INSEKTEN UND ANDERE KLEINE BIESTER
Sprich, wie werd ich die Sperlinge los, so sagte der Gärtner,
Und die Raupen dazu, ferner das Käfergeschlecht,
Maulwurf, Erdfloh, Wespe, die Würmer, das Teufelsgeschlecht?
Lass sie nur alle, so frisst einer den anderen auf.
Johann Wolfgang Goethe
Manch ein Gartenbesitzer wird schon beim Anblick einer Hand voll Raupen oder Käfer hysterisch und ergreift drakonische Gegenmaßnahmen. Vor kurzem wurde in einer Zeitung berichtet, dass man einen Gärtner tot zwischen seinen Kohlköpfen gefunden hatte. Todesursache: Eine Überdosis von Pflanzenschutzmitteln.45 Solche irrationalen Ängste lassen keinen Raum für eine nüchterne, sachliche Betrachtung, wie unsere sechs- und achtbeinigen Mitbürger in die biologischen Zusammenhänge hineinpassen.
Die panische Angst vor Insekten wird auch fleißig von der chemischen Industrie gefördert. Nach Angaben von Greenpeace versprühen die Bauern allein in der Bundesrepublik jährlich 38 000 Tonnen giftiger Pestizide im Wert von 1,1 Milliarden DM. Tendenz steigend! 1995 waren es noch 35000 Tonnen.46 Mittels teurer, groß angelegter Propagandafeldzüge im Fernsehen und in den Illustrierten wird Öl auf das Feuer dieser hysterischen Furcht gegossen. Brutale Nahaufnahmen zeigen, wie die Kiefer der Insektenmonster die Feldfrüchte annagen, wie ganze Landschaften vertilgt werden und wie die Chemiekonzerne als Retter in der höchsten Not erscheinen. Entomologen verbreiten im Auftrag ihrer Brotherren Informationen, die im kalten, wissenschaftlichen Jargon vorgetragen werden, aber doch eine lebensfeindliche, bisweilen sadistische Einstellung kaum verbergen können. In Sachbüchern liest man zum Beispiel, dass ein Fliegenpaar innerhalb eines Jahres so viele Nachkommen haben könnte, dass eine dicht gepackte Glocke von wimmelnden Fliegenleibern, 60 Millionen Kilometer im Durchmesser, die Erde ersticken könnte. Das ist natürlich eine ganz unmögliche, abstrakte Vorstellung, aber irgendwie schleicht sich doch das Gefühl ein, der Mensch stehe in ernsthafter Konkurrenz mit den Insekten. Es geht ums Überleben – entweder wir oder sie! Es ist ein Krieg, in dem man nicht sicher ist, wer gewinnen wird, denn immer mehr Arten werden fast so schnell immun, wie die Forschung neue, stärkere Gifte, synthetische Pheromone, Hormonanaloga oder Kontrazeptiva herstellen kann. Werden in ferner Zukunft die höher entwickelten Insekten-Urenkel die bleichen Knochen der Verlierer im Daseinskampf begaffen, wie wir die Knochen ausgestorbener Saurier?
Aber schauen wir erst einmal die Tatsachen an. Der ökonomische Verlust durch Insektenschäden ist bei weitem nicht so groß, wie behauptet. Einbezogen in die Aufzählung der Kosten sind die vorbeugenden Bekämpfungsmaßnahmen, der Forschungsaufwand, die Geräte und Sprühmaschinen, der Vertrieb und die Reklame für die Gifte. Die Erlösminderung durch tatsächlichen Insektenfraß ist nur ein Faktor. Man weiß eigentlich wenig über die von Insekten verursachten Verluste, denn der Befall wird wiederum durch die Agrarchemikalien erhöht. Man weiß, dass nach Anwendung von Kunstdünger und Herbiziden die Insektenpopulationen steigen und dass nach Anwendung von Pestiziden die natürlichen Feinde der Schädlinge zuerst ausgerottet werden, die Schädlinge aber umso schneller, diesmal ohne Widerstand der Nützlinge, zurückkommen. Da hilft dann nur noch teures Gift. Der Teufelskreis schließt sich.
Viel mehr Schäden als die Kerbtiere verursachen Mehltau, Pilzbefall und Fäulnis, die ihrerseits durch falsche landwirtschaftliche Maßnahmen und ungünstige Wetterlagen hervorgerufen werden. Der Entomologe Dethier schreibt: »Das schwarze Ross des dritten Reiters der Apokalypse mag in vielen Gestalten kommen, aber nicht in der Gestalt des Gliederfüßlers.« Als Schädlinge auftretende Insekten haben sich vermehren können durch den Anbau von Monokulturen, weil man Pflanzen außerhalb ihres natürlichen Ökotops anpflanzt, weil man das ökologische Gleichgewicht untergraben hat. »Es gibt keinen Grund, die Insekten als ernstzunehmende Nahrungskonkurrenten anzusehen. Wetter, Pilzorganismen und komplexe sozioökonomische Faktoren stellen eine viel ernsthaftere Bedrohung unserer Nahrungsmittelversorgung dar« (Dethier 1976: 73). Im Gegenteil, »Insekten sind auch unsere wichtigsten Partner bei der Schaffung von Leben auf der Erde, denn oft übernehmen sie die Federführung bei der Gestaltung terrestrischer Ökosysteme« (Beerenbaum 1997: 16).
Nicht immer hatten die Menschen ein so ängstliches Verhältnis gegenüber den Kerfen. Mit der Ausnahme gelegentlicher Heuschreckenschwärme findet man kaum historische Berichte über Ungezieferbefall. Wenn im Nahen Osten oder in Südeuropa eine Heuschreckenplage kam, deutete man dies als den Zorn Gottes gegen ein böse gewordenes Volk. Immer traten die Grashüpfer zusammen mit anderen Plagen auf, mit Überschwemmungen, Trockenheiten, Pest und Hungersnot. So steht im hebräischen Text der Heiligen Schrift, dass Moses seine Hand über Ägypten strecken soll, »dass Heuschrecken auf Agyptenland kommen und alles auffressen, was im Lande wächst« (2. Mose 10: 12), damit der hartherzige Pharao Buße tue. Weitere Indizien eines ökologischen Zusammenbruchs kommen hinzu: wuchernde rote Algen (»und alles Wasser im Strom wurde in Blut verwandelt«), eine Froschplage, Stechfliegen, Viehpest, Hagel und ein Sterben unter den Menschen. Nur die Buße konnte helfen, die Rückkehr des Menschenwillens zum göttlichen Plan.
Bei primitiven Ackerbauvölkern war das Verhältnis zu den Kerbtierchen größtenteils von Achtung, Ehrfurcht und bisweilen von Freude geprägt. In den Erzählungen der Nahuatl (Mexiko) bringen die roten Ameisen den Menschen Mais, nachdem die Götter ihnen befohlen hatten, den Menschen Nahrungsmittel zu bringen. Die Irokesen glaubten, dass es die Aufgabe der Grillen und Heuschrecken sei, die Sommerhitze herbeizurufen, damit der Mais in den Feldern ausreife. Ähnliche Zusammenhänge wurden von europäischen Bauern wahrgenommen: »Wenn im August die Zikade singt, reifen Hirse und Mais gut«, heißt es in Italien, und hierzulande sagt man: »Wenn die Grille im September singt, wird das Korn billig« (Hauser 1973: 407).
Einige Beispiele, die der Völkerkundler Sir James Frazer gesammelt hat, geben uns ein Bild von der ganz andersartigen Auffassung der Insektenwelt im vortechnischen Zeitalter. Die estländischen Bauern warnten ihre Kinder, keinen Kornkäfer zu töten, denn: »Je mehr wir ihm zuleide tun, um so mehr tut er uns zuleide!« Wenn es doch vorkam, dass ein Käfer getötet wurde, gab man ihm einen schönen Namen, legte ihn unter ein Steinchen mit einem Getreidekorn. Siebenbürger-Sachsen stimmten die Blattfliegen freundlich, indem sie die Augen schlossen und dabei drei Hand voll Hafer in verschiedene Richtungen warfen. Um die Saat gegen sämtliche Schädlinge zu schützen, gingen sie über den Acker und taten so, als würden sie aussäen; dabei sprach man den Zauberspruch: »Ich säe für alles, was fliegt und kriecht, steht und geht, singt und springt. Im Namen des Vaters … usw.« Die Bauersfrauen lockten die Raupen aus den Gemüsegärten, indem sie nachts den Besen um den Garten zogen und sprachen: »Guten Abend, Mütterchen Raupe! Du musst mit deinem Mann in die Kirche gehen!« Das Gartentor wurde dann offen gelassen.47
Im europäischen Mittelalter wurde widerspenstigen Insekten mit Gebeten und der Macht der Heiligen begegnet. Wenn sie dennoch zum Problem wurden, konnte man sie vor Gericht stellen. Es gab bei den Burgundern juristische Vorschriften, wie man ein Verfahren gegen Grashüpfer einzuleiten hatte. Das Gericht musste schriftlich einberufen werden, ein Richter bestimmt und Anwälte zur Anklage und zur Verteidigung ernannt werden. Der Ankläger würde den Prozess gegen die Heuschrecken vortragen, den Schuldspruch verkünden und Verbrennung auf dem Scheiterhaufen verlangen. Die Verteidigung konnte demgegenüber erwidern, dass ein Schuldspruch gesetzeswidrig sei, weil man das Insekt vorher nicht juristisch aufgefordert hatte, innerhalb einer gewissen Frist das Land zu verlassen. Falls die Heuschrecke sich nach Ablauf der Frist noch innerhalb der Landesgrenzen befinde, solle das Tier exkommuniziert werden. Einige Juristen haben angeblich auch für den Fall einer Ausweisung den Einwand einer Verletzung der Rechte der Vögel erhoben, denen die Grashüpfer als Nahrung dienen. Auf diese Art und Weise wurden 1479 in Bern die Raupen vom Erzbischof exkommuniziert und verbannt, und 1493 wurden die Maikäfer wegen ihrer Gefräßigkeit aus Lausanne verbannt (Dethier 1976: 105).
Diese Beispiele können uns recht naiv vorkommen, aber wenn man den mittelalterlichen Realismus48 kennt, dann weiß man, dass der übersinnliche Gruppengeist der Tierart vor Gericht gestellt wurde und nicht die einzelnen kleinen Insekten. Unsere Überlegungen zur Wirklichkeit dieser Gruppenseelen lassen da eine wirksamere und tiefere Einsicht vermuten, als es bei unserem heutigen Vergiften der Umwelt der Fall ist.
Kinderreime und Bauernregeln zeugen davon, dass man die Insekten oft gar nicht in einem negativen Sinn betrachtete. Zum Teil galten die Insekten auch als heilig. Den Ägyptern galt der Skarabäus, der Pillendreher, der eine Dungkugel vor sich herschiebt, als Repräsentant des Sonnengottes auf Erden. Die Hornisse gehörte dem Kriegsgott, ebenso die aufdringliche Fliege, deren Bild auf einem Zauberamulett dem Krieger den rechten Draufgängergeist verlieh. Zur Jahreszeit der sieben blühenden Gräser fangen die Japaner Grillen und andere Insekten und sperren sie in kleine Käfige. Zum Höhepunkt dieses Herbstfestes, wenn alle Laternen leuchten, werden die kleinen Gefangenen befreit, und man lauscht entzückt ihrem zirpenden Gesang. In Indien füttert man an jedem Feiertag die Hausameisen mit Reismehl, es könnten ja die Seelen verstorbener Ahnen sein.
Die erste Saat, die die Mormonensiedler in der Wüste von Utah im Jahre 1847 ausgesät hatten, reifte gerade, als sie von einer fast biblischen Heuschreckenplage befallen wurde. Während die Sekte eifrig Jehova anflehte, tanzten und trommelten die Schoschonen-Indianer ihren Dank an den großen Geist, der ihnen so reichlich die knusprige Nahrung geschickt hatte. Ein Denkmal in Salt Lake City erinnert jedoch daran, dass der Gott der Mormonen die Oberhand behielt, denn eine Schar Möwen kam unverhofft und rettete die »Heiligen der Letzten Tage« vor der Not.
Insekten können als Vorboten und Zeichen erscheinen. So sind die großen Totenkopfschwärmer (Acherontia atropos), wenn sie nachts vor den Fensterscheiben flattern, Künder eines bevorstehenden Todes. Ameisen sind das Symbol des Fleißes, Bienen der selbstlosen Hingabe und als solche das Sinnbild der Rosenkreuzer. Der Marienkäfer wird überall als himmlisches Tier verehrt, worauf schon seine Namen deuten: vaches à Dieu, bête de la vierge, lady bug, Mary’s chafer, vaca de San Anton, Herrgottskäfer, Himmelgueggerli usw.
Für die darwinistische Naturwissenschaft ist es eindeutig: Insekten sind ebenso wie der Mensch Parasiten der Vegetation und stehen mit ihm im Konkurrenzkampf. Ein anderes Bild ergibt sich jedoch, wenn wir den Platz der Insekten im Naturkreislauf betrachten. Da sehen wir, dass die Gliederfüßler in die Abbauphase des großen Lebenskreislaufs gehören. Deutlich wird dies etwa, wenn Aaskäfer und Maden tote Gewebe fressen oder Ameisen Knochen blank putzen. Überall, wo die Form und Gestalt gebenden ätherischen Lebenskräfte den Körper verlassen haben, stellen diese Tiere sich ein. Die Maden der Schmeißfliege fressen sogar bei noch lebenden Säugern die gangränösen Geschwüre und bewirken durch ihre allantoinhaltigen Ausscheidungen eine Beschleunigung der Wundheilung. Die abbauende, abtragende Funktion der Insekten in ätherisch geschwächten Lebensbereichen offenbart sich darin, dass Drahtwürmer (Agriotes) in großen Massen in frisch umgebrochenem – chaotisiertem – Grasland auftreten. Sogar die Bienen und bunten Schmetterlinge erscheinen in dem Bereich, wo die Pflanze ihre Vitalität einbüßt, wo sie verblüht, verduftet und versamt. Ohne die Heerscharen der Insekten, die sterbende Pflanzen, Kadaver und Streu angreifen, um sie dann den Bakterien und Pilzen zu überlassen, könnte das Leben gar nicht weitergehen.
Wenn im Feld oder im Garten der Insektenbefall besonders schädigend ist, hat man es sowieso mit schwachen Pflanzen zu tun, die wenig ätherische Reserven haben. Jeder Gärtner wird schon beobachtet haben, dass es gerade die schwächlichsten, schlecht wachsenden Pflanzen sind, die angegriffen werden. Da möchte man meinen: »Was für blöde Viecher! Die schönen, saftigen Pflanzen lassen sie stehen; die mageren, kränklichen zerfressen sie!« Der Bauer beobachtet etwas ganz Ähnliches im Stall, wo Läuse, Zecken und Ungeziefer immer nur die schwächsten Kälber befallen. Mit sicherem Instinkt und Hartnäckigkeit stürzen sie sich auf alles, was lebensunfähig ist. Schlecht gedüngte Gemüse am Beetrand, von triebigem Dünger aufgedunsene Blätter, Pflanzen, die durch künstliche Beregnung einen täglichen Kälteschock erleiden oder anderswie unsachgemäß behandelt werden, sind die Opfer. Wir sehen, dass das Insekt nie die Ursache des Gartenunglücks ist, sondern der Vollstrecker.
Die Hauptaufgabe des Gärtners ist es zu sehen, dass die vitale Lebenskraft ungehindert durch die Pflanze strömen kann, dass sie sich im Wachstum zügig und ohne Stockung von der Keimung über das Blattstadium bis hin zur Blüte und Frucht entwickeln kann.
Das Insekt als Doppelgänger der Pflanze
Wenn man die Entwicklungsmetamorphosen eines Insekts und einer Pflanze nebeneinander stellt, den Kohlweißling neben den Kreuzblütler, dann sieht man, dass das Insekt ein regelrechter Doppelgänger der Pflanze ist. Auf die Eier und Samen folgt das vegetative, segmentierte Wachstum der Stengel und der Larve, dann kommen Knospe und Puppe und schließlich die erstaunliche Umwandlung zu Schmetterling beziehungsweise Blüte. Bis ins Detail sind sie einander so ähnlich, dass Rudolf Steiner sagen konnte: »Der Schmetterling ist eine fliegende Blume; die Blüte ist ein festgehaltener Falter.«
Das Insekt gehört zur Pflanze. Besonders deutlich ist das in den Fällen, in denen Insekt und Pflanze in enger Symbiose miteinander leben. Obwohl viele polyphage Insekten ein weites Spektrum von Gewächsen anknabbern, gibt es ebenso viele monophage, die ganz auf eine Art angewiesen sind. So findet man den gefürchteten Koloradokäfer immer auf Nachtschattengewächsen, den Distelfalter nur auf der Distel, den Wolfsmilchschwärmer nur auf den Wolfsmilchgewächsen, den Seidenspinner, der uns die Seide schenkt, immer auf Maulbeerbäumen. Die Emmentaler Bauern freuen sich, wenn im Hochsommer die Sauerampferkäfer die »Plaggen« von der Weide fressen, die anderen Kräuter aber stehen lassen. Der Apfelblütenstecher hilft seinem Wirt, indem er hier und da die Blüten ansticht und auf diese Weise die Äpfel vereinzelt, so dass sie sich besser entwickeln können. Die hübsche Raupe des Schwalbenschwanzes findet man nur auf Schirmblütlern wie Möhren oder Dill. Die Saugrüssel der Falter und die langen schmalen Blütentrichter bilden zusammen eine funktionelle Einheit, die die Bestäubung möglich machen.
Korrespondenz zwischen Pflanze und Insekt.
Nur ein lebensfremdes Denken kann sich einen insektenfreien Garten vorstellen oder verlangen, dass alle Insekten vernichtet werden sollen. Eine Vielfalt von verschiedenen Arten gehört in den ökologisch gesunden Garten. Wenn eine Art massenweise schädigend auftritt, ist das ein sicheres Zeichen, dass der Gärtner einen Fehler gemacht hat. Es gibt Untersuchungen, aus denen hervorgeht, dass die Ausscheidungen der Raupen ihren Futterpflanzen Wachstumsstimulatoren, Spurenelemente und Enzyme zukommen lassen. Auch wenn 20 bis 30 Prozent der Pflanze gefressen wird, kommt es schließlich oft doch nicht zu einer Ertragsminderung (Rodale 1974: 56). Von gesunden Pflanzen fressen die Larven hauptsächlich die älteren, beschatteten, vergilbten Blätter oder abgefallene Streu. Nur wenn der Boden nackt ist und die Pflanze zudem noch geschwächt, wird die ganze Pflanze angegriffen. Die gesunde Pflanze schützt ihre Haut mit Wachsen, Harzen, Gerüchen (Ester), Saponinen, Alkaloiden, Glykosiden, Säuren, Gerbstoffen und anderen Ausschwitzungen. Eine kränkelnde Pflanze kann nicht mehr genügend dieser Stoffe herstellen, sie sendet darüber hinaus auch pheromonale Botschaften an die Insekten, dass sie des Lebens überdrüssig ist.
Der Übergang von der ätherischen Welt der Pflanzen zu der astralen Welt der Tiere befindet sich dort, wo sich Blüte und Insekt, Wurm und Wurzel berühren. Der Wurm – Drahtwurm, Engerling usw. – nagt an alten Wurzeln, die ihre Funktion erfüllt haben; die Biene und der Falter suchen die Vegetation auf, wenn sich diese im Blühvorgang verausgabt, wenn sie ihre grüne Regenerationskraft der Blütenfarbe, dem Blütenstaub und dem Nektar opfert. Das Insekt ist, in seinem richtigen Verhältnis zur gesunden Pflanze, ein begrenzender Faktor, über den die Pflanze als ätherisches Wesen nicht hinauskann. Wird wegen Schlechtwetterperioden, Dürre oder Kälte die ätherische Kraft zu schwach, dann drückt die Astralität stark lastend auf das Ätherische. Im schlimmsten Fall kann es zu einer flächendeckenden Plage werden, von der ganze Felder und Wälder befallen werden. Manchmal sind es ungünstige Konstellationen, die die ätherischen Bildekräfte abebben lassen, wie bei Sonnenfleckenausbrüchen oder dem Brückner-Zyklus, der im Durchschnitt alle fünfunddreißig Jahre ein Wetterchaos mit milden Wintern und kühlen Sommern bringt (Huntington 1962: 461). Dieser Zyklus lässt sich mit den großen Auswanderungswellen nach Amerika, mit Fehlernten und der irischen Hungersnot in Korrelation bringen. Andererseits kann die Ätherkraft auch durch die direkten Aktivitäten der Menschen durch industrielle Luftverschmutzung, radioaktive Strahlungen, Treibhauseffekt und andere Störungen gemindert werden. Man kann in den Wäldern der USA vielerorts sehen, dass die Bäume von Spannern und Borkenkäfern getötet werden. Sieht man genauer hin, stellt man jedoch fest, dass der Befall erst dann kommt, wenn mit Planierraupen Straßen und Schneisen gehauen, gespritzt oder mit Motorsägen gewütet wurde. Auch beim europäischen Waldsterben ist der Borkenkäfer Symptom und nicht Ursache. Ähnlich im Garten: Die Lebenskraft wird gestärkt und der Insektenfraß vermindert, wenn man sich mit einer sanften Technologie begnügt.
Die Insekten durchwandern in ihrem Lebenslauf die vier Elemente. Die Eier – kleine Kügelchen mit saliner Lösung gefüllt –, die oft in den Boden gelegt werden, gehören eindeutig dem Erdelement. Die saftigen Larven, die oft ein wässriges Milieu vorziehen, gehören zum Wasserelement. Nach der Puppe, die in der Luft hängt, entwickelt sich das Erwachsenenstadium im Wärmeelement. Das erwachsene Insekt gehört dem Feuer an. Das zeigt sich schon in der Anziehungskraft, die Licht und Flamme auf diese Wesen ausübt; es zeigt sich im Leuchtvermögen einiger Leuchtkäfer und Glühwürmer und im Begattungsflug der Ameisen und Bienen im hellen, warmen Sonnenschein.
In der alchemistischen Elementenlehre hat das Wasserelement mit dem Sich-Manifestieren, dem In-Erscheinung-Treten, mit dem Mond und den untersonnigen Planeten zu tun, das Feuerelement dagegen mit dem Verschwinden, dem sulphurischen Vergehen, mit dem Saturn und den obersonnigen Planeten. Wir sehen, die gefräßigen Kerbtiere wirken als ein astrales Feuer auf die ätherische Welt der Vegetation. Genau so wie ein physisches Feuer Holz und brennbare Stoffe wegrafft, raffen diese Kinder Agnis die geschwächte und sterbende Vegetation hinweg. In der mineralischen Welt wird die Asche als Sal hinterlassen, in der ätherischen Pflanzenwelt sind es die Samenkörner.
In der Bilderwelt der Bauern und der alten Philosophen werden Insekten und Feuergeister miteinander in Beziehung gebracht. Die nordischen Skalden berichten, dass der Feuergott Loki sich gerne in eine Fliege verwandelte. In vielen Kulturen werden die Insekten als Verwandte jener Mächte angesehen, die den geordneten Kosmos wieder ins Chaos stürzen wollen. Das kommt in Goethes »Faust« zum Ausdruck, wenn Mephistopheles sich als Fliegengott vorstellt, Herr der Wanzen und Läuse, Sohn des Chaos – der Mutter Nacht –, der sich die Flamme vorbehält. Er ist des Menschen Doppelgänger, ebenso wie die Insekten Doppelgänger der Pflanzen sind. In einer norwegischen Legende entspringen alle Insekten den Körperschuppen des Feuer speienden Lindwurms, den der Ritter Georg erschlägt (Lindholm 1973: 24).
In Anbetracht dieser Assoziationen ist es kein Wunder, dass bei vielen Menschen die kribbeligen Tierchen Unbehagen hervorrufen, denn irgendwie spürt man, dass sie mit Vergehen, Auflösung und Tod zu tun haben. Sogar das Entschlüpfen des Falters aus dem Kokon wird als Bild des Sterbens genommen. Man ahnt daher einen irrationalen, unbewussten Aspekt in dem Krieg, der heutzutage gegen die Insektenwelt geführt wird.
