Unabhängig davon, ob Sie bereits sportlich aktiv sind oder dieses Buch zum Anlass nehmen wollen, mehr Bewegung in Ihr Leben zu bringen, haben Sie sich sicherlich längst die Frage gestellt, wie sich diese sportliche Betätigung ideal in Ihre Zyklen des Kurzzeitfastens einbauen lässt.
Zwar beschäftige ich mich mit dem Thema Sport mindestens ebenso lange, wie mit dem der Ernährungswissenschaften, aber im Zusammenhang mit dem Kurzzeitfasten musste ich zunächst selbst viel lernen. Ein guter Teil des Wissens, das ich mir speziell zu diesem Thema angeeignet habe, stammt von Martin Berkhan, der die englischsprachige Internetseite www.leangains.com betreibt. Nicht nur ist Martin Berkhan ein echter Experte im sportlichen Bereich, er ist auch einer der absoluten Vorreiter, wenn es um das Thema intermittierendes Fasten geht. Er ist einer der absoluten Pioniere, die Kurzzeitfasten und Sport mit wirklich beeindruckendem Erfolg kombiniert und perfektioniert haben. Wer also der englischen Sprache hinreichend mächtig ist, sollte seiner Webseite definitiv einen Besuch abstatten.
Nun aber zum Thema: Würde ich Sie an dieser Stelle fragen, ob es sinnvoller ist, 90 Minuten vor Ihrem Training ein kohlenhydrathaltiges Frühstück zu sich zu nehmen oder auf leeren Magen zum Sport zu gehen, wäre die häufigere Antwort sicherlich, dass erstere Variante zielführender ist. Schließlich braucht man ja genügend Energie, um sportliche Leistung zu erbringen. So naheliegend dies nach dem gesunden Menschenverstand auch erscheinen mag, so überraschend ist es, dass in einigen Fällen genau das Gegenteil der Fall ist. Denn auch auf Ihr Training kann das Fasten sehr positive Auswirkungen haben. Allerdings sind diese positiven Effekte im Bereich des Ausdauersports deutlich konsistenter belegt, als im Bereich des Kraftsports. Aber dazu später mehr.
Schauen wir uns zunächst eine Studie[61] an, die sich mit den Auswirkungen des Fastens im Rahmen hochintensiven Ausdauertrainings beschäftigt hat. Darin wurden junge, sportlich aktive Männer einem sechswöchigen Test unterzogen. Die Forscher bildeten zwei unterschiedlich ernährte Sportgruppen sowie eine sportabstinente Kontrollgruppe, die wir bei der Ergebnisbetrachtung getrost außen vor lassen können. Dass keinen Sport zu treiben nichts bewirkt, wissen Sie wahrscheinlich auch so. Die beiden Sportgruppen jedenfalls, mussten viermal wöchentlich aufs Laufband oder Fahrrad, wo sie je zwei 60-minütige und zwei 90-minütige intensive Trainingseinheiten absolvierten. In Sachen Ernährung erhielt die ‚Standard-Gruppe‘ täglich 90 Minuten vor dem Training ein kohlenhydratreiches Frühstück mit 675 kcal und während des Trainings einen Drink mit einem Gramm Maltodextrin (einem Kohlenhydrat) je Kilogramm Körpergewicht. Die ‚Fasten-Gruppe‘ erhielt die gleichen Nahrungsmittel, allerdings erst einige Stunden nach dem Training. Unterm Strich nahmen beide Gruppen während der gesamten Versuchsdauer selbst nach Abzug der sportlichen Belastung einen deutlichen Kalorienüberschuss von etwa 30 % zu sich. Nach der bisherigen Lektüre dieses Buches wird es Sie wohl nicht mehr überraschen, dass in der Fasten-Gruppe eine stark verbesserte Glukosetoleranz und Insulinsensitivität festgestellt werden konnte. Gleiches gilt auch für das GLUT4-Protein, welches ebenfalls eine wichtige Rolle im Zuckerstoffwechsel spielt. Diese gesundheitlich sehr positiven Effekte kennen Sie ja bereits aus anderen diskutierten Studien. Darüber hinaus wuchsen in der Fasten-Gruppe aber auch die Glykogenspeicher, also die Treibstofftanks der Muskeln, stärker, als in der Standard-Gruppe. Zusätzlich kam es in der Fasten-Gruppe zu einem Anstieg zweier Enzyme, die für die Energiebereitstellung über den Fettstoffwechsel verantwortlich sind, während diese Werte bei der Standard-Gruppe unverändert blieben. Soweit alles sehr naheliegend. Wirklich überraschend war aber, dass die Fasten-Gruppe trotz des üppigen Kalorienüberschusses, der selbst nach Berücksichtigung der sportlichen Aktivität zu einer durchschnittlichen Zunahme von durchschnittlich 3,5 kg hätte führen müssen, keinen signifikanten Gewichtszuwachs verzeichnete.
