Stunden, die Sie normalerweise auf Nahrung verzichten, inzwischen ein Kinderspiel. Auf dieser Stufe wird das Kurzzeitfasten besonders in Bezug auf Ihre Abnehmen-Ziele so richtig interessant. Denn inzwischen dürfte Ihr Körper sich so gut an die Fastenzyklen gewöhnt haben, dass Sie am Ende einer Fastenphase zwar noch spürbar hungrig sind, jedoch nur noch relativ normale Portionsgrößen zu sich nehmen. Somit kommt zum positiven Effekt des Kurzzeitfastens auf Ihr Körpergewicht erstmals auch der einer insgesamt verringerten Kalorienaufnahme hinzu. Denn durch den Wegfall der Kalorien-Kompensation in der Essensphase, nehmen Sie im Vergleich zu früher nicht mehr drei, sondern nur noch zwei normalgroße Mahlzeiten zu sich und haben noch dazu viel weniger Zeit für Snacks. Im Gegensatz zu früheren Diäten ist diese Kalorienreduktion ein ganz automatischer Effekt, der Ihnen keinerlei zusätzliche Anstrengung abverlangt. Zusätzlich fällt es Ihnen auf dieser Stufe deutlich leichter, Ihre Gewichtsentwicklung durch den gezielten Einbau längerer Fastenzyklen zu steuern. Durch diese beiden Effekte erreichen die meisten Kurzzeitfaster in Stufe 3 zügig und mit Leichtigkeit ihr Wunschgewicht.

 

Stufe 4 - Die Essens-Erleuchtung

Die folgenden Effekte, die ich auch am eigenen Leib erfahren habe, wurden mir bei meiner Befragung ausschließlich von jenen Kurzzeitfasten bestätigt, die immer wieder auch lange Fastenzeiten von 24 Stunden (teilweise sogar darüber hinaus) machen oder zumindest gemacht haben und regelmäßig im Fastenzustand Sport treiben. Ob Sie diese Stufe erreichen (wollen), hängt also stark von Ihrem Ehrgeiz ab. Denn Ihre eigentlichen Ziele, werden Sie bereits in Stufe 3 erfüllt haben. Was danach kommt, ist quasi ihr freiwilliger Bonus.

Auf dieser Stufe kommt es zu einer erstaunlichen Umkehrung: Ich hatte Ihnen ja erklärt, dass ein wesentlicher Aspekt des Kurzzeitfastens darin besteht, zu lernen, Appetit und Hunger zu unterscheiden und ersterem erfolgreich zu widerstehen. Nach etwa 18 Monaten kam ich jedoch an den Punkt, an dem Hunger für mich im Alltag bedeutungslos wurde, weil dieses Gefühl schlicht nicht mehr vorkam. Ich schreibe bewusst „im Alltag“, denn nachdem mir diese Tatsache bewusst wurde, habe ich mich natürlich gleich daran gemacht, die Grenzen dieses Effekts zu testen. Und siehe da, nach etwa 30 Stunden kommt auch bei mir wieder echter Hunger auf. Da ich aber sowohl in Sachen Gewicht, als auch Gesundheit alle meine Ziele bereits weit übertroffen habe, faste ich ohnehin nur noch zwischen 16 und 18 Stunden am Tag und trainiere meinen Stoffwechsel nur sehr sporadisch mal mit einem 24 Stunden Zyklus. Dadurch erlebe ich das Gefühl von Hunger tatsächlich nicht mehr und auf einmal erlangt der Appetit wieder eine ganz neue Bedeutung: Ich esse aus Leidenschaft und Genuss. Ich esse, weil ich Lust auf etwas habe, weil es mir schmeckt und weil ich glaube, dass es meinem Körper gut tut. Aber den Zwang etwas essen zu müssen, nur um Sättigung zu erzielen, gibt es nicht mehr. Ich vergleiche dieses Gefühl auch deshalb ein wenig mit einer ‚Erleuchtung‘, weil es sich in seiner ganzen Bandbreite wahnsinnig schwer in Worte fassen lässt. Denn einerseits wird Essen im Sinne einer Notwendigkeit völlig bedeutungslos, während die pure Lust am Essen und der Genuss an Bedeutung gewinnen. Darüber hinaus wird das bereits thematisierte Gefühl von Freiheit, welches Sie ohnehin im Rahmen des Kurzzeitfastens erleben können, absolut grenzenlos.

Selbst für mich, der nie mit echtem Übergewicht zu kämpfen und somit seit jeher ein relativ entspanntes Verhältnis zum Essen hatte, war diese Erfahrung eine echte Offenbarung. Von Menschen, die wirklich Probleme mit Ihrem Essverhalten haben, weiß ich aber auch, wie bedrückend und erniedrigend es ist, wenn man immer wieder gegen das Verlangen nach übermäßigem Nahrungskonsum ankämpft und am Ende doch häufiger verliert als man gewinnt. Dabei handelt es sich oft um ansonsten absolut zielstrebige und disziplinierte Personen, die Job und Familienleben fest im Griff haben und denen es trotzdem einfach nicht gelingt, ihr Essverhalten so zu steuern, wie sie sich das wünschen. Trotz aller guten Vorsätze, unzähliger Diät-Anstrengungen und allen damit verbundenen Unannehmlichkeiten, schaffen sie es nicht, ihr Gewicht zu reduzieren oder wenigstens zu halten. Das daraus resultierende Gefühl der Ohnmacht und die bittere Erkenntnis in diesem Lebensbereich immer wieder zu versagen, lässt viele Übergewichtige sogar ganz grundsätzlich an sich und Ihren eigenen Fähigkeiten zweifeln. Ich kann nur erahnen, wie es sich für jemanden mit einem solchen Hintergrund anfühlen muss, wenn man irgendwann an einen Punkt kommt, an dem man feststellt, dass der Hunger auf einmal jeden Schrecken, ja jede Bedeutung verloren hat und man genau weiß, dass man seinen Essensgelüsten nie wieder hilflos ausgeliefert sein wird. Vermutlich würden diese Menschen meine etwas spirituelle Wortwahl an dieser Stelle durchaus teilen.

Glücklicherweise ist diese vierte und höchste Stufe des Kurzzeitfastens im Vergleich zur buddhistischen Erleuchtung recht einfach zu erreichen. Weder brauchen Sie dazu mehrere Lebenszeiten, noch müssen Sie Ihr ganzes Dasein diesem einen Ziel widmen. Alles was Sie brauchen, ist ein wenig Disziplin in den ersten Wochen, dazu etwas Geduld und die Bereitschaft oder vielmehr den Wunsch, bei der Umsetzung meines Konzepts etwas mehr als das zur Erreichung Ihrer Ziele Nötigste zu tun. Wenn Sie dann in ein bis zwei Jahren an diesem Punkt angelangen und zufällig an mich denken: Schreiben Sie mir doch eine kurze Mail, wie Sie diese Erfahrung erlebt haben. Vielleicht gelingt es Ihnen ja besser als mir, diesen Zustand in Worte zu fassen.