VERERBUNG, SAMEN UND SAATGUT

Oh, sweet spontaneous earth

how often has the naugthy thumb of science prodded thy beauty?

E. E. Cummings

Seit Tausenden von Jahren haben die Bauern und Gärtner die besten Knollen und die Samen der schönsten Pflanzen als Saatgut für das folgende Jahr sorgfältig ausgesucht und aufbewahrt. Abertausende von verschiedenen, den örtlichen Lebensbedingungen angepassten Sorten wurden treu von einer Generation der anderen weitergereicht. Immer wieder, ihren Urbildern getreu, entsprang den winzigen Samenkügelchen und Knollenaugen eine neue Generation von Nahrungspflanzen. In den christlichen Ländern ließ man das Saatgut beim Erntefest in der Kirche segnen; in anderen Kulturkreisen waren es ebenfalls Priester, Schamanen und die alten Weisen, die auf ihre Art und Weise durch Fürbitte oder Blutopfer das Saatgut betreuten.

Seit dem letzten Jahrhundert hat sich etwas verändert. Die Lebenskraft einzelner Sorten scheint immer mehr abzuebben. Die weißgekittelten Priester der technokratischen Wissenschaft sprachen von »Degenerationserscheinungen« und begannen, besonders leistungsfähige Sorten auf »wissenschaftliche« Weise zu züchten. Mit immer raffinierter werdender Selektion, mit Einkreuzung von wilden, noch vitalen Verwandten der gefährdeten Kulturpflanzen und durch radioaktive Bestrahlung, die, wie man vergebens hoffte, irgendwann einmal »günstige Mutationen« hervorbringen könnte, versuchte man den Degenerationserscheinungen zu begegnen und ertragreichere Sorten zu züchten. Durch die Züchtung von Hochertragssorten (»Wundersamen«) glaubt man, den eigentlich durch neokolonialistische Wirtschaftsstrukturen verursachten Hunger ein für allemal zu besiegen. Der »Wunderweizen« und »Wunderreis«, der den Tempeln der technokratischen Forschung entsprang, ist jedoch nur bei künstlicher Bewässerung, maschineller Bearbeitung und massiver Herbizid-, Insektizid- und NPK-Anwendung lebensfähig. Hinzu kommt, dass dieses Saatgut der »Grünen Revolution« die Bauern nie selbst züchten können, da es sich um hybride Kreuzungen handelt.

Inzwischen hat die Gentechnologie einige Kulturpflanzen mit einem »Terminatorgen« ausgestattet, das automatisch Sterilität erzeugt, so dass der Landwirt nicht einmal in Versuchung gerät, das eigene Saatgut anzubauen. Die Kontrolle und Verfügung über das Saatgut wurde und wird zunehmend von großen Chemie- und Agrobusinesskonzernen monopolisiert. Nur die reichsten Landbesitzer in der Dritten Welt können sich das Saatgut und die dazugehörigen Maschinen und Chemikalien leisten.65 Die Armen werden hingegen vom Land verdrängt, viele enden in den Slums der Megastädte der Dritten Welt und gelten praktisch als »überflüssig«.

Die falschen Hoffnungen der Gentechnologie

Doch die Gentechnologie geht viel weiter als die raffinierten Züchtungsmethoden der »Grünen Revolution« der Sechziger- und Siebzigerjahre. In der traditionellen Züchtung wurden niemals die Artengrenzen überschritten. Nun aber wird die Integrität der über viele Millionen Jahren aufgebauten Artengrenzen verletzt, indem das Erbgut einer Tier- oder Pflanzenart in das einer anderen eingeschleust wird. Betroffen sind vor allem die weltweit am häufigsten angebauten Nahrungsmittel: Mais, Reis, Weizen, Kartoffeln und die für viele industrielle Prozesse wichtige Sojabohne. Ein Milliarden-Dollar-Geschäft auf einem anonymen, globalisierten Markt ist im Entstehen. Wissenschaftliche Experten sagen voraus, dass es gegen Ende des Jahrhunderts wohl keine einzige Kulturpflanzen mehr geben wird, die nicht genetisch verändert ist (Cowley 2001: 62). Werbekampagnen sollen alle Bedenken beruhigen: Glaubt man den Konzernen, dann geht es vor allem um hungernde Kinder der Dritten Welt und bisher unheilbar Kranke, denen geholfen werden soll. In den USA gibt es folglich keine »genmanipulierte« Nahrung, sondern »gene-improved foods« – und eine solche neue, fortschrittliche, verbesserte Nahrung will doch jeder.

Um welche »Verbesserungen« geht es da? Hier einige Beispiele, die den Gärtner und Landwirt betreffen:

Im Gegensatz zum Mais der Hopi und anderer Indianer ist der hochgepäppelte Mais der Saatkonzerne so schwach, dass er sich nicht gegen Unkräuter, Krankheiten und Parasiten durchsetzen kann (Katalyse Institut 1999: 66). Also hat man ihm ein Gen des Bacillus thuringiensis eingebaut; durch das entstehende Bt-Toxin werden die Raupen, die am Mais knabbern, vergiftet. Im Jahr 2000 wurden in den USA 25% der Maisanbaufläche oder 8 Millionen Hektar mit transgenem Mais bepflanzt. Die Gene tauchten dann auch in benachbarten Feldern auf, in denen gar kein Genmais angebaut wurde – durch den Pollenflug kamen Kreuzungen zustande. Dadurch wäre auch der Zuckermais des Biogärtners betroffen. Dass der harmlose Monarch, einer der schönsten Schmetterlinge der Neuen Welt, sich nicht richtig verpuppen kann und stirbt, wenn er den Pollen des transgenen Maises frisst, hat inzwischen sogar die amerikanischen Verbraucher aufgeschreckt (Bredow 2001: 179).66 Der »gene-improved food« wird als »Frankenstein food« entlarvt.

Mittels genetischer Manipulierung kamen auch herbizidresistente Maissorten und andere herbizidresistente Nahrungspflanzen zustande. Auf diese Weise verdient der Agrarkonzern doppelt, er liefert nicht nur das patentierte transgene Saatgut, sondern auch das darauf abgestimmte Unkrautvernichtungsmittel. Es handelt sich um ein Total-Herbizid, das jede andere Pflanze außer der Kulturpflanze vernichtet. So wird der Artenschwund der Wildflora, insbesondere der Ackerbegleitkräuter radikal beschleunigt.

