Bevor wir uns näher mit den positiven Effekten des intermittierenden Fastens auf Ihr Herz-Kreislauf-System beschäftigen, ist es sinnvoll, einen ganz kurzen Ausflug in die Welt des Cholesterins und der Triglyceride zu wagen. Keine Angst, Sie müssen kein Mediziner sein, um die wichtigsten Zusammenhänge nachzuvollziehen.
Eine der wohl bedeutendsten Herz-Kreislauf-Erkrankungen unserer modernen Zivilisation ist die Arteriosklerose, umgangssprachlich auch als ‚Arterienverkalkung‘ bezeichnet. In München haben mir tatsächlich schon mehrere Leute erklärt, sie würden das dortige Leitungswasser nicht trinken, weil dieses so kalkhaltig sei, was wiederum die Arterien ‚verkalken‘ würde. Das zeigt, dass die Bezeichnung ‚Arterienverkalkung‘ ganz schön irreführend ist. In Wahrheit hat Arteriosklerose nämlich rein gar nichts mit der Aufnahme von Kalk über Wasser oder Nahrung zu tun. Sie können also weiterhin bedenkenlos kalkhaltiges Leitungswasser trinken. Ihre Knochen werden Ihnen diese hohe Versorgung mit Kalzium sogar danken! In Wirklichkeit entsteht Arteriosklerose nämlich primär durch eine Ablagerung von Blutfetten und Blutgerinnseln in den Schlagadern (strenggenommen wird dabei tatsächlich auch ein klein wenig Kalk eingelagert). Führende Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass das Cholesterin im Blut ein entscheidender Risikofaktor für die Entstehung dieser nicht selten tödlichen Ablagerungen ist. Allerdings sind die Experten heute überwiegend der Ansicht, dass weniger das Gesamtcholesterin der entscheidende Faktor ist, sondern viel mehr das Verhältnis zweier Stoffe, sogenannter Lipoproteine, die für dessen Transport verantwortlich sind. Sicher haben Sie die Abkürzungen HDL (High Density Lipoprotein) und LDL (Low Density Lipoprotein) schon einmal gehört. Diese werden häufig auch als ‚gutes‘ und ‚schlechtes‘ Cholesterin bezeichnet. Kurz gesagt ist das LDL für den Transport von Cholesterin aus der Leber in die Gefäße und das HDL für deren Transport zurück in die Leber verantwortlich. Es handelt sich also quasi um zwei Gegenspieler im Cholesterinstoffwechsel. Als ich kürzlich den Vortrag eines renommierten deutschen Herzchirurgen besuchte, erklärte dieser, dass weder Gesamtcholesterin, noch LDL die zentralen Anhaltspunkte für das Risiko einer Arteriosklerose seien. Vielmehr, so sagte er, sei der HDL-Wert der entscheidende Marker für das Risiko diese Krankheit zu bekommen. Je höher das HDL, desto geringer Ihr Risiko. Ein weiterer wichtiger Parameter im Zusammenspiel der Blutfette sind die sogenannten Triglyceride, die, wenn sie erhöht sind, ebenfalls das Risiko von Thrombosen und Arteriosklerose steigern. Das gilt insbesondere in Kombination mit einem hohen LDL-Spiegel.
Das soll als kleiner Ausflug in die medizinischen Zusammenhänge auch schon reichen. Viel spannender ist ja ohnehin, welche Auswirkungen das Kurzzeitfasten denn nun auf die gerade betrachteten Parameter hat. Eine durchaus überraschende Erkenntnis lieferte ein Forscherteam um Monica Klempel von der University of Illinois in Chicago. Sie konnten nachweisen, dass durch intermittierendes Fasten, selbst bei einer besonders fettreichen Ernährung, eine Senkung der ungesunden LDL- und Triglycerid-Werte erreicht werden kann.[34] In einer weiteren am Menschen durchgeführten Studie konnten sie diesen Effekt durch die Erweiterung um körperliche Betätigung noch verstärken und auch eine Erhöhung des gesunden HDL-Cholesterins bewirken.[35] Bei Moslems während des Ramadans konnte sogar eine Senkung des LDL um bis zu 55 % sowie eine Erhöhung des HDL um 40 % beobachtet werden. Und das, obwohl die Kalorienaufnahme der untersuchten Personen während der Fastenzeit sogar höher war als davor und danach![36]
Damit hätten Sie schon mal einen wesentlichen Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen entschärft. Zusätzlich kann sich Kurzzeitfasten auch positiv auf den Blutdruck und die Herzfrequenz auswirken. Das legen zumindest Studien an Ratten Nahe.[37] Ähnliche Beobachtungen an mir selbst und sogar an Personen, deren Bluthochdruck die Einnahme von Medikamenten erforderte, bestätigen diese Ergebnisse. Eine mögliche Ursache ist, dass durch das Kurzzeitfasten der Anstieg von Stresshormonen in stressigen Situationen deutlich vermindert wird.[38]
Was aber, wenn trotz aller guten Maßnahmen zur Vorbeugung doch ein Herzinfarkt eintritt oder ein Herzfehler vielleicht bereits besteht? Kurzzeitfasten hat in Experimenten nicht nur Effekte gezeigt, die die Entstehung eines Herzinfarkts hemmen, sondern auch solche, die dessen Auswirkungen im Eintrittsfall deutlich abmildern.[39] In einer konkreten Studie wurde bei Ratten mittels Operation künstlich ein chronischer Herzfehler erzeugt. Zwei Wochen nach dem Eingriff wurde eine Hälfte der Tiere in Fastenzyklen, die andere ganz normal gefüttert. Anschließend wurde verfolgt, wie hoch die Überlebensraten in beiden Gruppen nach weiteren 6 Wochen ausfielen. Waren von den normal ernährten Ratten gerade noch 23 % am Leben, so waren es bei denen, die nach der OP auf Kurzzeitfasten umgestellt wurden, sagenhafte 90 %. Ein vermuteter Grund lag bereits darin, dass diese Tiere durch ihre Ernährung ein vorteilhafteres Verhältnis von Körper- zu Herzgewicht aufwiesen. Eine Untersuchung des Herzgewebes machte jedoch darüber hinaus deutlich, dass bei diesen Tieren auch diverse chemische und biologische Faktoren, die sich positiv auf die Herzfunktion auswirken, im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich verbessert waren.[40] Und das Beste ist: diese Aussage gilt nicht nur für Ihr Herz, sondern auch für Ihr Gehirn. Denn eine andere Studie hat herausgefunden, dass genau dieselbe Kombination aus vorbeugendem Schutz und Schadensbegrenzung auch für Schlaganfälle gilt.[41]