NÄHRSTOFFE UND DÜNGERSUBSTANZEN

Dünger ist kein Heiliger, tut aber doch Wunder.

Alter Gärtnerspruch

Dem Jonglieren mit den Nährstoffmineralien wird heutzutage so viel Wichtigkeit beigemessen, dass man darüber fast vergessen könnte, dass es auch andere Aspekte des Gartenbaus gibt. Die Wurzeln dieser Faszination liegen in dem im 19. Jahrhundert aufkommenden materialistischen Dogma. Damals entstand die Mineralstofftheorie des Justus von Liebig und stellte die Erkenntnisse A. Thaers über die Bedeutsamkeit des Humus und des Leguminosenzwischenanbaus in den Schatten.

Liebig veraschte Kulturpflanzen und wog dann ganz genau die in der Asche enthaltenen chemischen Elemente ab. Dann errechnete der scharfsinnige Chemiker, wie viel von den betreffenden Elementen dem Boden Jahr für Jahr entzogen werden, wenn die Ernte abgetragen wird. Er kam zu dem logischen Schluss, dass nach einer gewissen Zeit die Böden verarmen müssen und dass dann die landwirtschaftlichen Erträge fallen würden und die Menschenmassen verhungern müssten. Wenn man diese in der Asche enthaltenen Pflanzenbausteine, den Stickstoff, die Pottasche und das Kalium, in irgendeiner Weise dem Boden wieder zufügen könnte, dann wäre das Problem gelöst. Bald darauf wurden Kunstdüngerfabriken gebaut, besonders in England, dem fortschrittlichsten Land der Welt, und man versuchte, die Bauern und Gärtner als Kunden zu gewinnen.

Liebigs Gleichung hat für den heutigen Agronomen noch immer Gültigkeit. Von einer wissenssoziologischen Perspektive aus gesehen kommt einem jedoch der Verdacht, dass eine Gesellschaft, die unter dem Bann des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik (Entropiesatz) steht und die auf nichterneuerungsfähige fossile Energie wie Kohle und Öl baut, ihre Ängste auch in den Bereich der Landwirtschaft hineinprojiziert. Eigentlich sollte jedoch die Landwirtschaft ein Bereich der Urproduktion sein: Sie beruht auf unbegrenzter Sonnenenergie!

Im Anschluss an die These der mineralstofflichen Ernährung der Pflanze formulierte Liebig das Gesetz des Minimums: Von den essenziellen Nährstoffen bedingt derjenige das Ausmaß der Entwicklung, der vergleichsweise in der geringsten Menge verfügbar ist. Der Ernteertrag ist davon abhängig, dass alle Hauptnährstoffe in genügendem Maße im Boden vertreten sind. Ist ein Nährstoff in zu knapper Menge vorhanden, nützt es nichts, dass die anderen Stoffe reichlich vorhanden sind. Ein bekanntes Bild dafür ist das des Fasses, dessen Dauben die Nährstoffe darstellen. Sind einige Dauben gebrochen, dann kann das Fass nur so viel Wasser halten beziehungsweise nur den Ertrag liefern, wie die kürzeste Daube hoch ist (Liebig 1840).

Julius Sachs und W. Knop verfeinerten die Liebigsche Analyse, indem sie die Pflanzen in Wasserkulturen zogen, welchen die Nährstoffe in exakt gemessener Dosierung beigegeben wurden und in denen die charakteristischen Symptome der Mangelerscheinungen festgestellt werden konnten. Es zeigte sich, dass die Elemente am untersten Ende des Periodensystems (C, O, H, N, P, S, K, Ca, Mg) für das Gedeihen der Pflanzen lebenswichtig sind. Man war überzeugt, dass die übrigen Elemente die Pflanzen gar nichts angingen. Aber im Laufe der Zeit stellte sich in diesen Untersuchungen, die bis in die heutige Zeit fortgeführt werden, heraus, dass Spuren weiterer Elemente von den Pflanzen gebraucht werden. Wegen unzureichender Reinheit der Nährlösungen war früheren Forschern deren Vorkommen entgangen. Diese Spurenelemente (Fe, Mn, Cu, Zn, B, Mo, Na usw.) müssen in den winzigsten Mengen vorhanden sein. Die Zahl der anerkannten Spurenelemente wird mit der Zeit immer größer. Vor kurzem wurde zum Beispiel entdeckt, dass Tomaten Spuren von Silizium brauchen. Zurzeit steht fest, dass sechzig der neunzig natürlich vorkommenden Elemente in den Pflanzen zu finden sind, man weiß aber nicht, ob sie alle unentbehrlich sind. Die Sachlage wird dadurch kompliziert, dass jede Pflanzenart ihre eigenen Ansprüche hat. Die Forschung geht weiter; es sollte nicht verwundern, wenn sich herausstellt, dass alle Elemente unentbehrlich sind (Salisbury 1969: 192).24

Liebigs Fass: Das Gesetz des Minimums.