Die Kartoffel, das vitaminreiche, bekömmliche Hauptnahrungsmittel der Nordeuropäer67, ist ebenfalls ins Visier der Genmanipulatoren geraten. In die Kartoffel wurde das Bt-Gen eingeschleust, das Insekten tötet; an Viren- und Pilzresistenz wird gearbeitet.68 Durch gentechnische Veränderung hat ein multinationaler Pommes-frites-Hersteller die Stärkezusammensetzung der Kartoffel verändern lassen, so dass sie beim Frittieren weniger Fett aufnimmt. Das ist ein typisches Beispiel für den Versuch, die Pflanzen besser an industrielle Prozesse anzupassen. Um die Knolle auch in höheren Lagen und in kälterem Klima anbauen zu können, hat man ihr durch Übertragung eines Gens aus der Flunder, ein »Antifrostprotein« eingebaut. Um sie gegen Läuse zu schützen, hat man ihr ein Gen vom Schneeglöckchen eingepflanzt – leider töten die Genkartoffeln auch die Marienkäfer oder verursachen bei ihnen Sterilität (Katalyse Institut 1999: 180) und machen Laborratten, die davon fressen, krank.69 Kartoffeln mit einem Glühwürmchengen leuchten sogar, wenn sie an Wassermangel leiden – diese bizarre Erfindung soll Wasser sparen helfen.

Der weltweite Zuckerkonsum steigt noch immer.70 Kein Wunder, dass auch mit der Zuckerrübe experimentiert wird. Sie soll herbizidresistent und vor allem widerstandsfähig gegen Virenbefall gemacht werden. Um Letzteres zu bewirken, wurde ihr das Hüllprotein von bestimmten Viren ins Erbgut eingebaut. Um die Rübe zu veranlassen, mehr Fruchtzucker (Fruktane) zu bilden, bekam sie ein Artischockengen verpasst. Dass die Zuckerrübe sehr nahe mit der Roten Bete, mit Mangold und der Runkelrübe verwandt ist und dass diese einander bestäuben und kreuzen, stimmt bedenklich.

Der Raps (Brassica napus) ist ein wichtiger Öllieferant. Um die im Rapsöl vorhandenen Fettsäuren den Ansprüchen der Wasch- und Reinigungsmittelindustrie anzupassen, wurde ein Gen des Lorbeerbaums in die Pflanze eingeschleust, hinzu kam noch ein Gen für Herbizidresistenz und männliche Sterilität. Es ist wahrscheinlich, dass diese vererblichen Veränderungen durch Kreuzung auch auf die vielen Wildkäuter (Rübsen, Ackersenf, Hederich) und Gemüse der Brassica-Gattung übertragen werden können (Katalyse Institut 1999: 92).

Und dann gibt es auch noch die Anti-Matsch-Tomate (»Flavr Savr-Tomato), in der das Gen für das Matschigwerden ausgeschaltet wurde. Die geernteten Tomaten werden zwar alt, sehen aber immer gleich frisch aus. Der Käufer kann nicht erkennen, wie alt die Ware wirklich ist.

Auch andere Gemüse, wie Chicorée, eine Kulturform der schönen blau blühenden Wegwarte, Zucchini, Melonen, Blumenkohl, Broccoli, Himbeeren und Erdbeeren sind ebenfalls manipuliert worden (Herbizid- und Virusresistenz, männliche Sterilität, Anti-Matsch).

Die ökologischen Folgen solcher Eingriffe sind nicht abzuschätzen. Die Lebensgemeinschaften der Natur sind hochgradig vernetzt. Was geschieht, wenn durch Auskreuzungen – »vertikaler Gentransfer« – auch ganze Populationen verwandter Pflanzen und Wildpflanzen das veränderte Erbgut aufnehmen und es unkontrollierbar in der Umwelt verbreiten? Auskreuzungsgefahr besteht mit hoher Wahrscheinlichkeit bei verschiedenen Gräsern, Luzerne, Kopfsalat, Karotte, Rettich, Endivien, Kohlarten und anderen Pflanzen (Meyer/Revermann, Sauter 1998: 159). Eingebaute Herbizidresistenzen werden wahrscheinlich zu schwer kontrollierbaren Super-Unkräutern führen.

Um Gene zu übertragen, wird oft ein Markiergen für Antibiotikaresistenz benutzt. Inwieweit diese Gene für Antibiotikaresistenz mit anderen Mikrooganismen zusammenwirken, welche Auswirkung sie auf die Darmflora von Tieren und Menschen oder auf die Bodenflora haben, weiß der Kuckuck. Dass die Antibiotikaresistenz auch auf Menschen übertragen werden kann, ist wahrscheinlich (Katalyse Institut 1999: 212). Pro Gramm Erdboden zählt man rund eine Milliarde Organismen. Diese Kleinstlebewesen haben die Fähigkeit zum Genaustausch – auch über die Artgrenzen hinweg – beibehalten. Plasmide – die viel mit Antibiotikaresistenz, Schadstoffabbau und Schwermetallentgiftung zu tun haben – verlassen gelegentlich die Bakterien- oder Pilzzellen, mit denen sie in enger Symbiose leben, und nisten sich anderswo ein. Die im Boden natürlich stattfindende »horizontale« Gentransferrate nimmt proportional mit dem Stress zu, der durch Herbizideinsatz oder Mineraldüngung ausgelöst wird.71 In Anbetracht der Tatsache, dass nur etwa 20% der Bodenbakterienarten bekannt sind und davon nur 1 bis 2% im Labor kultivierbar sind und wir nicht viel über Nahrungsketten, ökologische Gleichgewichte und andere Zusammenhänge wissen, ist die Freisetzung von DNS aus gentechnisch veränderten Organismen ein russisches Roulettespiel.