Es schien die ideale Lösung, die Nebenprodukte der chemischen Kampfmittel, die für den Zweiten Weltkrieg bestimmt waren, an die Landwirtschaft weiterzuverkaufen und mit chlorierten Kohlenwasserstoffen und Organo-Phosphorverbindungen dem Ungeziefer ein für allemal den Garaus zu machen. Aber anstelle der Endlösung der Insektenfrage haben die Menschen ihre Lebenswelt vergiftet, haben Vögel, Säugetiere und sich selbst schwer geschädigt. Die Insekten konnten sich sehr schnell von den ersten Angriffen erholen und wurden giftresistent, manche sogar so sehr, dass sie von den Giften leben können. Ihre Feinde, die komplizierteren, sich langsamer vermehrenden Nützlinge, die Vögel, Igel und Kröten, wurden stark zurückgedrängt. Weil sie in der Nahrungskette höher stehen, speichern sie DDT in ihren Leibern, so dass bei einigen Raubvögeln das Überleben in Frage gestellt ist. Inzwischen sind andere, früher harmlose Insektenarten wie die Ohrenkneifer und einige Wanzen (Heteroptera) zu »Schädlingen« geworden. Etliche Insekten sind erst seit einigen hundert Jahren als Schädlinge bekannt. Dazu zählt man in den USA die Hessenfliege, den Baumwollbohrer, den Schwammspinner, den Armeekäfer und den Koloradokäfer, der erst 1850 als Schädling auftrat (Dethier 1976: 119). Neue Transportmittel, Monokulturen, die Austilgung natürlicher Feinde, das Anpflanzen von Kulturpflanzen außerhalb ihres normalen Lebensraums und die synergystischen Nebenwirkungen der Chemikalien sind dafür verantwortlich. Herbizide können einen starken Befall auslösen: Schon nach einer einzigen Behandlung mit 2,4 D steigert sich die Fruchtbarkeit der Weibchen der Maisbohrerlarven. NPK-Düngung führt zur »Zwangsosmose«, mindert den Kieselsäuregehalt der Pflanzenepidermis, schwächt die Widerstandsfähigkeit und bringt als Folge weiteren Insektenbefall (Rodale 1974: 22). Die Funktionäre des Agrobusiness geben das stillschweigend zu, wenn sie sagen, dass ihre Hochertragssorten nur unter massiver Anwendung von Pflanzenschutzgiften gedeihen. Ein gleichmäßiges, gesundes Wachstum setzt eine Harmonie zwischen Astralem (Stickstoff, Aminosäuren, Proteine) und Ätherischem (Zucker, Kohlenhydrate) voraus. Zu viel Stickstoff zieht Blattläuse und Milben an, ebenso wie zu wenig andere Vertilger auf den Plan ruft. Zu viel Phosphor zieht die Weißfliege und die Spinnenmilbe an. Die Profitspanne der Landwirtschaft wird schmaler, erstens wegen der steigenden Kosten der Agrarchemikalien und zweitens, weil unter heutigen Umständen die Insekten größere Schäden als zuvor anrichten können (Dethier 1976: 119).
Es kommt einem ein billiger amerikanischer Science-Fiction-Film aus den Fünfzigerjahren in den Sinn, in dem Ufos an der US-Küste landen. Die Air Force donnert mit ihren Bombern los, aber mit jedem Angriff werden die aus den Ufos schwärmenden Invasoren größer. Schließlich will man Kernwaffen gegen die Roboter einsetzen, doch zum Glück entdeckt ein sanftmütiger Wissenschaftler, dass es sich um inverse Energie handelt. Gerade noch zur rechten Zeit überwindet man die Eindringlinge, nicht mit Gewalt, sondern mit Blumen und Gesang.
Ein Grundgedanke der biologisch-hermetischen Landwirtschaft ist es, keine Kräfte und Energien im Kampf gegen das vermeintlich Negative zu vergeuden, sondern sie zu verwenden, um das Positive zu fördern. Also keine Gifte mischen und versprühen, sondern kompostieren, Vögel und Lurche hegen und pflegen sowie Pflanzengemeinschaften und Fruchtfolgen nach den Mondrhythmen anbauen. Man wird lernen, sich über die Geschicklichkeit der Raupe und den metallischen Glanz des Käfers zu freuen. Ahimsa!
Die Gruppenseele des Gliederfüßlers
Die reduktionistische Wissenschaft kann die Insekten unmöglich richtig erfassen; es fehlt ihr die richtige innere »Idee«, wie Goethe es sagen würde. Trotz Großoffensive mit DDT, Arsen und ausgeklügelten Methoden ist es noch nicht gelungen, auch nur eine einzige Kerbtierart zu eliminieren. Das zeugt von einer großen Lebensintelligenz und einer unübertrefflichen Anpassungsfähigkeit der Insekten. Die Schaben haben ihr Verhalten in Millionen von Jahrhunderten, seit der Steinkohlenzeit, nicht verändert. Andere Insekten hingegen, wie der Apothekenkäfer, haben sich innerhalb von Jahrzehnten umgestellt, so dass sie nun jahrelang zufrieden in einer verkorkten Flasche mit Arsen oder einem anderen Gift leben können.
Schon mancher Gärtner sah verblüfft, wie Blattläuse über Nacht ein ganzes Kohlbeet befallen können. Wo kommen sie so plötzlich her? Durch Jungferngeburt (Parthenogenese) werden zahlreiche Jungläuse lebend hervorgebracht, die ihrerseits schon bei Geburt mehrere hundert reifende Embryos in sich tragen. Entwicklungsstufen werden da völlig übersprungen. Erst im Herbst werden männliche Blattläuse erzeugt und Eier gelegt, die dann überwintern.
Wenn man die vollkommene Architektur der Bienenwabe, das Nest der Papierwespe, die luftgekühlten Termitenbauten in Afrika oder die unglaubliche Tarnung mancher Insekten bedenkt, dann muss man doch eine hohe Weisheit annehmen, die sich hier äußert. Die Schlupfwespen- und Raupenfliegenlarven fressen ihre Wirtraupen von innen heraus so auf, dass die Hauptorgane des Opfers zu allerletzt gefressen werden und die Raupe nur noch ein Hautbalg ist. Wer hat diesen Räubern gesagt, dass sie nicht gleich am Anfang die Organe anfressen sollen? Was für eine Intelligenz manifestiert sich in den sozialen Insekten, deren Staaten gesellschaftliche Differenzierungen in Krieger, Arbeiter, Pfleger, Funktionäre und mitunter sogar Sklaven aufweisen? Es liegt der Gedanke nahe, dass übersinnliche Gruppengeister in der Führung der einzelnen Insektenarten wirksam sind, denn aus einer mikroskopischen oder chemischen Analyse der einzelnen Käfer kann man ihr Verhalten nicht erklären. Der Gruppengeist organisiert die einzelnen Insekten ungefähr so, wie unsere höheren Wesensglieder in unseren Leibern die Zellen sinnvoll zusammenfügen. Dem Bienenschwarm oder der Ameisenkolonie kann man eher eine »Individualität« zugestehen als dem einzelnen Insekt. Das sieht man, wenn eine Ameise von ihrem Haufen entfernt wird; sie irrt ziellos umher, bis sie schließlich stirbt.
Insekten sind noch ganz makrokosmische Wesen – sie haben sich nicht in einem festen Leib mit zentralisierten Organen zusammengefügt. Ihre Astralität sitzt nicht tief in ihrer Körperorganisation. Sie sind lediglich eine Stufe über den Blütenpflanzen in der Scala naturae. Das bedeutet, dass ihr »Ich« und ihre Seele noch teilweise im übersinnlichen, weiten makrokosmischen Naturgeschehen zu suchen ist.
Wie viele Insektenarten gibt es? Man schätzt mehrere hunderttausend Arten. Von diesen werden 90 Prozent als Nützlinge eingestuft, und von den restlichen 10 Prozent gelten nur ganz wenige als ausgesprochenes Ungeziefer. Zu diesem Ungeziefer werden auch solche gezählt, die an und für sich keinen Schaden anrichten, aber das Aussehen der Früchte vermindern und daher den finanziellen Erlös senken können.
85 Prozent unserer Kulturpflanzen sind auf Blütenbestäubung durch Insekten angewiesen. Alle unsere Früchte, viele Gemüse – Melonen, Kürbis, Aubergine (Eierfrucht), Paprika, Karotten (Möhren), Hülsenfrüchte – und der Klee, der zur Haustierfütterung so wichtig ist, werden von Insekten befruchtet. Bei schmalen Blütenkelchen ist die Bestäubung nur durch die langrüssligen Schmetterlinge möglich. Die Rosazeen bevorzugen Bienen, die Schmetterlingsblütler brauchen Bienen und Hummeln, und die Nachtkerze ist auf Motten angewiesen. Von der Insektenwelt bekommen wir Honig, Wachs, Seide, Lack, verschiedene Farbstoffe und Arzneien. Wie viele Kilometer fliegt eine Biene und wie viele Blütenkelche muss sie besuchen, damit wir einen Löffel Honig in unseren Pfefferminztee rühren können?