Die reduktionistisch materialistische Einstellung erweist sich als immer brüchiger. Sogar Liebig, der »Vater der chemischen Landwirtschaft«, hatte eingesehen, dass sein Fassbeispiel nur im Labor und bei toten, mineralischen Böden zutrifft. Er warnte in seinen »Chemischen Briefen« (1859) sogar vor einer einseitigen Anwendung der Theorie, denn andere Faktoren wie Humus, Lichtintensität, Temperatur, Wasser, Pflanzenart und so weiter spielten eine wichtige Rolle. Das Gesetz des Minimums gilt nur ganz allgemein, denn wenn alle anderen Faktoren stimmen, kann der Mangel eines Nährstoffs besser überbrückt werden. Teilweise kann Kali durch Natrium, Kalk durch Strontium, Molybdän durch Vanadin, Chlor durch Brom usw. ersetzt werden. Wenn genügend Stickstoff da ist, werden auch Phosphate und Sulfate besser aufgenommen. Mit anderen Worten: Wir haben es mit anpassungsfähigen Ätherwesen, nicht mit mechanischen Systemen zu tun.

Die heutige Landwirtschaft ist zu einer Differenzialrechnung mit verwickelten Düngermischformeln, Bodentests, Tabellen für Nährstofferfordernisse der einzelnen Arten, Tabellen für Applikationstermine, Mischtabellen für die vielen verträglichen und unverträglichen Düngersalze und anderen Schikanen geworden. Mit den Insektiziden, Herbiziden und Fungiziden, deren Anwendung sich als notwendig erweist, wenn man einmal mit Kunstdünger anfängt, ist es ein ähnliches Lavieren. Der einfache Gärtner ist meistens von dieser scheinwissenschaftlichen, pseudokabbalistischen Numerologie beeindruckt. Ein alter Nachbar beteuerte zum Beispiel stolz, dass er seit Jahren 16-16-16 (NPK) in seinem Garten gebrauche.

Diese Pseudokabbalistik ist nicht nur kompliziert, sondern hat auch unangenehme Folgen. So lassen die meisten NPK-Salze die Böden versauern. Wenn man mit Kalken nachhelfen will, läuft man Gefahr, Spurenelemente wie Eisen, Mangan, Bor, Kupfer oder Zink, die die Pflanzen zur Enzymbildung brauchen, zu binden und den Salmiakgeist (Ammoniak) zu vertreiben. Überdüngung mit leichtlöslichem Stickstoff treibt die Blattbildung voran, lässt aber Wurzeln, Frucht und Samen sich kümmerlich entwickeln. Man hat dann herrlich grünes Kartoffelkraut, aber kleine Murmeln als Knollen. Zudem läuft man Gefahr, das Bodenwasser zu verseuchen. Der überschüssige Stickstoff wird von den Pflanzen schlecht verwertet und bleibt als Nitritrückstand in den Blättern, die dann für den Menschen als Nahrung schädlich sind; man denke an Nitritvergiftung bei Säuglingen durch Spinatgenuss.

Ammoniumsulfat bildet im Boden Schwefelsäure, die Regenwürmer, Mikroorganismen und keimende Samen schädigt. Auch synthetischer Harnstoff tut das. Kalk- und Natronsalpeter klumpen zusammen. Superphosphat bindet Eisen zu festem Eisenphosphat und fixiert Kalk und Aluminium auf ähnliche Weise. Kalidüngesalz versalzt den Boden und macht ihn hart. Düngermischen ist ein weiteres Problem: Superphosphate lassen sich nicht mit Nitraten und Chloriden mischen; Kalksalpeter und Harnstoff vertragen sich nicht usw. usf. (»Kleine Enzyklopädie« 1978: 61).

Die Pseudokabbalistik der Agrarchemie.