Dass einige Menschen auf transgene Nahrung allergische Reaktionen (Durchfall, Ausschlag) zeigen, ist ein Warnzeichen. Wenn wir den Gedanken ernst nehmen, dass die Nahrung ordnungsgebende Informationen an unseren Organismus vermittelt, dann bedeutet die Erbgutvermischung in den Nahrungspflanzen eine »Chaotisierung« der Bildekräfte, auf die wir angewiesen sind. Das Gleiche gilt für Haustiere, deren Futter oder Futtermittelzusätze zunehmend aus transgenen Pflanzen hergestellt wird. Gene oder Erbguteinheiten sind Buchstaben im Alphabet des Lebens. Aus ihnen entstehen kohärente Sätze, die einer gesamtökologischen Grammatik folgen, die Lebensvorgänge regeln, ihnen Rhythmus und gesunde Ordnung verleihen. Genetische Manipulation ist vergleichbar mit der beliebigen Vermischung verschiedener Sprachen: Was herauskommt, ist babylonische Verwirrung; niemand versteht den anderen mehr richtig. Es war schon schlimm genug, dass man Kadaverreste – deren ekliger Geschmack mit sinnestäuschenden Aromazusätzen »maskiert« wurde – den Rindern ins Futter mischte. Die Tiere verstanden die Botschaft der »Sprache« ihres Futters nicht mehr und wurden wahnsinnig. Die Genmanipulierung ist aber noch perverser, denn die verwirrenden Botschaften werden für ewig in das Erbgut eingeschrieben. Giftige Chemikalien in der Umwelt bauen sich im Laufe der Zeit ab, Radionuklide verstrahlen, auch wenn die Halbwertszeit oft eine halbe Ewigkeit dauert, Genorganismen jedoch vermehren sich, sie sind nicht zurückzuholen. Die Wissenschaft, die solches vorantreibt, ist im wahrsten Sinne diabolisch – vom griechischen diaballein, durcheinander werfen. Es ist die Wissenschaft des Diabolos, der sich selbst als Sohn des Chaos bezeichnet.

Genetische Erosion

Wenn lokale Gemüsesorten, Kartoffeln und Getreide zugunsten transgener Hochleistungssorten aufgegeben und einige Jahre lang nicht mehr angebaut werden, ist das alte Saatgut verloren. Die genetischen Eigenschaften, die sich über mehrere Jahrtausende in diesen einheimischen Sorten herausgebildet haben, können nie wieder auf die Erde gebracht werden, wenn das Saatgut – der physische Anker der Sorten – fehlt, ebenso wie man ausgestorbene Tierarten nicht künstlich wieder herstellen kann (Clark 1975: 64). Schon so viele örtlich angepasste Sorten sind durch die einheitlichen, lebensschwachen »Wundersorten« verdrängt worden, dass die Uno ihre Besorgnis bekundete und »Samen- und Erbgutbanken« aufstellen ließ, um bedrohte Sorten zu bewahren. Diese teuren und vollkommen unzuverlässigen Banken sollen den Züchtern eine Reserve geben, wenn die neueren Kultursorten weiter degenerieren.

Trotz einiger Saatbanken, die in den USA und anderswo an botanischen Instituten gegründet wurden, schreitet die Erosion der genetischen Diversität fort. Zwei Beispiele: 75% der Luzernesorten und 90% der Kleesorten sind weltweit seit der Wende zum 20. Jahrhundert verschwunden (Gilstrap 1961: 26). In der BRD sind 90% der hier einmal existierenden Kultursorten bereits ausgestorben (Meyer/Revermann/Sauter 1998: 47) Man erinnere sich nur, wie viele verschiedene Apfel- und Birnensorten sogar noch nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Wochenmärkten feilgeboten wurden. Die Gefahr ist, dass unsere Lebensmittel auf eine immer beschränktere genetische Basis gedrängt werden. Welcher Bauer und welcher Gärtner züchtet heutzutage noch sein eigenes Saatgut? Die Gefahren einer verarmten genetischen Grundlage der Nahrungsmittel wurde 1970 den Maisfarmern in Amerika vor Augen geführt, als eine neue Pilzkrankheit trotz Fungiziden 15 Prozent des hochgezüchteten, hybriden Maises vernichtete und die Lebensmittelpreise in die Höhe schnellen ließ.72 Nur durch die hektische Nachzüchtung neuer Kreuzungen im selben Winter auf der Insel Hawaii konnte das Saatgut für den Mais des folgenden Jahres sichergestellt werden. Viel schlimmer jedoch war die Katastrophe in Europa, als 1853 die Kartoffelknollenfäule in den Kartoffelmonokulturen wütete. Da in ganz Irland nur eine einzige Sorte wuchs, war die Katastrophe so vollkommen, dass die Bevölkerung der grünen Insel von acht auf vier Millionen Menschen sank. In Sri Lanka zerstörte ein Rost die gesamte Kaffeemonokultur und machte den weiteren Anbau unmöglich. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts »degenerierte« der seit Jahrtausenden besungene Weinstock. Fast die ganze Weinkultur Europas erlag der amerikanischen Reblaus und dem Schimmel. Nur das Pfropfen auf eine amerikanische Wildsorte sowie Gift und Schwefel scheinen heutzutage die Rebe des Bacchus noch am Leben halten zu können. Trotz hektischer Forschungsaktivität verkommen die Kulturpflanzensorten immer schneller.73

Schon in den Vierzigerjahren kritisierte der große Bodenkundler William Albrecht von der Universität Missouri die Idee der genetischen Züchtung: »Es gibt einige Leute, die meinen, dass man so weit selektionieren und züchten kann, dass eine Leguminose z. B. aziden Boden verträgt oder dass Weizen rostresistent werden kann. Aber solche Vorstellungen beruhen auf fehlerhafter Logik. Sie halten nicht stand vor der reductio ad absurdum. Wenn man diese Vorstellungen bis zu ihrem logischen Schluss entwickelt, dann sollte es möglich sein, Pflanzen zu züchten, die gegen absoluten Nährstoffmangel widerstandsfähig sind« (Albrecht 1975: 253). Albrecht kam zu dem Schluss, dass das Instandhalten des Bodens durch Humuspflege, nicht aber genetische Manipulation die Antwort auf die fortschreitende Degeneration ist.

Zum gleichen Schluss kam Sir Albert Howard. Bei den Wildpflanzen in der freien Natur und bei den uralten Sorten, die von Eingeborenen angepflanzt werden, gibt es keine Saatgutdegeneration. In Indien erlebte er Sorten, die so alt waren, dass sie noch ihre Sanskritnamen trugen (Howard 1972: 11). Sir Howard sah den Grund der Degeneration in den kunstdüngerbehandelten Böden, die den Pflanzenkeimen nicht genügend Lebenskraft nachliefern können. Nur durch Kompostierung könne man sicher sein, dass die Pflanzen nicht nur eine gute Nahrungsqualität ergeben und schädlingsresistent sind, sondern dass sie auch gutes Saatgut liefern. Arthur Hermes bestätigte diese Ansicht ebenfalls. Der alte Bauer zeigte mir seine Kartoffeln – eine kleine Sorte mit rosa Fruchtfleisch – und erklärte: »Hier ist eine Kartoffelsorte, die offiziell schon längst ausgestorben, degeneriert ist. Es ist die Rosenkartoffel, die ich aus der norddeutschen Heide mitgebracht habe.« Hermes hielt die Rosenkartoffel und eine andere, nicht mehr marktfähige Sorte (die gelbe Krauskartoffel) über mehrere Jahrzehnte bei kräftigem Wachstum durch Kompostdüngung, das Beizen der einzelnen Augenstücke mit Holzasche und das Pflanzen in Hügelbeeten bei günstigen Mondzeichen. »Man muss dazu auch liebevolle Gedanken denken«, verriet er nebenbei.