Beim Trainingsergebnis lagen beide Gruppen am Ende der sechs Wochen gleichauf und hatten ihre Ausdauerleistung um durchschnittlich 15 % gesteigert. Dabei beruhte diese Verbesserung jedoch auf jeweils unterschiedlichen körperlichen Anpassungen. Während die Standard-Gruppe einen stärkeren Anstieg der maximalen Sauerstoffaufnahme verbuchen konnte, hatte sich bei der Fastengruppe die maximale Fettstoffwechselrate verbessert. Diese unterschiedlichen Effekte sind eine Folge der Kombination aus hoher Belastung und den beiden abweichenden Ernährungsschemata. Aufgrund des Mangels am ‚Muskel-Treibstoff‘ Glykogen im Fastenstadium, sind nur etwas niedrigere dauerhafte Belastungen möglich, so dass ein geringerer Trainingseffekt in Bezug auf die maximale Sauerstoffaufnahme erzielt werden kann. Dafür wird der als Alternative herangezogene Fettstoffwechsel auf einem hohen Niveau trainiert.
Diese Aussage gilt aber tatsächlich nur in Bezug auf Belastungen bei hoher Intensität. Denn in einer ähnlichen Untersuchung, bei der die Teilnehmer bei geringerer Intensität trainierten, wurde durch ein Training im Fastenzustand auch die maximale Sauerstoffaufnahme stärker verbessert, als in der normal ernährten Gruppe.[62] Folglich hängt das optimale Vorgehen für Sie von Ihren individuellen Zielen ab. Sollten Sie vor allem auf kürzeren Strecken bei hoher Intensität trainieren (beispielsweise um Ihre Zeit über 3000 m zu verbessern), dann können Sie ruhig einige Zeit vor dem Training etwas gegessen haben. Wollen Sie hingegen primär Ihre Ausdauer auf der Langstrecke verbessern und Ihren Fettstoffwechsel trainieren, dann empfiehlt es sich in jedem Fall, mit leerem Magen zum Sport zu gehen.
Soviel zum Thema Ausdauer. Wie sieht es denn beim Krafttraining aus? Da gibt es leider ganz unterschiedliche Meinungen. So führt das Hanteltraining auf leeren Magen einerseits dazu dass die Versorgung der Muskulatur mit jenen Nährstoffen, die Sie direkt im Anschluss an das Training zu sich nehmen, verbessert wird. Ein Effekt, der durchaus zu einem verbesserten Muskelwachstum führen könnte. Andererseits gibt es aber auch Nachteile. Nämlich zum einen, dass Sie eventuell nicht in der Lage sind, die volle Leistung über die gesamte Dauer Ihres Workouts abzurufen. Das sollten Sie am besten selbst einige Male ausprobieren. Zum anderen sorgt ein hartes Training im Fastenstadium auch für einen größeren Muskelabbau – sogenannter ‚kataboler Effekt‘ – während der Belastung. Dieser katabole Effekt beim Training ist zwar völlig normal, kann durch das Fasten jedoch verstärkt werden. Somit wäre meine Vermutung, dass sich die Vor- und Nachteile eines Krafttrainings im Fastenzustand einigermaßen aufheben dürften. Tatsächlich habe ich bei mir nach kurzer Eingewöhnung keinen Unterschied zwischen beiden Varianten feststellen können. Von daher ist hier wirklich Ihre persönliche Präferenz der wesentliche Faktor, anhand dessen Sie entscheiden sollten, ob Sie lieber während oder kurz vor Ihren Essensphasen trainieren. Sie könnten es beispielsweise auch so handhaben, dass Sie eher kurze Hantel-Workouts auf nüchternen Magen durchführen, während Sie vor längeren Trainingseinheiten eine Kleinigkeit essen. Allerdings sollte die letzte Mahlzeit zum Zeitpunkt des Trainings etwa ein bis zwei Stunden zurückliegen. Die wirklich wichtige Frage in Bezug auf das Krafttraining ist meiner Meinung nach ohnehin nicht so sehr die, ob und was Sie vor dem Workout essen sollten. Hier möchte ich mich eines Zitats von Dr. Kurt A. Moosburger bedienen, dessen online abrufbare Publikationen eine echte Goldgrube für jeden sind, der ein weitergehendes Interesse für die Themen Sport und Ernährung mitbringt. In einem seiner Artikel schreibt er: „Die wichtigste Mahlzeit des Tages ist die nach dem Training“[63] Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer vielleicht, dass diese Mahlzeit leicht verdaulich und reich an Proteinen und Kohlenhydraten sein sollte.
Auf den Punkt gebracht:
Ob Sie im Fastenzustand oder während einer Essensphase trainieren sollten, hängt von Ihren Zielen sowie persönlichen Präferenzen ab: