DER IRDISCHE FAKTOR: DER BODEN

Das Schicksal das wir unserem Boden bereiten,
ist unser Schicksal
.

W. von Haller

Bis vor einiger Zeit sah die materialistische Wissenschaft im Erdboden nur einen Stoff, der den Pflanzen eine Stütze gibt und ihnen Mineralien für den Stoffwechsel liefert. Die Versuche mit bodenlosen Wasserkulturen (Hydroponik), wo man Pflanzen in reiner Nährlösung wachsen lässt, scheinen diese Auffassung zu bestätigen. Dass man das flüssige Medium dauernd erneuern und mit Sauerstoff durchspülen muss und dass die Pflanzen dazu neigen, die Nährstoffe in einseitiger Weise zu absorbieren, zu hypertrophieren und wenig keimfähiges Saatgut zu erzeugen, scheint darauf hinzudeuten, dass es mit dem Erdboden doch mehr auf sich hat, als man meint.

Zu einer Zeit, ehe man die Erde mit den Begriffen der chemischen Analyse und der mechanischen Gesetze anging, war der Boden buchstäblich heilig. Es ist die Mutter Erde, aus der alle Lebewesen geboren werden und in deren Schoß sie wieder zurückkehren. Diese Erdenmutter, ewig jungfräulich, ewig empfänglich und immer fruchtbar, wurde in vielen Formen und unter vielen Namen verehrt, als Prithivi der Inder, als Gaia bei den Griechen, Terra Mater bei den Römern, Dana bei den Kelten, Nerthus bei den Germanen und Siva bei den Slawen. Wir können es dem seit Urzeiten mit seiner Scholle verbundenen russischen Bauern nachempfinden, wenn er in einer Hymne der Altgläubigen (Starowerzen) von den drei Müttern singt (Fletcher 1968: 3):

»Unsere erste Mutter ist die Heilige Mutter Gottes,

Unsere zweite Mutter ist die feuchte Mutter Erde,

Unsere dritte Mutter, die uns in Schmerzen gebärt.«

Die Hymne erzählt weiter, dass der Erdenmutter die Last des boshaften Menschengeschlechts zu schwer wird, dass sie ihren Schoß öffnen und sie alle verschlingen möchte, worauf Christus ihr antwortet:

»O Mutter, feuchte Mutter Erde,

Von allen Kreaturen leidest Du am allermeisten.

Die Sünden der Menschheit haben Dich geschändet.

Habe doch ein wenig Geduld, bis ich komme!

Dann wirst Du, o Erde, frohlocken und springen,

Du wirst leuchten wie der weiße Schnee.

Ich werde Dich in den allerschönsten Garten verwandeln,

Wo die Paradiesblumen Dir blühen werden!

Ihr, meine auserwählten Seelen, freuet Euch.«

Bei ackerbauenden Völkern wird die Erde oft als Gemahlin des Himmels, des Vatergottes dargestellt, deren fruchtbringende Vereinigung in heiligen Zeremonien wie bei der Hierogamie auf dem mesopotamischen Zikkurat, den Sexualriten des Tantrismus, in der Tempelprostitution – wobei die heiligen Mägde die Göttin darstellen – oder in orgiastischen Riten zelebriert wird und ein menschliches Miterleben dieser unergründlichen Vorgänge darstellt. Bei den Alchemisten gilt die Erde als Ausdruck der amorphen Prima materia, als Chaos, das für die Eindrücke des makrokosmischen und mikrokosmischen Geistes empfänglich ist. Als Frucht dieser Zeugung entstehen die Geschöpfe, entsteht das Korn und der Saft der Rebe, die der Leib und das Blut des Herrn sind. In der Erde ruhen die Samen und die Leiber der Toten; die Ahnen sprechen aus ihr. Das Beackern der Scholle, die Agrikultur, wird sakraler Kultus, das Öffnen ihres Schoßes, heiliger Koitus.

Erde und Kosmos als Sol und Luna. Rosarium philosophorum, 1550.

Die Verbindung mit der Erde zu verlieren, bedeutet Unheil. Der auswandernde Bauer nimmt ein Brösel Heimaterde mit, damit das heilige Band bestehen bleibt.

Die Phänomenologie des Bodens

Der erste Schritt, um den Erdboden kennen zu lernen, ist, ihn genau anzusehen, zu beriechen und mit den Fingern zu zerkrümeln; erst dann gehen einem die tieferen metaphysischen Zusammenhänge auf. Wir wollen goetheanistisch vorgehen und nicht die Erscheinungen mit unseren Fantasien oder Theorien überrumpeln. Wie sieht die Scholle aus? Ist sie hell oder dunkel? Fühlt sie sich speckig, körnig oder krümelig an? Riecht sie frisch, erdig wie ein eben gepflügtes Feld oder riecht sie sauer oder moderig? Wie viele Regenwürmer sind da, und wie gedeihen die Wildkräuter darauf?

Nun müsste man mit dem Spaten einen Schacht ausheben, um zu sehen, wie das Bodenprofil, die Bodenwand aussieht, und zu erkennen, wie tief die durchwurzelte, belebte Humusschicht ist, was für Grundgestein da ist und wie die Bodenhorizonte dazwischen aussehen.

Bodenprofil.

Gleich unter der lockeren Bodenstreu findet man den dunkleren, durchwurzelten und stark belebten Teil des Bodens, den A-Horizont, die Lebenszone (Edaphon). Dann folgt im B-Horizont die heller gefärbte Verwitterungsschicht, die mit ausgespülten Mineralien, Silikaten, Ton und Eisen angereichert ist. Im C-Horizont stößt man schon auf den unbelebten Untergrund. Dieses Grundgestein trägt in Zusammenwirkung mit anderen Faktoren wie Klima, Temperatur, Regen und Hangneigung viel dazu bei, was für Eigenschaften der Boden haben wird. Sandstein und Granit geben in der Regel leichte, sandige Böden, die sich schnell erwärmen und schnell abkühlen, das Wasser schlecht halten und die alkalischen, wasserlöslichen Mineralien (Ca, K, Na, Mg) leicht auswaschen, während sich Silizium, Eisen und Aluminium anreichern, die den Boden leicht sauer werden lassen. Solche Böden leiten Licht-, Luft- und Wärmeäther gut in die Tiefe, was man an einer guten Möhren-, Rüben- und Spargelentwicklung ablesen kann. Auch Reben und duftende Kräuter machen sich auf solchen Böden gut, da sie ja auf die zwei oberen Ätherarten besonders angewiesen sind.

Mergel- und Kalkböden sind auch locker und leicht zu bearbeiten. Wie im Jura zu beobachten, ist bei ihnen Wasser ein Problem, aber die Fruchtbarkeit kann gut sein. Da sie alkalisch sind, gedeihen hier die Leguminosen gut. Extreme Humusböden wie Moose und Moorböden sind dagegen sauer, wasserreich und kalt. Tonige Böden sind schwer, nass und kalt, aber reich an Nährstoffen.

Das Bodenkreuz.

Wenn man das Bodenkreuz (siehe Illustration links) genauer betrachtet, ahnt man schon eine Beziehung zu den vier Elementen. Auch hier hat der Gärtner als Quintessenz die Mitte zu finden und durch die richtige Mischung den idealen Gartenboden herzustellen. Die Kunst des Gärtners kann schweren, kalten Tonboden durch Kalkgaben lockern und aufschließen und mit hitzigem Pferdemist mürber machen. Sandboden kann durch Beimischung von Tonstaub und Humus (Torf, Kompost) solider gemacht werden. Der trockene Kreideboden kann mit Humus und Wasser belebt werden.

Der Gärtner bemüht sich, einen lockeren, »daunigen«, porösen Boden herzustellen, der eine gute Bodenstruktur (Bodengefüge, Gare) aufweist. Die Bodenstruktur ist etwas anderes als die Körnung (Textur), die sich auf die Größe der einzelnen Mineralkörner, die sich vom Ton über Schluff, Sand und Kies bis zu den Steinen erstreckt, bezieht. Struktur hat vielmehr mit der Zusammenballung, dem Zusammenhaften der Bodenbestandteile zu tun. Ein Boden hat eine gute Struktur, wenn man eine Hand voll Erde zu einem Ball formen kann, der durch ein leichtes Anklopfen mit dem Finger wieder auseinander krümelt. Sand und Tonerde haben keine gute Struktur: Sand lässt sich nicht zusammenkneten; Ton krümelt nicht auseinander. Die lockere, krümelige Struktur wird durch die klebrigen Ausscheidungen der Mikroorganismen, der Bakterien, Bodentierchen und Pilzfäden verursacht. Wenn sich diese organischen Kolloide (griech. kolla = Leim) mit den anorganischen Ton-Silikat-Kolloiden verbinden, dann hat man die erwünschte Materia ultima des Bodens, den Ton-Humus-Komplex. Eine bessere, lockerere, ätherdurchtränktere Erde kann man sich nicht vorstellen. Wie wir noch sehen werden, kann eine solche Ton-Humus-Erde achtmal so viel Wasser halten wie gleich viel Sand, die Auswaschung der wichtigsten Nährstoffe (Ca, Mg, K, NH3 usw.) unterbinden und durch ihr Puffervermögen eine einseitige Verschiebung in den sauren oder alkalischen Bereich verhindern. Das Gegenteil einer solchen Gare ist der tote, mineralisierte Boden, der durch Kunstdüngergaben versalzen und durch schwere Landmaschinen verdichtet wurde.

Bodenreaktion und Anzeigerpflanzen

Die Bodenreaktion, ob der Boden basisch (alkalisch), sauer (azidisch) oder neutral ist, wird von der Bodenkunde nach der Zahl der vorhandenen freien Wasserstoffionen in der Bodenlösung, dem so genannten pH-Wert, gemessen. Die Skala verläuft vom azidischen Pol (1) bis zum alkalischen Pol (14), wobei 7 neutral ist.

Die sauersten Böden liegen um pH 4. Das entspricht dem Säuregrad von Tomatensaft, Bier oder Grassilage und ist nur bei Sand- und Moorböden des regenreichen Nordens zu finden, wo die Alkalien (Kalk und Pottasche) ausgewaschen werden. Die extrem basischen Böden in trockenen Wüstengebieten, wo die Verdunstung die Salze und den Kalk an die Oberfläche bringt, haben bis zu pH 8, was Meerwasser oder Eiweiß entspricht. Die Gartenpflanzen fühlen sich erst im neutralen Bereich zwischen pH 6,5 und pH 7 wohl, obwohl die Schmetterlingsblütler (Leguminosen) es etwas über pH 7 lieben und die Beeren (Erdbeeren, Himbeeren, Preiselbeeren, Heidelbeeren usw.) sauren Boden bevorzugen.

In diesen Verhältnissen sahen die Alchemisten die Dialektik des Sal (Alkahest, Laugen, Ätzkalk) mit dem Sulphur (Schwefel, Vitriolöl, Säuren), die sehr stark aufeinander reagieren. In der Mitte liegt der Mercurius als Ausgleich.

Ein richtiger Gärtner braucht keinen Bodentest, um zu sehen, ob ein Boden süß oder sauer ist, denn die Bodenanzeigerpflanzen (Leitpflanzen) geben dem kundigen Auge zuverlässig Auskunft. Säureanzeiger oder kalkmeidende Pflanzen sind Sauerampfer, Ackerschachtelhalm, Knöteriche, Hahnenfuß, Hohlzahn, Ehrenpreis, Hederich, Ackersporgel, Drahtschmiele, Wollgras, Sandstiefmütterchen und Borstgras. Kalk liebende Unkräuter, also Säure meidende Pflanzen, sind Rittersporn, Kleine Wolfsmilch, Nadelkerbel, Ackerhellerkraut, Ragwurz, Huflattich, Saudistel, Storchschnabel, Steinklee, Klette und etliche andere. Man kann natürlich nicht von einem alkalischen Boden reden, wenn nur diese oder jene Kalk liebende Pflanze dort zu finden ist. Erst das Vorkommen mehrerer Anzeiger lässt sichere Schlüsse zu.

Die meisten Kunstdünger lassen den Boden versauern und haben zur Folge, dass man mit Kalkgaben versuchen muss, das labile Säure-Basen-Verhältnis wieder auszugleichen, was bedeutet, dass man sich dauernd um den pH-Wert zu kümmern hat. Der biologische Gärtner hingegen braucht auf den pH-Wert kaum Acht zu geben, denn der belebte Humus mit seinen Mikroorganismen schützt sich selbst gegen überschüssige Säuren oder Basen, indem er Wasserstoffionen freigibt, wenn die Reaktion zu azid wird, und Kalziumionen, wenn die Reaktion in das Basische geht. Falls der Gärtner eine besondere Kultur hat, die etwas süßeren Boden braucht, wie Schmetterlingsblütler etwa, dann kann er ein wenig gelöschten Kalk oder gemahlenen Kalkstein dazugeben. Um einen sauren Boden für eine Beerenkultur zu erhalten, kann er den Boden mit Tannennadel- oder Eichenblättermulch bedecken oder im Kleingarten dazu Kaffeesatz verwenden.

Wie entsteht der Boden?

Der fruchtbare Mutterboden ist das Ergebnis der Einwirkung der kosmischen Kräfte, die durch das Klima, die Temperatur und den Regen das harte Gestein zertrümmern, durchfrosten und durchspülen. Zu diesen Vorgängen, die man in der Bodenkunde die mechanischen nennt, kommen noch die vielen chemischen Vorgänge wie Oxidation, Reduktion, Hydration und Säurebildung dazu. Aber damit hat man noch längst keinen lebendigen Mutterboden. Es sind die Lebewesen selbst, die den Boden zu dem ihnen angemessenen Substrat aufbauen.

Wir sehen dieses Eingreifen des Lebens in die anorganische Welt sehr deutlich, wenn wir den Boden bildenden Vorgang in einem alten Steinbruch auf einem blanken Fels beobachten. Es dauert nicht lange, dann erscheinen auf dem glatten, entblößten Gestein die ersten lederigen Flechten. Wie ist es unter solchen harten Bedingungen, Frost, Sonne und Wind ausgesetzt, möglich, dass sich bald ein bunter Flechtenteppich ausbreitet? Wenn man die Flechte unter die Lupe nimmt, stellt sich heraus, dass sie eigentlich aus zwei Lebewesen besteht: aus einer Alge und einem Pilz, die sich in enger Symbiose (griech. sym = zusammen mit, bios = leben) befinden und sich wie ein einziges Lebewesen verhalten. Die Alge, in deren Blattgrün die Photosynthese stattfindet, erzeugt die notwendige Menge Zucker und Stärke für sich und ihren Partner. Der Pilz seinerseits schützt die Alge durch seine zähe Haut, saugt Wasser aus der Atmosphäre, nagt mittels organischer Säuren an dem Gestein und löst dadurch die zum Stoffwechsel nötigen Mineralstoffe. Unter der Flechte zerkrümelt der Stein langsam. Mineralteilchen und abgestorbene Teile der Flechte bilden eine dünne Staub- und Krümelschicht, in der die Sporen der Moose Fuß fassen können. Mooskissen überziehen diese Stellen, nehmen Wasser auf wie ein Schwamm und zersetzen den Stein weiter mit Kohlensäuren und anderen Ausscheidungen. Ältere Generationen der Moose bilden das Substrat für weitere Generationen und schaffen somit die Bedingungen, unter denen die Sporen der Farne keimen können. Schließlich können sogar die weiterentwickelten Nacktsamer und Blütenpflanzen ihr starkes Wurzelwerk entfalten und damit das Gestein spalten und sprengen. Kleine Tiere finden nun auch eine Nische, in der sie sich entwickeln können. Obwohl sie an den Pflanzen fressen, tragen sie durch ihre Ausscheidungen und ihre winzigen Kadaver zum Gedeihen der Vegetation bei. Wir sehen hier im kleinen Maßstab eine Wiederholung der ganzen Pflanzenevolution und erkennen daran, wie sich die Pflanzenwelt den Boden als Lebensgrundlage selbst aufbaut.

Mykorrhiza und Wurzelknöllchen.

Ein wichtiger Faktor, den wir hier herausheben möchten, ist die Fähigkeit der niederen Pflanzen, besonders der Flechten und Wurzelpilze (Mycorrhizae), selektierend Mineralionen und -moleküle aus dem Kristallgitter des Gesteins zu lösen und den höheren Pflanzen für deren Stoffwechsel zugänglich zu machen. Dieses Vermögen, auf das Sir Albert Howard aufmerksam machte, wird Chelation (griech. chela = Greifzange) genannt. Die Wurzelpilze bilden mit mehr als 80% der höheren Pflanzenwelt eine Symbiose, die jener des Pilzes mit der Alge in der Flechte ähnlich ist. Die großen Tannenbestände könnten auf den Magerböden nicht ohne Gemeinschaft mit den Wurzelpilzen bestehen, die ihnen Nährstoffe, Auxine und andere Enzyme vermitteln. Solche Gemeinschaften bestehen auch mit vielen Gartengewächsen, und sie werden unterbunden durch die osmotischen Verschiebungen durch eine Mineralsalzdüngung. Die Lebensgemeinschaft der Leguminosen mit den Knöllchenbakterien (Rhyzobien) ist eine ähnliche Erscheinung, in der eine höhere Pflanze die Produkte der Photosynthese gegen eingefangenen Stickstoff austauscht. Auch hier wirkt mineralische Stickstoffdüngung störend auf die Zusammenarbeit.