Es ist bei dieser Sachlage kein Wunder, dass man ein Hochschuldiplom braucht, um Gärtner zu werden. Für den Labortechniker mag das alles interessant sein, für den biologischen Gärtner aber ist es unwesentlich, eine Vergeudung kostbarer Zeit. Die Bodenbakterien im Humus, die Regenwürmer, Komposte und Unkräuter sind hier zur Stelle als die von der Weisheit des Makrokosmos geleiteten Chemiker. Wenn man schon Chemikalien anwendet, dann sollte man es so tun, wie die Natur selbst es tun würde. Natürlich braucht man auch kein fanatischer Feind von Kunstdüngersalzen zu sein. Schon Sir Albert Howard hat von »suitable artificials« (angemessenem Kunstdünger) gesprochen. Man muss nur genau wissen, was man tut. Langsam verrottendes Sägemehl kann mit Harnstoff, der den nötigen Stickstoff für die zellulosezersetzenden Mikroorganismen hergibt, angeregt werden. In Guatemala haben Entwicklungshelfer die armen, ausgezehrten Böden der Hochlandindianer mit einer Kombination aus Leguminosensaat, Kali und Thomasmehl fruchtbarer gemacht.

Wie man es auch anpackt, die Hauptsache ist, dass man den Boden verlebendigt und dass sich dies in der Gesundheit der Pflanzen und Tiere zeigt. Ebenso wie man unter Umständen Kunstdünger sachlich gezielt einsetzen kann, kann man auch nicht unbesonnen ohne weiteres jeden biologischen Dünger nehmen. Mist oder Gülle von Mastbetrieben, wo die Tiere unglücklich, krank und mit Antibiotika behandelt sind, oder Hühnermist von einer tierunwürdigen Batteriehaltung, der obendrein noch mit Pestiziden bestäubt wurde, eignet sich wenig zur Kompostierung, da durch die Antibiotika und Pestizide die Bakterien gar keine günstigen Verrottungsprozesse einleiten können. Auch bei Klärschlamm und Müllkomposten aus großen Städten ist Vorsicht geboten, da oft eine Anhäufung schädlicher Substanzen, zum Beispiel von Schwermetallen (Co, Cu, Zn, Mg, Cd, Pb, Hg, As, Mo usw.), vorliegt.

Wenn man den Garten oder den Hof als einen Mikrokosmos betrachtet, als »Individualität«, dann erkennt man, wie absurd das Herbeischleppen von Düngemitteln überhaupt ist. Nach Steiners Ansicht sollten die biologischen Dünger, Miste und Komposte innerhalb der Stoffkreisläufe der landwirtschaftlichen Individualität entstehen und nur die Sonnenenergie, der Regen und die durch biologische Aktivität aufgeschlüsselten Elemente des Gesteins von außen in die Kreisläufe hereinkommen. Wenn man Dünger einführen muss, ist dies ein Zeichen dafür, dass der Betriebsorganismus nicht gesund ist. Und schließlich kommt es beim Düngen darauf an, auf die besonderen, eigentümlichen Ansprüche des individuellen Gartenökotops aufmerksam zu werden, auf das spezifische Klima, den Boden und die Jahreszeiten. Man kann nicht nach einer abstrakten Düngetabelle vorgehen.

Die stoffliche Zusammensetzung der Pflanzen

Der holländische Chemiker Van Helmont (1577–1644) stellte einen inzwischen klassisch gewordenen Versuch über die Pflanzenernährung an. In einem mit 200 Pfund Erde gefüllten Bottich pflanzte er einen Weidenschößling und gab diesem nur Wasser. Nach fünf Jahren war der Schößling zu einem 169 Pfund schweren Bäumchen geworden. Als Van Helmont die Erde im Bottich wog, war er erstaunt festzustellen, dass diese immer noch praktisch 200 Pfund wog; sie hatte nur 62 Gramm Gewichtsverlust erlitten. Die Frage, die sich dem Chemiker stellte, war: Woher kommt die Pflanzenmasse, wenn nicht vom Boden?

Man staunt heutzutage immer noch, wenn man bedenkt, dass sich bis zu 98 Prozent der Pflanzensubstanz aus Luft (CO2) und Wasser (H2O) bilden und nur eine verschwindend kleine Menge vom Boden selbst kommt (N, P, K, Ca, usw.). Die Pflanze spiegelt nicht einfach die Zusammensetzung der Bodenmineralien wider, die in der Reihenfolge Sauerstoff, Silizium, Aluminium usw. am häufigsten vertreten sind. In der lebendigen Pflanze kommen an erster Stelle Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff vor. In viel geringeren Mengen folgen Stickstoff, Kalium, Kalk, Magnesium, Phosphor, Kiesel und noch bis zu sechzig andere. Die ätherischen Bildekräfte, die den Pflanzen zugrunde liegen, selektieren die Baumaterialien, um sich die artgemäßen Gestalten aufzubauen.

Van Helmonts Experiment.

