8.3 – Durch Langsamkeit schneller werden

Sicher haben Sie schon mal das Wort ‚Fettverbrennungspuls‘ gehört. Viele Menschen denken bei diesem Begriff instinktiv, dass es sich um jenen Pulsbereich handeln müsse, bei dem sie besonders effektiv abnehmen können. In Wahrheit ist aber sogar das Gegenteil der Fall. Denn beim Thema Ausdauersport im Rahmen einer Diät kommt es einzig und allein darauf an, wie viele Kalorien Sie durch Ihre Aktivität verbrauchen. Denn ob der Körper während des Sports auf Fett oder Zucker zurückgreift, ist völlig irrelevant. Selbst wenn Sie während des Trainings überwiegend Zucker verbrennen, so wird ein dadurch entstandenes Energiedefizit spätestens im Anschluss durch eine gesteigerte Fettverbrennung gedeckt.[64] Sofern Sie also bei dieser niedrigeren Pulsfrequenz trainieren, müssten Sie dies deutlich länger tun, um eine vergleichbare Energiemenge zu verbrauchen, wie sie es bei einer entsprechend intensiveren Belastung täten.

Aber, wie Sie ja bereits wissen, sind Kalorienmengen im Rahmen dieses Buches ohnehin nicht der entscheidende Faktor und für das Kurzzeitfasten hat ein Training im Fettverbrennungs-Bereich durchaus seine Vorteile. Denn die Energiegewinnung aus Fettsäuren ist extrem effizient und ermöglicht dadurch besonders lange Ausdauerleistung. Daher ist es gerade für professionelle Ausdauersportler relevant, diese Fähigkeit des Körpers gezielt zu trainieren, indem sie über lange Strecken in diesem Pulsbereich aktiv sind. Je besser ihr Fettstoffwechsel, desto länger können sie im Wettkampf durchhalten.[65] Aus dem gleichen Grund ist es auch im Rahmen des Kurzzeitfastens sinnvoll, diese Fähigkeit zu trainieren. Denn je besser Ihr Körper darin wird, auf seine eigenen Fettdepots zuzugreifen, umso leichter fallen Ihnen die Phasen ohne Nahrungsaufnahme. Darüber hinaus können Sie in diesem Pulsbereich auch noch sehr beeindruckende Verbesserungen Ihrer Kondition erzielen, während sich das Training gleichzeitig als äußerst angenehm gestaltet. Ein paar gute Gründe, es einmal auszuprobieren, oder?

Motiviert durch meine Erfolge mit dem Kurzzeitfasten, habe ich im Frühjahr 2012 beschlossen, auch etwas mehr für mein Herz-Kreislauf-System zu tun und wieder häufiger joggen zu gehen. Diese Laune überkam mich schon in der Vergangenheit immer mal wieder, insbesondere dann, wenn das Wetter gut und mein Gewissen schlecht waren.

Allerdings machte ich dieses Mal einige für mich wirklich einschneidende Lauf-Erfahrungen, die ich Ihnen quasi als ‚entspannten Abschluss‘ dieses Buches mit auf den Weg geben möchte und die Ihnen helfen werden, das Kurzzeitfasten noch einfacher und erfolgreicher zu machen. Ich habe nämlich den absolut großartigen Effekt langsamer Läufe kennen gelernt. Und diese Erkenntnis verdanke ich einem Freund, der zufällig zur gleichen Zeit wie ich damit begann, wieder etwas mehr für seine Fitness zu tun.

