Sinn und Unsinn sowie Vor- und Nachteile unterschiedlicher Diät-Muster zu analysieren würde nicht nur den Rahmen dieses Buches sprengen, sondern brächte Ihnen obendrein keinen Mehrwert. Schließlich lautet die eigentliche Botschaft ja, dass Sie derartige inhaltliche Einschränkungen beim Essen gar nicht brauchen, um gesund und schlank zu sein. Allerdings gibt es eine Diät, die sich zunehmender Popularität erfreut und die in gleich zweierlei Hinsicht gut in dieses Buch passt. Denn zum einen hatte ich eine sehr ähnliche Theorie bereits bei den Gründen für die Wirksamkeit des Kurzzeitfastens ins Spiel gebracht und zum anderen lässt sich daran sehr schön eine andere Kernaussage von mir herleiten. Aber der Reihe nach. Die Diät von der ich rede, ist die im Englischen auch als ‚Paleo Diet‘ bezeichnete Steinzeitdiät. Die eigentlich recht einleuchtende Grundaussage der Erfinder dieser Ernährungsform lautet, dass unsere heutige Ernährung sich deutlich von dem Unterscheidet, woran sich unser Organismus in Jahrmillionen der Evolution angepasst hat. Daher wird eine Ernährung mit möglichst unverarbeiteten Lebensmitteln empfohlen, wie sie auch unseren frühen Vorfahren zur Verfügung stand. Daraus wird dann eine Ernährung abgeleitet, die sich, abgesehen von dem hohen empfohlenen Fleischkonsum, auch aus Sicht aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse als durchaus gesund bezeichnen lässt. Außerdem hatte ich die Tatsache, dass Viehzucht und Ackerbau ebenso neue Phänomene sind, wie die ständige Verfügbarkeit von Nahrung, ja bereits in einem anderen Zusammenhang aufgezeigt. Wenn also aus eben diesen biologisch-historischen Gründen kurze Fastenphasen gut für unseren Körper sind, müsste sich diese Logik doch auch für die Zusammensetzung der Nahrung übertragen lassen, oder?
Wenn Sie bei dieser Überlegung zustimmend nicken, dann haben wir definitiv etwas gemeinsam. Denn so habe ich auch reagiert, als ich bei meinen Recherchen zum Kurzzeitfasten auf diese Theorie stieß. Selbstverständlich habe ich es nicht dabei belassen zustimmend anzuerkennen, dass dieser Ansatz sehr logisch klingt und entsprechend auch stimmen müsste. Stattdessen habe ich angefangen zu recherchieren, ob sich die Behauptungen, die jene Paleo-Befürworter in Bezug auf die Ernährung unserer Vorfahren aufstellen, denn auch belegen lassen. Schnell musste ich feststellen, dass dieses Thema durchaus komplex ist und eine Vielzahl an Facetten beinhaltet. Denn während die Anhänger dieser Ernährungsform durchaus mit wissenschaftlichen Erkenntnissen aufwarten können, die ihre Aussagen untermauern, lässt sich auch sehr schlüssig argumentieren, dass die heute propagierte Steinzeit-Ernährung in etwa so viel mit der tatsächlichen Nahrung unserer Ur-Ahnen gemeinsam hat, wie ein Fahrrad mit einem Formel 1 Boliden.
Wenn Sie dieses Thema interessiert, sollten Sie sich übrigens unbedingt den entsprechenden Vortrag von Christina Warriner bei Youtube ansehen.[53] Dort wird meine kurze Abhandlung über die logischen Fallstricke von Steinzeitdiäten noch einmal ausführlicher vermittelt.