Die Hauptelemente und ihre Funktion im Pflanzenwachstum

Man kann die mineralischen Bausteine des Pflanzenwachstums als Anker betrachten, durch welche die übersinnlichen Kräfte und Wesenheiten hier auf unserer Erde ihre weisheitsvollen Werke ausführen können. Aus einem Haufen von Bausteinen und Holzlatten wird noch lange kein Haus. Es braucht die Arbeiter, die Maurer und Schreiner, die die Elemente zusammenfügen. In der Natur sind dies die Elementarwesen. Aber die Arbeiter müssen auch nach einem Plan, den die Architekten und Techniker aufstellen, arbeiten können. Diese Architekten sind die astralen Wesenheiten, die Planetengötter. Schließlich braucht es einen Auftraggeber, der das Ganze haben will und auch finanziert, und das sind die höheren Geistwesen, die Archetypen. Auch wenn wir uns bis jetzt nur mit den Bausteinen befasst haben, wollen wir nicht vergessen, dass hinter ihnen übersinnliche Kräfte und Wesenheiten eine entscheidende Rolle spielen.

Aber auch die Bausteine sind nicht nur tote Stoffe. Sie haben ebenso übersinnliche Dimensionen. Man kann sie als Schriftzeichen oder als die äußere Schale hoher Wesenheiten, die das Universum durchwirken, auffassen. Rudolf Steiner hat unser begrenztes naturwissenschaftliches Verständnis der Elemente mit dem Betrachten eines Fotos einer Person verglichen (Steiner 1975: 3. Vortrag). Eine Fotografie kann man studieren und sie sagt auch viel aus, aber wie viel mehr würde man erfahren, wenn man die lebende Person sehen oder gar mit ihr reden könnte!

Kohlenstoff (C)

Kohlenstoff wird von Steiner als der »schwarze Kerl« vorgestellt, der überall, wo er in der organischen Natur auftaucht, gestalt- und formgebend wirkt. Die Pflanze trennt den Kohlenstoff durch die Sonnenkraft vom Sauerstoff des Kohlendioxidmoleküls und baut den schwarzen Kerl, der gerne Ketten (C-C-C-C-C- …) bildet, in ihre Gestalt ein. Aus solchen Kohlenstoffketten besteht das Gerüst bzw. das »Skelett« der Pflanze. An die Ketten dieses vierwertigen Elements hängen sich dann – wie »Fleisch und Muskeln« – die anderen Elemente, vorzüglich Sauerstoff und Wasserstoff. Wenn die Pflanze stirbt, verflüchtigen sich die anderen Elemente zum größten Teil, aber das Kohlenstoffskelett bleibt zurück.

In der mineralischen Welt sieht man die formgebende Kraft des Kohlenstoffs in der Gestalt des Diamanten. Tiere und Menschen würden in ihrer Leiblichkeit unbeweglich werden wie die Pflanzen, wenn sie den Kohlenstoff nicht ständig wieder mit der Atmung ausstoßen würden. Ihre feste Gestalt verdanken sie dem Kalziumphosphatskelett anstatt dem Kohlenstoffgerüst. Steiner macht jedoch darauf aufmerksam, dass der Kohlenstoff dem Menschen die Möglichkeit gibt, Gedanken in Bilder, mentale Formen und Begriffe zu fassen. Es sei auch ein Aspekt der Atemübung in der orientalischen Esoterik, den Kohlenstoff besonders lange im Körper zu behalten, wodurch der Yogi die Geistesbilder erfassen kann. Schließlich identifizierte Steiner auch den alchemistischen Stein der Weisen als das Wesen des Kohlenstoffs.

Der Gärtner kann die Kohlenstoffassimilation der Pflanzen unterstützen, indem er schützende Hecken pflanzt, die den Durchzug der Winde verlangsamen. So wird das vom Boden heraufsteigende Kohlendioxid, das die Pilze und Kleinlebewesen absondern, nicht sofort weggeweht, sondern kann durch die Spaltöffnungen, die sich auf der Unterseite der Blätter befinden, wieder aufgesogen werden. Weiter kann er die Kohlenstoffassimilation seiner Gemüse unterstützen, indem er den Boden mulcht oder mit der Zieh- oder Pendelhacke die obere Kruste lockert, so dass die Bodenoberfläche nicht verkrustet. Wenn sich Kohlenstoff (Kohlensäure) zu stark im Boden anreichert, versäuert er und das Wachstum erstarrt.

Sauerstoff (O2)

Das Wesen des Sauerstoffs ist es, Lebensträger zu sein. Das geben auch die Technokraten zu, wenn ihre instrumentenbeladenen Roboter den Mond und die anderen Planeten nach Sauerstoff absuchen. In der Atmosphäre ist der Sauerstoff neutral, aber wenn er in den Organismus oder in den Boden kommt, bewirkt er Lebensaktivität und Stoffwechsel. Er umwindet und umschlingt den Kohlenstoff, ohne den der Sauerstoff seine Lebensaktivität nicht entfalten könnte.

Der Gärtner macht sich die Sauerstoffkraft zunutze, indem er Tiefkulturbeete und Hügelbeete anlegt, die viel Luft in ihrer lockeren Erde enthalten. Auch der Kompost sollte so locker aufgeschichtet werden, dass die aeroben Rottebakterien begünstigt werden.

Stickstoff (N2)

Stickstoff ist der Träger des Empfindungsvermögens, der Sensitivität und der Bewegung. Der Stickstoff ist ein Ausdruck der Weltenseele, die zwischen den ätherischen Kräften und den Archetypen vermittelt. Als Element ist es der Anker der Astralität auf der Erde, der Seelenfunktion in Mensch und Tier. Bei der Pflanze, deren Kohlenhydrat-, Zellulose- und Ligningewebe relativ arm an Stickstoff ist, wirkt die Astralität durch Luft, Insekten und Tiermiste von außen ein.

Ähnlich wie der Sauerstoff ist der Stickstoff in der Atmosphäre inaktiv, sozusagen »tot«, wird aber im Boden und innerhalb der Organismen reaktiv. Durch den Stickstoff kann der Boden »fühlen« und »spüren«, was in der Atmosphäre, in der Biosphäre und im weiteren Kosmos vor sich geht. Indem er den guten Duft der frischen Erde beim Hacken oder beim Pflügen einatmet, empfindet der meditative Gärtner oder der Bauer, was der Stickstoff ihm zu sagen hat; er weiß dann intuitiv, also unter der Schwelle des bewussten Denkens, was für seinen Acker, für die landwirtschaftliche Individualität das beste ist. Der Mikrokosmos Garten spricht so seine Wünsche aus.

In der praktischen Arbeit versorgt man die Pflanzen am besten mit Stickstoff, der dem lebendigen, organischen Bereich entnommen ist, nicht mit abgetöteten Stickstoffmineralsalzen. In Frage kommen kompostierte Miste von allen Haustieren, Federn, Hornmehl, Fischemulsion und der Stickstoff der Knöllchenbakterien der Leguminosen, die man in die Fruchtfolge einbaut. Ohne den riesigen Aufwand an Energie – es bedarf 6000 Kalorien und 500 kg Druck, um 1 kg Stickstoff im Haber-Bosch-Verfahren herzustellen – und ohne hohe Temperaturen können diese Wurzelbakterien bis zu 200 kg Stickstoff pro Hektar erzeugen (Wortmann 1977: 181).

Manchmal braust auch der Freund des ackerbauenden Menschen,

Donar (Thor), auf seinem von Gewitterböcken gezogenen Wagen übers Land und segnet im Blitzgewitter den Boden mit einem stickstoffhaltigen Regenguss.

Stickstoffmangel zeigt sich in dünnen, zähen Stengeln und gelben Blättern, die bald abfallen. Die schmächtigen Pflänzchen auf Hungerwiesen, die sehr früh blühen und Samen bilden, sind charakteristisch für das Fehlen von Stickstoff. Ein Zuviel an Stickstoff lässt die Pflanzen geil und tiefgrün ins Blatt wachsen und zieht Blattläuse und andere Schädlinge nach sich, die den Überschuss von den Pflanzen absaugen wollen.

Phosphor (P)

Als reines Element leuchtet Phosphor im Dunklen, und es bedarf wenig, um ihn in hellen Flammen auflodern zu lassen. Phosphor (griech. phos phoros = Lichtträger) hat die Aufgabe, himmlisches Licht in die Erdenschwere hineinzutragen. Diese Aufgabe kann man nachempfinden, wenn man weiß, was für eine Rolle er in der Blüten- und Fruchtentwicklung und im Zuckerstoffwechsel spielt. Wenn es im Garten an Phosphor mangelt, zeigt sich dies in purpurrötlichen Stengeln und Blattvenen (Anthrozyanbildung), im gehemmtem Wachstum und der Verzögerung von Blüte und Reife der Pflanzen. Beim Mais werden die Körner in den Kolben unregelmäßig und bei Tomaten die Unterseite der Blätter purpurn. Wenn diese Mangelerscheinungen auftreten, dann helfen besonders vergorene Hühner- und andere Geflügelmiste. Lupine und Wicke als Gründüngerpflanzen sammeln Phosphor. Ausgekochte Knochen, die verbrannt und dann zu Staub zermalmt werden, geben diesen Stoff her. Gemahlenes Phosphatgestein und Thomasschlacke sind weitere Quellen.