Die offizielle Meinung der etablierten Genetik

Nach der Überzeugung dieser Reformer und vieler kritischer Landwirte kann das Saatgut durch Kompostierung, gute Pflege und die günstige Gestaltung von Umweltfaktoren beeinflusst und verbessert werden. Dieser Gedanke wird jedoch von der etablierten, neodarwinistischen Genetik als längst überwundener Lamarckismus oder Lysenkoismus strikt abgelehnt. Die Gene sind, so heißt der Lehrsatz, von Umweltfaktoren absolut unabhängig. Nur durch Züchtung (Selektion und Kreuzung), Genmanipulation und natürliche oder induzierte Mutationen kann Veränderung im Erbplasma geschaffen werden, aber nicht durch Humus und Pflegemaßnahmen, und erst recht nicht durch »mystische« Faktoren wie »liebevolle« Gedanken! Durch Umweltmanipulation kann nur die Erscheinung (Phänotypus), aber nicht der genetische DNS-RNS-Code (Genotypus) verändert werden. Die Vererbungsregeln Gregor Mendels beweisen das.

August Wassermann hat bei Laborversuchen die Schwänze von Laborratten über zwanzig Generationen hinweg abgeschnitten, und jedesmal wurde die nächste Generation mit Schwänzen geboren. Lamarck hatte also Unrecht, wenn er meinte, dass eine äußere Einwirkung nach einigen Generationen einen Eindruck auf das Erbgeschehen macht. Auch der von Stalin begünstigte und später unter Chruschtschow in Ungnade geratene Biologe T. D. Lysenko, der Erbanlagen durch Pfropfen, Veredeln und Umweltveränderung (Vernalisation) beeinflussen wollte, ist völlig widerlegt. Die Entdeckung der Vererbungsmechanismen mit dem Auffinden des genetischen Codes (Watson-Crick-Modell) unterstreicht die Tatsache, dass die Chromosomen – ähnlich den Professoren in ihren Laboratorien – gegen äußere Einflüsse gefeit sind, aber nach außen hin mächtigen Einfluss ausüben. Diese splendid isolation erlaubt es den am besten angepassten Genen, die Willkür der Erscheinungswelt sicher zu überleben. (Die Wissenssoziologie hätte dazu sicher einiges zu sagen!)

Diese Gedanken liefern die Grundlage für die Behauptung, dass Hühnerbatterien, unnatürliche Hochleistungsbetriebe, das Trennen der Viehwirtschaft von der Pflanzenzucht, Monokulturen, Kunstdünger, Chemikalien und Gifte dem Erbgut absolut nichts antun können. Durch diese Maßnahmen seien die Degenerationserscheinungen niemals zu erklären. Weiterhin hegt man die Meinung, dass es die Degeneration eigentlich doch gar nicht gibt, denn der Begriff würde eine gesunde Gestalt, einen »Typus« voraussetzen. Dobzhansky argumentiert eindringlich, dass der Gedanke des »Typus« nur eine leere, idealistische Vorstellung ist, die auf die Ideenlehre Platons und auf die statische Vorstellung des Christentums zurückgeht, die sagt, dass jede Art von Gott einzeln erschaffen ist oder als Urbild irgendwo existiert (Dobzhansky 1973: 31). Er plädiert, anstatt eines »typologischen« Denkens ein »populationelles« Denken einzusetzen. Es gibt keine Urbilder, aber es gibt Populationen (Fortpflanzungsgemeinschaften), die zu einem Zeitpunkt zufällig eine Kombination von verschiedenen Erbanlagen besitzen. Dieser populationelle Genpool verändert sich sowieso im Laufe der Zeit durch Fehlinformationen in der DNS-RNS-Duplikation, durch genetische »Unfälle«, wie den Verlust (deletion) oder den Austausch (crossovers) eines DNS-Abschnitts, und überhaupt durch die Labilität der Fortpflanzungsgemeinschaften (gene drift). Da liegt kein übersinnlicher Plan vor, keine Entelechie, sondern als Mechanismus wirkt der reine Zufall. Warum sollte nicht der Mensch zu seinem eigenen Nutzen eingreifen und, anstelle des reinen Zufalls, die Gene absichtlich so manipulieren, dass er mehr und bessere Nahrung produzieren kann? Warum nicht Superkühe und Supergemüse züchten, die sich den Bedingungen einer maschinell leicht zu handhabenden Monokultur und chemischer Fürsorge anpassen können?

Die Sprache, die man mit Pflanzen spricht

Während man auf der einen Seite, in der etablierten Genetik, bizarre Verkrüppelungen des Erbguts und einige Hochertragssorten hervorbringt, die aber ohne Gift und technologische Unterstützung lebensunfähig sind, haben auf der anderen Seite einige Menschen, allerdings mit anderen Methoden, erstaunliche Erfolge mit neuen Sorten erzielt. Luther Burbank, der »Gartenzauberer von Menlo Park« (Kalifornien), war der Ansicht, dass Pflanzen durch die Liebe und das Interesse des Gärtners so formbar sind wie Ton in den Händen eines Töpfers. Er überschwemmte die Gartenbaukataloge mit Hunderten neuer Pflanzensorten: riesigen Blumen, stachellosen Kakteen und einer neuen Kartoffelsorte. Diese Burbank-Kartoffel gehört inzwischen in den USA als »baked potato« zu jedem Festtagsessen. Es gelang ihm, diese neue Kartoffelsorte über Samen zu züchten anstatt über Wurzelklone. Seine Methode hat er nirgendwo ausführlich formuliert. Er »rede« mit den Pflanzen, wurde ihm nachgesagt. Nebenbei äußerte er jedoch, dass die Pflanzen zwanzig Möglichkeiten der Sinneswahrnehmung besitzen, dass sie jedoch wie alte Männer festgefahrene Lebensgewohnheiten haben; wenn man aber mit ihnen »spreche«, sich ihnen liebevoll zuwende, dann könne man sie überreden, ihre Gewohnheiten etwas zu ändern, damit sie sich auf eine andere Art äußern. Die Gedankenüber tragung des Menschen habe eine formative Kraft (Yogananda 1969: 360). Das wusste auch der Gärtner Goethe: »Die Pflanze gleicht den eigensinnigen Menschen, von denen man alles erhalten kann, wenn man sie nach ihrer Art behandelt.«