Viele Insektenarten sowie Spinnen und andere Gliederfüßler sind eifrige Schädlingsjäger, die eine Ungezieferausbreitung eindämmen können. Entomophage (Insekten fressende) Insekten, die wir auf alle Fälle kennen und schützen sollten, sind reichlich im Garten vertreten. Darunter findet man die Libellen, die Mücken und Bremsen aus der Luft greifen, Marienkäfer, die blutrünstig den Blattläusen nachgehen, Wespen (Vespidae und Specidae), die sich über Raupen und Heuschrecken hermachen, die Ameisenjungfer, deren Larve als Ameisenlöwe bekannt ist, die grünlich schillernde Florfliege (Chrysopa vulgaris), die Blattläuse vertilgt, die ebenfalls blattlaussaugende Schwebefliege, den Laufkäfer und etliche Raubwanzen (Heteroptera) und Laufkäfer (Coleoptera). Ohrwürmer (Dermaptera) sind keine Schädlinge, sondern nachtaktive Jäger, die sich an Blattläusen laben. Ihre gefährlich aussehenden Zangen, umgestaltete Schwanzborsten, dienen dem Ergreifen kleiner Gliederfüßler. Es gibt keinen Grund, die Ameisen zu vertreiben, sie sind die Gesundheitspolizei des Gartens und dienen als Vogelfutter.
Mist- und Dungkäfer, die Aas und faulende Stoffe beseitigen, Ameisen, Termiten und Käfer, die altes Holz zu Mulm verwandeln, und die im Boden lebenden Insekten, die zusammen mit den Regenwürmern den Boden mischen, düngen und durchlüften, tragen alle zur Gesundheit einer Landschaft bei. Weitere Arten halten trotzige Unkräuter zurück, wie der Sauerampferkäfer (Gastroidea viridula), der den großblättrigen Ampfer wegputzt; in Oregon wurde der Blattkäfer (Chrysomelia varians) eingesetzt, um das üppig wuchernde Johanniskraut, welches die Weiden für das Vieh verdarb, auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Insekten sind die Nahrung der Fische, Frösche, Eidechsen, Maulwürfe, Vögel, Spitzmäuse und Igel, deren Anmutigkeit unsere Sinne erfreut. Auch der ästhetische Wert der bunten Schmetterlings- und Falterwelt, der glänzenden Käfer sowie das freundliche Zirpen der Grillen und Zykaden darf nicht vergessen werden. Gute Elementarwesen, die Sylphen und Salamander, werden von solchen lieblichen Wesen in den Garten gelockt. Wenn wir auch nicht direkt hellsichtig sind, nehmen wir diese Elementarwesen doch mit unserem Gemüt an der guten Stimmung, die sie bereiten, wahr. Aus all diesen Gründen ist ein Drauflosspritzen, wenn man einige Käfer im Garten findet, auch mit harmlosen, biologisch zersetzbaren Giften, nicht angebracht.
Der echt biologisch-hermetische Gärtner kümmert sich wenig um Schädlingsprobleme, denn er weiß, dass ein gesunder Garten Käfer, Falter und Raupen haben muss. Nicht eine Art massenweise, aber eine Vielfalt von mindestens tausend Arten soll vertreten sein.
Am wenigsten Ungeziefersorgen hat man, wenn man darauf achtet, dass sich die Kulturpflanzen zügig, ohne Unterbrechung, vom Samen bis zur Ernte hin entwickeln können. Das bedeutet, dass man die Bodenansprüche der Sorten beachtet, dass man sie nie austrocknen lässt, ihnen aber auch nicht mitten in der Tageshitze eine kalte Dusche gibt. Es bedeutet, dass man die Setzlinge abhärtet und zur rechten Jahreszeit pflanzt, dass man die Samen zur richtigen Mondkonstellation sät, damit die kosmischen Energien mit der Pflanze, nicht gegen sie arbeiten. Mit reifem Humuskompost hat man die Versicherung, dass die Pflanze Wasser und Nährstoffe in angemessenen Mengen zur Verfügung hat, damit der Strom der ätherischen Kräfte beständig in Richtung des Aufbaus und nicht des Abbaus fließt. Die Anwendung von Kräuterpräparaten hilft, die Harmonie zwischen dem astralen und dem ätherischen Bereich herzustellen.
Pflanzennachbarschaften sind bei der Schädlingskontrolle wesentlich. Aromatische Kräuter und Blumendüfte vertreiben einige Schädlinge, oder sie maskieren den Geruch der Kulturpflanzen. Blumennektar ernährt die Jäger, wenn die süß-saftigen, zarthäutigen Blattläuse und Larven nicht gerade in Mengen vorhanden sind. Blumen locken Bienen, deren positiv wirkende Astralität die Träger minder gutartiger Astralität verdrängt. Imker haben schon öfter bemerkt, dass in Gärten, in denen Bienenkörbe stehen, weniger häufig Schädlinge auftreten.
Knoblauch ist im Allgemeinen ein guter Schutz gegen Schadinsekten, besonders gegen die Rosenblattlaus. Buschbohnenreihen zwischen den Kartoffeln vermindern sowohl den Befall durch Koloradokäfer als auch durch Bohnenungeziefer. Möhren, Pastinake, Wurzelpetersilie oder Sellerie mit Lauch oder Zwiebeln zusammengepflanzt sagen weder der Möhrenfliege noch der Zwiebelfliege zu. Der Kohlweißling und andere Schädlinge der Kreuzblütler werden von Hanf und einer Randpflanzung mit Minze, Salbei und Thymian ferngehalten. Fadenwürmer (Nematoden) mögen die Wurzelausscheidungen der Samtblume (Tagetes) nicht leiden; diese eignet sich daher als Nachbarin der Roten Bete (Rande) und anderer Wurzelgemüse. Bohnenkraut unterstützt die Abwehrkraft der Bohnen ebenso, wie Basilikum die Tomaten unterstützt (Hylten 1974: 254).
Man kann auch bestimmte Pflanzen als Fangpflanzen in die Beete setzen, um die Schädlinge zu ihr zu locken und von den anderen Pflanzen abzuhalten. Sojabohne und Ringelblume wirken so. Kapuzinerkresse zieht verschiedene Blattläuse an, Radieschen den Erdfloh, und Tomatillo (Lycium pallidum) lockt alle Schädlinge der Nachtschattengewächse zu sich (z. B. Koloradokäfer), die man dann leicht ablesen kann. Wühlmäuse sind zwar keine Insekten, können aber doch eine rechte Plage sein. Man entmutigt diese Nager etwas, wenn man hier und da Rizinus (Ricinus communis) und andere Wolfsmilchgewächse oder den Stechapfel in die Beete setzt.
Vögel, Kriechtiere und Säugetiere
Neben den Düften und Ausstrahlungen bestimmter Kräuter kann der Gärtner noch Vögel, Kriechtiere und Säugetiere zu Hilfe rufen. Er muss ihnen aber den geeigneten Lebensraum schaffen.
Der ökologische Lebensraum der Singvögel ist im Allgemeinen die Peripherie der Blütenpflanzen. Sie ernähren sich hauptsächlich von den fetthaltigen, hartschaligen Samen und den ebenso fetthaltigen, hartschaligen Insekten, die sich wie sie an der Pflanzenperipherie im Blüten- oder Wurzelbereich aufhalten. Es gibt daneben auch »Weichfresser«, wie Amseln, Rotkehlchen und Zaunkönige, die sich über Larven und Raupen hermachen. Manche Vögel, wie die Tauben, sieht man weniger gern im Garten, da sie keine Insekten, aber dafür nur Samenkörner fressen. Andere wiederum, wie die Schwalben und die kleinen Buntspechte, fressen nur Insekten. Die meisten Vogelarten genießen beides: Sie fressen im Sommer hauptsächlich Kerbtiere und wechseln im Winter zu Samen und Körnerkost.
Um das bunte, fröhliche Federvolk in den Garten zu locken, sollten wir eine Vogeltränke einrichten, Nistkästen an geschützten Stellen aufhängen, im Winter einen vor Schnee und Wind geschützten Futterplatz einrichten und nicht zu viele Katzen halten. Ölhaltige Hanfsamen, Sonnenblumenkerne sowie getrocknete Beeren von Holunder, Eberesche und Wacholder eignen sich zur Winterfütterung. Für Meisen und kleine Buntspechte kann man Rindertalg und ungesalzene Speckschwarten aufhängen. Wenn die Beete gemulcht sind, können die Amseln in der Bodenstreu scharren und sich Käfer und Insekteneier herauspicken.