Eine Geschichte mit dem Titel »Who ate Roger Williams?« (Steele 1868), die vor vielen Jahren in der Tageszeitung von Hartford (Connecticut) erschien, gibt uns ein klares Beispiel vom Phosphorkreislauf in der Natur. Es wird erzählt, wie die Stadtväter nach der Grabstätte von Roger Williams, dem Gründer der Kolonie von Rhode Island (1636), suchten, um ihm an der Stelle ein Denkmal zu errichten. Man fand das Grab, grub aber nur noch ein paar verrostete Nägel, Hacken, einen Zopf und eine Spur verkohltes Holz aus. Neben dem Grab wuchs ein alter Apfelbaum, der eine seiner Hauptwurzeln durch den Sarg gestoßen hatte. Die Wurzel machte eine Drehung, wo einst der Schädel des Koloniegründers war, wuchs das Rückgrat entlang, teilte sich unterhalb des Beckens in zwei Gabeln und wuchs bis zu den Fersen, wo sie dort, wo einst die Zehen waren, eine rechtwinkelige Biegung nach oben machten. Eine Wurzel machte sogar einen kleinen Knick, wo das Knie war. Die äußere Gestalt des edlen Pioniers war zu Holz verwandelt worden; der Phosphorgehalt seiner Gebeine hat sicherlich Jahr für Jahr zu einer guten Apfelernte geführt. Deshalb ist die Überschrift des Zeitungsartikels: »Wer hat Roger Williams gegessen?« gar nicht so unpassend.

Silizium (Si)

Silizium ist kein reaktionsfreudiges Element. Eben deshalb wird es von Steiner als erhabener Edelmann bezeichnet, und deshalb wird ihm auch nicht viel Bedeutung in der gemeinen Agrarwissenschaft beigemessen. Als Quarz, aus dem 48% der Erdrinde besteht, ist Silizium inaktiv, aber in Pflanzen, besonders in Getreiden und Gräsern, ist die Kieselsäure (H4SiO) biologisch aktiv. Getreide, das gut mit Kiesel versorgt ist, legt sich im Sturm nicht so leicht um und bietet Pilzsporen und den Kauwerkzeugen der Insekten größeren Widerstand. Kunstdüngeranwendung vermindert den Siliziumgehalt. Im Aschegehalt des Getreides ist seit den ersten Messungen vor neunzig Jahren eine Abnahme des Siliziums um 30% zu verzeichnen. Zur gleichen Zeit hat man festgestellt, dass die Backqualität und Haltbarkeit des Mehls sich verschlechtert hat und dass norddeutsche Strohdächer, die früher ungefähr dreißig Jahre hielten, jetzt nur noch höchstens fünfzehn Jahre intakt sind, ehe sie der Erneuerung bedürfen (Remer 1968: 38).

Die Biodynamiker sagen, dass Kiesel die Licht- und Wärmekräfte und die Einflüsse der obersonnigen Planeten (Mars, Jupiter und Saturn) vermittelt und verstärkt und dadurch Qualität, Aroma und Geschmack fördert. Man kann auch beobachten, dass Brombeeren, die an staubigen Wegen wachsen, süßer schmecken als andere. Um die qualitäts- und reifefördernde Wirkung des Kiesels nutzbar zu machen, stellt man in der biodynamischen Landwirtschaft das Hornkieselpräparat her, das wir später besprechen werden. Einige wissenschaftliche Untersuchungen deuten an, dass mit dem Quarzpräparat behandelte Pflanzen die Licht- und Wärmewirkungen verstärkt zum Ausdruck bringen, wogegen mit Stickstoff überdüngte Pflanzen unter denselben Umständen die Charakteristiken einer an feuchten, schattigen Orten wachsenden Pflanze zeigen (Klett 1973: 178).

Eine zweiprozentige Wasserglaslösung oder der Tee des kieselhal tigen Schachtelhalms (Equisetum arvense) wirken auch gegen Blattläuse und Mehltau, die als Zeichen einer durch Kälte, Feuchtigkeit oder Stickstoffüberdüngung verursachten Unausgeglichenheit im Wachstum auftreten. Es gibt noch alte Gärtner, die den Karotten (Möhren) Quarzsand mit in die Saatrillen streuen. Sie vermitteln diesen Doldenblütlern dadurch die licht- und wärmeätherischen Kräfte, die eine süße, würzige Pfahlwurzel entstehen lassen. Wie ein alter Gärtnerspruch besagt: »Sand ist Mist, wenn er an der rechten Stelle ist.«

Kalzium (Ca)