Wie gesagt, habe ich es immer mal wieder mit dem Laufen versucht. Allerdings habe ich meine Ambitionen in diesem Bereich auch meist nach relativ kurzer Zeit wieder an den Nagel gehangen. Während begeisterte Läufer davon berichten, dass Sie beim Joggen ein Gefühl von Leichtigkeit und Freiheit, ja ein Regelrechtes High erleben, kannte ich dabei bisher nur ein Gefühl: Anstrengung. Na gut, zwei Gefühle: Anstrengung und Langeweile. Wirklich Spaß hat mir dieser Sport nie wirklich gemacht, aber zumindest die zügigen Fortschritte in Sachen Kondition, die ich in den ersten Wochen beobachten konnte, haben mich wenigstens für eine gewisse Zeit motiviert gehalten. Leider führten diese Fortschritte aber auch dazu, dass ich zwangsläufig längere Strecken zurücklegen musste, um weiterhin eine Verbesserung zu erzielen. Und genau da lag immer mein Problem. Denn ich musste einerseits die quälende Anstrengung immer länger ertragen, während andererseits die dabei aufkommende Langeweile schnell mindestens ebenso demotivierend wurde. Das brachte mich jedes Mal aufs Neue zu der klaren Erkenntnis, dass Joggen einfach kein Sport für mich sei.

Im Sommer 2012 aber, verabredete ich mich mit Christian, um gemeinsam eine Runde durch den Englischen Garten in München zu drehen. Zu meinem Entsetzen schlug er vor, dass wir etwa 15 bis 20 km in Angriff nehmen sollten. Nicht gerade wenig, wenn ich daran dachte, dass ich in diesem Jahr nie mehr als 5 km am Stück gelaufen war. Zwar stimmte ich seinem Vorschlag etwas widerwillig zu, jedoch nur unter dem Vorbehalt, dass ich das Recht bekäme, vorzeitig umzukehren. Christian meinte dazu nur, dass dies nach seiner Einschätzung gar nicht nötig sei. Schließlich würden wir so langsam laufen, dass die längere Strecke gar kein Problem für mich wäre. Diese Aussage machte mich erst recht skeptisch, bedeutete sie doch, dass wir wahrscheinlich mindestens zwei (lange und langweilige) Stunden unterwegs sein würden. Aber gut, ich wollte seinen Ansatz zumindest einmal ausprobieren.

Ich weiß gar nicht, wie oft mein Trainingspartner mich in den ersten 30 Minuten bremsen musste. Es fiel mir nämlich extrem schwer, die von ihm vorgegebene Pulsobergrenze von 65 % meiner maximalen Herzfrequenz auch wirklich einzuhalten. Denn bei dieser Intensität hatte ich überhaupt nicht das Gefühl Sport zu treiben. Gleichzeitig kam es mir fast schon so vor, als würden wir rückwärts laufen. Unser Tempo war kaum über dem der meisten Spaziergänger, die uns auf dem Weg begegneten. Mit zunehmender Dauer unseres Laufs konnte ich mich dann aber doch einigermaßen an das Tempo gewöhnen und die Ermahnungen, dass ich schon wieder zu schnell sei, wurden seltener. Nach einer guten Stunde war ich völlig begeistert, wie viel Spaß mir dieses ‚Training‘ bisher machte. Anders als sonst, spürte ich nicht die geringste Anstrengung, sondern fühlte mich im Gegenteil leicht und fast ein wenig euphorisch darüber, dass meine Beine mich so mühelos über diese Dauer hinweg tragen konnten. Denn auch wenn wir nicht schnell waren, musste ich zumindest anerkennen, dass wir sehr wohl joggten. Dabei konnte ich mich auch deutlich besser als sonst auf die schöne Landschaft, die abwechslungsreichen Untergründe und unsere Gespräche konzentrieren, was das Aufkommen von Langeweile erstaunlich gut verhinderte. Meine Atmung war ruhig und gleichmäßig und ich fühlte mich rundum wohl. Ich hatte das Gefühl, dass ich noch ewig so weiterlaufen könnte.