Blühende, fruchtende Hecken, die vor kalten, austrocknenden Winden schützen und sich als Bienenweiden eignen, sind ideale Aufenthaltsorte für Vögel und anderes Kleingetier. Schlehe, Traubenkirsche, Vogelbeere, Felsenbirne, Maulbeere, Sanddorn, Weißdorn und Heckenrose geben alle dem Menschen Säfte, Gelees oder Konfitüre und dem Vogelgeschlecht Futter. Haselnüsse, Brombeeren und Holunder können in die Hecken einbezogen werden. Solch eine Fruchthecke gibt den Vögeln auch eine Alternative zu Kirschen und Beerenobst. Jede Hecke und jede wilde Ecke im Garten bietet auch den Insekten fressenden Kröten, Blindschleichen, Eidechsen, Igeln und Spitzmäusen eine Heimat. Auch Wiesel, die den Wühlmäusen nachgehen, können sich dort ansiedeln.
Kröten, die eine feuchte Umgebung brauchen, verbuddeln sich gerne tagsüber im Komposthaufen. Eine erschrockene Dame aus einem amerikanischen Gartenklub lud mich einmal ein, die Losung eines »furchtbar großen Tieres, das sich nachts im Garten aufhält«, zu identifizieren. Es handelte sich um fingerdicken Kot, der fast gänzlich aus Chitinpanzern bestand – die Ausscheidung einer Gartenkröte! Sie beruhigte sich wieder, als ich ihr klar machte, wie viele schädliche Insekten da jede Nacht gefressen werden. Übrigens, wenn man sich Kröten anschafft, muss man sie eine Woche lang im Käfig halten, ehe man sie freilässt, denn sonst hüpfen sie schleunigst wieder in die Richtung ihres alten Reviers.
Wenn ein Garten groß genug ist, sollte er auch einen Teich haben, wo sich die Kröten und Frösche vermehren, wo Enten schwimmen können und Libellen, die eifrige Insektenjäger sind, ihr Larvenstadium durchmachen. In Manfred Stauffers Garten in Dornach (Schweiz) durchsuchen Indische Laufenten den Garten nach Nacktschnecken. Die grauen, weiß getupften Perlhühner lassen sich ebenfalls gut im Garten halten, wo sie Insekten und Insekteneier vertilgen. Bei Laufenten und Perlhühnern muss man Jungsaat und zarte Salate mit verstellbaren Hühnerzäunen schützen.
Wenn man alle diese Gehilfen zur Seite hat und hier und da durch »Einsammeln« nachhilft, sollte sich nie ein Schädlingsproblem stellen. Falls es doch einmal auftritt, sollte man mit Hilfe des Gartentagebuchs genau die vorhergehende Düngung und Fruchtfolge, das Wetter, die Konstellationen zur Zeit des Befalls und andere Daten überprüfen, um ein ganzheitliches Bild zu bekommen.
Es gibt Hobbygärtner, die Ohrenwürmer, Regenwürmer und Asseln als Schädlinge bekämpfen, weil sie diese Tiere in den Löchern von Kohlköpfen und Tomaten entdeckt haben. Bei genauer Beobachtung hätten sie gemerkt, dass diese Krabbler nur in schon vorhandene, von den Nacktschnecken gefressene Löcher hineingekrochen sind, um sich vom Schneckenkot zu ernähren. Man muss die ökologischen Zusammenhänge eben genau erkennen, ehe man eingreift.
Biologische Gifte und Präparate
Wenn man aufgrund der kosmischen, klimatischen und ökologischen Bedingungen doch einmal einen Schädlingsbefall hat, kann man den abnehmenden Lebenskräften der Pflanzen eine Stütze geben. Kompostwasser, in Regenwasser aufgelöste Kuhfladen sowie verjauchte Brennnesseln und Beinwell (Comfrey) stärken geschwächte Pflanzen ebenso wie heiße Hühnerbrühe den kranken Menschen. Bei Blattlausbefall verändert ein Brennnesseltee die Säftezusammensetzung der befallenen Pflanzen, so dass diese den Blattläusen weniger gut schmecken. Ein Kapuzinerkresseextrakt vertreibt Blutläuse (Pfeiffer 1977: 153). Zerstampfte Tomatensprossen, die einige Stunden in Wasser gezogen haben, können auf Kohlweißlinge und Erdflöhe abschreckend wirken. Ebenso vertreibt ein Wermuttee (Artemisia absinthium) und eine Mulchdecke aus Holunderblättern die Erdflöhe. Ein Zwiebelschalenauszug wirkt gegen die Möhrenfliege.
Nur zuallerletzt und nur im Notfall greift man zum Gift. Insektengifte braucht man nicht zu kaufen, man kann sie im eigenen Blumengarten züchten. Rainfarn (Tanacetum vulgare), Mutterkraut (Chrysanthemum parthenium), Studenten- oder Samtblume (Tagetes), Astern, Margeriten, Petunien, Ziertabak (Nicotiana), Schmuckkörbchen (Cosmea), Kapuzinerkresse (Tropaeolum) und Mädchenauge (Coeropsis) eignen sich alle als natürliche Insektizide. Man sammelt die Blüten und Blätter, trocknet sie, brüht sie auf und sprüht den Aufguss auf die befallenen Pflanzen. Damit das Gift besser haftet, kann man etwas Schmierseife (2%) mit ins Gebräu mischen. Man kann auch eine Mischung dieser Blumen zerreiben und als Pulver auf die betroffenen Stellen stäuben. Ein potentes Rezept besteht aus zerstampftem und überbrühtem Wermut, Koriander, Chilipfeffer und Knoblauch. Man sollte damit jedoch höchst vorsichtig sein, denn auch biologische Gifte können sich in der Gartenökologie verheerend auswirken. Ähnlich wie die Anwendung von Pyrrhetrum, Derris, Tabak oder Quassia töten diese »biologischen« Gifte nicht nur Insekten, sondern auch die Blindschleichen, Kröten und andere Kaltblütler.
Es ist eine alte alchemistisch-magische Praxis, durch Feuer Unerwünschtes zum Verschwinden zu bringen, genau wie man umgekehrt durch Wasser neue Erscheinungen hervorruft. Hexenverbrennungen, Scheiterhaufen für Ketzer, das Surturfeuer am Ende der Welt und das Höllenfeuer gehören alle zu dieser Vorstellung. Es gibt Biodynamiker, die, einem Hinweis ihres Großmeisters folgend, einen »Pfeffer« aus verbrannten Insekten herstellen, der in feiner Dosierung angewendet nach vierjähriger Anwendung die Schädlinge vom Acker fernhalten soll. Die Insektenleiber werden verascht, wenn die Sonne sich im Zeichen von Wassermann, Fischen, Widder, Zwillingen, Stier oder Krebs befindet, denn aus diesen Regionen strömen die Kräfte der Insektenwelt (Steiner 1975: 160). In einem ökologisch geführten Garten brauchen die sechsbeinigen Plagegeister jedoch kein Problem zu werden, und man kann auf diese Praktiken verzichten.
Es braucht nicht weiter erläutert zu werden, dass die mikrobiologische Bekämpfung durch Viren und künstlich gezüchtete Bakterien (z.B. Bacillus thuringiensis), der Einsatz von biotopfremden Entomophagen (z. B. Gottesanbeterinnen), die Anwendung von Hormonstoffen, die die Metamorphose hemmen, Selbstvernichtung durch ausgesetzte sterilisierte Männchen und chemische Bekämpfungsmaßnahmen noch unerkannte ökologische Nebenwirkungen haben. Alle diese negativ ausgerichteten Maßnahmen grenzen an Schwarzmagie und werden wahrscheinlich schließlich den Zorn der Gruppengeister hervorrufen.
Folgenschwer und verwerflich ist auch das gentechnische Einschleusen von Insektiziden in das pflanzliche Erbgut. Das wurde besonders deutlich durch den transgenen Mais, dem ein Gen des Bacillus thuringiensis eingebaut wurde. Auch harmlose Schmetterlingsraupen, wie die des schönen Monarchfalters, verenden, wenn sie den Pollen der so veränderten Maispflanzen fressen.