Wir bekommen ein Gespür dafür, wie sich die Pflanzen eine Lebensgrundlage schaffen und wie die ätherischen Kräfte in das physische Substrat aktiv eingreifen. Jede Pflanze ist in irgendeiner Weise ein Spezialist, der der Lebensgesamtheit dient. So wie die Leguminosen Stickstoff in die Erde »einatmen«, so sammeln zum Beispiel Gänseblümchen Kalk auf kalkarmen Böden; Schachtelhalm akkumuliert Kiesel auch in Böden, die wenig Kieselsäure haben; Melde sammelt Kochsalz, Vogelmiere (Stellaria media) sammelt Zink, Sojabohnen reichern Nickel an, Stechapfel weist einen hohen Prozentsatz Phosphorsäure auf und so weiter (Pfeiffer 1977, Kap. X). Ob diese Stoffe langsam aus Luft, Wasser und Boden extrahiert werden oder ob in der Pflanzenzelle eine geheime Alchemie geschieht, soll dahingestellt sein. Wenn sie sterben oder vom Gärtner in den Boden gehackt werden, kommen die Bestandteile dieser Pflanzen dem Boden zugute. In ihren Lebensvorgängen durchwirken die Pflanzen den Boden mit licht- und wärmeätherischen Kräften, indem sie Sonnenenergie und Kohlenstoff festigen und in der Wurzelmasse dem Boden einverleiben. Die Wurzeln selektieren manche Nährstoffe und lassen andere außer Acht. Sie können Salze sogar entgegen dem Druck des osmotischen Gefälles selektionieren. Laufend verändern die Wurzelmassen den Boden, indem sie wachsen und absterben, aufnehmen und ausscheiden. Ein Meister des Gartenbaus achtet daher auf die Bodeneinwirkungen der Fruchtfolgen, auf die Nachbarschaftswirkungen bei den Kulturpflanzen sowie bei den Unkräutern.

Der lebendige Boden

Nicht nur die unzähligen Kilometer Wurzelgeflecht bauen den Boden auf, sondern auch die Tiere, die auf dem Boden fressen und ausscheiden, gehören mit zu diesen Vorgängen. Vor allem sind es aber die in astronomischer Zahl vorhandenen Mikroorganismen und Kleinlebewesen, die dem Boden eine lebendige Dynamik geben. In einem einzigen Teelöffel guter Gartenerde befinden sich Milliarden von Klein- und Kleinstlebewesen, die alle Lebensfunktionen wie Stoffwechsel, Respiration, Vermehrung, Ausscheidung und andere Leistungen vollbringen. Diese Lebensaktivitäten befinden sich in Einklang mit den täglichen, monatlichen und jährlichen Rhythmen der Sonne, des Mondes und der Planeten. Man hat es mit einer solchen Komplexität zu tun, dass der Wissenschaftler auch mit der Hilfe des Computers niemals die unzähligen gleichzeitig erfolgenden Reaktionen erfassen kann. Hier reichen die Begriffe der physischen Welt nicht mehr aus, hier walten schon die Gesetze des Ätherischen. Um dies zu verstehen, braucht man Bilder. Es ist wie im Märchen von Dornröschen, wo innerhalb der Zeitspanne, in der der Koch dem Küchenlehrling eine Ohrfeige gibt, Vorgänge stattfinden, die nach irdischem Zeitmaß hundert Jahre dauern.

Aber trotz der Kompliziertheit wissen wir, dass die Mikroorganismen Nährstoffe zirkulieren lassen, das Säure-Basen-Verhältnis puffern, dem Boden ein gutes Gefüge (Struktur) geben, Spurenelemente aus dem Gestein lösen, dass einige Arten tote, organische Gewebe abbauen und andere aus den Abbauprodukten wieder Stoffe aufbauen, die den Pflanzen zu neuem Leben dienen können. Manche erzeugen Sulfate, die einzige Form des Schwefels, den die Pflanzen aufnehmen können; andere neutralisieren schädliche Schwermetallspuren, Eisen und Aluminium, und noch andere können ohne den enormen Energieaufwand des Haber-Bosch-Prozesses N2 direkt aus der Luft fixieren.

Die niederen Bodenorganismen werden etwas willkürlich in Bodenfauna und Bodenflora eingeteilt. Bei Pilzen und Metazoen (Würmern, Springschwänzen, Milben usw.) ist ein Unterschied schon eindeutiger. In den obersten 15 Zentimetern eines durchschnittlich fruchtbaren Ackerbodens machen diese Kleinlebewesen eine Lebensmasse von 25000 kg/ha aus (Palissa 1964: 30):

Mikroflora 20 219 kg/ha Biomasse

Mikrofauna 379 kg/ha Biomasse

Metazoen 4184 kg/ha Biomasse

Das entspricht dem Gewicht einer Herde von über 25 Kühen. Diese »fünfundzwanzig Kühe unter dem Boden« sind ebenso wichtig für die Bodenfruchtbarkeit wie die ein bis zwei Kühe, die ein Hektar Land sonst ernähren kann. Der Gärtner hat die Verantwortung, sie mit richtiger Behandlung (Mulchen, Fruchtfolge usw.) gut zu pflegen und gut zu füttern (Kompost), wie der Bauer sein Milchvieh.

Bodenbakterien

Bakterien sind die im Boden am meisten vertretenen Organismen. In einem Gramm guter Gartenhumuserde findet man fast eine Milliarde davon. Eine Bakterienzelle kann an einem Tag 17 Millionen Töchter erzeugen und kann theoretisch innerhalb einer Woche so viele Nachkommen haben, dass ihre Biomasse dem Gewicht der Erde gleichen würde. Man unterscheidet zwischen aeroben Bakterien, die frei verfügbaren Sauerstoff brauchen und an Verrottungsprozessen teilnehmen, und anaeroben Bakterien (Fäulnisbakterien), die unter Luftabschluss die Vergärung und Fermentierung bewirken. Zudem gibt es autotrophe Bakterien, die ihre Energie aus der Oxidation von Ammonium, Schwefel, Eisen und anderen anorganischen Mineralien erhalten im Gegensatz zu den heterotrophen Bakterien, die organische Substanzen wie Zucker, Stärke, Lignin, Chitin oder Zellulose verdauen. Bei den Bakterien befinden wir uns am unteren Ende des großen Lebenskreislaufs, denn hier wird den abbauenden Prozessen kurz vor der völligen Vermineralisierung, der Entropie, Einhalt geboten, und die aufbauenden Prozesse, die Reintegration in die Lebensvorgänge, beginnen. Die ammonifizierenden Bakterien, die die Eiweiße zu Aminosäuren und schließlich zu Ammoniak reduziert haben, werden von den Nitrosomonasbakterien und den Nitrobakterien abgelöst, die ihrerseits das Ammoniak zu Nitriten (NO2) beziehungsweise Nitraten (NO3) verwandeln, welches die Pflanzen dann gern für ihre Proteinsynthese aufnehmen. Hier befinden wir uns an der magischen Stelle, wo Todesprozesse in Lebensprozesse umgewandelt werden.

