4.4 – Von Jagderfolgen und Hungerphasen – ein Erklärungsversuch

Wir können an dieser Stelle also festhalten, dass das Kurzzeitfasten einige handfeste Vorteile gegenüber normalen Diäten und natürlich erst recht gegenüber einem ungebremsten, permanenten Nahrungskonsum aufweist. In den nächsten Kapiteln werde ich Ihnen die vielfältigen positiven Effekte näher bringen, die dieses Konzept auf Ihre Gesundheit, aber auch auf Ihr Körpergewicht haben kann. Dabei werden Sie sich wahrscheinlich über kurz oder lang auch die Fragen stellen „Warum ist das so?“ und „Wie funktioniert das?“

Nun, die existierende Forschung auf dem Gebiet des intermittierenden Fastens setzt Ihren Fokus derzeit noch deutlich stärker auf die Beobachtung von Effekten, während die genauen Wirkmechanismen in vielen Fällen noch weitgehend unerforscht sind. Zwar äußern Wissenschaftler die verschiedensten Theorien, von denen ich Ihnen einige auch später im Zusammenhang mit den jeweiligen Studien vorstellen werde, aber so ganz sicher ist man sich häufig noch nicht. Das liegt auch ein wenig daran, dass dieses Konzept in den letzten Jahrzehnten etwas in Vergessenheit geraten war und überwiegend in kleinen Kreisen aufgeschlossener Sport- und Ernährungsenthusiasten Anerkennung fand. Glücklicherweise ist aber auch die breite Wissenschaft in den letzten Jahren wieder auf die bereits seit langem nachgewiesenen gesundheitlichen Effekte des Kurzzeitfastens aufmerksam geworden und widmet sich wieder intensiver diesem spannenden Thema. Dabei wird auch immer häufiger die Frage nach den Ursachen aufgeworfen. Umfassende Studien zu den einzelnen Wirkmechanismen fehlen aber bislang noch.

Auf die Frage nach dem generellen ‚Warum‘ gibt es aber zumindest eine zentrale Theorie, die mir recht schlüssig erscheint und mit der ich den nun folgenden Einstieg in die herausragenden Effekte des intermittierenden Fastens einleiten möchte.

Verglichen mit der Entwicklungsgeschichte des menschlichen Organismus macht unsere ‚moderne‘ Zivilisation, ja selbst die Zeit seit Erfindung von Ackerbau und Viehzucht nur einen Wimpernschlag aus. Das heißt, der heutige Luxus von ständiger und noch dazu im Überfluss zur Verfügung stehender Nahrung ist, evolutionsbiologisch betrachtet, ein extrem junges Phänomen. Übergewicht und sogenannte Zivilisationskrankheiten machen deutlich, dass unser Körper mit dieser historischen Ausnahmesituation noch nicht so wirklich gut umzugehen weiß. Schließlich haben in den letzten Jahrmillionen nur jene unserer Vorfahren überleben und sich fortpflanzen können, die besonders effizient mit Nahrung umgehen und auch längere Hungerperioden überstehen konnten. Dieses biologische Erbe tragen wir auch heute noch fast vollständig in uns. Dieser Umstand erklärt nicht nur den aus evolutionärer Sicht zwar sehr sinnvollen, aber zwischenzeitlich wenig geschätzten Mechanismus, leicht Fett anzusetzen. Er ist auch die Grundlage für die Überlegung, dass unser Körper die regelmäßige Abwesenheit von Nahrung nicht nur sehr gut verkraften kann, sondern in seiner Funktion sogar explizit auf derartige Phasen ausgelegt ist und von ihnen profitiert. Dieses körperliche Bedürfnis nach Ruhephasen im Stoffwechsel lässt sich mit dem Konzept des Kurzzeitfastens ganz hervorragend auch in den heutigen, modernen Alltag integrieren.

Allerdings ist diese Überlegung tatsächlich nur eine Hypothese, die mir recht häufig begegnet ist und einigermaßen schlüssig erscheint und die die nachgewiesenen Vorteile regelmäßiger kürzerer Fastenzeiten erklären könnte. Immerhin wird diese Theorie in ähnlicher Form auch von Marc Hellerstein geteilt, von dem Sie ja bereits weiter vorne in diesem Buch gelesen haben. Er weist darauf hin, dass das Kurzzeitfasten eine durchaus natürliche Ernährungsform darstellen könnte. Schließlich würden Tiere in der freien Wildbahn regelmäßig, wenn auch meist unfreiwillig, derartige Fastenzyklen durchlaufen. Konkret macht er dies am Beispiel großer Raubtiere, wie beispielsweise den Löwen. Diese hungern oft mehrere Tage, bevor Sie dieses Energiedefizit nach erfolgreicher Jagd mit einer großen Mahlzeit wieder kompensieren, was im Prinzip einer Art des intermittierenden Fastens entspricht.