Kalk bildet einen dialektischen Gegenpol zum Kiesel. Kiesel hat etwas Trockenes, Strahlendes an sich – es kommen einem die lichtdurchlässigen sechskantigen Bergkristalle in den Sinn. Auch die sechseckigen Facetten der Insektenaugen, die hexagonalen Zellen der Waben der licht- und wärmeliebenden Bienen und die Honigkristalle tragen die Signatur dieses Stoffes. Die Verwandtschaft mit dem Licht zeigt sich darin, dass die Augen, die Haare und die schimmernden Federkleider der Vögel Kiesel ansammeln und dass Silikon zur Herstellung von Photozellen, Mikrochips und Transistoren benutzt wird. Das Strahlende kommt in den Formen der Kieselalgen, der Strahlentierchen (Radiolaria), dem Schachtelhalm und den Spelzen der Getreide zum Ausdruck.

Während man Kiesel an der Peripherie der Organismen findet, in Sinnesorganen, Haut und Haarkleid, ist der Kalk im Organismus in den Knochen vorhanden, und auch im Stoffwechsel ist er äußerst aktiv. Diese Reaktionsfreudigkeit kann man als »saugend«, zum Feuchten tendierend bezeichnen im Gegensatz zum trockenen Strahlen des Kiesels. Die Lochschalentierchen (Forminifera), deren winzige Kalkschalen sich in Urzeiten zu unseren Kalkgebirgen formten, sind rund oder schneckenförmig gebaut und lassen das strahlige der Radiolarien vermissen. Die kalkigen Sedimentgesteine haben sich im Wasser geformt, im Gegensatz zu den im Feuer auskristallisierten Quarz-Urgesteinen. Auch der Feuerstein lässt noch, obwohl er sich in den Meeren aus Kieselgallerten formte, seine feurige Signatur erkennen, wenn man mit Eisen Funken aus ihm schlägt.

Während Kiesel mit den obersonnigen Planeten, mit der unwägbaren Qualität des Lichtes und der Wärme zu tun hat, vermittelt Kalk die Wirkungen der untersonnigen Planeten (Mond, Merkur und Venus), hat mit der wägbaren Quantität zu tun und ist höchst reaktiv im biologischen Ablauf und Stoffwechsel. Kalk lockert schwere Tonböden, flockt sie aus und verbessert die Anbaumöglichkeiten. Kalk neutralisiert überschüssige Säure im Boden oder im Organismus. In den Zellen gleicht er die von Kali und Natrium verursachte Zähflüssigkeit aus. In den Komposten unterstützt Kalk die zelluloseverdauenden Organismen und im Acker die stickstoffbindenden Knöllchenbakterien der Schmetterlingsblütler.

Natürlich muss man mit diesem »Hitzkopf« umzugehen wissen, damit es nicht zur Verkalkung kommt, denn er schlägt die Spurenelemente in Fesseln und vertreibt den Salmiakgeist. Kalk macht reiche Väter und arme Söhne, mahnt die Bauernregel. Am besten eignen sich die langsam reagierenden Kalksteinmehle, Algenmehl und Kalkmergel, wenn man kalken will. Es ist auch immer besser, den Kalk über dem Kompost auf den Boden zu bringen, anstatt ihn direkt aufzustäuben. Dolomitmehl ist eines der besten Kalksteinmehle, denn es enthält Magnesium (Mg). Jede Pflanze braucht Magnesium, da dieses Element ein wichtiger Baustein des Blattgrüns und Aktivator zahlreicher enzymatischer Prozesse ist. Besonders sandigen und torfigen Böden mangelt es oft an Magnesium.

Gips (Kalziumsulfat) ist auch eine Kalkquelle, die aber wegen ihres Schwefelgehalts zu einer Versäuerung des Kompostes oder Bodens führt und die Pilze gegenüber den zelluloseverdauenden Rottebakterien fördert. In trockenen, alkalischen Böden, wie man sie in den regenarmen mediterranen Klimazonen wie in Kalifornien oder Spanien findet, ist diese versäuernde Tendenz des Gipses erwünscht. Die Schwefelsäure, die sich aus dem dissoziierenden Kalksulfat ergibt, neutralisiert zum Teil die überschüssigen Basen dieser Verdunstungsböden. An und für sich braucht man sich um Schwefel, der zum Vitaminaufbau und zur Synthese einiger Aminosäuren unerlässlich ist, nicht zu sorgen, denn im Regen der Industrieländer wird genug Schwefel in den Boden gewaschen. Auch der Schwefel hat mit dem Wärmeelement zu tun; man denke an die Senföle in den Kreuzblütlern und die Lauchöle in Zwiebeln und Knoblauch, die es diesen Pflanzen ermöglichen, die kalte Witterung zu überstehen.