Bodenbakterien bevorzugen neutralen bis basischen Boden (pH 6 bis pH 8) und brauchen organische Substanzen als »Futter«. Sie arbeiten am besten bei mildem Wetter (Temperatur um 30°C) auf weder durchnässten noch zu trockenen Böden. Schwere Landmaschinen und Kunstdüngersalze beeinträchtigen ihre Wirksamkeit.

Strahlenpilze (Actinomyceten)

Die Strahlenpilze, die ihre Anwesenheit durch den typischen, guten Erdgeruch eines frisch umgestochenen Beetes oder eines gepflügten Feldes kundtun, sind fast so zahlreich vertreten wie die Bakterien. Diese Organismen humifizieren komplexe organische Moleküle wie Zellulose, Chitin (Insektenpanzer) und Phospholipide (Wachse und Fette) und produzieren antibiotische Substanzen. Die Strahlenpilze brauchen milde, basische Böden und verschwinden unter pH 5. Dies ist auch der Grund, warum man Kartoffeln nicht kalkt, denn der Kartoffelschorf wird von einer Art der Actinomyceten verursacht.

Pilze und Algen

Die verschiedenartigen Pilzorganismen (Schimmel, Moder, Hefe usw.) spielen auch eine wichtige Rolle in Boden und Kompost, in der Zersetzung toter organischer Stoffe. Sie fangen das von den Bakterien freigesetzte flüchtige Ammoniak auf, bauen es in ihre Körper ein und verringern dadurch Stickstoffverluste. Ähnlich wie die Actinomyceten stellen sie Antibiotika her, zum Beispiel Penicillin oder Streptomycin, womit sie den Erdboden säubern und reinigen.

Algen, die mit ihrem Blattgrün Sonnenenergie assimilieren können, kommen in unserer Klimalage weniger in Betracht als zum Beispiel in den Reisfeldern Asiens, wo sie stark zur Fruchtbarkeit des Bodens beitragen.

Wurzeln

In der Wurzelzone (Rhizosphäre) findet man den größten Teil der Bodenorganismen. Die Wurzelhärchen selbst sind ein höchst aktiver Faktor in den Lebensvorgängen des Bodens. Sie wachsen tastend, Spurenelemente und Wassermoleküle wahrnehmend und Nährstoffe selektierend, durch den Boden; sie scheiden andere Stoffe aus und werden, wenn sie sterben, selbst wieder zur Nahrung der Kleinorganismen. Sie stecken voller Lebenskraft. Es wurde festgestellt, dass die Wurzelhaare einer einzigen Roggen- oder Haferpflanze, wenn man die mikroskopischen Härchen aneinander reihen würde, pro Tag über vier Kilometer wachsen. Manchmal kommt es zu Verwachsungen mit den Wurzeln benachbarter Artgenossen, gelegentlich sogar mit den Wurzeln anderer Arten. Dabei werden, mittels Ektohormonen, Pheromonen und sogar geringster Photonenstrahlung, Botschaften durch das ganze Ökosystem weitergereicht. Die symbiotischen Wurzelpilze (Mycorrhizae) haben Teil an dem Kommunikationsnetz. Sie verlängern das Wurzelgeflecht der höheren Pflanze bis zu tausendmal und vermitteln ihr Wasser, Ionen von Mineralien, Phosphate, Wachstumshormone (Auxine) und Chelate. Dafür lassen sich die Mykorrhizen von den Pflanzen mit Zuckerwasser entschädigen. 80 bis 90% der höheren Pflanzen leben in solchen Symbiosen. Aber auch Pflanzengattungen, die sich nicht mit Wurzelpilzen vermählen, wie die Kreuzblütler, Nelkengewächse oder Gänsefußgewächse, leben symbiotisch mit den Bakterienmassen, die sich im Wurzelschleim niederlassen.

In natürlichen Wäldern und Wiesen erstrecken sich die dicht vernetzten Mykorrhizenteppiche über Hunderte von Quadratmetern. Das ergeben Messungen mit radioaktiven Isotopen. Der ständige Austausch von chemischen und energetischen Botschaften in diesem System hat eine regulierende Funktion im gesamten Ökosystem. Der Ethnobotaniker Terence McKenna vergleicht die Komplexität des Waldbodens mit dem menschlichen Hirn. Das Wurzelpilzgeflecht verkörpert sozusagen das makrokosmische Nervensystem der Vegetation.22

Bodentierchen

Die Bodenfauna ist nicht so zahlreich vertreten wie die Bodenflora, hat aber eine bedeutende Aufgabe zu erfüllen. Die vielen einzelligen Urtierchen, Ur-Insekten, Springschwänze, Fadenwürmer, Milben, Gliederfüßler und Schnecken zerkleinern und zermahlen grobe Stengel, Blätter, Kadaver und Abfälle und geben sie den Bakterien weiter; sie durchmischen und lüften den Boden so gut, dass man im Idealfall das Gartenbeet gar nicht mehr umzugraben braucht. Durch Ausscheidung von Hormonen und Enzymen sind sie ein nicht zu unterschätzender Bestandteil der komplexen Bodenchemie, und durch ihre Körperchen werden sie selbst zu Dünger, wenn sie sterben.

