3 – Meine Begegnung mit dem Kurzzeitfasten

Wenn man sich über einen Zeitraum von fast 15 Jahren mit dem Themengebiet der Ernährungswissenschaften auseinandersetzt, kommt man irgendwann an den Punkt, wo man glaubt, so ziemlich alles schon einmal gehört oder gelesen zu haben. Umso erstaunter, aber auch skeptischer war ich, als ich zum ersten Mal dem Konzept des Kurzzeitfastens begegnete.

Es war im Sommer 2011 und ich muss gestehen, dass ich – trotz besseren Wissens – in einer recht bescheidenen körperlichen Verfassung war. Mein Gewicht lag ca. 5 kg über dem höchsten, was ich noch zu Zeiten regelmäßigen und intensiven Kraft-Trainings auf die Waage brachte. Leider hatte ich im Vergleich zu damals auch gefühlt nur noch halb so viel Muskelmasse, so dass mein Zuwachs an Fettpolstern noch deutlich auffälliger war, als es diese Zahl vermuten lässt. Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich an mir den Ansatz eines Doppelkinns erkennen. Zwar hatte ich seit jeher die Neigung überschüssige Kalorien auch anzusetzen, aber bisher hatte ich beim ersten Ansatz eines Bauches immer rechtzeitig die Kurve bekommen und mit einem gesteigerten Sport-Pensum und einer (oft recht radikalen) Ernährungsumstellung wieder meine Wunschfigur erreicht. Dabei habe ich, getrieben von meinem Bedürfnis alle vielversprechenden Theorien auf dem Gebiet der Ernährungswissenschaften, auch einmal selbst auszuprobieren, schon so ziemlich alles versucht: Kalorienreduktion, Low-Carb / Atkins, Trennkost, Schlank im Schlaf, Glyx-Diät und was es so alles gibt. Positiv sei in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass fast alle diese Programme gute kurzfristige Erfolge brachten. Sie hatten nur einen Haken: Ich liebe Pizza, Eiscreme, Lasagne, Burger, Tiramisu und auch sonst fast alle Nahrungsmittel (zum Glück auch die Gesunden). Kurz: Essen ist für mich eine Leidenschaft. Und während es mir meist mit viel Selbstmotivation und Willensstärke gelang, teils mehrere Monate den Vorgaben dieser Programme zu folgen, kam ich irgendwann doch immer wieder vom ‚rechten Weg‘ ab. Ich bin mir sicher, der überwiegende Teil von Ihnen wird an dieser Stelle zustimmend nicken und mir recht geben, dass man irgendwann keine Lust mehr hat, abends nur Salat und Fleisch zu essen oder nur noch langsam verdauliche Vollkorn-Produkte zu sich zu nehmen (wenn diese überhaupt erlaubt sind) oder am Wochenende auf das Frühstücksei zu verzichten, weil man schon wieder ein gefühltes Dutzend Marmeladen-Toasts verspeisen soll. Die Liste der Verbote ist je nach Diät leider ziemlich lang und so schwierig ich deren Einhaltung auch fand, die Variante einfach dauerhaft weniger zu essen funktionierte bei mir noch viel schlechter.

Da war ich also vor etwa zwei Jahren, auf dem Höhepunkt meiner körperlichen Nachlässigkeit, am vielleicht besten Ort überhaupt, um über meinen mal wieder konstant wachsenden Bauchumfang nachzudenken: bei einer großen amerikanischen Fast Food Kette. Vor mir ein beeindruckender Haufen aus 40 Hähnchen-Nuggets, die ich mir mit meinem guten Freund Rainer teilte. Mit einem gewissen Maß an Selbstkritik bemerkte ich, dass das immerhin etwa 1.000 Kalorien für jeden von uns seien. Daraufhin grinste Rainer mich nur breit an, schob sich ein weiteres Nugget in den Mund und antwortete selbstzufrieden „das ist ja super, dann kann ich heute noch mindestens 2.000 Kalorien zusätzlich essen“. Da es bereits Nachmittag war und ich selbst schon ein Frühstück und ein Mittagessen hinter mir hatte, schaute ich ihn etwas verwundert an. „Ich esse nur 8 Stunden am Tag, dafür aber was ich will und so viel ich will. Das hier ist meine erste Mahlzeit heute.“, erklärte er mir und fügte als Reaktion auf meinen weiterhin fragenden Gesichtsausdruck hinzu „Das ist so eine Art evolutionsbiologischer Ansatz, angeblich nimmt man nicht zu, solange man nur regelmäßige, kurze Fastenzeiten einbaut.“