Kalium (K)

Kalium, auch Pottasche genannt, ist ein naher Verwandter des Kalks und wird von den Pflanzen genutzt, um Stengel und Wurzeln aufzubauen. Wenn Pottasche fehlt, sehen die Pflanzen schlaff aus, und an den Blättern bilden sich tote Randstreifen (Nekrosen). Bei Kalimangel sind die Früchte weich und werden ungleichmäßig reif, Karottenblätter kräuseln sich, Rote Beten (Randen) formen sich zu Zapfen, Wurzelgemüse wird nematodenanfällig und die Maiskolben verkümmern. Mit Steinmehl (Granitstaub), Holzasche von Harthölzern (Eiche, Buche, Esche usw.), kompostiertem Schweinemist, Seetang, Farnkraut, insbesondere dem Adlerfarn (Pteridium aquilinum), mit Wicke und Luzerne als Mulch oder im Kompost gleicht man den Mangel wieder aus.

Spurenelemente

Der biologische Gärtner braucht sich nicht um die Spurenelemente zu kümmern. Die Luft – auch wegen der industriellen Abgase –, der Regen und das Bodenwasser tragen diese in kleinsten Mengen benötigten Stoffe mit sich. Nur in den seltensten Fällen ist dem Boden mit einer Spurenelementdüngung geholfen, wie zum Beispiel in Australien, wo Tausende Hektar Land durch eine geringfügige Molybdängabe fruchtbar gemacht wurden. Meistens jedoch vergiftet man den Boden dadurch und reichert diese raren Elemente ungünstig an. Das herbstliche Falllaub der Bäume enthält oft Spurenelemente und andere Mineralien, die die mächtigen Baumwurzeln aus den Tiefen heraufpumpen. Ein solcher Blätterkompost, dem vielleicht noch Fischemulsion, Fischmehl, Seetang oder Holzasche beigemischt sind, sollte das Problem der Spurenelemente ein für allemal lösen.

Kreislauf der Spurenelemente.

Bodenuntersuchungen

Bodenproben sind unzuverlässig, denn die Analysen schwanken stark mit der Jahreszeit und der biologischen Aktivität der Pflanzen, da die Stoffe im ständigen Wechsel gebunden und gelöst werden (Pfeiffer 1977: 54). Man sollte nicht gutes Geld für solche Spielereien ausgeben. Die Hauptsache ist, dass der Boden lebendig ist, dass die Kleinlebewesen Chelate herstellen können, dass Tiermiste, Leguminosengründüngung und vielleicht auch Gesteinsmehl in den Boden gebracht werden. Jeder Garten ist ein kleines Ökosystem mit internen Kreisläufen und rhythmischen Schwankungen, für die ein Bodentest ein viel zu grobes Maß darstellt.

Wenn man schon Untersuchungen anstellen will, kann man mit der Gartenkresse (Lepidium sativum) Wachstumsvergleiche anstellen. Man füllt Gartenhumus, Sand, Kompost, Torf oder was man eben untersuchen will, separat in Töpfe, besät diese mit jeweils zehn Kressesamen von der gleichen Mutterpflanze und hält alle Faktoren wie Licht, Temperatur, Wasser usw. konstant. Dann vergleicht man die Wachstumsgesten der Kresse in ihren verschiedenen Medien. Es kommt auf die »anschauende Urteilskraft« des Beobachters an, welche Kriterien er zum Vergleich anwenden wird. Er kann die Keimfreudigkeit, die Länge zwischen den Knoten, die Blattformen und -deformationen, die Maße der Blätter und Wurzeln, die Färbung und noch vieles mehr berücksichtigen. Durch diese Analyse bekommt er ein gutes Bild der Wachstumskräfte, die im jeweiligen Medium enthalten sind.

24 Dieses reduktionistische Unterscheiden zwischen wesentlichen und unwesentlichen Elementen hat seine Entsprechung in der darwinistischen Biologie, die zwischen notwendigen und rudimentären Organen im Menschenleib unterschied. Als Überbleibsel früherer evolutionärer Entwicklungsstadien zählte man 187 Körperteile – Fußzehen, Mandeln, Weisheitszähne, Milz, Blinddarm, Thymus usw. Noch in den Fünfzigerjahren war freitags in den Krankenhäusern der USA »Mandeltag«, an dem den Kindern die Mandeln vorbeugend entfernt wurden. Verheerender äußerte sich derselbe Geist in der Völkerkunde, wo man die primitivsten Völker als entwicklungsunfähige Überbleibsel der hominiden Evolution betrachtete.