Eine Nematodenart (Wurzelgallenählchen) verursacht Missbildungen und Wachstumshemmungen bei Wurzelgemüsen. Anstatt den Boden zu sterilisieren oder mit Giften zu schädigen, kann man dem Problem durch Fruchtfolge, Kompostgaben und durch die Pflanzennachbarschaftswirkung der Studenten- oder Samtblume (Tagetes), die man hier und da zwischen die Wurzelgemüse pflanzt, zuvorkommen.

Regenwürmer (Lumbriciden)

Im viktorianisch-wilhelminischen Zeitalter glaubte man, dass Regenwürmer schädlich seien, und entfernte sie sorgfältig aus den Gartenbeeten. Es ist wahrscheinlich Charles Darwins größtes Verdienst, dass er sich gegen sein Lebensende des Regenwurms annahm und klar darstellte, wie hilfreich diese Tierchen sind, wie sie den Boden durchmischen, belüften und guten Humus erzeugen. Heute weiß man, dass der Regenwurmkot elf Mal so viel Kalium, sieben Mal so viel Phosphor, fünf Mal so viel Stickstoff, zweieinhalb Mal so viel Magnesium und doppelt so viel Kalk wie der umgebende Erdboden enthält. Diese Nährstoffe sind in Riesenmolekülen (polymerisierte Makromoleküle) zu stabilen Ton-Humus-Kolloiden verkettet. Aus solchen Ton-Humus-Komplexen lassen sich die Nährstoffe auch bei starkem Regen nicht leicht auswaschen, sind aber trotzdem den Pflanzen einfach zugänglich. Im normalen Boden befinden sich rund drei Millionen Regenwürmer pro Hektar; sie machen das Gewicht von fünf bis sechs Kühen aus und erzeugen rund zwanzig Tonnen feinste, nährstoffreiche, stabile Regenwurmerde (Palissa 1964: 102). In einem biologischen Garten liegen diese Zahlen noch höher. Wie viele Säcke Kunstdünger müsste der Gärtner schleppen, um diese Leistung zu erreichen? Es lässt sich eine geheime Alchemie, eine Transmutation der Elemente vermuten … Vielleicht ist in diesem stark ätherisierten Bereich die Materie noch transmutabel, wie sie es angeblich einst in Urzeiten, in Atlantis, war. Der französische Wissenschaftler Louis C. Kervran ist aufgrund seiner Experimente davon überzeugt. Im Bereich der lebendigen Materie finden unter den richtigen Umständen ständig Transmutationen der Elemente statt. Regenwürmer scheiden ständig kalkhaltigen Schleim aus, so dass sich dort, wo sie sich befinden, der pH-Wert des Bodens erhöht (Kervran 1972: 75).

Einige Regenwurmarten, wie der große dunkle, bläuliche Lumbricus terrestris, senken ihre Gänge bis zu 2,5 Meter in die Erde. Aus den Tiefen holen sie Tonmineralien, von der Bodenbedeckung (Detritus) nehmen sie abgestorbene Pflanzenreste, und in der Gegenwart von geringen Mengen Kalk wird dies dann zum bestmöglichen Humus verdaut und an der Erdoberfläche ausgeschieden. Regenwurmkot begünstigt die Bodenorganismen, besonders die Humus bildenden Strahlenpilze. Anders als viele andere wirbellose Tiere, die den Kalk in harte Schalen und in Exoskelette umwandeln, sondern die Regenwürmer einen kalkhaltigen Schleim ab, der mithilft, die Bodenreaktion in jenem neutralen Bereich zu halten, den die Pflanzen für ihr Wachstum bevorzugen. Die Regenwurmgänge, die dem Boden Luft verschaffen, erlauben den zarten Kulturpflanzen, tiefer in den Erdboden zu dringen und ihren Wurzelbereich auszudehnen.

Der Gärtner und Landwirt hat seine Helfer unter der Erde genauso zu pflegen wie seine Hühner und Kühe. In sterilen, mineralischen Böden verhungern die Würmer. Auch wenn man noch so viele Exemplare von einer Wurmfarm23 bestellt, sie werden sich nicht festsetzen können, wenn nicht genügend organische Substanz wie Bodenbedeckung (Mulch), Kompost, verrottete Miste, eingehackte Unkräuter oder untergepflügte Gründüngung als Nahrung vorhanden ist. Wo Böden etwas zu sauer sind, hilft eine Gabe gemahlener Kalkstein, Kalkmergel oder Löschkalk. Gebrannter Kalk (Ätzkalk) ebenso wie Kunstdüngersalze verbrennen die Haut dieses hilfreichen Tiers. Wo wenig Ton vorhanden ist, kann man trockenen Ton zermahlen und auf den Boden oder in den Kompost stäuben. Ein Baldriantee (Valeriana officinalis) oder das biodynamische Baldrianpräparat, über die Beete oder Komposte gesprüht, regt die Würmer ebenso an wie eine Streu (Bodenbedeckung) aus Holunderblättern, Geißblatt, Schneeball, Erle, Ulme, Linde, Vogelbeere, Pappel, Weide, Sanddorn, Haselnuss oder Weißdorn. Der Anbau von Lupinen als Gründüngung und die Gegenwart von Löwenzahn begünstigen Regenwürmer besonders.

Wie behandelt man den Boden richtig?

Es kann nicht genug betont werden, wie wichtig es ist, den Boden in einem Zustand zu erhalten, der die Bodenlebewesen gedeihen lässt. Diese Lebewesen werden durch Mistkomposte, Fruchtwechsel, Mischbeetkulturen (Pflanzengemeinschaften) und Bodenbedeckung gefördert. Andererseits behindert man sie durch übermäßiges Pflügen, durch Monokulturen, das Abflammen von Beeten und die Anwendung von Insektiziden, Herbiziden und Fungiziden. Chemische Düngersalze, besonders Chlorid-, Schwefel- und Natronrückstände, verschieben die osmotischen Verhältnisse zuungunsten der Mikroorganismen. Wird die Zahl der Organismen auf diese Art verringert, dann schwindet der Humus, zerfällt die Gare (Krümelstruktur), die Bodenluft nimmt ab, der Boden versauert, wird kompakt und kann Wasser nicht gut halten, sondern verschlämmt oder wird weggeschwemmt. Wie viele Millionen Hektar gutes Ackerland sind im 20. Jahrhundert auf diese Weise verloren gegangen!