Um es an dieser Stelle überschaubar zu halten, werde ich mich auf die beiden wesentlichen logischen Schwachpunkte dieser Ernährungsphilosophie beschränken. Zum einen wird in den existierenden Ratgebern zur Paleo-Diät der Eindruck erweckt, die in unserer modernen Zeit verfügbaren Nahrungsmittel wären vergleichbar mit jenen von vor vielen hunderttausend Jahren. Zu unserem großen Glück ist das nicht ansatzweise der Fall. Vielmehr wurden die Pflanzen, die wir heute verzehren, über Generationen hinweg in für uns Menschen zweckmäßigere Formen gezüchtet. Eine Ur-Karotte würden die meisten von uns ebenso wenig erkennen, wie eine Ur-Banane oder einen wilden Brokkoli. Geschweige denn, dass Sie diese für genießbar halten würden. Denn die menschliche Fähigkeit Pflanzen gezielt zu kultivieren hat nicht nur das Aussehen dieser Lebensmittel nach unseren Wünschen verändert, sondern auch deren Inhaltsstoffe. Ein Umstand, für den wir durchaus dankbar sein sollten, denn viele Pflanzen, die wir heute als sehr gesund und bekömmlich kennen, waren in ihrer ursprünglichen Form noch recht gut darin, sich durch unangenehmen Geschmack oder Gifte vor unerwünschtem Verzehr zu schützen. Auch bei den tierischen Lebensmitteln hat sich seit damals einiges verändert. So dürften domestizierte Kühe und Schweine wohl eher nicht auf dem Speiseplan des frühen Menschen gestanden haben. Aber nehmen wir einfach mal an, die Lebensmittel einer modernen Steinzeitdiät würden weitgehend ähnlich auf unseren Organismus wirken, wie jene, die unsere Vorfahren zur Verfügung hatten. Wie wäre denn dann die typische Zusammensetzung im Speiseplan? Genau hier kommt das zweite große Problem ins Spiel: Die eine, typische Steinzeit-Ernährung gibt es einfach nicht. Der Mensch war bereits vor hunderttausenden von Jahren ausgesprochen gut darin, mit ganz unterschiedlichen Lebensräumen zurecht zu kommen. Ebenso unterschiedlich wie seine Umgebung, war entsprechend seine Ernährung. Während in einigen Regionen viel tierische Nahrung in Form von Fleisch oder Fisch verfügbar war, gab es andere Völker, die sich fast ausschließlich pflanzlich ernährt haben. Von daher wäre die Aussage, dass aus evolutionsbiologischer Sicht eine fleischlastige Ernährung vorzuziehen sei, ebenso falsch, wie die umgekehrte Schlussfolgerung.
Was machen wir nun mit dieser Erkenntnis? Zunächst einmal unterstreicht sie das, was ich Ihnen bereits relativ früh in diesem Buch vermittelt habe: Die eine, ‚wahre‘ Diät gibt es nicht. Jeder Mensch ist anders und reagiert auf gewisse Stimuli ganz individuell. Zwar gibt es zu vielen Themen klare statistische Tendenzen – beispielsweise, dass Kurzzeitfasten grundsätzlich wirkt – aber diese müssen eben nicht zwingend auf jeden Einzelnen gleich zutreffen. Um Ihnen ein Beispiel zu geben: Während manch einer von Ihnen in der Vergangenheit vielleicht gute Ergebnisse mit einer Reduktion von Kohlenhydraten erzielt hat, fuhr manch anderer mit einer fettarmen Diät deutlich besser. In beiden Fällen ist das dahinterliegende Grundprinzip, welches besagt, dass eine geringere Kalorienaufnahme zu Gewichtsverlust führt, gleichermaßen korrekt. Lediglich der Weg dorthin ist ein anderer. Daher gilt bei der Frage, wie die inhaltliche Zusammenstellung Ihres Speiseplans im Rahmen des Kurzzeitfastens aussehen sollte, das Gleiche, wie auch bei der Variation Ihrer Fastenzyklen: Am Ende bringt Ihnen der Selbstversuch die größte Gewissheit darüber, was gut für Sie ist und vor allem, womit Sie auch langfristig am Ball bleiben. Ob das dann eine als ‚steinzeitlich‘ bezeichnete oder eine ‚moderne‘ Nahrungsauswahl ist, hängt stark von Ihren persönlichen Präferenzen ab.
Bei allem individuellen Für und Wider so mancher Ausgestaltungsmöglichkeiten gibt es aber auch viele grundlegende Aspekte einer gesunden Ernährung, die durchaus als allgemeingültig angesehen werden können und die ich Ihnen auf den folgenden Seiten vorstellen möchte.