Pilzbefall (Mehltau, Rost, Brände, Schorf, Stengelfäule, Schimmel) und Viruskrankheiten (Kräuselkrankheiten, Nekrosen) sind das Symptom einer verminderten Lebenskraft, die oft von Schlechtwetterperioden abhängt. Feuchtes, kühles Wetter, das einer Trockenperiode folgt, fördert den Pilzbefall. Durch die Feuchtigkeit öffnen sich die Spaltöffnungen (Stomata) auf der Blattunterseite, da die trockenen Wurzeln aber kein Wasser nachliefern können, ist kein Innendruck vorhanden, und die Pilzsporen können in die Spaltöffnungen hineinwachsen. Auch Kunstdünger kann Pilzschäden nach sich ziehen. Die Düngersalze werden zwangsweise von den Pflanzen schnell aufgenommen und schwemmen die Zellen auf, so dass die Zellhaut zu schwach ist, um den eindringenden Myzelen zu widerstehen. Auch hier wirken die Kompostwirtschaft und sorgfältige Pflegemaßnahmen vorbeugend. Der Kompost unterstützt die Wurzelpilze, die – wie der Bodenbiologe Waksman nachweisen konnte – den Pflanzen Antibiotika vermitteln. Eine wesentliche Prophylaxe gegen Pilzerkrankungen besteht auch darin, die Setzlinge in der richtigen Entfernung voneinander in den Boden zu pflanzen, damit sie genügend Licht und Luft erhalten.
Im feuchten, kühlen Herbst, wenn der Mond einen höheren Bogen am Himmel zu ziehen beginnt als die Sonne, fühlen sich die Pilzorganismen ermutigt, über die Bodenfläche zu steigen und ihre Sporen unter den Herbstgemüsen auszubreiten. Der Gärtner kann sie mit den Licht- und Wärmekräften der obersonnigen Planeten in der Form von kieselhaltigem Schachtelhalmtee oder notfalls mit einer zweiprozentigen Wasserglaslösung (Na2Si O3) vom Gemüse vertreiben. Die Lösung wird als feiner Nebel auf die Blätter gesprüht. Kamillentee, verdünnter Knoblauchextrakt und ein Tee aus Schnittlauch wirken ebenfalls hemmend auf die Pilzorganismen. Rainfarn und Adlerfarn – man nimmt eine Hand voll pro Liter Wasser und lässt es drei Tage ziehen – haben eine ähnliche Wirkung. Stengelfäule im Saatbeet wird durch Beimischung von Torfmull in die Saatbeeterde und Besprühung der Jungpflanzen mit Kamillen- und Schachtelhalmtee verhindert. Braunfäule bei Tomaten im Herbst begegnet man mit der Spritzung eines Baldrianpräparats, Schachtelhalmtees oder von Milch.
Die Schnecke und die Gartenökologie
Der wunderbare große Gemüsegarten von Aigues Vertes scheiterte zuletzt an den Schnecken. Über Jahre hinweg waren sie kein Problem gewesen. Durch fleißiges Einsammeln in den taufrischen Morgenstunden und durch die Pflege der Igel konnten die großen roten Wegschnecken (Arien rufus) und die kleineren grauen Ackerschnecken (Limax agrestis) leicht in Schach gehalten werden. Plötzlich aber vermehrten sich diese Nacktschnecken bedenklich und verwüsteten ganze Beete. Im Laufe von drei Jahren gab es eine richtige Bevölkerungsexplosion unter diesen Kriechtieren.49 Was war geschehen?
Mehrere Faktoren waren im Spiel. Erstens hatte man sich eine große Beregnungsanlage mit Anschluss an das Stadtwasser angeschafft. Die häufigere Bewässerung schuf ein ideales Mikroklima für diese Feuchtlufttiere. Außerdem waren die Pflanzen wahrscheinlich durch die übermäßige Beregnung geschwächt.
Zweitens hatten wir einen neuen Hilfsgärtner. Ein Kanadier, der sich nach Problemen mit der Mafia in die Fremdenlegion geflüchtet hatte, dann aber, als er merkte, dass das auch kein Zuckerschlecken ist, sich wieder abseilte und schwarz über die Schweizer Grenze gelangte. Wir nahmen ihn auf. Da er wenig anderes kannte als Morden, gaben wir ihm ein Messer, um die Schnecken abzustechen. Nun, das Schneckentöten ist ein großer Fehler. Man braucht nicht einmal an einen zürnenden Schneckengott zu glauben, um das einzusehen. Die Weichtiere haben ein wunderbares Riechvermögen. Sie können über viele hundert Meter Witterung aufnehmen und riechen, ob es etwas zu fressen gibt. Schnecken sind Kannibalen, sie fressen ihre toten Artgenossen, um sich die notwendigen Nährstoffe einzuverleiben. Zertretene oder liegen gelassene getötete Schnecken ziehen ihre Genossen scharenweise an. Dasselbe geschieht, wenn man die Schnecken sammelt, in einer Regenwassertonne verjaucht und sie als Düngung im Garten benützt. Das ist unsinnig, auch wenn neunmalkluge esoterische Gärtner behaupten: »Wenn der Garten Schnecken braucht, dann soll er sie eben in Form von Jauche haben.«
Eine dritte Ursache der Schneckenvermehrung hatte kulturelle und kulinarische Gründe. Ein französischer Hilfsgärtner war begeistert von den vielen Weinbergschnecken (Helixpomatia). Er sammelte sie eifrig und verwandelte sie mit Hilfe pikanter Saucen in aufregende Gaumenkitzel. Nun scheint es, dass die Weinbergschnecken nebst Blattwerk auch die Eier der roten und grauen Nacktschnecken fressen.
Viertens verschwanden zur selben Zeit die Igel; wahrscheinlich mochten sie die neue Motorhacke nicht.
In den Gartenbüchern liest man oft von »Bierfallen«. Mit Bier gefüllte Tassen, Joghurtbecher oder Blechbüchsen ziehen die Schnecken an wie die Theke den Säufer. Wenn man Glück hat, plumpsen sie in den Behälter und ertrinken. Schöne Theorie! Tatsächlich zieht das Bier die Schnecken an, auch solche, die weit weg vom Garten wohnen. Es ist nicht der Alkohol, der sie anzieht, sondern der Bierhefepilz. Pilzsporen besiedeln die Blätter jener Pflanzen, die geschwächt sind. Der Geruch von Hefen, Pilz- und Mehltaubefall ist ein Signal an die Schnecken, dass die Pflanzen lebensmüde sind und ihre ätherischen Kräfte verströmen. Die Bierfallen intensivieren das Problem, sie sind eine Leuchtreklame für die Zuwanderung von Schnecken.
Als der Gärtner schließlich zu Gift greifen musste, stand es schon sehr schlecht um diesen »biologischen« Garten! Was hätte man anders machen können? Man hätte vorsichtiger mit der Bewässerung sein müssen, hätte weniger, dafür aber gründlicher bewässern und die Bodenfeuchtigkeit mit einer Bodenbedeckung halten sollen. Der Garten war, wie es Arthur Hermes ausdrückte, viel zu »nackt«, viel zu sauber. Liegen gelassenes geschnittenes, moderndes Heu und einige hier und da absichtlich stehen gelassene Unkräuter hätten den Schnecken etwas anderes zu fressen gegeben als die armen Kulturpflanzen. Schneckenjagende Käfer (Cychrus caraboides) können sich unter einer Mulchdecke verstecken. Den Blindschleichen und Igeln, die viele dieser Weichtiere vertilgen, sollte man gute Lebensbedingungen schaffen. Im Winter hätte man die kleinen Buntspechte mit Talg füttern können. Laufenten hätten tagsüber durch den Garten watscheln sollen. Auch ein Teich, der Salamander und Kröten ermutigt, sich zu vermehren, hätte in den Garten gepasst. Die beste Art jedoch, um die Bösewichte zu fangen, ist, Bretter auf die Wege zu legen, unter denen sie sich tagsüber verstecken und von denen man sie leicht aufsammeln kann.
Ein vollkommen schneckenfreier Garten ist jedoch nicht erstrebenswert, denn diese Mollusken haben eine regulierende Wirkung auf den Kalkhaushalt, und ihr Kot begünstigt die Wasserfauna des Bodens (Palissa 1964: 156). Ich kannte sogar einen alten Gemüsegärtner namens Heinrich Thieß, der die schöne, gebänderte Hainschnecke (Cepaea hortensis) absichtlich in seinem Garten ansiedelte. Wenn Eltern mit ihren Kindern bei ihm Gemüse kauften, schenkte er den Kindern jeweils eine Schnecke.