Die Agrarwissenschaft begegnet dem Problem der Bodenversäuerung mit tüchtigem Kalken, was jedoch zur Folge hat, dass sich durch den Kalk das Ammoniak verflüchtigt, die Spurenelemente (Fe, Mn, B, Zn, Cu usw.) fest gebunden werden und den Pflanzen unzugänglich bleiben. Darüber können sich nur die Kunstdüngerfabrikanten freuen, denn der Bauer und Gärtner ist gezwungen, mehr Dünger und Spurenelemente hinzuzukaufen. Da der Boden immer fester und härter wird, hat man größere Pflugmaschinen entwickelt und sogar dem Boden Vermikulit und Plastikstoffe zur Auflockerung beigemischt. Die schweren Maschinen sind teuer und tragen schließlich noch mehr zur Verdichtung der Krume bei. Es entsteht ein Teufelskreis.

Der Gärtner kann diesen Teufelskreis sprengen, indem er Dauerbeete anlegt. Am besten sind die Tiefkulturbeete, die in China schon seit etlichen Jahrhunderten bekannt sind. Das Herstellen eines Tiefkulturbeetes nennt man auch Rigolen oder Holländern. Die Beete werden zuerst auf 1,20 Meter Breite gemessen, zwischen den Beeten legt man 30 bis 40 Zentimeter breite Wege an. Diese Breite ermöglicht die optimale Flächennutzung, denn man kann leicht von den Seiten in die Beete hineinreichen und mit Harke, Hacke oder Gießkanne überall hinkommen. Bei schmäleren Beeten würde man zu viel Fläche an die Wege verlieren. Bei breiteren Beeten müsste man mit den Füßen auf den Beeten herumtrampeln, und es wäre schwierig, sie zu bearbeiten. Für Kleingärten eigenen sich auch Trittsteine. Nachdem das Beet ausgemessen ist, streut man großzügig gut verrotteten Kompost darauf und lockert oder gräbt alsdann mit dem Spaten oder der Grabforke.

Das Herstellen eines Tiefkulturbeets.

Das Herstellen eines Tiefkulturbeets geschieht folgendermaßen (siehe Illustration):

1. Mit dem Spaten hebt man einen spatentiefen Graben an einem Ende des Beets aus.

2. Nun lockert man mit den Zinken der Grabforke den Untergrund am Boden des Grabens.

3. Jetzt schiebt man mit dem Spaten eine spatenbreite nächste Zeile der Bodenoberschicht über den eben gelockerten Teil. Man schiebt die Erde, ohne sie zu wenden, denn man will die Bodenhorizonte erhalten. Durch dieses Verschieben wird die Erde locker, und der obenauf liegende Kompost rieselt in die lockere Oberschicht. Alan Chadwick, der Gärtnermeister, der in Kalifornien ein Stück Wüste in ein kleines Eden verwandelt hatte, nennt es einen »Erdbebeneffekt«. Er hatte beobachtet, dass die von Erdbeben verursachte Erschütterung belebend auf den Boden wirkt.

4. Im zweiten Graben wird der Untergrund ebenfalls mit der Grabforke gelockert, so dass man im Ganzen mindestens sechzig Zentimeter tief den Boden bearbeitet. So fährt man Zeile für Zeile fort, bis man am Ende des Beets angekommen ist. In den letzten Graben kommt dann die Erde, die vom ersten Schacht übrig geblieben ist.

Der so tief gelockerte Boden liegt nicht wieder flach, sondern hat eine Wölbung. Man kann von einer Hügelkultur sprechen. Durch die Wölbung wurde die Bodenfläche etwas ausgedehnt, und man gewinnt wieder die Fläche zurück, die man an die Wege verloren hat. Chadwick zitiert Steiner als Bestätigung seiner Beobachtung, dass diese Hügelbeete viel lebendiger, ätherisch durchtränkter sind als flache Beete. Er vergleicht die Hügel mit Baumstämmen, auf denen die Knospen wie Samen sitzen und die Blätter und Blüten wie kleine Pflänzchen auf aufgestülpten, verlebendigten Erdhaufen wachsen. Die tief gelockerten Hügelbeete ahmen dieses Baumstammprinzip nach.

Niemand würde leugnen, dass das Rigolen anstrengend ist. Aber es braucht nur einmal gemacht zu werden. Mit Kompostgaben, die flach in die Hügelbeete eingearbeitet werden, mit Bodenbedeckung und günstigen Fruchtfolgen wird die Welt der Kleinlebewesen dermaßen unterstützt, dass der Boden weich und luftig bleibt. Selbstverständlich darf auf den lockeren Beeten nicht herumgetrampelt werden. Im Frühling braucht man dann nur den Mulch wegzurechen und findet den Boden schon so locker, dass man direkt säen und pflanzen kann. Gründüngung einzugraben ist etwas komplizierter, aber im Prinzip ähnlich, wie wenn man Kompost flach einbringt.

In solchen tief gegrabenen Dauerbeeten können die Kulturpflanzen schnell und ungehemmt in die Tiefe wachsen, dort genügend Sauerstoff für die Wurzelatmung sowie Wasser und Nährstoffe vorfinden. In einem lockeren, biologischen Boden verdunstet oder versickert das Wasser nicht, weil es genügend Porenvolumen hat, während die Kohlensäure leicht nach oben entweichen kann, wo sie von den Blättern assimiliert werden kann.

Bei steinigen oder tonigen Böden kann das Herstellen der Tiefkulturbeete schwieriger sein. Bei neuem Gartenland, wie zum Beispiel bei alter Weide oder Brachland, kann man Schweine und Hühner zuerst das eingezäunte Areal durchwühlen lassen. Gartenbauvölker wie die Chimbu auf Neuguinea lassen ihre großen Gärten vor der Brache noch einmal von diesen Tieren durchpflügen (Brookfield 1963). Der Boden wird gelockert, und Schädlinge wie Engerlinge und Drahtwürmer werden vernichtet.