Mit Blick auf Ernährungstheorien gab es für mich bisher eigentlich nur eine einzige Aussage, die ich als in Stein gemeißelt angesehen habe. Nämlich die, dass es am Ende doch immer nur auf die Energiebilanz ankommt. Nimmt man mehr Energie zu sich, als der Körper verbraucht, dann nimmt man zu. Nimmt man weniger Energie zu sich, als der Körper verbraucht, dann nimmt man ab. Somit war für mich ziemlich klar, dass die Aussage man könne „essen, was und so viel man wolle, ohne zuzunehmen“ niemals einer ernsthaften Studie standhalten würde, bei der die Gesamt-Kalorienmenge in beiden Vergleichsgruppen strikt vorgegeben würde. Von daher war ich mir sicher, dass die Wirksamkeit dieser Ernährungsform – wenn es denn tatsächlich eine gäbe – garantiert darin begründet läge, dass man in 8 Stunden einfach nicht so viel essen kann.

So überzeugt ich auch davon war, dass mein Freund mir gerade ziemlichen Schwachsinn erzählt hatte, so war doch einmal mehr meine Neugierde geweckt und ich nahm mir vor, bei nächster Gelegenheit etwas ausgiebiger zu dieser ‚8 Stunden Diät‘, wie er sie nannte, zu recherchieren.

Gesagt getan. Gleich am nächsten Tag machte ich mich auf die Suche nach Informationen zu dieser höchst zweifelhaften Ernährungstheorie – zugegebenermaßen mit der Erwartung, ja fast schon mit dem Ziel, diese als Humbug zu entlarven. Die Eingabe in der Suchmaschine führte mich zuerst zu einem Artikel aus der Zeitschrift Fit for Fun[1]. Dort wurde zu meiner Überraschung erstaunlich positiv über diese Methode berichtet und auch eine Studie an Mäusen zitiert, die meine ursprüngliche Theorie direkt zunichtemachte. So schreibt die Autorin: „In Versuchen mit Mäusen habe sich gezeigt, dass bei gleichbleibender Kalorienmenge eine zeitliche Begrenzung der Nahrungsaufnahme einen wesentlichen Einfluss darauf hat, ob die Tiere Übergewicht entwickeln oder nicht“. Soviel zu meiner Annahme, dass diese Diät niemals einer derartigen Untersuchung standhalten würde… Aber damit nicht genug. Denn weiter hieß es in dem Artikel: „Die Mäuse, die lediglich acht Stunden Zugang zur Nahrung hatten, nahmen nicht nur weniger Gewicht zu, bei ihnen blieben auch jegliche Folgeschäden des Übergewichts aus. Die Mäuse mit dem freien Futterzugang entwickelten neben dem Übergewicht hohe Cholesterinwerte, einen erhöhten Blutzuckerspiegel, bekamen Probleme mit der Leber und zeigten sich faul und träge. Diese Folgen des fettreichen Futters blieben bei der Acht-Stunden-Gruppe praktisch vollständig aus. Das Ergebnis überraschte selbst die Forscher.“ Ich war sprachlos. Der einzige Unterschied zwischen den Gruppen war also tatsächlich der, dass die Mäuse in der Versuchsgruppe das identische Futter zeitlich so zu sich genommen hatten, wie es mir Rainer am Abend zuvor angepriesen hatte? Naja, einzelne Studien, die zu einem bestimmten Ergebnis kommen finden sich immer. Das heißt noch lange nicht, dass sich der beschriebene Effekt dann auch in weiteren unabhängigen Untersuchungen bestätigt. Ich suchte also weiter und fand recht bald heraus, dass der wissenschaftliche Name für diese Art der Ernährung ‚intermittierendes Fasten‘ lautet. Das machte vieles einfacher und mein nächster Anlaufpunkt war die Seite von Wikipedia, wo ich zu meiner Freude einen umfassenden Artikel[2] zum Thema fand. Das kann ich Ihnen übrigens generell sehr empfehlen, wenn Sie sich das nächste Mal mit fragwürdigen Ernährungsweisheiten wie Trennkost, Basendiät oder ähnlichem auseinandersetzen. Bei Wikipedia sind die Artikel nämlich nicht nur sehr gut mit Primärliteratur untermauert, sondern beinhalten zu vielen dieser Ernährungsformen auch einen kritischen Absatz, der sich fundiert mit der (mangelnden) Wirksamkeit so mancher Methode auseinandersetzt. Zumindest hier erwartete ich mir also eine deutlich differenzierte Sicht auf die von der Fit for Fun zitierte Studie. Was ich jedoch dann las machte mich vollends fassungslos und soll Gegenstand der nächsten Kapitel sein.