In weiser Voraussicht, empfahl Christian nach gut acht Kilometern aber trotzdem, dass wir so langsam umkehren sollten. Nach etwa zwei Stunden merkte ich dann auch, dass wir hier durchaus einer sportlichen Aktivität nachgingen – in der ich obendrein nicht sonderlich geübt war. Meine Beine wurden schwer, die Füße schmerzten und es war kaum noch möglich, den Puls im Sollbereich zu halten, ohne dabei ins Gehen wechseln zu müssen. Trotzdem hielt ich bis zum Ende durch und nach zwei Stunden, zwanzig Minuten und 16,5 gelaufenen Kilometern waren wir wieder an unserem Ausgangspunkt angekommen. Wow, ich fühlte mich großartig. Einfach wohlig erschöpft und rundum zufrieden. Ganz anders als die atemlose Abgeschlagenheit und das Gefühl es immerhin erfolgreich überstanden zu haben, wie ich es sonst von meinen läuferischen Aktivitäten kannte. Und das, obwohl ich mehr als doppelt so lange unterwegs war und zwar nach inzwischen 18 Stunden im Fastenzustand.

Von da an ging es bei mir läuferisch steil bergauf. Egal ob alleine, zu zweit oder in der Gruppe. Dieses langsame Laufen fing an mir richtig Spaß zu machen. Durch meine größere Reichweite entdeckte ich immer neue Strecken und hatte schon nach kurzer Zeit das Gefühl, einfach draufloslaufen zu können, ohne mir Gedanken zu machen, wie weit der Rückweg sein würde. Auf einmal war es da, dieses Gefühl von Freiheit, Leichtigkeit und Zufriedenheit, von dem Läufer so gerne berichten. Offensichtlich war ich doch nicht so ungeeignet für diesen Sport, wie ich immer dachte, sondern hatte es bisher bloß immer zu schnell angehen lassen. So konnte ich auch bereits sechs Wochen nach meinem ersten ‚Langsam-Lauf“ die Strecke eines Halbmarathons zurücklegen. Eine Leistung, die ich für mich persönlich bisher als völlig unmöglich angesehen hatte. Das absolut erstaunlichste war aber: ich wurde durch dieses Training auch noch schnell. Und zwar viel schneller, als ich es je mit intensivem Training geschafft hatte. Nach nur zwei Monaten des weitgehend anstrengungslosen Trainings, war ich gerade auf kurzen Strecken etwa 20 % schneller, als es in der Vergangenheit nach der doppelten Trainingszeit mit hoher Intensität der Fall war.

Diese Erkenntnis mag für erfahrene Läufer trivial sein und auch ich wusste in der Theorie durchaus, dass man mit langen, langsamen Einheiten einsteigen soll, wenn man seine Ausdauer steigern möchte. Es ist auch nicht so, dass ich das nicht früher schon mal ausprobiert hätte. Jedoch lagen zwischen meinem bisherigem Verständnis von ‚langsam‘ und jenem, das mein Freund mir während unseres gemeinsamen Laufs vermittelte, immer noch Welten. Und erst diese persönliche Erfahrung und Christians ständige Ermahnungen nicht schneller zu werden, haben bei mir den sprichwörtlichen Hebel umgelegt.

Von daher ist meine letzte Empfehlung, die ich Ihnen in diesem Buch vermitteln möchte die, dass Sie, spätestens wenn Sie mit Hilfe des Kurzzeitfastens einige Kilos verloren haben, diese Art des Laufens unbedingt einmal ausprobieren sollten. Sie werden begeistert sein, wie unglaublich mühelos und befreiend dieser Sport sein kann, den Sie bisher vielleicht auch eher als anstrengend und qualvoll kennen gelernt hatten. Wichtig ist aber, dass Sie dazu unbedingt ins Freie gehen. Je abwechslungsreicher und auch vom Untergrund her anspruchsvoller die Strecke, desto mehr Spaß macht das Ganze, während auf dem Laufband leider keine so rechte Begeisterung aufkommen will.

Eine gute Anleitung, wie Sie diese angenehme Art des Laufens erlernen können, finden Sie übrigens in dem Buch „ChiRunning“ von Danny und Katherine Dreyer. Wenn Sie dann Freude an dieser Disziplin gefunden haben, kann ich Ihnen auch noch die motivierende Lektüre zweier weiterer Bücher empfehlen: „Born to run“ von Christopher McDougall sowie das leider nur auf Englisch erhältliche „Finding Ultra“ von Rich Roll.