Bodenbedeckung (Mulch)

Im Winter sollte der Boden durch eine Mulchschicht – Laub, altes Stroh oder Heu – oder durch Gründüngersaat bedeckt und geschützt sein. Jeder lebende Organismus hat eine Haut, warum nicht auch das Gartenbeet? Wenn man in die Natur schaut, so mulcht sich jeder Wald und jede Naturwiese über den Winter ein. Entgegen den Behauptungen einiger Theoretiker der biologisch-dynamischen Methode, wie Maria Thun, strahlen die kosmischen, formgebenden Kräfte in der kristallinen Winterzeit auch durch eine Mulchdecke hindurch. Die Erde braucht nicht extra durch Pflügen »chaotisiert« zu werden. Im Frühjahr findet der Gärtner unter der Mulchdecke, sofern sie noch vorhanden ist, eine hauchdünne, schwarze Humusschicht: das Ergebnis der Arbeit der Kleinlebewesen, die auch im Winter aktiv sind, wenn sie genügend geschützt sind.

Ausnahmsweise kann man besonders kalte und feuchte Böden über den Winter gepflügt oder umgegraben liegen lassen. Im Frühling wärmt und trocknet die Sonne die Schollen umso schneller. Die Schollen dampfen dann richtig, wenn die Sonne darauf scheint.

Gründüngung

Im Spätsommer oder Frühherbst kann man in den abgeernteten Beeten ein Gründüngergemisch aussäen, das zur lebenden Winterbodenbedeckung wächst. Bienenfreund (Büschelblume, Phacelia tanacetifolia) oder Senf eignen sich als Gründüngeraussaat. Im Winter gefrieren sie und verwandeln sich in eine Mulchschicht. Ebenfalls ausgezeichnet ist die Mischung einer Getreideart (Roggen oder Hafer) mit einem Schmetterlingsblütler (Gelbe Lupine, Erbsen, Wicken, Inkarnatklee, Perserklee oder Serradelle). Die Samen der Leguminosen sollten mit Knollenbakteriensporen (Rhyzobien) geimpft werden, um die Zahl der Stickstoff sammelnden Bakterienknollen an ihren Wurzeln zu erhöhen. Die Sporen für dieses Saatbad kann man in einem Gärtnereifachgeschäft zu geringen Kosten beziehen. Diese Saat durchwurzelt und lockert die Beete, verleiht dem Boden organische Masse, die dann, wenn sie abfrieren oder eingegraben sind, den Kleinlebewesen und Regenwürmern als Nahrung dienen. Die Wurzelmasse wächst, solange die Tage nicht kalt sind. Auf diese Weise wird dem Boden Sonnenenergie einverleibt, die sonst nicht genutzt würde. Im Frühling kann die Gründüngung eingegraben werden, und sechs Wochen später sind die Reste genügend verdaut, so dass man Setzlinge pflanzen kann. Man kann sie auch abmähen und kompostieren, eventuell die gröberen Wurzeln herausharken und ebenfalls kompostieren.

Bodenwasser und Bodenluft

Ein auf diese Weise ökologisch behandelter Boden besteht zu 45% aus Mineralstoffen (Sand, Lehm usw.), zu 5% aus organischer Substanz (Humus), zu 25% aus Wasser und zu 25% aus Luft. Wie alle lebenden Wesen brauchen die Wurzeln und Bodentiere Sauerstoff zum Atmen. In verkrusteten, vermineralisierten Böden sind wenig Lufträume, und diese sind mit Kohlensäure derart gesättigt, dass die Pflanzen im Wachstum stocken. Wir werden sehen, dass gerade dann die Schädlinge zum Problem werden, wenn die Pflanzen nicht zügig durchwachsen können und dadurch der ätherische Fluss des Wachstums ins Stocken gerät.

Ein guter Humusboden trocknet nicht leicht aus, da die Ton-Humus-Kolloide das Wasser wie ein Schwamm entgegen der Schwerkraft festhalten (Haftwasser). Bei Mineralböden fließt das Wasser als Sickerwasser weg und nimmt möglicherweise noch die gelösten Basen mit. In Dürreperioden kann man ohne weiteres die grünen Felder mit organischem Boden von den verwelkten, kümmerlichen Feldern der Kunstdüngerbenutzer unterscheiden.

In diesem Abschnitt haben wir versucht, den Boden, der ein wichtiges Organ des Erdorganismus ist, von der naturwissenschaftlichen Seite her zu beleuchten. Wir haben gesehen, dass das mineralische Substrat eine Art Prima materia darstellt, die von den ätherischen Kräften der Pflanzenwelt zu ihren Zwecken geformt und gebildet wird und weiter durch die Bodenlebewesen, die Käfer und Regenwürmer sowie die Miste der höheren Tiere astralisiert wird. Wir werden sehen, wie die makrokosmischen Rhythmen der Sternenwelt ordnend und regulierend eingreifen. Man erlebt so ganz konkret, wie der Weltenäther, die Weltenseele und der Weltengeist makrokosmisch in der Natur wirken. Der Gärtnermeister individualisiert und lenkt diese Vorgänge im Mikrokosmos Garten.

Zusammensetzung eines ökologisch behandelten Bodens.

22 In diesem Zusammenhang ist die Behauptung Aristoteles’ oder Rudolf Steiners, dass die Pflanzen ihren Kopf im Erdboden haben, gar nicht so abwegig. Die Wurzelsphäre, der Sal-Pol der Pflanzen, ist dem Kopf bzw. dem Hirn des Menschen vergleichbar mit seinen wahrnehmenden, Nahrung und Sinneseindrücke aufnehmenden Funktionen. Der Sulphur-Pol der Pflanze, der Blütenbereich, ist dagegen, wie der Unterleib des Menschen, der abgebende, ausscheidende, sich fortpflanzende Pol. Weiteres dazu in meinem Buch »Pflanzendevas«, AT Verlag 1997.

23 »Wurmfarmen«, in denen Regenwürmer gezüchtet und versandt werden, gibt es vor allem in den USA.