Der alte Gärtner war auf der richtigen Spur. Meine Schneckenprobleme hörten endgültig auf, als ich mir eines Tages Zeit nahm, die Tierchen genau zu betrachten. Zwei Nacktschnecken feierten Hochzeit. Die weichen, geschmeidigen, überaus sensiblen, ineinander verschlungenen, zwittrigen Leiber drehten sich gemächlich, genüsslich im Kreis, wie das Yin-Yang der ostasiatischen Mystik. Der Anblick war so schön, so erotisch! Ich verschmolz in ihrer Seinssphäre, teilte sozusagen den »ätherisch-astralen Raum« mit ihnen und wurde gewahr, was für ein göttliches Wunder es ist, als weiche Schnecke in dieser harten Welt zu leben. Seit dem Moment, an dem ich diese Tiere liebend betrachten konnte, habe ich keinen Ärger mehr mit ihnen gehabt. Nur im Frühling sammle ich sie noch gelegentlich und trage sie an den Waldrand.
Es gibt zwei Möglichkeiten, mit Schädlingsproblemen fertig zu werden. Der eine Weg ist der analytische, experimentelle, der dann zu äußeren, mechanischen, manipulativen Eingriffen und Abwehrmassnahmen führt. Der andere ist ein meditativer, schamanischer Weg. Tiere, auch die so genannten Schädlinge, sind im Verständnis traditioneller Völker Verkörperungen von Wesenheiten, deren steuernder, voll bewusster Geist (Archetypus) sich auf einer transsinnlichen Ebene, in der »Anderswelt«, »bei den Göttern«, »hinter den sieben Bergen« befindet. Wenn es Schädlingsprobleme gibt, dann begeben sich die Schamanen der Pflanzervölker in den Trancezustand. Dann »fliegen« sie zu den Herren der Tiere, zu den Müttern und tragen ihnen ihr Anliegen vor. Auch alte Gärtner tun das auf ihre Art, indem sie sich – oft am Abend, nach getaner Arbeit – nachsinnend still ans Feuer oder auf die Gartenbank setzen.
In den letzten Jahren hatte ich zunehmenden Ärger mit den Wühl- oder Schermäusen. Ein Drittel der Kartoffeln hatten die rattenähnlichen Biester vernichtet, fast die Hälfte der Möhren, von den Pastinaken war überhaupt nichts übrig geblieben, Sellerieknollen und Zuckerhut waren von unten her ausgehöhlt. Gelegentlich sah man, wie ein Lauchstengel zitterte oder ein junger Obstbaum wackelte, wenn die Nager sich über die Wurzeln hermachten. Ich versuchte, ihnen mit sanften »biologischen« Mitteln Herr zu werden: Ich pflanzte die kreuzblättrige Wolfsmilch50 (Euphorbia lathyris) und Blausternknollen (Scilla), die unter Biogärtnern als sicheres Mittel zur Vertreibung der Wühlmäuse gelten, in die Beete. Es schien, als lachten sich die Nagetiere ins Fäustchen, sie umgingen einfach diese Pflanzen. Ich stopfte die stinkenden Blätter des Zwergholunders (Attich, Sambucus ebulus) in die Gänge, steckte leere Weinflaschen in den Boden, damit der Pfeifton, der entsteht, wenn der Wind über sie hinwegfegt, sie erschrecke. Alles umsonst! Also, dann eben auf die harte Tour: Drahtfallen, vergiftetes Johannisbrot als Köder und was sonst noch der Dorfladen anzubieten hatte. Als ich es zuletzt mit Giftgas versuchte und mir dabei die Lungen verätzte, kam mir der andere Weg in den Sinn: »Rede mit ihnen! Sei freundlich, verbinde dich mit dem Wühlmausgeist! Es hat ja auch mit den Schnecken genützt!«
Selbstverständlich ist das Reden mit den Gruppengeistern der Tiere nicht wie ein normales Cocktailparty-Gespräch. Es bedurfte einer schamanischen Seance, wie ich sie bei verschiedenen Naturvölkern erlebt hatte. Ich wartete auf eine Vollmondnacht, denn da reisen die »Geister« am besten, und lud den Digeridoo-Meister Hky Eichhorn ein, auf seinem Windhorn die Trance induzierenden Klänge hervorzuzaubern. Wir saßen beim offenen Feuer unter dem freien Himmel. In der tiefsten Nacht, gegen drei Uhr morgens, erschien tatsächlich das Gesicht einer Wühlmaus vor meinem geistigen Auge. »Könnten wir nicht friedlich miteinander leben?«, fragte ich freundlich den Nagergeist. »Ich lasse Euch einige Wurzeln stehen und werde euch auch nicht mehr vergiften, wenn ihr mir die Ernte schont!«
Die Wühlmaus verzog ihr Gesicht zu einer bösen Fratze und, ehe sie wieder verschwand, ließ sie mich wissen: »Über Jahrtausende habt ihr Menschen uns vergiftet und gehasst; wie kannst du glauben, ich lasse mich auf deinen schäbigen Handel ein!« Von der Ernte blieb entsprechend auch diesmal nicht viel übrig.
In nächsten Frühjahr stieß ich beim Umgraben auf ein gemütlich gepolstertes Wühlmausnest. Sechs winzige Mäuslein lagen darin. Sie sahen so niedlich aus, das sich ihnen mein Herz öffnete. Das war der entscheidende Moment. Wühlmäuse leben zwar noch in meinem Garten, aber seit ich ihnen mit ungeheuchelter Liebe begegnen konnte, machen sie keine Schwierigkeiten mehr. Die ganze Gartenatmosphäre ist eine andere geworden. Wieder einmal habe ich gelernt, dass das »Reden« mit den Tieren oder auch Pflanzen nicht aus schönen Worten besteht, dass es auch kein Handel sein kann. Es besteht darin, dass man auch in ihnen das Göttliche sehen kann. Liebe ist die einzige Brücke. Sagte doch der weise Paracelsus: »Nur was man liebt, versteht man wirklich.« Solange man etwas herausschlagen, einen Deal oder ein Geschäft machen will, solange noch das Ego im Spiel ist, funktioniert das »Reden« nicht.
45 Nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisation vergiften sich weltweit jedes Jahr rund eine Million Menschen an Pflanzenschutzgiften, 20 000 von ihnen sterben (Grimm 1999: 199).
46 Und dies, obwohl wissenschaftlich schon längt erkannt wurde, dass Pestizide auch für Menschen äußerst giftig sind: Sie schädigen das Immunsystem, stören die Fruchtbarkeit, greifen Organsysteme an und lösen vermutlich Krebserkrankungen aus (Greenpeace: http://www.greenpeace.de 13.02.01).
47 Die See-Dyak auf Sarawak fangen eine der Heuschrecken, die ihre Gärten plagen, setzen sie auf ein winziges Boot, das mit dem besten Futter versehen ist, und lassen es den Bach hinuntertreiben. Wenn das nichts nützt, modelliert man ein Krokodil, opfert ihm ein Huhn und Reiswein und stellt es mitten in den Garten, damit es die Heuschrecken vertreibe. Auf dem Balkan und im Nahen Osten werden Käfer oder Grashüpfer, wenn deren zu viele sind, mit einer regelrechten Trauerzeremonie begraben. Ein Mädchen, das zur Raupenmutter erkoren wurde, und alle Jungfrauen im Dorf klagen und beweinen die tote Larve. Die anderen Raupen verlassen daraufhin die Gärten (Frazer 1951: 614).
48 Der philosophische »Realismus« besagt, dass die geistigen Urbilder realer sind als die vielen daraus hervorgehenden Einzeldinge und Einzelwesen. Im Gegensatz dazu der »Nominalismus«, der die Urbilder als bloße verbale Konstruktionen gelten lässt.
49 Dass es zur Zeit der Schneckenplage im Dorf auch Probleme in den zwischenmenschlichen Beziehungen gab, ist sicherlich kein Zufall. In einem ganzheitlich vernetzten Universum spiegelt sich das, was die Menschen tun, denken und trachten, immer auf irgendeine Art und Weise in der Natur.
50 Die kreuzblättrige Wolfsmilch wird im Amerikanischen sogar »gopher plant« (Wühlmauspflanze) genannt.