George Washington Carver, der dem durch die Baumwollmonokultur verarmten Boden und den noch mehr verarmten schwarzen Pächtern der Südstaaten Erdnüsse, Süßkartoffeln und Tannenhölzer zur Genesung gab, sagte Folgendes über seine Erkenntnismethode: »Alle Blumen sprechen mit mir, und auch viele andere Lebewesen im Wald. Was ich weiß, lerne ich, indem ich beobachte und liebe« (Thompkins/Bird 1974: 132). Ähnliche Erfolge scheint der russische Pflanzenzüchter J. W. Mitschurin gehabt zu haben. Der österreichische Biologe Kammerer konnte bei einer Molchart durch Veränderung der Umwelt dieser Tiere anscheinend sogar eine vererbbare Veränderung der Handschwielen hervorrufen, und es gelang ihm, dass sie sich in seinem Labor vermehrten. Diese Tatsache passte ganz und gar nicht in das Schema der neodarwinistischen genetischen Theorie. Man verfälschte seine Darstellungen, warf ihm Betrug vor, und er beging Selbstmord. Keinem der ihm kritisch gegenüberstehenden Wissenschaftler gelang es, seine Molchzüchtung nachzuvollziehen: Die Molche wollen einfach nicht kooperieren. Wenn Kammerer kein Schwindler war – was für seinen ehrwürdigen Biografen Arthur Koestler außer Frage steht –, wie erklärt man dann seinen eigentümlichen Erfolg in der Züchtung? Er liebte seine Kaltblüter so sehr, dass er sich sogar den Spitznamen »Krötenküsser« erwarb, als er auf einer Wanderung in Mähren eine Kröte fand und sie sachte auf den Kopf küsste. Seiner einzigen Tochter gab er den Namen der hübschen Zauneidechse Lacerta als Vornamen. Es war ihm fast unmöglich, seine Labortiere zu töten, um sie zu präparieren. Auch bei diesem Wissenschaftler erkennen wir einen Faktor, der der konventionellen Wissenschaft fehlt: seelische Wärme und eine liebevolle Beziehung.

Hier haben wir den Schlüssel, um zum Wesen zu gelangen, das hinter der Erscheinung liegt. Hier kommen wir über das Manipulieren der materiellen DNS hinaus und dringen zu den lebendigen, plastischen Bauplänen, zur ätherischen Formkraft des »Typus« vor. Auch hier gilt das Prinzip Similia similibus: Totes Denken nimmt nur eine tote Welt wahr und führt zu Abbruch, Chaotisierung und Degeneration. Liebevoll einfühlendes Denken schafft Kontakt mit lebenden Wesen. Der mikrokosmische Geist des Menschen spricht die übersinnlich im Makrokosmos weilenden Wesen an, die dann ihrerseits dem Menschen zu Gefallen auf ihre Erscheinungsform einwirken. Der wahre Pflanzenzüchter hat übersinnliche Verbindungen mit den plastischen Urbildern, ebenso wie der Schamane, der Wildbeuter Kontakt mit den Gruppengeistern des jagdbaren Wildes hat. Immer wieder wird dem Ethnologen erzählt, wie der »Herr der Tiere« seine Kinder in das Innere des Berges oder in den tiefsten Wald zurückruft, wenn die Jäger böse oder unmoralisch werden, und wie er sie auf Bitten des Schamanen gegen das Versprechen der Besserung den Menschen wieder als Nahrung schickt. Noch viel schwieriger als mit den Tieren ist es, die Verbindung mit dem Gruppengeist der Pflanzen herzustellen. Die Geistwesen (Devas) der Pflanzen sind ja viel weiter »draußen« in der transsinnlichen Welt. Der Pflanzenzüchter muss ein Pflanzenschamane werden und muss dort, in den tieferen Dimensionen, wo auch die Toten und die Ungeborenen weilen, mit der »Herrin der Pflanzen« sprechen. Die Hochschulwissenschaftler, die in der untersinnlichen Welt der DNS-Moleküle herumstöbern, suchen in der falschen Richtung und verbauen sich sogar den Zugang zu diesen Wesen. Genmanipulierung, Bestrahlung, Elektrokultur, Hydrokultur, Hydroponik und ähnliche durch Habgier motivierte Methoden vertreiben die Wesen der Erscheinungswelt, so dass ihre Manifestationen degenerieren oder gar aussterben.

Der biologisch-hermetische Gärtner kann jedoch sein Saatgut erhalten. Er braucht diese Lebensanker nicht den lebensfeindlichen Technokraten und den großen Handelsgesellschaften zu überlassen. Er kann sogar bessere Pflanzen züchten, denn er hat eine direkte seelische Verbindung mit den lebenden makrokosmischen Seelen.

Wie erhält man das Saatgut?

Wenn der Same in den Boden gestreut wird, wird er von den Elementen Wärme, Wasser und Bodenluft erfasst. Er quillt auf, Fermente und Katalysatoren zersetzen Öle und Fette, Stärke wird gespalten, Eiweißstoffe zerfallen. Es entsteht ein molekulares »Chaos«; der Sameninhalt gleicht dann der alchemistischen Prima materia. In dieses Chaos können die formgebenden kosmischen Kräfte hineinwirken. Daher sorgt man dafür, dass man zu den richtigen Zeiten bei günstigen Konstellationen aussät. Wenn man einfach gute Nahrungsmittel anbauen will, richtet man sich hauptsächlich nach den Mondphasen, dem Vollmond und Neumond. Wenn man aber speziell Saatgut nachziehen will, dann sollte man auf die Mondzeichen (siderischer Mond) achten und Wurzelgemüsesamen an Wurzeltagen in die Erde bringen, Blattgemüsesamen an Blatttagen und Früchtesamen an Fruchttagen aussäen. Auf diese Weise kann der Archetypus stärker eingreifen. Man muss sich meditativ nach der goetheanistischen Methode in die Bilder und Pflanzeneigenschaften hineinversetzen, um das genau entsprechende Zeichen herauszufinden, das für die einzelne Art am besten ist. So werden zum Beispiel die Knollen für Kartoffelsaatgut am besten im Erdzeichen des Stiers gesetzt.

Der innere Kosmos hat auch eine informierende, bildende Wirkung auf das Saatgut, wenn sich die Samen im Stadium des Chaos befinden. Arthur Hermes ließ beim Aussäen die Sonne im inneren Firmament scheinen; er schüttelte den Samen in seiner Hand und lenkte seine Gedanken dabei auf das Sonnenwesen Christus’. Bei einigen Völkern wird beim Säen gesungen, bei anderen bewusste Stille bewahrt; bei einigen feiert man Orgien in den Feldern, und in anderen übt man Enthaltsamkeit. In jedem Fall ist die seelische Verbindung mit dem Keimungsprozess und mit dem Pflanzenwesen hergestellt.

Nicht nur das innere und das äußere Firmament sind zu beachten, sondern auch der Boden als irdischer Faktor. Der Same muss für seine Lebenskraft genügend Humus vorfinden. Gesalzene und vergiftete Böden, die keine Lebensätherkräfte enthalten, lassen zudem keine gesunde Ausprägung der Pflanzengestalt zu; Insekten und Pilzsporen kommen dann, um diese kränklichen Ausgestaltungen abzuräumen. Der präparierte Kompost liefert genügend solche Lebenskräfte, so dass sich die Pflanze nicht vor der nächsten Samenbildung erschöpft, sondern von der Keimung (Mond) bis zur Reife (Saturn) ungehindert die ganze planetarische Leiter hinaufsteigen kann. Wir erinnern uns, dass man die Pflanzenmetamorphose planetarisch ausdrücken kann: Keimling (Merkur), vegetatives Wachstum (Sonne, Venus), Blüte (Mars), Frucht (Jupiter) und Samen (Saturn). Nachdem der Same erreicht ist, zieht sich die Pflanzengestalt wieder in ihr übersinnliches Urbild zurück. Wenn der Gärtner im Frühling die Samentüte hervornimmt, wird er selbst zum Saturn (lat. sator = Sämann). Seine warmen, trockenen Hände lassen den Samen sozusagen aus dem »Himmel« fallen. Die kalte, feuchte Erde ist der »Mond«, die Mondensphäre, aus der bei der Keimung die Pflanze in eine neue Inkarnation tritt.

Man erhält das Saatgut, wenn man dem Pflanzenwesen einen schönen Weg bereitet, so dass es sich an seiner Inkarnation erfreuen kann. Ein weiser Gärtnermeister kann unter Umständen das Pflanzenwesen bitten, aus dem »Himmel« eine neue Anlage oder Eigenschaft mitzubringen. Aber wer von uns heutigen Menschen hat eine solche Geisteskraft?

Die Aussaat

Man wählt die Saatzeit, die der Pflanze zusagt. Das Beet ist von Unkraut gesäubert, gelockert und mit Kompost gedüngt worden. Die Entfernung zwischen den Reihen ist auf die Sorten abgestimmt. Die Menge der Samen und die Dichte der Saat ist keine allzu schwierige Erfahrungssache, wobei allerdings der Anfänger immer zu dicht sät. Das macht aber nichts, denn man kann immer die zu eng zusammengedrängten Keimlinge lichten. Genauere Angaben findet man in Fachpublikationen, wie etwa Manfred Stauffers »Gemüsebau für Gemeinschaften« (1979).

Einige Sorten, wie Bohnen und Erbsen, lässt man zwölf Stunden vorquellen. Wenn man sie länger im Wasser vorquillt, können sie ersticken, da sie ja atmende Lebewesen sind. Gurken, Kürbisse und Melonen lässt man in Milch vorquellen. Gesundes Saatgut braucht nicht mit Fungiziden gebeizt zu werden, aber ein Saatbad, vermischt mit biodynamischen Präparaten, kommt ihm zugute. Das Hornmistpräparat unterstützt die Wurzelentwicklung (Pfeiffer 1977: 195).

Die Regel für die Saattiefe ist, dass man die Samen so tief in den Boden bringt, wie sie breit oder lang sind. Eine Ausnahme bilden die Lichtkeimer wie Salat, Tabak, Schinkenwurzel oder Kamille, die man nur an die feuchte Bodenoberfläche drückt.

Einige Gemüsearten springen fast aus dem Boden, kaum hat man sie ausgesät; dazu gehören die Kreuzblütler, Sonnenblumen und Salate. Sehr langsam hingegen keimen die Doldenblütler (Karotten, Pastinaken, Petersilie usw.), Neuseeländer Spinat und die meisten Küchenkräuter. Da man manchmal bis zu einen Monat warten muss, bis sich die Jungpflanzen zeigen, ist es günstig, die Reihen mit einer Markiersaat aus Schnittsalat oder Radieschen, die man unter die Langsamkeimer mischt, zu kennzeichnen.

Das Aufbewahren von Saatgut

Nur die besten Pflanzen – der Salatkopf, der am spätesten »schießt«, der festeste Kohlkopf, die größte Topinamburknolle – werden für die Saatguterzeugung ausgesucht. Es handelt sich natürlich um Pflanzen, die zur richtigen Konstellation in den Boden gebracht und mit Kompost gedüngt wurden. Von Hungerformen, die vorzeitig zur Samenreife kommen, nehmen wir keine Samen.

Die Samen müssen an der Mutterpflanze so lange ausreifen wie nur möglich. Eine über die reifende Dolde oder Ähre gebundene Tüte schützt die Samen vor frechen Finken und vor Ausfall. Wenn sie dann ganz reif sind, schneidet man die Rispen, Ähren, Dolden oder den Blütenkopf, drischt sie in der Tüte aus und worfelt sie. Bohnen, Erbsen und Mais lässt man in den Hülsen oder am Kolben nachreifen. Fleischige Früchte wie Tomaten, Kürbisse, Gurken, Auberginen oder Paprikas lässt man am Stock überreif werden, dann kratzt man die Samen heraus und lässt sie ein oder zwei Tage in Wasser leicht gären. Auf diese Weise säubert man die einzelnen Samen von dem klebrigen Fruchtfleisch. Auf Löschpapier oder einem feinmaschigen Gitter werden sie dann getrocknet.

Alle Sämereien werden mit Datum und Sortennamen genau beschriftet und kühl, trocken und dunkel aufbewahrt, damit sie weder Schimmel noch Mehltau befallen und sie nicht in ihrer Samenruhe gestört werden. Schnupftabakdosen, die wegen ihres Nikotingeruchs abstoßend auf samenfressende Käfer wirken und sich dicht schließen lassen, sind die besten Behälter zur Aufbewahrung.

Fast alle Gemüsesorten keimen, schon kurz nachdem sie geerntet und getrocknet sind. Die Doldenblütler müssen aber mindestens einen Monat nachreifen, ehe sie keimen; Rote Bete (Rande) und Mangold werden nach zwei bis drei Jahren keimungsfreudiger. Der Knollenziest (Stachys) und Enzian brauchen Frost, um zu keimen; andere Arten keimen besonders gut bei ihnen zugetanen Konstellationen; wiederum andere wie die Tomaten haben in der äußeren Schale Keimhemmstoffe, die erst abgebaut werden müssen und so verhindern, dass der Same schon in der Frucht keimt.

Keimfähigkeit

Wie lange kann man Samen aufbewahren? Ist es nötig, jedes Jahr frisches Saatgut zu kaufen oder zu erzeugen? 1954 wurde bei einer Expedition ein fast zehntausendjähriger Lupinensamen im Eis des Yukon-Territoriums gefunden – keimfähig! Man weiß, dass Lotussamen nach tausend Jahren noch keimen, ebenso die Königskerze. Aber der keimfähige Weizen aus ägyptischen Mumiengräbern scheint dem Bereich der Fabel anzugehören. Auf jeden Fall haben Samen eine längerwährende Vitalität, als die verkaufsfreudigen Vertreter der Samenhandlungen uns glauben machen wollen. Die optimale Keimfähigkeit ist in der folgenden Tabelle angegeben; nach dieser Zeitspanne nimmt die Vitalität langsam ab.

Sellerie

10 Jahre

Gurke, Endivie

8 Jahre

Rote Bete (Rande), Aubergine, Melone, Kürbis

6 Jahre

Kohlsorten, Salat, Kürbis, Spinat, Speiserübe

5 Jahre

Spargel, Karotte, Senf, Paprika, Tomate

4 Jahre

Lauch, Bohnen, Petersilie, Erbsen

3 Jahre

Zuckermais, Zwiebel, Haferwurzel, Pastinake

2 Jahre

Wenn man wissen will, ob lange aufbewahrtes Saatgut noch keimfähig ist, kann man den Prozentsatz ermitteln, indem man hundert Samen zwischen nasses Löschpapier sät und dann zählt, wie viele gekeimt haben. Man kann auch zwanzig Samen säen und die gekeimten mit fünf multiplizieren, dann bekommt man ebenfalls den Prozentsatz des keimfähigen Saatguts. Aus dieser Überprüfung ergibt sich, ob es überhaupt wert ist, den Samen auszusäen, oder wie dicht man ihn säen soll.

Bestäubung und Kreuzungen

Durch die Bestäubung werden die haploiden Chromosomensätze der einen Pflanze durch die der anderen ergänzt und bilden den »Embryo« der neuen, diploiden Pflanze.74 Manche Blüten werden von Insekten bestäubt, andere vom Wind, wieder andere sind Selbstbestäuber. Selbstbestäubung, wie man sie bei Tomaten, Bohnen, Erbsen und Mais findet, macht es dem Gärtner leicht, gute Samen zu bekommen, da unerwünschte Kreuzungen selten vorkommen. Der Salat kann sich selbst bestäuben, aber auch von den windgetragenen Pollenkörnchen des stacheligen, bitteren Stachellattich (Lactuca scariola) befruchtet werden. Da dies das Saatgut verderben würde, sollte man sorgfältig alle wildwachsenden Stachellattiche in der Umgebung des blühenden Kopfsalats entfernen. Haferwurzel, Chicorée und Gartenlöwenzahn sind gleichfalls Selbstbestäuber, werden aber gerne von Bienen besucht, die sie mit ihren wildwachsenden Verwandten Wiesenbocksbart (Tragopogon pratensis), Wegwarte (Cichorium intybus) und Feldlöwenzahn (Taraxacum officinale) kreuzen.

Man muss darauf achten, dass Paprika und Chilipfeffer einander nicht bestäuben. Gurken, Kantalupen und Wassermelonen bringen keine Kreuzungen hervor, aber bei Zucchini und anderen Kürbissen entwickeln sich eigenartige, mitunter ulkige Bastarde. Blattmangold, Rippenmangold, Rote Bete (Randen) und Zuckerrüben werden vom Wind befruchtet und können unerwünschte Kreuzungsresultate hervorbringen. Blumenkohl, Grünkohl, Kohlrabi, Rosenkohl, Broccoli und andere Kohlarten gehören alle der Gattung Brassica oleracea an und werden von Bienen oder Schmetterlingen sehr leicht gekreuzt, was zu unbrauchbaren Bastarden führt. Karotten kreuzen sich mit der Wilden Möhre (Daucus carota) zu einer holzigen, mageren Wurzel. Lauch vermischt sich mit Zwiebeln, wenn man nicht aufpasst, ebenso Knollensellerie mit Bleichsellerie. Höchst problematisch könnte sich in Zukunft die Bestäubung durch genveränderte Pflanzen erweisen. Um dergleichen unerwünschte Kreuzbestäubungen zu verhindern, muss man ganz bei der Sache sein. Samennachzucht ist nicht etwas, das man so nebenbei betreiben kann. Zur Blütezeit kann man die auserkorenen Blüten mit einer Papiertüte abschirmen und von Hand die Arbeit des Windes oder der Insekten übernehmen, indem man mit einem weichen Kamelhaarpinsel den Pollen auf die Narbe bringt. Wenn die Früchte sich zu formen beginnen, kann man die Tüte wieder entfernen.

Zu den einjährigen Gemüsepflanzen, von denen man Saatgut innerhalb eines Jahreslaufes gewinnen kann, gehören alle Hülsenfrüchte, alle Nachtschattengewächse, alle Gurken- und Kürbisarten, Kopfsalat, Rauke, Radieschen, Chinakohl, Spargelkohl, Gartenmelde, Gartenkresse, Spinat und Neuseeländer Spinat. Zweijährige Arten wie die Kohlsorten, die Doldenblütler, Rote Bete (Randen), Mangold, Lauch und Zwiebeln wachsen das erste Jahr ins Kraut, dann brauchen sie eine Winterruhe mit tieferen Temperaturen (Vernalisation). Erst im zweiten Jahr zeigen sie Blühbereitschaft. In tropischen Ländern, wo es keine Winter gibt, gelangen diese Pflanzen nie zur Blüte. Wir lassen diese Pflanzen entweder im Beet, unter einer tiefen Mulchdecke vor Frost geschützt, oder graben sie mitsamt einem Erdballen aus und bewahren sie bis zum Frühling im Wurzelkeller, ehe wir sie wieder ins Beet pflanzen. Wenn Fenchel, Sellerie oder Lauch schon im ersten Jahr Samen machen, nehmen wir diese frühreifen Exemplare nicht als Saatgut.

Viele Gartengewächse werden nicht aus Samen gezogen, sondern vegetativ vermehrt. Bei Kartoffeln und Topinambur zerteilt man die Knollen, wobei jedes Auge (Knospe) eine neue Pflanze bildet. Bei Beinwell, Meerrettich, Baldrian und Rhabarber teilt man ebenfalls den Wurzelstock. Bei Erdbeeren, Minze, Brennnessel, Rainfarn und etlichen Stauden werden die Ausläufer zur Vermehrung abgetrennt.

Man sieht, dass die Saatgutvermehrung ziemlich viel Aufmerksamkeit erfordert. Aber weder braucht jedes Jahr frisches Saatgut hergestellt zu werden, noch braucht man alle Samen selbst zu züchten. Ein Gartenverein, Nachbarn oder gute Freunde sind immer bereit, nicht nur gute Ratschläge auszutauschen, sondern auch Samen und Stecklinge. Verschiedene Menschen haben auch ganz unterschiedliche Erfolge mit der Saatgutherstellungm, vieles hängt von ihrem »inneren Himmel« ab. In unserer Nachbarschaft in Oregon lebte ein alter Gärtner aus Texas, der besonders gerne den Abelmosch (Okra) verspeiste und auch einen unglaublichen Erfolg mit der Anzucht dieser Gemüseschote hatte. Er beschenkte die ganze Gegend mit dem Samen. Ein polnischer Einwanderer, der jedes Jahr den ersten Preis für die größten Sonnenblumen an der county fair gewann, segnete die ganze Nachbarschaft mit Sonnenblumenkernen. Auf diese Art kann die Saatguterzeugung eine Gemeinschaftssache werden. Man kann beobachten, dass es oft die älteren Männer sind, die sich selbst dem Saturnalter nähern, die die nötige Ruhe und Gedankenklarheit haben, um das beste Saatgut zu erzeugen. Der biologisch-hermetische Gärtner wird eine tiefe Befriedigung erfahren können, wenn er das Pflanzenwesen vom Samen bis zum Samen durch die Pflanzeninkarnationen begleiten kann.

65 Der schnell wachsende Markt für Saatgut wurde im Jahr 2000 auf über 12 000 000 000 US- Dollar geschätzt (Baumgarner 2000: 115).

66 Auch die schönen Florfliegen, die zu den besten Freunden des Gärtners zählen, werden in Mitleidenschaft gezogen, wenn sie Bt-geschädigte Insekten (Maiszünsler) fressen.

67 Es ist noch immer vor allem die Kartoffel, mit der die meisten Nordeuropäer ihren Vitaminbedarf – auch an Vitamin C – decken.

68 Die Tatsache, dass Pilz- und Virusanfälligkeit ein Indikator einer geschwächten Umwelt (Verlust an Bodenlebendigkeit, Wetterunbeständigkeit durch Treibhauseffekt und dergleichen) ist, wird weitgehend ignoriert.

69 Als Arpad Pusztai, der Genforscher, der das Gengift aus dem Schneeglöckchen in die Kartoffel einbaute, die neuen Kartoffeln an Versuchsratten verfütterte, erlebte er eine Überraschung. Die Ratten wurden krank, die inneren Organe schrumpften, es kam zu Entzündungen im Verdauungstrakt. Seltsamerweise bekamen die Ratten diese Symptome nicht, wenn sie das reine Schneeglöckchengift bekamen, sondern nur, wenn sie die Genkartoffeln fraßen. Als Pusztai danach öffentlich erklärte: »Hätte ich die Wahl, würde ich gentechnisch veränderte Lebensmittel nicht essen«, war er seinen Job am Rowett-Institut in Aberdeen, Schottland, los (Grimm 1999a: 157).

70 Übertriebener Zuckerkonsum ist, wie Psychologen hervorheben, oft Ersatz für mangelnde Liebe, für die »Süße des Lebens«.

71 Der durch unnatürliche landwirtschaftliche Praktiken erzeugte Selektionsdruck unter den Bodenorganismen führt auch zu einer beschleunigten Mutationsrate. Dabei handelt es sich nicht, wie bisher angenommen, nur um Zufallsmutationen und natürliche Auslese, wie in der neodarwinistischen Dogmatik behauptet wird, sondern um gezielte Veränderungen. »Wenn man etwa Bakterien, die an Nahrungsmittelmangel einzugehen drohen, einen Zucker anbietet, den sie normalerweise nicht verdauen können, treten sehr viel häufiger, als nach der Zufallstheorie zu erwarten wäre, Mutationen auf, durch die die Bakterien genau die Enzyme bekommen, die sie in ihrer gegenwärtigen Lage brauchen« (Sheldrake 1993: 166).

72 Alte, gewöhnliche Sorten blieben vom Pilz verschont.

73 Bei der Tierzucht hat man die gleichen Probleme. Kühe, die auf Milchhöchstleistung gezüchtet werden, können ohne Tierarzt kaum mehr kalben. Auch hier wird die genetische Basis immer schmaler. Ein Viertel des amerikanischen Buntviehs stammt vom eingefrorenen Samen eines einzigen Hochleistungsbullen ab. Wie viele Erbanlagen für Krankheitsresistenz, Raufutterverwertung, Intelligenz usw. sind bei den Haustieren aufgrund solcher Züchtungen verloren gegangen! Haben die Miste solcher entarteter Tiere überhaupt noch die belebende, astralisie- rende Kraft, die Boden und Pflanze brauchen?

74 Ein haploider Chromosomensatz ist ein einfacher Chromosomensatz, wie man ihn bei Einzellern findet, die sich nur asexuell vermehren, oder wie man ihn in den Keimzellen (Ovum, Sperma) höherer Organismen findet. Im Gegensatz dazu hat ein diploider Chromosomensatz die Erbanlagen beider elterlichen Teile.